Hermann Wissmann
Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von West nach Ost
Hermann Wissmann

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Wettschießen.

Fünfzehntes Kapitel.
Bis Mpwapwa.

Von dem großen Lager Tibbu-Tibb's marschirte ich voraus bis zum Dorfe Kisui, dem Sammelplatz für sämmtliche sich der Karawane anschließenden Araber und Küstenhändler. Ein Ruhetag verging mit Besuchen meiner neuen Reisebegleiter, 5 reiner Araber und einiger Suaheli-Neger. Am Nachmittag bat man mich, da man von meinem Schusse bei Mirambo gehört hatte, mit dem besten Schützen der Araber ein Wettschießen einzugehen. Als Preis wurde ein Schlachtstier ausgesetzt. Der arabische Schütze Salim-bin-Heri hatte ein einläufiges Expreßrifle, ich schoß mit meiner Doppelbüchse. Ein handgroßes Stück Papier auf 100 Schritte war das Ziel. Zum großen Aerger meines Rivalen gewann ich, 274 erhielt aber nie meinen Gewinn; ja der junge heißblütige Araber trug mir noch lange nach, daß ich seinen Ruf geschmälert hatte.

Am 27. setzte sich die ganze Karawane in Bewegung. Ich hielt, da ich des Morgens stets zuerst aufbrach, die Tête. Durch schattenlosen Hochwald mit dürrem Grasbestand ging es durch Itura nach Osten. Das ebene Waldland ist fast unbevölkert, nur einige kleine Temben trafen wir am ersten Tage. Kein fließendes Gewässer kreuzte unsere Straße, kleine Tümpel oder Löcher mit weißem, dickem Wasser, das aus seitwärts der Lachen angebrachten Gruben geschöpft wird, deckte kaum den Bedarf der Karawane.

Ueber große Gneisplatten, Quarzgeröll und durch verstreut umherliegende gewaltige Felsblöcke, durch Waldsavanne und kleine Wiesen, die Ufer von Bächen, die nur in der Regenzeit bestehen, zog die Riesenkarawane still dahin. Nur einige Fächerpalmen brachten hier und da etwas Abwechselung in die Einförmigkeit der Flora, und am 30. sah ich den ersten Baobab im Osten, den letzten an der Westküste hatten wir bei Malanʒe gesehen.

Diese weiten Wälder sind das Eldorado für den Jäger. Stets am Nachmittag ging ich pürschen. Eines Tages trat ich auf eine langgestreckte Wiese, die schon hier und da frisches hellgrünes Gras aufsprießen ließ. Von Weitem gewahrte ich ein Rudel Zebras. Es war mir bisher noch nicht gelungen, ein solches Wild zur Strecke zu liefern, obgleich ich schon oft das scheue, wunderschöne Wildpferd angeschlichen hatte. Ein Trupp von Zebras ist einer der schönsten Anblicke, der sich dem Auge bieten kann. Kraft und Wildheit, Gewandtheit und Eleganz drückt sich in jeder Bewegung aus. Der geringste Umstand veranlaßt zu scharfem Sichern. Mit vorgelegten Ohren, die Nüstern weit geöffnet, stemmt ein kräftiger Hengst, der Führer, die Läufe vorwärts, schlägt wie ärgerlich laut dröhnend mit dem scharfen Hufe den Boden, steigt kerzengerade auf, um weite Umschau zu haben, wirft sich beunruhigt, und wie um seine Kraft zur schnellen Flucht zu proben, in einigen mächtigen Sätzen vorwärts und prustet warnend. Die übrigen Stücke des Rudels werden aufmerksam, traben wie von Federn hochgeschnellt, leicht durcheinander, und dahin fliegt der Trupp des Tigerpferdes in weiten Sätzen über Busch und Gras aus dem Bereich des Gegenstandes, der das Mißtrauen erregte. Dort wird gehalten, der schöne Kopf noch einmal zurückgewandt, wieder gesichert und abermals davongejagt. Des prächtigen Thieres Todfeind ist der 275 Herr der Wildniß, der Löwe. Ich glaube nicht, daß der Leopard sich dem scharfen Biß und harten Huf der erzürnten Hengste aussetzt.

Ich pürschte mich am Rande des Gebüsches, das die Wiesen einschloß, kriechend vorwärts. Plötzlich brachen links 2 Warzenschweine mit respectablen Gewehren durch und standen schnaubend 10 Schritte neben mir, das noch nie gesehene Wesen mißtrauisch anäugend. Ich war auf meine Zebras zu erpicht, um die häßlichen Störenfriede, deren Fleisch im Osten Niemand ißt, weiter zu beachten. Mit meinem Taschentuch schlagend verscheuchte ich sie und blieb liegen, um zu beobachten, ob das Geräusch der davonstiebenden Vielhufer mein schönes Wild nicht gestört habe. Einige Schritte weiter kriechend flogen 2 starke Antilopen in weiten Sätzen dicht an mir vorüber; wieder etwas weiter vorwärts dröhnte plötzlich der Boden von gewaltigen Hufschlägen dicht neben mir. Ich wandte mich, an Büffel denkend, schnell herum, um eben noch eine gewaltige Giraffe hinter den nächsten Bäumen verschwinden zu sehen. Endlich war ich auf gute Schußdistanz an die Zebras heran. Aus 20 Stück bestehend war das Rudel mit einigen Antilopen und 2 Warzenschweinen untermischt. Zur Linken standen einige mit schönen Schraubenhörnern geschmückte Kudu, und dicht vor mir 2 feine Zwergantilopen. Ich nahm das scheinbar stärkste Zebra auf das Korn, schoß, und unterm Feuer brach das schöne Thier zusammen, während die anderen mit Windeseile davonjagten, denn ich war sofort nach meinem Schuß in der Jagdaufregung aufgesprungen.

