Hermann Wissmann
Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von West nach Ost
Hermann Wissmann

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Ueber den Moari.

Achtes Kapitel.
Bis zum Lualaba.

Am 8. März lagen dem Versprechen gemäß die Kanoes bereit, und das Uebersetzen wurde bis zum Mittage beendigt. Man benutzte nicht Ruder, sondern lange Stangen zum Führen der Kanoes, da der Fluß eine gleichmäßige Tiefe von 3 bis 4 m und festen Kiesgrund hat.

Wir hatten das Land der Bena-Sala, ebenfalls Bassonge, betreten. Ihr Häuptling Lunkamba-Langongo, der eine Tagereise nördlich wohnt, ist dem Araber Tibbu-Tibb tributär.

Wir wenden uns nun direct nach Norden und folgen auf dem Rande des Plateaus dem Laufe des Lomani.

Unser nächstes Ziel ist Nyangwe, da wir nach Stanley's letztem Berichte von dort, bevor er seine gewaltige Kongoreise antrat, daselbst Araber mit Waaren anzutreffen hoffen, denn davon hing der weitere Erfolg, ja die Existenz der Karawane ab.

154 Lunkamba brachte uns drei Schafe und bat, wir möchten ihm gegen einen Rebellen, der sich mit einigen ihm gehörigen Dörfchen für unabhängig erklärt habe, beistehen. Wir lehnten selbstverständlich ab, denn einmal machten wir nur Krieg, wenn wir angegriffen oder selbst geschädigt würden, und dann sei auch sein Herr, wie er behaupte, Tibbu-Tibb, und müsse er sich an diesen wenden.

Mehrfach waren schon in letzter Zeit zwischen unseren 19 Trägern und Mukenge's Leuten Mißhelligkeiten ausgebrochen und trotz unseres Dagegenwirkens eine gewisse Feindseligkeit zwischen den beiden Parteien entstanden, die sich heute in einer sehr gefährlichen Weise zeigen sollte.

Das Weib eines Trägers und ein Muschilangemädchen stritten sich um die Benutzung eines im Dorfe stehenden Mörsers zum Stoßen von getrocknetem Maniok. Die männlichen Verwandten der Beiden traten hinzu und suchten nach vielem Zanken thätlich eine Entscheidung herbeizuführen. Die Träger eilten ihren Kameraden mit Stöcken zu Hilfe, die Baschilange ihren Landsleuten, und wegen großer Ueberzahl der Letzteren holten sich unsere Leute, die sehr wahrscheinlich im Unrecht waren, eine tüchtige Tracht Prügel, wurden aber hierdurch immer wüthender.

Mukenge's brave Schwester Sangula war die Erste, um die Streitenden zu trennen. Sie versuchte dies zuerst mit ihrem Zauberstabe, einem Büschel getrockneten Riambas, dann aber schlug sie mit der Tapferkeit einer Amazone mit einem ansehnlichen Stock ohne Ansehn der Person dazwischen. Der ruhige Mukenge, sowie der beredte, aber furchtsame Kaschawalla machten umsonst ihren Einfluß geltend, als Pogge und ich herbeieilten und wie Sangula uns energischer in's Mittel warfen.

Unser ältester Träger, Matheus, der uns schon von Dondo aus begleitet hatte, stürzte, an mehreren Stellen blutend, in seine Hütte, erschien mit seinem Chassepotkarabiner und rannte ladend einige Schritte davon. Humba, der mir dies mittheilte, und ich liefen ihm sofort nach, um ihn zu fassen. Aber schon hatte der Wüthende geladen, legte an und schoß mitten in das Getümmel, in dem Pogge, Mukenge, Sangula und Kaschawalla sich abmühten, blind hinein. Bevor der Mann, sich jetzt drohend gegen mich wendend, die zweite Patrone im Gewehre hatte, erreichte ich ihn, schlug ihn nieder und band ihn mit Humba's Hilfe. Der Schuß erreichte mehr, als unsere Bemühungen, den Frieden herzustellen.

