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Morten Lange.

(Eine Weihnachtsgeschichte.)

Um Mitternacht von Zwölf bis Eins die Todten all' erwachen
Und steigen aus dem Grab' empor, um sich Motion zu machen;
Besonders in der Weihnachtszeit, da kann man nächtlich sehen,
Wie sie im Mondenscheine auf dem Kirchhof' sich ergehen.
Dann tanzen sie mit klappernden Gebeinen Gallopade,
Doch fehlt's den armen Geistern sehr an Punsch und Limonade;
Ein Eisstück nur zuweilen wird zu ihnen hin verschlagen.
Dann geht es an den Contretanz mit doppeltem Behagen.
Der Kämpenhügel steht indeß hoch auf vier rothen Pfählen,
Selbst wenn ein Franzmann Solches säh', die Sprache würd' ihm fehlen;
D'rum lache Niemand, weil mein Held sich fürchtet hier im Sange,
Ein ganz bescheidner Jüngling ist's mit Namen Morten Lange.
Zum heil'gen Christfest reis't er heut'; zu trotzen den Gefahren
Im Geh'n, dazu fehlt ihm der Muth, d'rum will er lieber fahren.
Im Hofe steht so lang und weiß der Schneemann ohne Beine,
Im Auge schwarze Kohlen und im Munde rothe Steine;
Und während kalt und weiß er starrt auf zu den Sternenbahnen,
Heult auf dem Thurm die Eule grell, grad' wie in Spieß' Romanen.
In Büchern liebte unser Held das Schaur'ge und das Krasse,
Und von Verlegern schätzt' er hoch in Qedlinburg den Basse;
Von Gnomen und Gespenstern las er gern, von Rinaldini,
Von Schobri, Schinderhannes und die Schriften des Albini.
Der Schlitten hält schon vor der Thür, es rasseln laut die Schellen;
Als ob's sein Grabgeläute wär', thät's in das Ohr ihm gellen.
Dahin er fuhr, daß Eis und Schnee ihm um die Wangen sprühet.
Recht wie ein englisch Brautpaar, das nach Schottlands Gränze fliehet.
Ein Regiment von Bäumen droht' dort an des Weges Rande,
In Schnee gehüllt, wie Pescherähs im eis'gen Feuerlande;
Ein Leichentuch erschien das Feld im hellen Mondenlichte,
Und kalt war ringsum die Natur, wie Matthison's Gedichte.
Doch unserm Helden wird ganz warm, die Augen schließt er stille,
Da kann er deutlich seh'n zum Berg hinein durch Schnees Hülle.
Ha, welchen Jubel, welches Fest muß jetzt der Aermste schauen!
Fünf Zoll mißt jede Mannsperson und drei-ein-halb die Frauen.
Er sah es deutlich, wie darin die Menge promeniret
In Spinneweben-Ballkostüm und Nichts vom Froste spüret;
Nur alte Damen trugen noch, vor Kälte sich zu schützen,
Aus Fledermäuseflügeln Shawls, besetzt mit ächten Spitzen.
Ein schönes Mädchen fährt dort vor in prächtiger Karosse:
Ein hölzerner Pantoffel ist's, zwölf Mäuse sind die Rosse.
»Die guten Geister loben Gott den Herrn!« seufzt Morten Lange,
»Ich bin im Grunde kein Poltron, allein jetzt wird mir bange!
»Ich weiß es übrigens ganz gut, es rührt nur her vom Blute:
»In meinen Adern rollt's zu stark, weg läuft es mit dem Muthe!« –
Und jetzt empfand er einen Stoß, der raubt' ihm die Balance,
Mit Pferd und Schlitten flog dahin der Rest der Contenance.
Und näher rückt das Geisterheer und packt ihn bei dem Kragen;
Ohnmächtig sinkt er hin, er fühlt sein letztes Stündlein schlagen.
– So lag er da, der junge Mann, ganz hülflos auf dem Rücken,
Und als er zur Besinnung kam, was mußt' er da erblicken!
Es schwirrt und reget sich um ihn, er ist nicht mehr alleine;
Ein Geist erfasset ihn beim Schopf, ein andrer packt die Beine;
Sie schleppen ihn zum Berg hinein: roth strahlen hier die Wände.
Sein Heldenherz erstarrt zu Eis, er fühlt, es geht zu Ende.
– Und als er wieder um sich blickt dort in dem andern Leben,
Sieht er Gefahren, die auf's Neu' und schrecklich ihn umgeben.
Die Hitze war ganz fürchterlich, Rauch wirbelt an die Decke,
Mit nackten, haar'gen Armen steh'n die Teufel in der Ecke;
Der eine hebt den Hammer hoch mit drohender Geberde,
Der andre schürt zu loher Gluth das Feuer auf dem Heerde.
Jetzt weiß der Held klar, wo er ist; es schwinden alle Zweifel,
Und als er flehend sinkt auf's Knie, da lachen hell die Teufel.
Doch eine Lichtgestalt erschien, ein Engel ohne Flügel,
Wie Nebel wallt das Lockenhaar um ihres Busens Hügel;
Sie reicht' ihm ihre weiße Hand und sagte: »Morten Lange!
»Gottlob, das es nun besser geht! – doch, warum ist Euch bange?« –
»»Ach, aus der Hölle mich befrei'!«« so stammelt er mit Beben;
»»Dann sterb' ich gern, und will mich Dir, o Engel, ganz ergeben!««
Da lächelte das Engelsbild: »Macht Euch nur keine Sorgen!
Erkennt uns doch! Hier wohnt der Schmied; hier seid Ihr ja geborgen.
Euer Pferd ging mit dem Schlitten durch, Euer Leben hing am Fädchen,
Wir trugen Euch vom Feld herein, – und ich bin ja das Käthchen
Da sprang er auf, vor Wonne sah man seine Augen strahlen; –
Doch schweig' ich, denn ich bin zu schwach, die Scene auszumalen.
– Beim reichen Mahl vergaß er bald das grause Abentheuer,
Als Braut saß Käthchen neben ihm, – es war Verlobungsfeier!


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