Zwei Büffel warfen sich mit schwerem Galopp in den Busch, kurz, ringsum entstand ein Rennen, Knacken und Flüchten, daß man sich inmitten einer großen Heerde auseinanderpreschender Thiere hätte denken können. Das erlegte Thier war leider eine trächtige Stute. Als ich hinzutrat, um das Wild durch Durchschneiden der Kehle, wie dies in Ostafrika geschehen muß, da andernfalls Niemand von dem Fleisch ißt, abzufangen, ein Verfahren, an das ich mich endlich mit vieler Ueberwindung gewöhnt hatte, sprangen noch dicht bei mir 2 Antilopen auf, die sich bisher in's Gras geduckt hatten.

Mit Jubel wurde im Lager das Wildpret begrüßt.

Das Fleisch des Zebra ist wohlschmeckend, wenn auch etwas süßlich.

276 Das Lager wurde stets an ausgetrockneten Bächen aufgeschlagen, da in deren tiefsten Stellen hier und da noch etwas Wasser stand. In einigen derartigen Tümpeln fingen unsere Leute mit großem Erfolg bis 1 Fuß lange Fische. Seitwärts von solchen Lachen wurden kleine Gruben ausgehoben, die sich allmählich füllten, und war das so auf natürlichem Wege filtrirte Wasser trinkbar.

Wegen der 9 Stunden lang am Tage aus unbedecktem Himmel mit sengender Kraft brennenden Sonne machten wir ab und zu Nachtmärsche, so lange es der Mond, der oft so hell leuchtete, daß man in seinem Lichte schreiben konnte, erlaubte. Ganz gespensterhaft, schattenlos, in einem gelblichblauen Lichte zog die Karawane langsam dahin; vorn vom Osten strahlte uns das magische Licht des mit der Zeit groß gewordenen Kometen entgegen, während des Mondes milder, aber heller Schein von rückwärts aus dem Westen den vom Kometen geworfenen Schatten aufsog. Der Komet überspannte wohl 60° des Firmaments mit seinem Schweif.

Wenn wir Nachts lagerten, erlaubte das ununterbrochene widerwärtige Geheul frech in der Nähe schweifender Hyänen kaum einige Ruhe. Am 2. lehrte uns ein rasender Galopp im Kreise um das Lager, daß einige nicht gut gefesselte Esel von dem nächtlichen Raubthier gejagt wurden.

Ich hatte stets mein kleines Lager abseits von dem der Araber, und so erfuhr ich erst am Morgen, daß eine schöne Maskateselstute zerrissen war; ein junger Eselhengst wies furchtbare Zerfleischungen am Hinterschenkel auf und mußte auch getödtet werden.

Es war unmöglich, den Hyänen beizukommen, so nahe ihr widerliches Geheul erschien. Obwohl die dem Lachen eines Blödsinnigen gleichenden Töne oft so erklangen, als wenn sie dicht am Zelt ausgestoßen würden, bekam ich trotz hellen Mondscheins nie eine der unheimlichen Bestien zu Gesicht.

Die steife, oft sturmähnliche Ostbrise, die täglich bis zum Nachmittag wehte, setzte jetzt auch des Nachts ein und riß ab und zu ein Zelt nieder.

Tantalusqualen stand ich am 4. aus, als wir, gegen Abend eine weite sumpfige Niederung umgehend, auf einer von uns durch unpassirbares Moor getrennten weiten Wiese 2 Elefanten, Giraffen, Zebras, Büffel und viele Antilopen sahen. Auch Rhinozerosspuren 277 zeigten sich an den Lachen. Wo ich auch versuchte, das letzte Hinderniß zu überwinden, mußte ich, oft bis zur Brust einsinkend, die Versuche, mich zu nähern, aufgeben. Nicht einmal an einen der vielen Wasserböcke, die in dem Moore standen, gelang es anzukommen.

Es war jetzt die schönste Zeit zum Jagen. Die alten hohen Gräser waren gebrannt, an den tieferen, feuchten Stellen sproß frisches zartes Gras empor, und waren diese der Tummelplatz des Wildes, besonders gegen Abend, da gleichzeitig an den Stellen auch die Tränke und oft die Suhlen, die Elefanten, Büffel und Wildschweine ganz besonders lieben, sind.

Am nächsten Morgen schoß ich einen Kudu, der vor mir flüchtig wurde, von hinten unter das Rückgrat. Fast senkrecht führte das prächtige Thier den letzten Sprung aus und brach dann verendet nieder. Ein Perlhuhn erlegte ich aus einem starken Fluge, der dicht vor mir über den Weg lief, mit meinem kleinen Wurfspeer, der mir, wenn ich marschirte, als Handstock diente.

Es war Ueberfluß an Fleisch. Tibbu-Tibb, dem ich oft einen Antheil der Jagdbeute sandte, revanchirte sich mit Süßigkeiten und Gebäck von Reismehl.

Des Abends saß ich mit den Arabern zusammen, Kaffee schlürfend, und beantwortete mit großer Geduld stets dieselben Fragen, die der Araber aus seinem engen Gesichtskreis stellt.

Durch ermüdend einförmigen Wald mit wenig Unterholz und feinen Gräsern ging es durch völlig unbevölkerte wildreiche Wildniß in großen Märschen vorwärts, und erst am 9., also nach 7 Tagen, ohne einen Eingeborenen zu sehen und Lebensmittel angekauft zu haben, erreichten wir Mdaburu, die Tembe eines Küstennegers Namens Munituana. Mdaburu ist ein festes Lager, eine Räuberhöhle oder eine Zwingburg. Der alte magere, einäugige Munituana, der Räuberhauptmann, hat gegen 100 Ruga-Ruga, mit denen er ringsum die Gegend »aufißt«. Schon 40 Dörfer sollen durch ihn ausgeplündert und zerstört sein. Einige Trümmer solcher hatten wir passirt. Mit den Arabern lebt er in Freundschaft und kleidet sich und lebt ganz wie jene. Er soll jährlich von Said-Bargasch, dem Sultan von Zanzibar, eine Pulverlieferung erhalten. Von Jenem, sowie von den Arabern, wird er als eine Art Straßenpolizei betrachtet, und erhebt in Folge dessen von allen Karawanen einen Durchgangszoll.