155 Die Parteien, die jetzt schon Axt und Messer schwangen, hielten erschrocken inne. Die Kugel hatte sich mitten durch das Gewühl einen Weg gesucht und saß dicht hinter der Stelle, an welcher Pogge und Mukenge standen, auf Baucheshöhe in einem Baumstamme.

Der vor Wuth schäumende Matheus bäumte sich in seinen Fesseln, er wurde an einen Baum gebunden und erhielt mit vorzüglicher Wirkung einige Binda kalten Wassers über den Kopf.

Jetzt herrschte reuevolle Stille in unserem Lager. Ein Jeder war vor den zu erwartenden Folgen besorgt.

Der Kalamba, von dem wir mit Sicherheit angenommen hatten, daß er auf Bestrafung oder Bußezahlung dringen würde, verzichtete auf Alles, denn er wie alle Anderen sahen ein, daß wir, so weit von der Heimath, unsicher über das, was wir antreffen würden, mit unserer kleinen Macht zusammenhalten müßten, und nicht noch durch lange Untersuchung und Bestrafung Haß und Mißmuth unter die Theile der Expedition säen dürften.

Matheus mußte noch drei Tage in der Kette gehen, wurde aber dann, da er selbst Kalamba sein Unrecht eingestand und Meta deshalb für ihn bat, freigelassen.

In derselben Nacht erhielt ich noch einige gute Beobachtungen.

Seit dem ersten März schien die zweite Periode der Jahresregen eingesetzt zu haben. Während der Januar und Februar uns viele bedeckte kühle Tage, ab und zu leichte Sprühregen und nur selten schwache Gewitter gebracht hatten, setzten jetzt wieder schwere Niederschläge mit starker elektrischer Entladung ein, und natürlich vertraten wieder drohend aufgethürmte dunkle Haufenwolken das Schichtengewölk der letzten Monate. Immer noch kamen die Gewitter vom Osten, hatten also noch dieselbe Richtung, wie in Westafrika. Von wunderbar hellem Glanz war hier in diesen Nächten das Zodiakallicht.

Oestlich von uns ließen wir die Bena-Tschikullu, in deren Nähe sich zwei Lualabaströme zu einem vereinigen sollten, und marschirten am 11., den Lomani, der nach Westen abbiegt, verlassend, direct nach Norden.

Wir trafen ganz frische Elefantenspuren, so daß ich die Karawane vorbeimarschiren ließ und mit Humba, einem Führer der Bena-Sala und dem Baschilangehäuptling Tengo mich auf die Fährte setzte. Letzteren ermahnte ich zur Ruhe, denn er hatte schon 156 einmal im übergroßen Eifer mein Anpürschen auf Büffel gestört. Der Spur nach hatten wir sechs starke Elefanten mit zwei Jungen vor uns, und unter ersteren zwei gewaltige Thiere, deren Fußspur 38 cm in der Länge maß. Bis gegen 10 Uhr folgte ich im Sattel, dann fanden wir bald die Baumbrüche so frisch, die beim Niederreißen eines Astes abgeschälte Baumrinde noch kühl und feucht, die geknickten Blätter im Bruch noch saftig und die Losung noch warm, daß ich den Stier anband und wir behutsam zu Fuße folgten.

Noch eine Stunde lang ging es durch 8 Fuß hohes Gras und sumpfige Thäler, den sengenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, so daß ich Tengo mein Gewehr zu tragen gab. Das Brechen eines Astes machte uns aufmerksam, da aber Alles still blieb und der Führer Affen für die Urheber des Lärmes hielt, gingen wir weiter und drangen in das hohe Schilfgras einer feuchten Niederung ein. Die Spuren trennten sich etwas von einander, und Humba folgte der rechts mit uns laufenden, als plötzlich mein Führer mit dem Rufe »Ngelu!« bei mir vorbeirannte und verschwand.

Aufblickend sah ich mich vor einem riesigen Elefanten mit gewaltigen Zähnen, der, mit Schlamm bedeckt, die kleinen Augen lebhaft auf mich gerichtet und, die mächtigen Ohren weit abgesperrt, 8 Schritte vor mir stand.

