Julius Wolff
Der Raubgraf
Julius Wolff

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Dreizehntes Kapitel.

Vor der Schenkentür in dem Dorfe Erkstedt, das zwischen dem bischöflichen Schloß Langenstein und dem Regenstein'schen Burgstall Derenburg, doch etwas näher nach Halberstadt zu gelegen war, saß unter einer breitästigen Linde ein Mensch, dessen Äußeres wenig Vertrauenerweckendes hatte. Er war ein kleiner buckliger Kerl mit grauem, fast weißem Haar und einem faltigen, etwas schiefen Gesicht, dessen lauernder Ausdruck noch dadurch verstärkt wurde, daß der Mann entsetzlich schielte.

Sein braunes Wams war schäbig und geflickt, und seine eng anschließenden Lederhosen schillerten in einem zweifelhaften Glanze. Neben sich auf der Bank hatte er einen alten, auch schon glatt getragenen, mit Gott weiß was gefüllten Ranzen liegen und vor sich auf dem roh gezimmerten Tische einen Steinkrug mit Braunbier aus dem großen Klostergute Röderhof am Huywalde stehen. Es war spät nachmittags, aber wenn es auch früh morgens gewesen wäre, der Bierkrug würde vor dem Manne nicht gefehlt haben, denn Hinze Habernack hatte immer Durst oder tat wenigstens immer so, als wenn er welchen hätte, der schwer zu löschen wäre. Er was ein alter Landstörzer, der einige Meilen im Umkreise von Halberstadt alt und jung bekannt war und sich sein täglich Brot auf absonderlichen Wegen verdiente. Am liebsten gab er sich für einen Tierarzt aus, heilte aber nicht bloß krankes Vieh, sondern kurierte auch mit Kräutern, Salben und Latwergen am Menschen herum, wußte für allerhand Schäden und Gebresten Rat und Hilfe, konnte das Blut und das Feuer besprechen, besorgte Botengänge und mancherlei Kundschaft und heimlich Gewerbe.

Er war mehr gefürchtet als beliebt, und wenn man ihn auch rief, wo man seiner bedurfte, so sah man ihn doch lieber gehen als kommen, denn er spürte und schnüffelte überall herum und galt für einen gefährlichen doppelzüngigen Zwischenträger, der sich für Geld oder Geldeswert zu Dingen gebrauchen ließ, die nicht recht sauber und ehrlich waren. Dabei spielte er stets den Gutmütigen und Biderben, aber niemand traute ihm, und niemand wagte, ihm offen und fest entgegenzutreten, denn es hieß, er könnte großen Schaden tun und hätte mächtige Beschützer, die ihm den Rücken deckten.

Über seine Vergangenheit schwebte ein geheimnisvolles Dunkel; er wollte aus Lauterberg im Lisgau gebürtig und viel in der Welt herumgekommen sein. Es ging das Gerede von ihm, daß er manch böses Stücklein auf der Seele hätte und darum auch vom lieben Gott an den Augen gezeichnet wäre, und weil er gern Schimpf und Possen trieb und seine besten Freude an arglistigen Streichen hatte, so nannte man ihn, seinen Namen verdrehend, gewöhnlich Schabernack, aber nicht von jedem ließ er sich's gefallen.

Jetzt saß er hier unter der blühenden, süß duftenden Linde vor des Schenken Tür und wartete auf den Ritter Bock von Schlanstedt.

Nothnagel und Hasenbart, die zwei Gesellen von der bösen Sieben, die neulich auf Bocks Befehl miteinander geritten waren, hatten den alten Zaunschleicher nach langem Suchen richtig abgefaßt und ihm ihres Ritters Wort, daß ihn dieser zu sprechen wünsche, ausgerichtet, worauf der Landfahrer sich am zweiten Nachmittag in der Schenke von Erkstedt finden zu lassen versprach.

Es war sonst nicht Bocks Art, auf sich warten zu lassen, aber heute blieb er ungebührlich lange aus, und Hinze Habernack, der sein in der Schenke bestelltes Vesperbrot längst verzehrt hatte, verlor die Geduld und wollte sich auf und davon machen. Als er den Steinkrug jetzt zum dritten Male geleert hatte, pochte er laut damit auf den Tisch, daß der Wirt in der Haustür erschien.

»Noch einen, Hinze?« frug Peter Rübenstreit.