278 Da die Bewohner dieses Ortes nur Krieger sind, so haben sie fast keine Felder, aber viel Rindvieh, das ringsumher geraubt ist.

Die Tembe liegt auf einer fast absoluten, unbedeckten Ebene, ist stark gebaut und mit vielen Schießlöchern versehen. Inmitten des großen viereckigen Platzes steht das in Araberstyl gebaute Haus des Räuberhauptmanns.

Wir wurden gut empfangen, Tibbu-Tibb und ich erhielten je einen Schlachtstier und etwas Reis. Welch' rohes Treiben in dieser blutigen Höhle herrschte, kann man sich vorstellen. 100 Ruga-Ruga, Flüchtlinge von überall, frühere Räuber unter Mirambo, denen die jetzige Zucht unter ihm zu zwangsvoll wurde, entlaufene Sklaven, meistens Waniamwesi, die, in blutigen Scenen aufgewachsen, ein ihrer Erziehung würdiges Leben hier weiter führen konnten, waren die Bewohner.

Am Abend eines Ruhetages wurde ich eingeladen, um mit den Arabern zusammen von der Veranda des Wohnhauses aus die Kriegstänze der Ruga-Ruga zu bewundern.

In bunte Stoffe malerisch gekleidet, Turban oder Federschmuck auf den Häuptern, die schön gehaltenen Gewehre und einen kleinen Speer in der Hand, und meist mit einem Umhang von rothem Flanell, erschien die wilde Schaar mit langen Sprüngen vor dem Hause. In einer Linie begannen sie ein Scheingefecht gegen einen supponirten Feind. Einzelne Leute sprangen vorwärts mit Ducken, Niederwerfen oder Seitensprüngen, das Ausweichen vor feindlichen Pfeilen oder Speeren darstellend, feuerten ihre Gewehre ab und verschwanden in der Linie. Allmählich rückten Alle vor, das Gefecht wurde heftiger, das Gebrüll intensiver; Speere wurden geworfen, oder nachgeahmt, wie man Verwundeten den Garaus mache durch einen Stoß. Dann stürmten Alle auf einen Zaun, überstiegen diesen und hielten mit Siegesgeschrei die Waffen schwingend. Nun traten sie zum Rundtanz an und führten diesen mit Gesang und Bodenstampfen eine Zeitlang durch, bis der alte Munituana erschien, im langen schwarzen, mit Silberstickerei verzierten Sammetkaftan, das lange Beludschenschwert in der Rechten, umgeben von seinen 20 Weibern. Er begab sich in die Mitte des laut jubelnden Kreises und drehte sich, die feine Klinge durch Stoßen mit der Hand erzittern lassend, im Kreise, während die Weiber, ein gesangartiges Wimmern erhebend, sich in den Hüften drehend, ihn umringten.

279 Zwei unserer jungen Araber ergriffen auch die Speere, sprangen zu dem Alten und begannen ihm mit Ausfällen mit gezücktem Speer, Geschrei und Tanz zu secundiren. Immer erhitzter wurden die Tänzer, und hatten sich die beiden Araber bald in eine Aufregung getanzt, daß sie mit wilden Blicken, hoch gerötheten Gesichtern wie wahnsinnig umhersprangen, so daß die Ruga-Ruga selbst ihnen scheu auswichen. Jetzt sprangen die Beiden auf die Veranda und setzten, den wilden Blick auf mich gerichtet, ihre maßlosen Gesten fort. Zuerst glaubte ich, daß sie sich vor mir zeigen wollten; doch ihre Blicke wurden wilder, die blutunterlaufenen Augen bohrten sich auf mich und die Spitzen ihrer Speere kamen beim Vorchassiren mir oft recht nahe. Ihr Spiel schien nicht mehr ohne bestimmtes Ziel zu sein, und ganz besonders einer der Wilden, Salim, der mir noch immer den Stier als Preis des Wettschießens schuldete, stierte mich mit grimmiger Miene an. Als sie sich, immer mehr erhitzt, plötzlich mir noch mehr näherten, sprang Tibbu-Tibb auf Salim zu, umfaßte ihn und hielt den Tobenden fest umschlungen, während 2 ältere Araber den Anderen hielten und zur Vernunft riefenDer junge Salim war wegen seiner Wildheit bekannt, und beendete einmal später ein Schauri, das ein Engländer in Udjiji mit den Arabern hatte, dadurch, daß er, den Revolver spannend, rief: »Was sollen wir noch reden, ich will den Weißen niederschießen!« Er wurde nur mit Gewalt an der That verhindert. –– Im Jahre 1885 starb er an den Pocken..

Ich that, als wäre mir das Schauspiel nur interessant. Die Beiden sprangen, losgelassen, in das Gewühl zurück, aber ließen mich nicht aus den Augen.

Ich dachte jetzt, es sei wohl besser, mit den Wölfen zu heulen, als mich noch länger dem aus dem erhitzten Benehmen der Tänzer sprechenden Haß auszusetzen. Ich ergriff Humba's Karabiner, Seitengewehr und 5 Patronen, sprang über das Geländer in den Hof, winkte Platz zu machen, und wirklich stob der wilde Haufe auseinander. Ich lud und schoß nach einem Baum, rannte vorwärts, warf mich nieder, schoß wieder u. s. f., bis meine 5 Patronen abgefeuert waren, pflanzte dann das Seitengewehr auf, lief vorwärts und stieß dasselbe zwischen 4 Kugeln, die in dem Stamm saßen, während die fünfte seitwärts Splitter aus dem Baum gerissen hatte. Vollständige Stille war eingetreten, als ich begonnen hatte, aber jetzt begann ein heller Jubel, der mich lehrte, daß ich das rechte 280 Mittel gefunden hatte. Alles, selbst der alte Räuberhauptmann, lief nach dem Baum und bewunderte die Schüsse.

Dies sei die Weise, wie die Weißen in Uleia (Europa) kämpften, sagte ich, und jeder Doetschi (Deutsche) schieße so.

Seit diesem Tage waren die Araber, wie mir es schien, besonders freundlich, und auch mein überwundener Rivale im Schießen war weniger kühl und förmlich.

