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12.

Wenige Minuten später standen beide auf der schneebedeckten, menschenleeren Straße. Schweigend, Arm in Arm, schritten sie dahin. Roald Harnsen sah mit heimlichem Entzücken in Anianens zartes Gesicht, das sich märchenschön aus der weißen Seidenkappe mit dem duftigen Spitzengekräusel abhob. Ihre Augen schweiften in die Ferne. Wie der Schnee auf den Dächern, auf Baum und Strauch, so lag Schnee, eiskalter Winterschnee auf allen ihren Träumen, Wünschen und Hoffnungen. Endlich raffte sie sich zusammen.

»Sie zürnen mir, lieber Freund,« sagte sie leise. »Bitte, streiten Sie nicht, ich sehe es an Ihrem düsteren Gesicht, an Ihrem ganzen abweisenden Wesen gegen mich. Und doch war ich nie mehr Ihres Trostes, Ihrer Teilnahme bedürftig als heute.«

»Warum quälen Sie mich denn so? Aniane? Fühlen Sie denn nicht, daß all Ihre Güte, all Ihre Freundlichkeit das Weh nicht bannen kann, das Sie mir fortgesetzt zufügen? Glauben Sie denn, es sei mir gleichgültig, wenn Sie leichtfertig Ihren Ruf aufs Spiel setzen und sich, wer weiß wie lange, mit dem Prinzen in ein Nebenzimmer zurückziehen, wie es heute geschehen, um ungestört zu sein?«

»Also spioniert,« lächelte Aniane mühselig. »Roald, Roald, was sind Sie doch noch immer für ein großes Kind. Glauben Sie denn, daß den Ruf einer Sängerin überhaupt noch etwas ruinieren kann? Haben Sie denn noch nicht gelernt, daß wir Künstler vogelfrei sind, denen jeder ungestraft seinen guten Ruf nehmen kann? Ich habe in der kurzen Zeit meiner künstlerischen Laufbahn hinreichende Erfahrungen machen können und heute die schlimmsten.«

»So hat man Ihnen wehe getan?« forschte Harnsen. »Aniane, haben Sie doch Vertrauen zu mir. Sie wissen ja, daß ich keinen anderen Wunsch habe, als Sie zu schützen, jedem Stachel wehren, der Sie verwundet, und doch bin ich so machtlos, so grenzenlos machtlos, und Sie selbst, Aniane, sind es, die mich dazu verdammt.«

Aniane schauerte leise zusammen, während sie beide über den Roßplatz schritten. Die Bäume und Sträucher, die unter der glitzernden Schneelast ächzten, die würden, wenn wieder der Frühling kam, lustig grünen und blühen, der Schnee aber, der sich heute so kalt auf ihr warmes Herz gelegt hatte, den würde kein Frühlingsodem hinwegschmelzen, trotzdem heiße Flammen darunter loderten. Nie durften die Knospen ihres Herzens aufbrechen. Wie eine Leiche erschien ihr die Natur mit ihrem weißen Winterschmucke, heute, wo Aniane einen süßen, kaum geahnten Traum begraben mußte für Zeit und Ewigkeit.

Roald wartete noch immer auf eine Antwort.

»Ich weiß alles, Roald, was Sie sagen wollen. Ich lese ja in Ihrer Seele wie in einem aufgeschlagenen Buche, aber ich fühle auch, daß Sie in der meinen lesen, und da wissen Sie wohl, wie leidvoll es ist, weil sie das, was sie für gut und edel hielt, voll Flecken sah. Wollen Sie mir helfen, Roald, daß ich den rechten Weg, von dem ich abirrte, wiederfinde?«

»Aniane,« rief der blonde Mann, an Anianens Seite heiß erbebend und ihren Arm näher an sich ziehend. »Aniane, nehmen Sie mir mein Leben, aber lassen Sie mir das Bewußtsein, daß ich um Sie werben darf, bis ich Sie errungen. Ich weiß, daß Sie meine glühende Leidenschaft nicht teilen können, aber ich weiß, daß Sie mich ganz erkannten und wissen, wie treu ich es meine. Und wenn ich Jahr um Jahr, mein ganzes Leben um Sie dienen muß, Aniane, nehmen Sie mir doch nicht die Hoffnung, daß der Weg zu Ihnen nicht für immer verschlossen ist.«

»Nein, Roald, der Weg ist frei, frei seit heute!«

»Aniane,« jubelte Harnsen auf. »Sie weichen nicht zurück. Sie wollen mein Weib sein, mein alles?«

Aniane senkte einen Augenblick wie schuldbewußt das Haupt tief aus die Brust, dann aber hob sie den Kopf wieder empor und schmiegte ihn wie müde an Roalds Schulter.

