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Das Tagebuch

Ein einziger ist da, mit dem er täglich Zwiesprache hält: sein Gewissen. Tag für Tag, vom ersten des Krieges ab, schreibt Rolland seine Empfindungen, seine geheimsten Gedanken, die Botschaften aus der Ferne in ein Tagebuch: selbst sein Schweigen ist noch leidenschaftliche Gegenrede mit der Zeit. Band reiht sich in diesen Jahren an Band, siebenundzwanzig waren es schon zur Zeit des Kriegsendes, da er die Schweiz verlassen wollte und zögerte, dies wichtigste, dies vertrauteste Dokument seines Lebens über eine Grenze zu nehmen, wo die Zensoren das Recht hätten, das Geheimste seiner Empfindung zu lesen. Einzelnen Freunden hat er das eine oder das andere Blatt gezeigt, das Ganze aber ist Vermächtnis an eine spätere Zeit, die mit reinerem, mit leidenschaftsloserem Blick die Tragödie der unseren überschauen wird.

Was ihr damit gegeben sein wird, können wir heute nicht ahnen, aber unser Gefühl sagt uns, daß es eine Seelengeschichte der Epoche, eine Zeitgeschichte sein wird. Denn Rolland denkt am besten, am freiesten im Schreiben: seine inspiriertesten Augenblicke sind die persönlichen, und so wie vielleicht die Briefe in ihrer Gesamtheit künstlerisch den veröffentlichten Aufsätzen überlegen sind, wird hier sein historisches Lebensdokument zweifellos die reinste dichterische Kommentierung des Krieges sein. Nur diese spätere Zeit wird erkennen – was er selbst am Beispiele Beethovens und den anderen Helden so hinreißend gezeigt –, mit welchem Preis eigener Enttäuschung seine Botschaft der Zuversicht an die ganze Welt erkauft war, daß hier ein Idealismus, der Tausende erhob und den die Überklugen als einen leichtfertigen und banalen oft zu bespötteln beliebten, aus den dunkelsten Klüften des Leidens und der Seeleneinsamkeit nur durch den Heroismus eines ringenden Gewissens erhoben war. Wir kennen nur die Tat seines Glaubens: in diesen Büchern aber ist der Blutpreis beschlossen, mit denen sie erkauft und täglich und täglich an das immer wieder unerbittliche Leben bezahlt war.


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