Am 11. marschirten wir bis nach Koko, dem ersten Dorfe der Wagogo. Ugogo ist das häßlichste, ärmste, ungastlichste Land, das ich in Afrika kennen lernte. Von 1400 m Höhe im Westen senkt es sich bis zu 900 m nach Osten ab, und bildet so den ersten Abfall von der Wasserscheide des äquatorialen Afrika nach Osten.

Beim allgemeinen Charakter der Ebene, die nur von vereinzelten nackten, mit Granitgeröll bedeckten Höhen unterbrochen wird, zeigt es hervorragend Steppenlandschaft. Wenig krüppelhafte Bäume, viel dorniges Gebüsch und spärlich feines Gras entsprießt dem sandigen Boden. In der 7 Monate dauernden Trockenzeit ist Alles dürr. In Senkungen, die in der Regenzeit bewässert sind, wächst der Baobab, der Elefant der Flora, und steht in der Trockenzeit in Lachen und künstlich aufgehaltenen Brunnen in allen Farben des Regenbogens schillerndes warmes, schlechtes Wasser.

Rauh und ungastlich, wie ihr Land, sind die Bewohner, die Wagogo, die mich in ihrem Wesen oft an die Waha erinnerten. In jedem Complex von vielen kleinen Dörfern bezahlt die Karawane Hongo, Durchgangszoll, den Arabern ein Dorn im Auge. Da aber ohne die von den Eingeborenen offen gehaltenen Brunnen zu weite Strecken wasserlos und unpassirbar sein würden, so fügen sich die großen Karawanen in das Unvermeidliche und bezahlen, ja kaufen jeden Topf voll Wasser von den mit den Waffen in der Hand die Brunnen umstehenden Eingeborenen.

Nördlich der Wagogo wohnen die kriegerischen Wataturu, Magassa und Massai. Eine südliche Umgehung würde zu weit sein und durch unbevölkertes Land führen. Diesen Umstand kennen die Wagogo sehr wohl und nützen ihn so viel als möglich aus.

In Usseke, der zweiten Gemeinde, trafen wir die große, 14 Tage vor uns von Tabora vorausgeschickte Karawane Tibbu's. Wir zählten jetzt an 2000 Menschen, meist Sklaven, die viel Elfenbein, an 900 Zähne, zur Küste brachten.

281 Nachts entstand Lärm im Lager. Eine Hyäne hatte einen schlafenden Sklaven erfaßt und ihm die Bicepsmuskel fürchterlich zerfleischt.

Die gefleckte Hyäne, die hier in großer Menge auftritt, ist durchaus nicht mit der gestreiften von Nordafrika zu vergleichen. Sie ist viel stärker, muthiger, und thut viel Schaden. In Folge ihrer feinen Nase wird sie dem Wild ein fürchterlicher Feind, ja ich sah Spuren, wonach im Rudel jagend selbst der gewaltige Büffel ihnen nicht zu mächtig ist. An einer feuchten Stelle fand ich tief eingedrückt den großen Doppelhuf des starken Wiederkäuers, der einige Stellen des Bodens aufgerissen hatte, verschiedene, offenbar in der Anstrengung des Kampfes hinterlassene Spuren von Hyänen und viel Schweiß. Der Boden rings herum erzählte von dem verzweifelten Kampfe.

Die Wagogo gehen des Nachts niemals allein und stets mit Feuerbränden aus der Umzäunung ihres Dorfes und verlieren viel Rindvieh und Esel durch die Hyäne.

Ich sah einmal ein solches Raubthier verendet am Boden liegen. Im Rücken und Genick war Haut und Fleisch, wahrscheinlich von den Prankenhieben des Löwen, aufgerissen; der gierige Hunger hatte wohl den frechen Räuber zu nahe an den Herrn der Wildniß herankommen lassen.

Auf dem Marsche nach Kanienje stiegen wir einen steilen Abfall, der sich unabsehbar weit von Nord nach Süd erstreckt, hinab und begegneten einer großen Karawane von 3 alten Arabern, die von der Küste kamen. Sie erzählten, daß alle Weißen in Massr (Egypten) erschlagen und vertrieben seien, und daß es mit der Macht der Europäer zu Ende gehe. Die 3 fanatischen Alten hatten eben noch von der Empörung des Arabi-Pascha und den damit verbundenen Greueln gehört, bevor sie in's Innere abgegangen waren. Für meine Stellung zu den Arabern war dieses Märchen keineswegs günstig. Man spöttelte viel, und hier gewahrte ich, daß doch ein Haß gegen den Europäer, ich möchte nicht sagen Christen, besteht. Denn von Religionsunterschieden haben diese Halbwilden wenig Begriff, und legen daher den Missionaren durchaus kein Hinderniß in den Weg. Bis jetzt, wo der Europäer dem Araber noch keine Concurrenz gemacht hat, im Gegentheil dieser von Reisenden und Missionaren nur verdient, ist das Verhältniß noch ein leidliches. Wird aber der Araber erst gewahr, 282 daß der Europäer mit seinen überlegenen Mitteln ihm den Handel aus der Hand zu ringen anfängt, dann wird sich das Verhältniß sehr bald ändern. So schrieb ich damals in mein Tagebuch, nicht ahnend, wie schnell sich meine Annahme verwirklichen sollte. Es sind seit jener Zeit weiße Händler ermordet, von Europäern eingerichtete Stationen angegriffen und zerstört, und ich selbst sollte später fühlen, wie schnell nach dem ersten scheinbaren Erfolge der Araber die Stimmung gegen Europäer sich ändern konnte.

Das Zusammenliegen unserer 2000 Menschen zählenden Karawane mit der fast gleich starken von der Küste kommenden, die Pocken mitgebracht hatte, hatte zur Folge, daß auch bei uns die in Ostafrika fast endemische Seuche zum Ausbruch kam.

Weiter ging es in großen Märschen, um das ungastliche Ugogo schnell zu passiren.