»Sie sollen mir helfen, lieber Freund, mich selber wiederzufinden,« sagte sie langsam. »Ich tappe im Dunkeln, aber ich wünsche nichts sehnlicher, als daß wir beide vereint eine sonnenhelle Straße ziehen können, die wir beide gemeinsam erstreben. Der Weg zum Ruhm, zum Glück ist voller Dornen, lieber Roald, ich weiß es wohl, und mein Mut erlahmt schon zu Anfang meiner Laufbahn und ist nahe daran, Schiffbruch zu leiden. Aber vereint mit Ihnen will ich den Flug zur Höhe wagen, der mir allein, das muß ich Ihnen sagen, zu hoch erscheint.«

Der große blonde Mann legte einen Moment wie schützend seinen Arm um Anianens Gestalt.

»Du Liebe, Gütige,« flüsterte er zärtlich. »Und ich verspreche dir, ruhig und geduldig zu warten, bis du aus innerstem Herzen sagen kannst, ich liebe dich, so heiß, so leidenschaftlich, Roald, wie du mich liebst.«

Ein wehes Lächeln irrte um Anianens Lippen, während sie langsam an Roalds Seite durch die Anlagen schritt. Der Schnee knisterte unter ihren Füßen, und eine Nachtlaterne warf hier und da ihren Schein.

»Ich werde dir eine pflichttreue Frau, Roald, aber vielleicht eine schlechte Künstlerin sein,« kam es leise von ihren Lippen.

Da lachte er jubelnd aus und zog ihr ganz blaß gewordenes Gesichtchen an sich und seine Lippen preßten sich brennend heiß auf ihre Wange.

»Nun bist du mein,« jauchzte er, und Aniane nickte, und doch war es ihr, als müsse sie den Druck seiner heißen Lippen von ihrer Wange fortwischen wie ein häßliches Mal.

Und ringsumher das feierliche Schweigen der Nacht. Nur hier und da der verhallende Tritt eines einsamen Wanderers, unter dessen Füßen der Schnee leise knisterte, und ganz von fern der verklingende Räderschall eines Wagens. –

Still schritten sie die schmale Universitätsstraße hinab. Roald drückte nur leise und zärtlich Anianens Arm und dann fragte er sie ganz zaghaft:

»Und alle sollen es wissen, Aniane? Morgen schon? Auch deine Verwandten? Sie werden wenig erbaut von unserer Verlobung sein, trotzdem das kleine Vermögen, das ich habe, es uns möglich macht, auch ohne Erträgnisse aus meiner Künstlerlaufbahn bescheiden zu leben.«

Aniane sah ihn groß und verständnislos an. Richtig, was er nicht alles im praktischen Sinn in Erwägung zog. An alle diese überflüssigen Kleinigkeiten hatte sie nicht einmal gedacht.

»Onkel und Tante werden sich mit den Tatsachen abfinden,« gab sie zurück. »Da ich mündig bin, dürften sie kaum viel einzuwenden haben, wenn ich ernstlich will.«

Sie seufzte schwer. Nun mußte sie den lieben alten Leuten wieder wehe tun. Aber war nicht ihr ganzes Leben ein Schmerz, eine Sorge für sie?

»Du wirst natürlich das Engagement in Büsingen rückgängig machen?« fragte Roald Harnsen, vor der Haustür zu Anianens Wohnung stehen bleibend.

Aniane blickte verwundert auf.

»Nein, ich denke nicht daran. Das hieße meine Künstlerlaufbahn aufgeben, ehe sie richtig begonnen hat.«

»Für unser Zusammenleben ist es ganz ausgeschlossen, daß du an der Bühne bleibst. Es liegt mir natürlich fern, dich in deiner künstlerischen Laufbahn hemmen zu wollen, aber ich meine, wir beide zusammen, Aniane, könnten doch viel erreichen, wenn wir uns auf das Konzertleben beschränkten. Und, denke nur, wie herrlich das sein wird. Zusammen leben, zusammen arbeiten, Hand in Hand den Weg auf der Ruhmesbahn die Höhe erklimmen. Eine Wonne, nicht zu beschreiben. Was ich in meinen kühnsten Träumen nicht zu erhoffen wagte, wird zur Wirklichkeit, du schreitest mir zur Seite, in Glück und Glanz, Aniane. O, ich fühle es, wir werden Großes erreichen! Vor Tausenden sind wir begnadet, wir, die wir gemeinsam und sicher den Weg gehen können, den Tausende vergeblich suchen, den Weg zum Ruhm.«

»Und immer weiter, allein und verlassen,
Durch graue Gassen«

kam es wie ein Hauch aus Anianens Munde.