»Nein! ich will fort; er kommt ja nicht, und ich kann den Hingang für den Hergang nehmen,« erwiderte der Alte. »Mach mir die Zeche, Peter! ich will dich bezahlen, denn ich weiß, du nimmst nichts von mir.«

»Ja, ja, laß gut sein!« sagte der Wirt, der diese Redensart seines Gastes schon kannte, und noch nie einen Weißpfennig von ihm besehen hatte. »Ich schneid's ins Holz zu dem andern.«

»Das tu! da steht's gut,« lachte Hinze, »und wenn der lange Schnapphahn, der Bock von Schlanstedt noch kommen sollte, so sag' ihm meinen willigen Dienst in allen behaglichen Dingen, aber zum Nasenspiel dünkt sich Hinze Habernack zu gut, und wenn er was von mir wollte, –«

»Warte mal!« unterbrach ihn der Wort. »Hörst du nichts? Da sind sie schon.«

Richtig, jetzt kam Bock mit Nothnagel die Dorfstraße daher getrabt und winkte.

»Nun, du allerliebster Gesell, noch immer nicht gehangen?« rief Bock im Absitzen. »Hab' ja lange Zeit weder Staub noch Flug von dir vernommen.«

»Hätte bald wieder so kommen können,« entgegnete Habernack, »war schon wegfertig, und einen Hundeblaff später hättet Ihr ungeschaffter Dinge von dannen ziehen müssen.«

»Hätten dich schon noch erritten und wieder eingebracht,« lachte Bock, während Nothnagel die Gäule an die Ringe band und zwei Schemel brachte, auf denen sich die beiden dem Alten gegenüber am Tische niederließen. Peter Rübenstreit trug drei frische Krüge auf und ging wieder ab.

»Ja, darauf verstehen sich die edlen Herren, die des Hirsches Gehürn im Wappen führen,« höhnte der Alte; »nicht einmal das Frauenzimmer wird verschont.«

»Daß dich der Bock stößt!« fuhr der Ritter auf. »Schabernack! wenn du mit meinen Herrn mit einem Worte antastest und verunglimpfest, so mach' ich mit so einem alten Gaudieb wie du kurz Federlesen.«

»Höre, du großer Federhans,« sagte der Alte und blickte dabei an Bock schräg vorbei, »ich kannte dich schon, da du noch unter deinen Vogtjahren warest und als dummer Bauernjunge auf deines Vaters Hofe herumlagest.«

»Was guckst du mich dabei an?« schnauzte Nothnagel, »mein Vater hatte keinen Hof.«

»Dich mein' ich nicht, Pferdeschinder!« schalt der Graukopf.

Dem Ritter ohne Ahnen und Schildmagen war die Mahnung an seine bäuerliche Abkunft sehr verdrießlich, aber er mußte doch über Nothnagel lachen, der sich von dem ihm gar nicht zugedachten Blicke des Schielenden getroffen fühlte, und da er von dem letzteren einen, wenn auch gut bezahlten Dienst verlangte, so hielt er es für angemessen, gelindere Saiten aufzuziehen und den Alten günstig zu stimmen.

»Sachte, Alter! sachte!« sprach er deshalb begütigend. »Hänge doch nicht gleich den rauhen Pelz um! Komm, stoß' an! meinst ja doch, daß alles Bier sauer würde, was du nicht tränkest!«

Alle drei knackten mit den Krügen zusammen und tranken.

»Jetzt sagt, was wollt Ihr von mir?« begann darauf der Fahrende sich den Mund wischend und mit dem Rücken an den Stamm der Linde lehnend.

»Hinze,« sprach Bock vertraulich, indem er näher an den Alten heranrückte, »du bist doch ein Kerl, der das Gras auf der Erde und die Wolle auf den Schafen wachsen hört; nun sage mir einmal: wie steht's mit unserm ehrwürdigen in Gott Vater und Herrn, dem Bischof?«

Habernack äugelte den Ritter schief von der Seite an und sagte: »Deutlicher! deutlicher, Bock von Schlanstedt! noch seh' ich nicht durch die Finger, wo das Wetter hinaus will.«

»Also! wir haben mit dem Bischof einen nachbarlichen Span auszufechten, und nun –«

»Und nun läuft Euch die Katze den Rücken hinauf,« spottete der Alte, »weil ihr gehört habt, daß er sein reisiges Zeug auf die Beine bringt. Davon habt Ihr Euch nichts Gefährliches zu besorgen, der Stoß geht nicht gegen Euch.«