Täglich waren Unzuträglichkeiten mit den Eingeborenen. Es wurden zurückgebliebene Leute ausgeplündert und geprügelt, bei den Brunnen kam es zu Schlägereien, wenn durstige Sklaven, die Nichts hatten, um sich ein wenig Wasser von den unerbittlichen Wagogowächtern kaufen zu können, mit Gewalt ihren Durst zu löschen suchten. Das Feilschen um den Hongo, der von aus dem Innern kommenden Karawanen meist in eisernen Hacken bezahlt wird, dauerte tagelang.

Die Wagogo wiesen uns, wie zum Hohn, stets die schlechteren, schattenlosen Stellen an zum Lagern, unter dem Vorwande, sie wünschten von uns nicht die Pocken zu bekommen.

Täglich verloren wir 3–4 Mann an dieser Seuche. Sieben von meinen acht verschiedenartigen Affen, die ich von weit her mit mir führte, starben nach einem krampfartigen Zusammenziehen; unsere Esel magerten zu Skeletts herab; die ganze Karawane litt an Augenentzündung durch die täglichen, feinen Sand mit sich führenden Ostwinde; das schlechte Wasser hatte viele Krankheiten erzeugt, und bei der hiesigen Theuerung herrschte Hunger. Ich vertheilte täglich an fremde Sklaven, die bei mir bettelten, für 8 Ellen eingekaufte Hirse, das Einzige, was zu kaufen war, und schoß fast täglich 1 bis 2 Antilopen, einmal auch ein Zebra, nur um das Fleisch zu vertheilen.

Ich hatte unter meinen wenigen Leuten Fieber, Dysenterie und Lungenentzündung, und eines Morgens meldete mir Bilali, der Träger meines Zeltes, daß sein Bruder bei einem unserer 283 Nachtmärsche an den Pocken erkrankt und zurückgeblieben sei. Um ihn aufzusuchen, sei er selbst mit einigen Kameraden zurückgegangen, habe aber nur noch einige Knochen, die von den Hyänen übrig gelassen waren, gefunden.

Tibbu-Tibb's Schlachtvieh, 10 Kühe, die unbemerkt von den Wagogo weggetrieben waren, traf ich zufällig, von der Jagd heimkehrend, weit vom Lager. Die Diebe entflohen, und ich trieb zu Tibbu's großer Freude die Heerde in's Lager zurück.

Endlich, am 25., erreichten wir die östlichste Gemeinde der Wagogo bei Debue. Vor uns lag die unbewohnte, verrufene Wildniß Marenga-Mkali (Bitterwasser), die Ugogo von Usagara trennt. Keines der vier rings um diese Wildniß wohnenden Völker macht Anspruch auf den Besitz dieses wildreichen Landstriches, der von der Karawanenstraße durchzogen wird. Auf diesem Wege ist es nöthig, geschlossen zu marschiren und die Gewehre geladen zu haben, denn vom Norden bedrohen die Massai, vom Osten Wasagaro, vom Süden Warori und vom Westen Wagogo kleine Karawanen und Nachzügler. Allwöchentlich kommen Plünderungsversuche vor, selbst die mächtigsten Araber werden nicht verschont, da nie die Thäter festzustellen sind.

In Debue campirte ich in der ausgebrannten Höhlung eines gestürzten Affenbrotbaumes, in der ich aufrecht stehen konnte. Im Allgemeinen thut man nicht gut, sein Zelt dicht an einem solchen Baum aufzuschlagen, da die tiefen Falten der Rinde häufig Skorpionen Unterkunft gewähren. Ich tödtete mehrfach derartige Thiere von 6 bis 10 cm Länge in meinem Zelt, wenn ich, den Schatten des mächtigen Stammes ausnutzend, mich dicht an einem solchen Baum heimisch gemacht hatte.

In der bewohnten Ebene von Debue wurden die Wasserlöcher noch strenger bewacht, als je.

Mein Maskatesel hatte seit 2 Tagen nicht getrunken, und die Wagogo verlangten den Preis von 6 Ellen Zeug für einen Trunk des armen, vom Durst gequälten Thieres. Ich weigerte mich, diesen lächerlichen Preis zu zahlen. Meine Träger, die die Verhandlungen mit angehört hatten, begannen mit einigen Wagogo in der Nähe Streit, und rannten nun die Wächter des Brunnens auch dorthin, um ihren Landsleuten beizustehen. Jetzt ward mein Esel schnell losgelassen, war mit wenigen Sprüngen an dem Wasserloch und labte sich mit tiefen Zügen. Sofort kamen die Wächter 284 zurück und trieben mit Stockhieben das Thier, das unterdeß seinen Durst gestillt hatte, von der Wasserstelle fort. Man verlangte jetzt von mir noch höhere Zahlung; ich aber verwies die Unverschämten mit ihrer Forderung an meinen Esel, da durch ihre Unvorsichtigkeit, nicht durch die meine, der Wasserdiebstahl begangen sei.

Ein anwesender Häuptling der Wagogo entschied, daß das Thier zu seinem Besitzer in demselben Verhältniß stehe, wie ein unmündiges Kind zu seinem Vater, und ich daher zahlen müsse. Nach längerem Ueberlegen nahm ich den Häuptling bei Seite und fragte ihn in Gegenwart einiger Araber, wie viel ich außerdem noch zu zahlen habe, da meine Leute einen seiner Untergebenen geschlagen hätten, und ich dies lieber gleichzeitig mit ihm abmachen wolle, um weitere Mißhelligkeiten zu verhindern. Mindestens 4 Stücke Zeug, also 160 Ellen, forderte er für dies Vergehen, und ließ sich nach längerem Hin- und Herreden auf 2 herabhandeln, wenn ich ihm sofort, und an diesem Ort, wo Niemand sehen konnte, wie viel er erhielt, den Betrag bezahlen wolle. Ich sagte zu, erwähnte jedoch noch vorher, daß seine Leute meinen Esel, der nach seinem Urtheil zu mir in demselben Verhältniß stünde, wie seine Untergebenen zu ihm, vom Wasser weg geprügelt hätten, und ich mich deshalb auch mit derselben Höhe von 2 Stücken Zeug, die er mir schulde, zufrieden geben würde, um dann selbstverständlich das Wasser zu bezahlen.