Die Hand nach rückwärts streckend, rief ich: »Tengo letta uta!« (»Tengo, gib's Gewehr!«), hörte aber den tapferen Häuptling davon rennen und gleichzeitig zu meiner Rechten einen Schuß. Das war für mein gewaltiges Vis-à-vis das Signal zum Hochwerfen des Rüssels, und mit durchdringendem Trompeten stürzte der massige Waldbummler gerade auf mich zu.

Von Elefanten gejagt.

Ich warf mich seitwärts in das Gras und arbeitete mich mit der Kraft, die der Moment kritischer Entscheidung gibt, durch die starken Halme. Noch hörte ich, wie der Koloß hinter mir vorbeibrach, erhielt aber gleich darauf einen derartigen Hieb zwischen die Schultern, daß ich vorwärts in ein Gebüsch flog und mir das Blut aus der Nase stürzte.

Obgleich mir momentan schwarz vor den Augen wurde und sich die Umgebung etwas mit mir drehte, wurde ich doch gewahr, wie noch ein Thier prasselnd und krachend hinter mir vorbeibrach. Noch zwei dunkle Berge tobten an mir vorüber, einer so dicht, daß die geknickten Ruthen des Gebüsches über mir 157 zusammenschlugen. Ich hätte die mächtigen, Alles zermalmenden Läufe berühren können. Ein Prasseln, Brechen und Krachen in allen Richtungen zeigte, daß auch noch andere Mitglieder dieser gestörten Familie erschreckt das Weite suchten.

Als das Getöse verhallt war, trat Todesstille ein. Ich entsann mich jetzt des Schusses, der von der Rechten gekommen war, wo ich Humba vermuthete, und rief dessen Namen. Alles blieb still in dieser Richtung, aber der muthige Tengo kam mit halb beschämten, halb erschreckten Mienen von einem Baume herabgestiegen, dessen Krone er vorhin mit affenartiger Geschwindigkeit erklommen hatte.

Ich rief noch einmal nach Humba, und in dem Moment brach dicht bei uns noch ein Elefant durch das dichte Schilf, so daß Tengo sofort wieder auf dem Baume war.

Wir brachen uns jetzt, nichts Gutes ahnend, in der Richtung durch und fanden Humba, am Boden liegend, in einer großen Blutlache. Als ich ihn aufhob, schlug er die Augen auf und kam zu sich, jammernd, daß er sterben müsse. Ich untersuchte ihn, konnte aber nur finden, daß einer der beiden Muskelschwülste neben dem Rückgrat wie von einem Messer zerschnitten war, sonst wies er nur einige Quetschungen und Schrammen auf.

Humba erzählte bald, daß er auf einen kleinen Elefanten, dem er die Mündung fast vor den Kopf gehalten habe, geschossen habe. Gleich darauf sei er am Arme in die Höhe gerissen worden, habe einen Schmerz verspürt und dann das Bewußtsein verloren. Es war wahrscheinlich, daß die Wunde vom Zahn der erbosten Mutter herrührte. Das Thier war dann über dem Besinnungslosen stehen geblieben und hätte ihn zweifellos, wenn er sich bewegt hätte, zertreten, da der gewaltige Fuß die Hauptwaffe des Elefanten bildet.

Unterdessen hatte Tengo mein und sein Gewehr, die er beide von sich geworfen hatte, als er den Elefanten erblickte, um sich auf einen Baum zu retten, wiedergefunden und vom Schlamm gereinigt; auch der eingeborene Führer war zurückgekehrt.

Ich verband Humba vorläufig und sandte Tengo, um meinen Stier, den Führer, um Wasser herbeizuholen, ab. Als Beide wieder eingetroffen waren, ließ ich Tengo bei Humba und ritt so schnell als möglich mit dem Eingeborenen in der Richtung des Dorfes, wo wir an jenem Tage lagern sollten, davon. Um 4 Uhr kam 158 ich erst im Lager an, schnell wurde eine Tragbahre construirt und sechs Mann mit dem Führer zurückgesandt, die auch um 8 Uhr mit dem Kranken im Lager eintrafen.

Nach einem Ruhetage, an dem wir uns an jungem Mais, der in der Hülse geröstet und mit etwas Salz genossen eine große Delicatesse ist, gütlich gethan hatten, zogen wir am 13. nach Norden weiter.