»Was sagst du, Liebling?« fragte er zärtlich, ihre Hand zum Abschied an seine Lippen führend.

»Nichts, nichts, Roald, ich meine nur, daß ich es mir überlegen will, ob ich mich für die Theaterlaufbahn entscheide, oder ob ich mich auf den Konzertsaal beschränken will. Das Engagement in Büsingen wird für mich ausschlaggebend sein, und bevor das nicht zu Ende, ist ja doch an unsere Vereinigung nicht zu denken.«

Roald senkte tief den blonden Kopf. Aus seiner breiten Stirn stand eine Wetterwolke.

»Auf morgen denn,« sagte er mit einem fast müden Klange in der Stimme, und »auf morgen« gab Aniane tonlos den Abschiedsgruß zurück.

Nun war es geschehen, was geschehen mußte. Eine Schutzwehr hatte Aniane sich selber errichtet, eine Schutzwehr, wie sie glaubte, die ihr Sicherheit und Stärke geben sollte gegen die Flammen, die so verzehrend in ihrem Herzen auflohten, daß der Brand sie zu vernichten drohte.

Und so endigte Anianens Verlobungstag. –

* * *

Als Aniane am anderen Morgen aus dumpfem Schlummer erwachte, mußte sie sich wohl besinnen, woher es kam, daß es wie Bergeslast auf ihrer Seele lag. –

Dann aber schrie sie fast laut auf, als der gestrige Abend plötzlich vor ihr lebendig wurde.

Des Prinzen flammendes Werben, ihre tödliche Angst, Rahels entsetzliche Anklagen und das Schuldbewußtsein in Dolf Dietrams Augen, das ihr sagte, Rahel hatte vielleicht doch recht.

Woher kam ihr nur diese schreckliche Gewißheit? Aniane verhüllte schaudernd ihr Angesicht. Furcht hatte sie vor dem Prinzen gehabt, feige Furcht und noch eine größere vor sich selbst.

Und das Gefühl der Haltlosigkeit hatte sie Roald in die Arme getrieben, hatte ihr nur den einen Ausweg gezeigt, eine Schranke aufzurichten, die auch der Prinz respektieren würde.

Sie war also Braut! –

Fast hätte sie lachen können über diese Tatsache. Als sie es gleich am Morgen der guten alten Frau Dr. Sperling erzählt, da hatte die alte Frau bekümmert ihren Kopf geschüttelt und ernst und vorwurfsvoll in Anianens Augen geblickt.

»Wie kann eine junge Künstlerin, die vorwärts will, nur so töricht sein, sich zu verloben,« hatte sie tadelnd bemerkt, »das heißt, sich doch selber die Flügel binden.«

»Aber liebe Mama Sperling,« hatte Aniane müde lächelnd zurückgegeben. »Sie sind doch sonst so für Liebe und Ehe.«

»Ja, ja, Kindchen, aber eines schickt sich nicht für alle. Und dann so 'ne Künstlerehe, du lieber Gott, was dabei wohl herauskommt. Das Totenhemdchen hat sie gleich von Anfang an auf dem Leibe. Nein, Kind, den Weg zum Ruhme macht man nicht mit Dummheiten, und eine Dummheit war die Verlobung, das nehmen Sie mir nicht übel.«

»Aber es ist doch nun mal schon geschehen, liebe Frau Doktor.«

»Ja doch, ja doch! Sie werden mir aber wohl nicht einreden wollen, daß Sie vor Liebe sterben, wenn Sie den jungen Menschen, der ja sonst recht ansehnlich und reputierlich ist, nicht kriegen.« –

* * *

Und dann war er selbst zu ihr gekommen, um ihr einen »Guten Morgen« zu bieten.

Einen Blumenstrauß in den Händen, näherte er sich ihr und versuchte, sie sanft in seine Arme zu ziehen. Sie vermochte es aber nicht über sich zu gewinnen, ihm den Mund zum Kusse zu bieten. Sie bebte scheu zurück. Er sah so bleich und überwacht aus.

Aber dann, als er sie so eindringlich und fest fragte:

»Bereust du, Aniane?«

Da antwortete sie:

»Nein, und tausendmal nein.«

Sie würde, wenn sie an gestern dachte, sofort wieder genau so handeln. Roald Harnsen war ihr teuer, sie hatte ihn lieb wie ein köstliches Kleinod, das man hüten muß, ihn würde sie nie kränken können, ihn nie betrügen. –

Und nun war er im Konservatorium und er würde es allen glückselig entgegenrufen: »Ich habe mich mit Aniane von Rainer verlobt.«

Es klopfte und das Mädchen trat mit einer Visitenkarte ins Zimmer.