Typus eines Bastard-Arabers.

Jetzt rief ich einen meiner Leute, sprach mit ihm einige Zeit, that sehr erstaunt, und sagte dann dem Häuptling, es habe sich herausgestellt, daß sie von meinen Leuten Geprügelten nicht seine Untergebenen, sondern Sklaven eines Arabers gewesen seien, und ich nicht an ihn, sondern an den Araber die 2 Stücken Zeug bezahlen müsse: in Folge dessen schulde er mir noch für die Züchtigung 285 des Esels 2 Stücken Zeug, oder 80 Ellen, ich ihm für Wasser die geforderten 6 Ellen, und so blieben denn 74 Ellen, die ich von ihm zu erhalten habe.

Der in seiner Schlinge Gefangene war kolossal verblüfft, und Umstehende unserer Karawane brachten ihn durch ihren Spott völlig außer Fassung.

Damit er sehe, wie ein Weißer handle, sagte ich ihm dann, wolle ich ihm seine Schuld erlassen und sogar den gebräuchlichen Preis von einigen Glasperlen für die Tränke meines Esels zahlen, wenn er mir verspreche, nie wieder einen Weißen übervortheilen zu wollen. Er versprach natürlich Alles und entfernte sich, wie ein begossener Pudel.

Am Nachmittag um 4 Uhr rief ich meine Träger zusammen, befahl den höchst Erstaunten die Lasten aufzunehmen, und marschirte ab, nachdem mir Tibbu-Tibb noch 2 Bewaffnete mitgegeben hatte, da ich schon morgen in Mpwapwa, einer englischen Missionsstation, eintreffen wollte, um dort in dem wildreichen Lande einen Ruhetag zur Jagd zu haben, und dann mit Tibbu-Tibb weiter zu reisen.

Dicht aufgeschlossen, die 2 Soldaren Tibbu's voraus und ich mit Humba schließend, marschirte ich mit meiner kleinen Karawane in die verrufene Wildniß, und hielt erst Nachts um 12 Uhr, um abseits des Weges bis zum Morgen auszuruhen.

Schon um 5 Uhr ging's weiter durch dichte Dornenbüsche, über Wiesen mit Baobabs, durch vielfach abwechselnde Savanne, bald mit hohem Baumbestand, bald nur mit Buschwerk. Lange Strecken marschirten wir an ausgetrockneten Bächen entlang, in deren tiefsten Stellen kleine Lachen mit bitterem Wasser standen, wovon diese ungastliche Wildniß ihren Namen hat.

Abends um 5 Uhr ließen wir eine nackte, mit Felsgeröll bedeckte Höhe zu unserer Linken, an deren Fuß eine von Wangwana und Wasagara bevölkerte Dorfschaft Dschuniu liegt. In vollständiger Dunkelheit passirten wir einen bereits von Karawanen besetzten Lagerplatz unter den Aesten gewaltiger Sykomoren, und stiegen zu einer großen, aus mehreren Häusern bestehenden Missionsstation hinauf, wo ich von einem Europäer, der erstaunt über unser spätes Eintreffen aus der Thür seines Hauses trat, freundlichst eingeladen und bei ihm einquartirt wurde.

286 Am nächsten Morgen, nachdem ich meinen Wirth, den Dr. Baxter, der zur englischen Missionsstation gehörte, dankbar begrüßt hatte, trat ich aus dem Hause und genoß eine überraschend schöne Aussicht. Im Norden zog sich ein finsterer Höhenrücken hin, hinter dem die Gebiete der kriegerischen Massai liegen. Nach Westen und Süden bot sich ein liebliches Bild. Unter gewaltigen Sykomoren blickten weiße Zelte und Hütten eines Lagers hervor, und mehrere Dörfchen, von grünen Wäldern umgeben, bedeckten die Hänge der Erhebung, welche Mpwapwa, die Missionsstation, krönte. Ein großes Haus, aus Steinen aufgebaut, mit schönen, kühlen Räumen, war das auffallendste Gebäude. Eine kleine Kirche, das Wohnhaus meines Wirthes und einige Häuser für die Dienerschaft, waren alle weiß gestrichen, gut gehalten, und machten einen wohlthuenden Eindruck. Mehrere andere große Häuser mit weiten Gärten, die zwei Herren der Mission mit ihren Frauen bewohnten, lagen in einer Einbuchtung des Bergrückens im Norden.

Alle Europäer hier sahen gesund und frisch aus, und man rühmte das gute Klima ungemein.

In dem vorher erwähnten Lager traf ich noch 4 englische Missionare, die hier in diesem idealen Lagerplatz auf Nachsendung von Trägern warteten, um nach ihren Bestimmungsorten in Ujui und Urambo abzugehen. Man nahm mich überall mit großer Herzlichkeit auf, und ich mußte den neuen Ankömmlingen viel von den Ländern ihrer Bestimmung erzählen.

Am Abend traf die Riesenkarawane Tibbu-Tibb's ein. Ich ging sofort in's Lager und vernahm, daß am letzten Abend mitten in der Wildniß des Marenga-Mkali ein getrennt marschirender Theil der Karawane überfallen sei; wo Dornendickichte den Weg einengten, waren plötzlich die Räuber hervorgebrochen. 3 Leute Tibbu's waren mit Speeren niedergestoßen, bevor sie hatten feuern können, ein Mann verwundet, 20 Ziegen, 5 Elefantenzähne und 2 Weiber weggeführt, und die mit Ruß und Oel beschmierten Räuber ohne Verluste in's Dickicht entkommen.

Ich war mit 25 Mann durch die verrufene Wildniß durchgeschlüpft, Tibbu's 2000 Köpfe zählende Karawane war angefallen und beraubt worden, wahrscheinlich von Wagogo.