Humba mußte getragen werden.

Wir verließen das Gebiet des Lomani und betraten eine Ebene, die weit im Osten durch einen flachen Höhenzug begrenzt ist. Es ist die Wasserscheide zwischen dem Lomani und dem Lualaba, die so flach ist, daß man schwer sagen kann, nach welcher Seite die weiten Ueberschwemmungen und Lachen ablaufen.

Durch sehr hohes und, weil seit Langem nicht gebrannt, dicht verwachsenes Gras mit Akaziengebüsch geht es, durch Pfützen, Lachen und Tümpel, die auf einem undurchlässigen, zähen, gelben Lehmboden stehen; überall ragen die weißstämmigen massiven Fächerpalmen, deren Stamm dicht unter seiner Krone eine ebenmäßige Aufbauchung zeigt, aus der Graswildniß hervor. Schwere Sporenflügelgänse, Enten, Wasser- und Sumpfhühner, Reiher und Schnepfen fühlen sich heimisch in dieser wasserreichen Wildniß, und unzählige Elefantenspuren durchziehen die Ebene. Täglich zählen wir Hunderte von Wechseln der letzten 2 Tage. Die goldgelbe süße Frucht der Fächerpalme und die Salzhaltigkeit des Lehmes, die auch hier und da dem Wasser eigen ist, fesseln wohl besonders den mächtigen Dickhäuter an diese Gebiete.

Der Marsch, mit wenig Ausnahmen im Wasser auf den glatten Lehmpfaden, wird noch besonders durch das hohe Gras erschwert. Nur wenn der Führer plötzlich bis an die Hüften oder Schultern in's Wasser sinkt, merkt man, daß eine Wasserrinne passirt wird, die nur in der trockenen Jahreszeit ihre Ufer zeigt.

Die Ma-Kapua, ein in elenden Dörfchen wohnender Stamm, haben die wunderbare Angewohnheit, mit den Zähnen zu knirschen, und sahen wir in Folge davon mehrfach die Vorderzähne abgewetzt. Viele Kropfbildungen fallen auf.

Vom 14. März an gewahrten wir an einigen Stellen ein langsames Treiben der ganzen Ueberschwemmungsfläche nach Osten hin.

159 Ueberall der ungeheuere Reichthum an Elefanten! Die Eingeborenen wollen uns nicht zur Jagd führen, auch ist das Folgen der Spuren in dieser Wasserwildniß sehr beschwerlich, und so unterbleiben weitere Jagdversuche.

Pogge, auf seinen früheren Reisen ein unermüdlicher Jäger, hat schon seit Kimbundu anstrengende Touren aufgeben müssen, da er in Folge des Kinnbackenbruches und der begleitenden Fieber- und Dysenterieanfälle noch immer geschwächt ist. Sein bis über die Brust wallender Bart ist ganz ergraut, wie auch sein Haar. Nur mit dem Schmetterlingsnetze schweift er noch am Nachmittage um das Lager und hat schon eine recht ansehnliche Sammlung von Schmetterlingen und Käfern, sowie von Pflanzen angelegt.

Ich hatte längst schon aufgehört zu sammeln; nachdem ich eine große Zahl von Käfern und Schmetterlingen erworben hatte, erhielt ich die Ueberzeugung, daß ein Fortsetzen dieser Sammlungen verlorene Mühe war. Ich hatte nicht genügend Zeit, fortwährend nachzusehen, ob mir nicht Ameisen, kleine Käfer, Feuchtigkeit oder unvorsichtiges Tragen meiner Arbeit Lohn zerstörten. Das tägliche Eintragen der auf dem Wege angefertigten Croquis in meine Karte, Ablesen der Instrumente zu Höhenmessungen, eigenhändiges Instandhalten der Instrumente und Gewehre und regelmäßiger Besuch in den Dörfern der Eingeborenen nahmen meine ganze Zeit in Anspruch. Wo irgend möglich, erquickte ich mich durch ein abendliches Bad und ging an Ruhetagen zur Beobachtung der Natur und auch aus praktischen Rücksichten etwas auf die Jagd. Nachdem wir Abends nach dem Mahle uns bei der Pfeife über des Tages Erfahrungen oder unsere Aussichten ausgesprochen hatten, war das Tagebuch zu führen und, wenn möglich, astronomisch zu beobachten. Wir hatten niemals uns in Afrika über schlechten Schlaf zu beschweren, denn Geist und Körper bedurften nach derartigen Anstrengungen sehr der Ruhe.