Prinzen Dolf Dietram von Büsingen.

»Ich lasse bitten.«

Aniane stand hochaufgerichtet mitten in der Stube. Ueber dem blonden Scheitel zitterte leise ein matter Strahl der Wintersonne, die langsam ins Zimmer brach.

»Wie glücklich bin ich, Aniane,« sagte der Prinz, stürmisch ihre beiden Hände ergreifend und an seine Lippen ziehend, »daß Sie mich empfangen.«

Aniane deutete auf einen Stuhl. »Hoffentlich haben die ungewohnten vier Treppen Durchlaucht nicht allzu sehr ermüdet. Darf ich fragen, was mir die Ehre Ihres Besuches verschafft?«

Prinz Dolf Dietram sah fassungslos in Anianens Gesicht, das ihm voll kühner Besonnenheit zugewendet war.

»Ja, aber Sie wollen mir doch nicht sagen, daß Sie den Zweck meines Besuches nicht ahnen, Fräulein von Rainer. Wir wurden gestern durch das arme kranke Mädchen, für dessen Unterbringung in eine Nervenheilanstalt wirklich gesorgt werden müßte, unliebsam unterbrochen. Ich bin gekommen, Aniane, um Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe, heiß und glühend und daß ich bereit bin, alle Vorrechte meines Standes und meiner Geburt abzuwerfen, wenn ich Sie erringen kann. Ich flehe Sie an, Aniane, weisen Sie mich nicht zurück. Alle Hindernisse, die sich unserer Verbindung entgegenstellen, werde ich lösen. Nur vertrauen müssen Sie mir, vertrauen, Aniane. Jeder Blick, jedes Wort von mir muß Ihnen ja lange gesagt haben, daß ich nur in Ihrem Lächeln atmen kann. Ach, Aniane, grenzenlos liebe ich Sie.«

Der Prinz hatte sich, ehe Aniane es hindern konnte, ihr zu Füßen geworfen und sah nun voll heißer Leidenschaft in ihre angstzitternden Augen.

»Stehen Sie auf, Prinz, ich bitte Sie. Ich will und darf Sie nicht anhören,« wehrte Aniane mit tiefem Beben in der Stimme.

»Du mußt, du Süße, Einzige! Denkst du denn, ich weiß es nicht, wie auch dein Herz flammend dem meinen entgegenschlägt? Wie jeder Atemzug mir gehört, und wie heiß dein Mund dem meinen verlangend entgegenglüht? Ach, Aniane, ich lebe ja nur noch in dir, erhöre mich und sei mein, endlich mein.«

Mit Aniane drehte sich alles im Kreise. Flammensprühend schlug die Sprache höchster Leidenschaft an ihr Herz. Ihre ganze Seele drängte der seinen entgegen. Ach, nur einen Augenblick den Zaubertrank von seinen Lippen trinken, nur eine Minute an seinem Herzen ruhen und dann in das Nichts versinken, das ihr Leben sein mußte fern von ihm.

Ein Zittern durchrann ihre schlanke Gestalt. Schon neigte sich ihr Mund seinem Munde, schon wollte sie ihn empor an ihre Brust ziehen, da ging es wie Eiseskälte durch ihre Glieder. Ihre Augen wurden starr und weit, und hastig zurücktretend, sagte sie mit fremder, hohler Stimme:

»Durchlaucht gehen von ganz falschen Voraussetzungen aus. Ich glaube nicht, durch irgend etwas in meinem Wesen Veranlassung zu dem Glauben gegeben zu haben, daß ich Ihre Gefühle erwidere. Vielleicht wird hier die ganze Sache am besten durch die Mitteilung geklärt, daß ich mich mit Roald Harnsen verlobt habe.«

Mit einem rauhen Schrei sprang der Prinz in die Höhe. Seine Augen bohrten sich mit heißer Angst in Anianens Gesicht, das unbewegt ihm entgegenblickte.

»Das ist Verrat,« rief Dolf Dietram mit zuckenden Lippen. »Furcht, feige Furcht vor mir, vor meiner Liebe hat Sie veranlaßt, die Werbung dieses Klavierspielers anzunehmen.«

Erzürnt und abweisend hoben sich Anianens Augen zu dem Prinzen auf.