Am nächsten Tage beschloß ich, einen größeren Ausflug in das südlich gelegene wildreiche Gebiet zweier kleiner Seen zu 287 machen. Tibbu-Tibb wollte nicht länger warten, und da er auch den weiteren Weg nach Bagamno an der Küste einschlug, während ich nach dem Küstenorte Saadani wollte, ließ ich ihn ziehen, besonders, da man mir sagte, daß von hier bis zur Küste selbst kleine Karawanen ganz sicher reisen könnten. In Zanzibar wollte ich dann wieder mit Tibbu-Tibb zusammentreffen.

Mit einem jungen Missionar und 6 Leuten brach ich am Morgen des 28. auf und marschirte in südlicher Richtung. Schon nach einer Stunde Marsches erreichten wir wildreiche Gegend. In lichtem Hochwald wurden einige Antilopen flüchtig und 3 Giraffen, deren eine ich anschoß. Das imposante Thier brach gleich nach dem Schuß zusammen, sprang wieder auf und wurde, ohne Schweiß zu lassen, derartig flüchtig, daß ich glaubte, es gefedert zu haben, und die Verfolgung aufgab. Wir überstiegen sodann einen Höhenzug, dessen Kamm mit Geröll und Felsblöcken bedeckt war, so daß man fortwährend durch das Geröll hindurchklettern mußte, und stiegen in ein Thal hinab. Unten angekommen, öffnete sich der Wald, vor uns lag eine von Nord nach Süd ausgedehnte, etwa 1000 m breite Wiese und in deren Mitte ein kleiner See. Am nördlichen Ende desselben ragte ein kleiner Hügel mit Baumbestand und Felsgeröll inselartig aus der weiten Wiese empor. Wir gewahrten 4 große Rudel Antilopen verschiedener Art, und mehrere andere einzeln und zu zweien, äsend.

Es fiel mir heute wieder auf, was ich schon seit längerer Zeit bemerkt hatte, daß ich das Wild oft eher entdeckte, als meine Begleiter. In der ersten Zeit in Afrika konnte ich oft ein Stück Wild, oder einen Vogel, den man mir zeigte, nicht auffinden, so daß sich die Neger darüber wunderten, wie lange es dauerte, bis ich das Thier erkannte. Ich konnte mir diesen Umstand nur dadurch erklären, daß ich mich allmählich an die zuerst fremdartige Umgebung und an das ungewohnte Licht gewöhnt hatte. Es wurde mir später diese Beobachtung auch von anderen Europäern mitgetheilt, so daß ich demnach annehmen muß, daß uns der Neger auch in der Schärfe seiner Sinne nicht überlegen ist. Daß das Gehör bei Europäern in Afrika öfter leidet, hängt meistens mit dem Nehmen starker Dosen von Chinin zusammen.

Wir schossen an demselben Tage noch einige Antilopen an, ohne sie zur Strecke zu liefern, und fingen in dem kleinen See 25 Welse von Fußlänge, indem wir watend meine netzartige 288 Hängematte durch's Wasser zogen, und dieselbe, wenn sich Fische innerhalb derselben befanden, schnell an's Land warfen. Der See barg im wahren Sinne des Wortes mehr Fische, als Wasser. Griff man hinab, so berührte man glatt entschlüpfende Fische, und beim Waten fühlte man fortwährend die aufgeregt umherschießenden Thiere. In der Regenzeit soll das Wasser fast die ganze Senkung bedecken, jetzt konnte man es eher einen lang gestreckten Teich nennen.

Wir bezogen Lager an der dicht am Wasser gelegenen kleinen Waldparzelle, um gegen Morgen zum Wasser tretendes Wild bequem zu Schuß zu bekommen. Gegen Mitternacht wurde ich durch ein tiefes, dumpfes Grollen aus dem Schlafe geweckt. Der Halbmond sandte schwaches Licht auf die afrikanische Landschaft. Der Spiegel des kleinen Sees war in flimmernder Bewegung von dem Spiel der Tausende von Fischen. Alles ringsum war wieder still, und schon glaubte ich mich geirrt zu haben, als abermals derselbe dumpfe Ton ganz dicht bei uns erklang. Ich stieß den Führer an, und dieser meinte, daß Büffel die Urheber des Geräusches seien, die zum Wasser träten. Ich band nun ein Läppchen weiße Leinewand über das Korn meiner Büchse und setzte mich an, um die Büffel zu erwarten. Da plötzlich brachte ein gewaltiges, rauhes, tiefes »Uh« im Lager Alles auf die Beine. Noch einige Male wiederholte sich das wie aus heiserer Kehle dringende Stoßgebrüll, bald folgten sich die Töne schneller, wurden weniger abgerissen, und die erschütternden Laute wuchsen, sich überpolternd, zum donnernden Gebrüll des Löwen. Dicht hinter dem Gebüsch, in dem wir lagerten, mußte der Gewaltige, im Begriff zum Wasser zu treten, unsere Anwesenheit bemerkt haben, und hatte drohend seine dröhnende Stimme erhoben.

Dem Löwen gegenüber.