»Aber in den Schwabengau, nicht wahr?« frug Bock, »auf den Falkenstein.«

»In den Schwabengau wohl, aber nicht auf den Falkenstein,« erwiderte Habernack; »auf Aschersleben.«

»Auf Aschersleben?«

»Ja. Die Fürstin Elisabeth, Ottos Witwe, ihres Geschlechts eine Markgräfin von Meißen, will sich mit dem Grafen Friedrich von Orlamünde befreien,« erzählte Habernack nun. »Dazu braucht sie natürlich den Segen der Kirche, und der ist diesmal nicht billiger zu haben, als um die Stadt Aschersleben, die der Bischof dafür begehrt. Jung Elisabeth ist es zufrieden, weil sie von ihrem Friedel nicht lassen kann, aber die Stadt mag nicht unter den Krummstab, darum will sie der Bischof mit wehrhafter Hand überzucken.«

»Eine Stadt um ein gülden Fingerlein? Das nenn' ich ein Roß um ein Sackpfeifen geben!« lachte Bock. »Da lob' ich uns drei hier; wir haben nicht Hind und nicht Kind und heben um einen Blick aus Weiberaugen keinen Hufnagel vom Boden auf.«

»Na, na, Ritter Bock von Schlanstedt!« sagte der Fahrende, die Hand an den Mund legend und den Ritter ganz überquer ansehend, »ich weiß einen, der den Weibern sein Lebtag keine Ruhe lassen wird.«

»Was? du alter Nichtsnutz,« schalt Bock, »ich soll ein Zielschütz nach Weibergunst sein?«

»Herr, Ihr tut mir unrecht,« erwiderte der Alte verschmitzt; »ich habe nicht gesagt, daß Ihr ein Zielschütz nach Weibergunst wäret, aber es ist nicht lange her, da hab' ich's gedacht.«

Bock drehte schmunzelnd an seinem langen Schnurrbart, denn er stand nicht ungern in dem Geruch eines glückhaften Minnediebes. Daher war auch sein Zorn über des Alten Anspielung nicht weit her. Er wollte ja den Fahrenden ausforschen.

Und er fing wieder an: »Also, Schabernack, mein Gutgesell, – du trinkst doch noch einen? – Nothnagel, laß Schabernack nicht verdursten! – Also, Schabernack, mein Gutgesell, auf Aschersleben reitet der geistliche Herr?«

»Oh, bis zum Reiten ist's noch lange nicht,« erwiderte der Alte. »Ich habe nur ein Vöglein pfeifen hören, daß so etwas vielleicht im Wege wäre.«

»Wieviel Roßvolk und wieviel Fußvolk läßt der Bischof einstellen?« frug Bock unbeirrt weiter.

»Das soll ich wissen! Bin ich sein Hauptmann?« sprach Habernack. »Das will ich Mehrverständige vom Kriegsgewerbe aushecken und ergründen lassen, und wenn dazu die böse Sieben nicht zu brauchen ist, so ist die den Hafer nicht wert, den ihre Gäule aus fremden Krippen fressen.«

»Daß dich der Bock stößt!« rief der Ritter. »Wenn du deine scheelen Augen so weit aufsperrst wie dein schiefes Maul, so müßtest du es wissen. Und du mußt es herauskriegen und uns zubringen.«

»Herr, ich habe immer noch den alten Kopf,« erwiderte der Fahrende. »Wie steht es dabei mit des Schäfers Wahrzeichen?« Dazu machte er eine nicht mißzuverstehende Bewegung mit Daumen und Zeigefinger.

»Du sollst Vorteile und Genieß haben, wenn du uns steif hältst, soviel du begehrst,« erwiderte Bock.

Habernack wiegte den grauen Kopf auf den Schulter und sagte mit einem schlauen Lächeln: »Herr Ritter, die Welt ist die Welt und bleibt die Welt, solang sie steht, die Welt. Ein gesungenes Amt und eine gesprochene Messe müssen vorher bezahlt werden, und ich bin des Bischofs Untertan. Also was krieg' ich?«

»Sollst einmal in deiner Haut begraben werden, was so leicht keinem alten Esel geschieht,« lachte Bock. »Ich habe nichts, aber der Graf feilscht nicht für eine sichere Kundschaft. Also drücke los.«

»Was wollt Ihr wissen?«

»Ob der Bischof auch gegen den Falkenstein zieht und wann und mit wieviel Volk, und mit wieviel er den Blankenburgern gegen uns Vorschub leisten wird.«

»Den Blankenburgern?« frug Habernack und horchte hochauf. »Haben Euch die abgesagt?«