»Ich verbitte mir jede Beleidigung meines Verlobten, Durchlaucht. Wenn es Sie aber interessiert, so will ich Ihnen sagen, daß ich Roald Harnsen liebe.«

Der Prinz lachte gellend auf. Dann zuckte er zusammen, sein Blick flog zur Tür, in welcher Roald Harnsens breite Gestalt wie aus der Erde gezaubert stand.

Aniane, die seinen Blicken gefolgt, stieß einen leisen Laut der Ueberraschung aus, dann sank sie halb ohnmächtig in Roald Harnsens weitgeöffnete Arme.

Hochmütig sahen des Prinzen Augen über den jungen Pianisten hinweg, als er sich mit hohnvollen Worten an ihn wandte:

»Ich wünsche Ihnen Glück, mein Herr Harnsen oder Parnsen, zu dem unerhörten Erfolg, den Sie bei unserer zukünftigen Primadonna errungen. Ich spreche Ihnen meinen aufrichtigsten Glückwunsch zu Ihrer Verlobung aus.«

Roalds blaue Augen blitzten zornig auf.

»Ich darf wohl den Besuch Eurer Durchlaucht bei meiner Braut für beendigt ansehen, da, wie Durchlaucht sehen, diese sich nicht wohl fühlt.«

Aniane hob jetzt mühsam die dunklen Wimpern. Mit Aufbietung aller Kraft richtete sie sich in die Höhe und sagte, mit einem leisen wehen Lächeln um den zuckenden Mund, dem Prinzen die Hand reichend:

»Verzeihung, Durchlaucht, daß meine Nerven mir einen so dummen Streich spielten.«

Der Prinz beugte sich über die dargereichte Hand, ohne sie mit den Lippen zu berühren.

»Ich freue mich, meine Gnädige, daß es Ihnen wieder besser geht. Gestatten Sie noch meinen Glückwunsch.«

Eine tiefe Verbeugung zu Aniane, dann fiel die Tür hinter dem Prinzen ins Schloß. Aniane aber hob beide Arme, wie von einer Last befreit, hoch empor. Ihr Blick hing leuchtend an den schneebedeckten Häuserfirsten, als sähe sie draußen ein schimmerndes Glück.

»Darum also,« sagte Harnsen, eine tiefe Bitterkeit um den bebenden Mund. »Du liebst den Prinzen und nahmst mich?«

Er lachte heiser auf.

»Es ist eine herrliche Rolle, die du mir da zugedacht.«

»Lieber Roald,« lächelte sie müde. »Niemand kann mehr geben, als er zu geben hat. Du wußtest, wie todwund meine Seele war, als ich dir sagte, daß ich dir gehören will, und du nahmst das blutige Opfer, wenn ich so sagen darf, an. Du, du allein wußtest, daß ich meiner Liebe freiwillig entsage, um in der deinen genesen zu können – hast du nicht die Kraft, mit dem, was ich dir geben kann, mit meiner Treue, meiner Freundschaft, zufrieden zu sein, so gebe ich dir dein Wort zurück. Ich weiß, daß ich Großes von dir verlange, wenn ich dir sage, nimm mich hin ohne Liebe, aber ich weiß auch, daß die Liebe unendliche Opfer bringen kann, wenn sie, wie die deinige, nicht das ihre sucht. Vielleicht lernt auch mein Herz dereinst anders empfinden, Roald. Jetzt ist es todeswund.«

Er umschloß mit beiden Händen ihre kalte Rechte.

»In Not und Tod, Aniane,« sprach er feierlich. »Ich hoffe, daß einst die Zeit kommt, wo die Lüge, die du vorhin zu dem Prinzen ausgesprochen, um dich zu schützen, »Ich liebe ihn«, Wahrheit wird. Bis dahin vertraue ich unbedingt deiner Treue und deiner Freundschaft.«

Er neigte sich und küßte sie zart auf die weiße Stirn und Aniane war es, als hätten seine Lippen sie geweiht für den Dornenweg, der so trostlos vor ihr lag.

Es war ihr nicht wie einer Braut zumute.

Aber wenn sie so alle die Eindrücke auf sich einwirken ließ, und wenn sie so daran dachte, wie doch nun jedermann sie vor dem Prinzen warnte, so blieb ihr nun doch wohl nichts anderes übrig, als der reinen Vernunft folgend, sich vor sich selbst zu hüten und sich an einen Mann anzuschließen, der ihr zwar im Herzen wert war, den sie aber nicht liebte.

Sie stützte den Kopf schwer in die Hände, sollte sie immer und immer die verlassene Weise bleiben, die kein Anrecht haben würde zu wählen, wie es andere Menschen so rückhaltslos tun konnten?

Sie fühlte ein namenloses Weh im Herzen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.


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