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Rabbi Meyer.

Zum Gebet versammelt Israel war,
Durch die Scheiben schien die Sonne klar,
Rabbi Meyer stand vor dem Altar,
Der Talar
Fiel herab um ihn in prächt'gen Falten.

Feurig und beredten Worts sein Mund
That die Wand'rung durch die Wüste kund;
Aus dem Herzen drang's zum Herzen, und
Gottes Bund
Schildert' er und seiner Gnade Walten.

»Für das kommende Geschlecht nur fleht.
Das dem Bäumlein gleich in Blüthe steht;
Das gelobte Land, das Ihr nicht seht,
Sein wird's spät!
Ihm wird reisen, was gesä't wir haben.«

Sprach's, da naht der Stadt sich eine Schaar
Mit zwei Leichen auf der Todtenbahr',
Die dem Fluß entrissen; sagt, wer war
Dieses Paar?
Wehe, Rabbi! es sind Deine Knaben!

Sie, die schriftgelehrt und fromm und gut,
Wie die Cedern kräftig, und voll Muth,
Deren Auge strahlte milde Gluth,
In der Fluth
Hat der Engel sie dem Tod geweihet!

Rückwärts führt kein Pfad hinauf zum Licht, –
Und die Mutter, ob ihr Herz auch bricht,
Sinkt auf's Knie, verhüllt ihr Angesicht,
Fromm dann spricht:
»»Herr! Du gabst, Du nahmst, sei benedeiet!««

Deckte mit dem weißen Sterbekleid'
Sie, die ihres Lebens Trost und Freud';
Mild ein Strom von Thränen Lindrung beut
Ihrem Leid:
Sieh! da kommt der Rabbi heimgegangen.

Und die Lampe zündet sie in Hast,
Lächelnd grüßt sie ihn und schnell gefaßt,
Als er, ruhend von des Tages Last,
Sie umfaßt.
Und sie liebend küßt auf Stirn und Wangen.

D'rauf spricht er, zur Gattin hingewandt:
»Gingen meine Söhne über Land?
Leer im Tempel, wo man stets sie fand,
War ihr Stand.«
»»Sie sind in der Näh'!«« erwiedert Jene.

Als den Tisch sie nun zurecht gemacht,
Und dem Mann' den Becher Wein gebracht,
Daß er danke Gott, der Tag und Nacht
Uns bewacht.
Sprach er wieder: »Rufe meine Söhne!«

Auf zum Himmel blickt sie, wie verklärt,
Der im höchsten Schmerz ihr Kraft gewährt.
Und entgegnet: »»Die uns Gott bescheret,
Unversehrt
Sind und nahe, unsres Stammes Zweige.««

D'rauf beruhigt er das Mahl genießt,
Das mit frommen Liedern er beschließt:
»Du, dem's Vöglein singt, dem's Blümchen sprießt,
Herr! Du stehst,
Wie ich dankerfüllt vor Dir mich neige!«

»Rufe meine Söhne doch zur Stell'!«
»»Warte, theurer Gatte!«« spricht sie schnell,
»»Erst belehre mich; du bist der Quell,
D'raus ich hell
Recht und Weisheit stets geschöpfet habe.««

»»Seit geraumer Zeit die Hüterin
Eines seltenen Juwels ich bin,
Daß es fast mein Eigenthum mir schien;
Geb' ich hin,
Wenn's der Eigner wünscht, die selt'ne Gabe?««

»Israels Tochter, welche Zweifel, sprich?!
Gieb's zurück! Wie, Du besinnest Dich?!« –
»»Ach, mein zweifelnd Herz, es sträubet sich! –
Fürchterlich
Wird's die Ruhe meines Lebens trüben.««

»Gieb's zurück dem Eigner, dem's gebührt!« –
Und sie drückt ihn an ihr Herz gerührt,
Ihre Lippe seine sanft berührt,
Schonend führt
Sie ihn hin an's Lager seiner Lieben,

Wo das Paar in Todesruhe schlief.
»– Meine Söhne, weh'!« der Rabbi rief,
Aus dem Aug' ein Strom von Thränen lief,
»Herr, so tief
Strafst Du mich! was hab' ich denn verbrochen?«

»Hin ist Alles, Freude, Ruh' und Glück!« –
Doch sie, stärker als ihr Mißgeschick,
Spricht: »»Du lehrtest mich den Augenblick:
Gieb zurück,
Was als sein der Eigner angesprochen.««


»»Selbst das Sträuben ist Dir nicht erlaubt!««
Rabbi Meyer hob empor das Haupt,
»Gott, Du hast die Söhne mir geraubt,
Doch, wer glaubt,
Spricht: Du gabst, Du nahmst, sei benedeiet!«

»Werde Staub zu Staub! In Frieden ruh't! –
Wen der Ew'ge nimmt in sich're Hut,
Dem schenkt er ein Weib mit Glaubensmuth,
Treu und gut,
Das in Prüfungszeit ihm Trost verleihet!«


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