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Ausklang in die Zeit

So erhebt sich dieses Leben aus dem Dunkel in die Zeit: still bewegt, aber immer von den stärksten Kräften, scheinbar abseitig, aber wie kein anderes mit dem unheilvoll wachsenden Schicksal Europas verbunden. Von seiner Erfüllung aus gesehen, ist alles Hemmende, die vielen Jahre des unbekannten, des vergeblichen Ringens, notwendig darin, jede Begegnung symbolisch: wie ein Kunstwerk baut es sich auf in einer weisen Ordnung von Wille und Zufall. Und es hieße klein vom Schicksal denken, betrachtete man es bloß als Spiel, daß dieser Unbekannte gerade in den Jahren zu einer öffentlichen moralischen Macht geworden war, da wie nie ein Anwalt des geistigen Rechtes uns allen vonnöten war.

Mit diesem Jahre 1914 verlischt die private Existenz Romain Rollands: sein Leben gehört nicht mehr ihm, sondern der Welt, seine Biographie wird Zeitgeschichte, sie läßt sich nicht mehr ablösen von seiner öffentlichen Tat. Aus seiner Werkstatt ist der Einsame zum Werk in die Welt geschleudert: er, den bisher niemand gekannt hat, lebt bei offenen Türen und Fenstern, jeder Aufsatz, jeder Brief wird Manifest, wie ein heroisches Schauspiel baut seine persönliche Existenz sich auf. Von der Stunde ab, da seine teuerste Idee, die Einheit Europas, sich selbst zu vernichten droht, tritt er aus der Stille seiner Verborgenheit ins Licht, er wird Element der Zeit, unpersönliche Gewalt, ein Kapitel in der Geschichte des europäischen Geistes: und so wenig man Tolstois Leben trennen darf von seiner agitatorischen Tat, so wenig kann man hier den wirkenden Menschen von seiner Wirkung abzugrenzen versuchen. Seit 1914 ist Romain Rolland ganz eines mit seiner Idee und ihrem Kampf. Er ist nicht mehr Schriftsteller, Dichter, Künstler, nicht mehr Eigenwesen. Er ist die Stimme Europas in seiner tiefsten Qual. Er ist das Gewissen der Welt.


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