»Als wenn du das nicht wüßtest!«

»Freilich wußte ich's,« lächelte der alte Schlaufuchs und log dabei. »Ich wollte nur hören, ob Ihr auch wißt, wann sie gegen Euch ausrücken werden. Es soll bald sein, hab' ich mir sagen lassen.«

»So drohen sie wenigstens,« sprach Bock. »Es ist wegen der Lauenburg, die wir haben müssen.«

»Wegen der Lauenburg, die Ihr haben müßt, natürlich!« wiederholte Habernack. »Aber die Äbtissin Jutte gibt sie Euch doch?«

»Oder wir nehmen sie uns,« sagte Bock im besten Zuge.

»Oder Ihr nehmt sie Euch, versteht sich! ist recht so!« sprach ihm der Alte in demselben Tone nach, sein Vergnügen und sein Staunen klug verbergend. »Aber die Wernigeröder tun auch mit gegen Euch,« fügte er lauernd hinzu.

»Und haben noch Zuzug von einem halben Dutzend anderer,« schwatzte Bock munter heraus und ließ sich sämtliche Bundesgenossen der feindlichen Grafen unbemerkt abfragen, als wenn sie Habernack ihm namhaft machte und nicht umgekehrt.

»Ich glaub' fürwahr, daß Euch der Hase im Busen überkommt,« höhnte der Alte.

»Sag' das nicht noch einmal von dem Hasen und der Katze,« zürnte Bock, »oder es läuft dir etwas anderes deinen krummen Rücken hinauf, daran du drei Tage lang zu schleppen haben sollst, alter Leisetreter!«

»Drohen lass' ich mir nicht, Bock von Schlanstedt!« erwiderte der Fahrende mit einem falschen Blick. »Ich will tun, was ich kann, Euch Kundschaft zu bringen von allem, was Ihr wissen wollt. Vergeßt aber auch nicht, was Ihr mir zugesagt habt, Herr Ritter! Ich bin ein alter, elender Mann, der sich sein bißchen Brot sauer verdienen muß und bald genug zum alten Haufen fahren wird, wenn er sich –«

»Wenn er sich den Hals endlich abgesoffen haben wird, willst du sagen,« unterbrach ihn Bock. »Aber nun ist's genug. Die Mönche von Huysburg brauen ein starkes Bier, und ich will keinen Teil an deiner Höllenfahrt haben; der Tausendlistige wird dich auch ohne mich holen. Du weißt Bescheid. Laß dich bald sehen, Hinze, oder schicke mir Botschaft, wo ich dich treffen kann.«

Ich komme selbst auf den Regenstein, wenn Ihr mich heil wieder herauslassen wollt aus Eurer Mausefalle,« sprach der Alte.

»Habe keine Sorge,« sagte Bock. »Dich können wir anderswo besser brauchen. Ich gelobe dir Sicherheit ein wie aus.«

Damit erhob er sich, rief den Wirt und zahlte großmütig die Zeche für alle drei. Habernack wandte den Kopf rechts zu Nothnagel hin, der den Gäulen die Gurte festzog, während sein Blick links in Bocks kleinen Lederbeutel tauchte, worin leider nicht viel zu sehen war. Dann hing er seinen Ranzen um, reichte jedem die Hand und machte sich still auf den Heimweg.

Bock schwang sich mit jugendlicher Leichtigkeit auf seinen Schecken, Nothnagel bestieg ebenfalls seine knochige Mähre, und Peter Rübenstreit verbeugte sich tief vor den Abreitenden, dankbar und zufrieden mit einem ganz ungerechterweise so übel berufenen Gaste, von dem er eine Zahlung nicht erwartet und nun doch ohne Abzug erhalten hatte.

Nothnagels verwittertes und vernarbtes Gesicht mit dem grauen, struppigen Bart und Haupthaar, das ihm unter seiner Sturmhaube hervor auf die niedrige Stirn hing, lag in grämlichen Falten, als er neben seinem steif emporgereckten Ritter langsam dahinritt, der gar hoch und herrlich zu Roß saß, als käme er von einem glänzenden Siege.