Alles hatte die Gewehre ergriffen: vom Aufschüren des Feuers hielt ich die Leute ab, und einen Augenblick erwarteten wir gespannt sein Erscheinen. Alles blieb still. Diese Gelegenheit, dem edelsten Wilde entgegenzutreten, würde wohl die letzte in Afrika sein, so überlegte ich und beschloß, den Löwen aufzusuchen. Ich nahm die mir von Doctor Baxter geliehene schwere Doppelbüchse, gab Humba die meinige und den Befehl, mir behutsam dicht zu folgen. Im Schatten des Gebüsches schlichen wir uns hin, meine Begleiter blieben nach und nach zurück. Ich war so aufgeregt, daß mir das Herz zum Halse hinaus zu schlagen schien, 289 mein Gaumen war ganz trocken. Ich schlich behutsam weiter, da meine Leute auf mein Winken nicht folgten, und trat heraus aus dem Schatten in das vom Monde hell beschienene, hüftenhohe Gras der Wiese. Einige Momente hielt ich, um tief Athem zu schöpfen und mich umzuschauen. Meine Leute waren nicht mehr zu sehen; ich überlegte mir kurz die Chancen, die ich bei diesem schlechten Lichte, bei dem hohen Grase, aus dem ungesehen das Raubthier jeden Augenblick auf mich springen konnte, hatte. Sollte ich dicht vor der Küste, dicht an meinem letzten Ziele, unter so schlechten Aussichten dem gewaltigen Thiere entgegentreten? Ich wurde für einige Momente wankend, dann aber zog es mich wieder wie mit Ketten vorwärts. Noch einige Schritte machte ich, da plötzlich bewegte sich dicht vor mir das Gras. Ein gewaltiger Kopf, vom Mond beschienen, völlig weiß erscheinend, wurde sichtbar, und ein leises Knurren vernehmbar. Ich stand wie angewurzelt, und auch der Löwe ca. 15 Schritte vor mir stand unbeweglich, nur ein leichtes Wedeln mit dem Schweif war zu bemerken. Meine Aufregung legte sich, denn ich hatte den Gegenstand derselben vor mir, und ganz ruhig hob ich langsam den Kolben in die Schulter. Ich hielt mitten auf den Kopf, drückte ab und riß die Büchse nieder, um den Erfolg zu sehen. Mit furchtbarem Gebrüll fuhr der Löwe kurz herum und – war mit zwei weiten Sätzen im Gras verschwunden. Ich stand noch immer, und hatte in dem Moment der Erwartung dessen, was folgen konnte, ganz meinen zweiten Lauf vergessen. Meine beiden Leute kamen nun heran und waren erstaunt, sie wie ich, daß der Löwe flüchtig geworden war. Sie hatten gedacht, als gleich nach dem Schusse das Gebrüll erfolgte, ich sei niedergeworfen, und wunderten sich über den matten Knall der schweren Büchse. Auch mich frappirte der Umstand, daß der Rückstoß beim Schusse kaum zu merken gewesen war.

Im Lager angekommen, glaubte man, ich sei sehr weit gewesen, da man den Knall des Gewehrs nur dumpf vernommen hatte. Ich untersuchte nun die Munition und fand, daß die meisten Patronen feucht geworden waren, wahrscheinlich beim Fischen gestern Abend, wobei ich bis über die Hüften im Wasser gestanden hatte. Der schwache Knall ließ mich vermuthen, daß das Geschoß wegen des etwas feuchten Pulvers den Löwen 290 vielleicht nur matt getroffen hatte. Am anderen Morgen beim ersten Tageslicht fanden wir Nichts auf der harten Anschußstelle, trafen aber später am Rande der Wiese an einer feuchten Stelle des Löwen mächtige Spur und etwas Schweiß, der sich bis zu einem Dornendickicht, in das der Angeschossene eingedrungen war, vermehrte. Zu folgen in das dichte stachelige Gebüsch war nicht möglich, und der Löwe war verloren.

Bald darauf wurde ich von meinen Leuten gerufen und mir ein Rudel von Büffeln gezeigt, das sich langsam vom Trinkplatz nach dem Waldrand äste. Ich pürschte mich nach der Stelle, wo sie den Wald erreichen mußten und war schon auf Schußweite heran: der Sicherheit wegen wollte ich noch etwas näher, da die riesigen, finsteren Wiederkäuer noch ganz ruhig waren, und trat deshalb wieder in die Waldlisière zurück. Plötzlicher schwerer Hufschlag machte mich hervorspringen, und ich sah noch eben das letzte Thier des Rudels in dem Holz verschwinden, und fünf Eingeborene, die die Büffel verscheucht hatten, traten auf die Wiese. Nun ging ich mit einem meiner Leute weiter und folgte einem wegartigen Rhinozeroswechsel, der an dem von den scharfen Hufen des meist allein gehenden Dickhäuters zu Häcksel getretenen trockenen Grase leicht erkennbar ist. Auf einmal verlor ich den Boden unter den Füßen und stürzte 4 m tief in eine scharf nach unten sich verengende Fallgrube. Das zum Rhinocerosfang angelegte Loch wurde nach unten zu schmaler, damit ein hineinstürzendes Thier sich in den Schultern und Hüften festklemmt und so bewegungsunfähig wird. Zu meinem Glücke war dieselbe nicht wie solche, die man für Elefanten anlegt, unten mit angespitzten Pfählen versehen. Die Oeffnung oben war mit leichten Ruthen, darüber mit Gras und dann mit dem den Rhinozeroswechsel bezeichnenden Häcksel belegt und natürlich für's Auge völlig unkenntlich gemacht. Das einzige dem Jäger die Nähe einer Fallgrube verrathende Anzeichen ist ein unmotivirter, nicht natürlicher Erdaufwurf, der aus der Grube gehobene Boden, und muß man stets in der Nähe eines solchen vorsichtig sein.

Mit Hilfe meines Begleiters befreite ich mich aus der für einen Jäger höchst komischen Lage und kehrte, von so viel Jagdunglück verstimmt, nach dem Lagerplatz zurück.

Der junge Missionar hatte ebenfalls Nichts zur Strecke geliefert, die Leute hatten 26 Fische gefangen, und wir beschlossen, 291 heimzukehren, nachdem wir zwei Tage in äußerst wildreicher Gegend ganz umsonst gejagt hatten.

Als wir in der Mission ankamen, war Tibbu-Tibb schon fort auf der Straße nach Bagamoio. Ich ließ einen mir von einem Araber geschenkten Strauß, einen Affen, afrikanischen Hund und eine trächtige Eselstute, den Rest meiner in Ugogo decimirten wandernden Menagerie, in Mpwapwa. Der Strauß hatte sich unterwegs bei meinen Leuten sehr wenig Liebe zu erwerben gewußt; da er frei marschirte, hatte er oft einen Träger angerannt. Wenn dieser ihn dann erzürnt mit dem Stocke schlug, schoß er vorwärts und rannte Andere über den Haufen, so daß er von vielen Schlägen arg zugerichtet war.

Am 31. October ging ich in östlicher Richtung auf dem Wege nach Saadani weiter. Lichter Hochwald, der in der Nähe von Bächen üppiger wurde, nahm uns auf. 292

 


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