»Nothnagel,« begann Bock nach einer Weile, »dem Hinze Schabernack haben wir aber mal schlau die Würmer aus der Nase gezogen, he?«

»Hm!« machte Nothnagel, »nach meinem dummen Verstande, Herr Ritter, will mich schier bedünken, als hätte er mehr von uns erfahren, als wir von ihm. Er weiß jetzt alles, und wir wissen gar nichts.«

»Nothnagel, das verstehst du nicht,« sagte Bock großartig. »Da darfst du nicht hineinreden, denn du hast nicht wie unsereins die angeborene Gabe, dir das gehörig zurechtzulegen und darauf die bedeutendsten Schlüsse zu ziehen.«

Dann drückte er seinem Schecken die Sporen in die Weichen und trabte ein Stück voraus. Nothnagel begriff ja doch nicht den höheren Sinn, in welchem der Ritter den wichtigen Auftrag seines Herrn so fein ausgeführt zu haben glaubte.

Graf Albrecht war aber der Meinung Nothnagels, als ihm Bock nach seiner Rückkehr am Abend Bericht erstattete und sich sehr dick damit tat, nach was alle für Dingen er den Fahrenden ausgefragt hatte.

»Ausgefragt!« hielt ihm der Graf ärgerlich entgegen, »ausgeschwatzt hast du, was der alte Botengänger nicht zu willen brauchte. Bock, ich bin nicht zufrieden mit dir!«

Gesenkten Hauptes schlich der lange Ritter davon, und es ging allmählich ein Licht auf, daß ihn der pfiffige Alte rein ausgebeutelt und ihm Nachrichten entlockt hatte, die er zwar schon zu wissen vorgab, aber nur, um Bock sicher zu machen und zu genauerer Auskunft zu verleiten. Und dabei hatte er für jenen auch noch die Zeche bezahlt.

»Daß dich der Bock stößt!« sagte er nun zu sich selber, »diesmal war's vorbei gestochen. Aber ich will's dem alten Saufaus gedenken, und Nothnagel ist ein Schafskopf, daß er mit keinen Wink gegeben hat; wozu habe ich den dummen Kerl denn mitgenommen?«

Die einzige Neuigkeit, die Graf Albrecht von Bock erfahren hatte, war die Absicht des Bischofs auf die Stadt Aschersleben, die Albrecht aber nicht anders durchkreuzen konnte, als wenn er selber dem Bischof zuvorkam und die Stadt in seine Gewalt brachte. Dazu hatte er aber jetzt nicht Zeit, und so sehr ihn auch dieser neue Streich des Bischofs verdroß, der sich damit nach der Erwerbung von Schneitlingen noch fester im Schwabengau setzte und der Grafschaft Falkenstein noch näher rückte, beschloß er doch, keinen Einspruch dagegen zu erheben, um dadurch nicht den Ehebund der Fürstin Elisabeth mit dem Grafen von Orlamünde, die er beide lieb und wert hielt, zu verhindern oder zu verzögern. –

Am andern Morgen stand Hinze Habernack vor dem Bischof von Halberstadt und erzählte diesem Wort für Wort alles, was ihm Bock von Schlanstedt unbewußt verraten hatte. Der Bischof war froh, von der ergangenen Fehdedrohung der Blankenburger gegen Graf Albrecht Kunde zu erhalten; endlich also hatten sie seinen unausgesetzten Mahnungen und Aufwiegeleien Folge gegeben.

»Woher hast du das alles?« frug er den Schieläugigen.

»Hochwürdigster Herr, ich roch den Braten,« erwiderte der Verschlagene, »und bin tagelang um den Regenstein herumgeschlichen, bis ich einen nach dem andern von dem gräflichen Volk auffangen und ausforschen konnte. Dabei ist aber auch mein bißchen Bares davongeflogen wie die Störche vor Bartholomä, denn ich mußte mir die Gesellen auf die Wirtsbank locken und ihnen auf meine Kosten brav einschenken lassen, daß sie mit beiwohnender Bierfeuchte ihre Weisheit auskramen sollten von allem, was ich für Euch, hochwürdigster Herr, zu wissen begehrte.«

»Ich verstehe!« lächelte der Bischof, tat einen Griff in den Schrein und ließ klimpernd ein Häuflein Silbermünzen in die schnell ausgestreckte Hand des grinsenden Alten gleichen. »Komm' wieder, wenn du Neues weißt,« sprach er, »ich wiege dir's auf mit dem, was da im Kasten liegt.«

Habernack kroch mit vielen Bücklingen rückwärts wie ein Krebs zur Tür hinaus. Draußen auf dem Gange beim Schein der Lampe zählte er gierig seinen Verräterlohn.

»Hihihi!« kicherte er, »soll mich doch wundern, wer besser bezahlt, der Bischof oder der Graf, aber blechen sollen sie beide.«


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