Da ich aus oben angeführten Gründen bei jedesmaliger Durchsuchung meiner Sammlungen enttäuscht wurde, gab ich die noch brauchbaren Exemplare an Pogge und setzte den unbrauchbaren Rest in einem Kästchen wohlverpackt auf den Sankurru, wo sie wohl mit Staunen von irgend welchem Fischer aufgegriffen sein mögen.

Auf großen Reisen ist das Sammeln durchaus nicht eine kleine Arbeit, und entspricht auch in der Heimath oft nicht die 160 Behandlung des Mitgebrachten der gehabten Mühe. Man kann auf weiten Reisen nicht Vorräthe von Spiritus und anderes Conservirungsmaterial mit sich schleppen; die Sammlungen müssen daher stets getrocknet werden, was besonders in der Regenzeit sehr schwer ist und fortwährende Controle erfordert.

Da wir schon zweimal die Routen des ersten Durchquerers des äquatorialen Afrika's, des Lieutenants Cameron, in den letzten Tagen gekreuzt haben mußten, erkundigte ich mich oft nach diesem, traf jedoch nur sehr wenig Leute, die sich des ersten weißen Mannes, den sie gesehen hatten, entsinnen konnten. Die Namen auf Cameron's Karten zu identificiren, gelang mir erst später in Lussuna, welches Jener Russuna nennt, weil die ihn begleitenden Wangwana aus Zanzibar stets die weichen Laute der westlichen Sprache nach ihrer Mundart verdrehen, so meist für »l« ein »r« aussprechen.

Von Kilembue biegen wir ein wenig nach Westen und gelangen am 15. in das Land Gubu des Häuptlings Kawamba. Das dicht verwachsene Gras wird so zum Hinderniß, daß ich oft vorreiten muß, um, dem Stiere die Sporen gebend, mit Gewalt das filzartige Gewirr zu zerreißen und so den Weg zu öffnen. Die Kleider werden hauptsächlich auf dem Knie zerstört, und Gesicht und Hände zeigen viel Schnitte von scharfen Halmen.

Nachts hatten wir einen furchtbaren Gewitterregen, der binnen einer Viertelstunde das Lager einen Fuß hoch unter Wasser setzte, so daß die Leute sich weder niederlegen, noch ein Feuer halten konnten und ganz jämmerlich froren.

Die Häuser im Dorfe der Fumo Kawamba sind im Style der übrigen Bassongehütten aufgebaut. Inmitten des Dorfes ist ein Kreis von 10 m Durchmesser, mit dichten Schattenbäumen bestanden, die Grabstelle von Kawamba's Vater, die nicht betreten werden darf.

Die Sitte des Ausbrechens oder Feilens der Zähne existirt hier nicht.

Die Haare sind kurz, oder auch fast bis zum Wirbel ringsum frei geschoren. Die einfache Kleidung besteht in langem, in vielen Falten um die Hüften liegendem, 1 m breitem Mabeletuch.

Sehr verschieden und ceremoniell wird der Gruß gegeben. Die intimere Art desselben besteht im Gegeneinanderlegen der inneren Handfläche der rechten Hand, dann folgt ein langsames beiderseitiges 161 Zurückziehen und dreimaliges Klatschen in die Hände. Der Jüngere begrüßt den Aelteren durch einen Knix, die rechte Hand nach dem Boden ausstreckend, um das Aufheben von Erde anzudeuten, und gleitet dann, das Reiben nachahmend, mit den Händen über die innere Armfläche.

Zwischen Sankurru und Lomani war der Gruß ein anderer. Man legte Speere oder Bogen nieder und schlug dann, einen Knix machend, mit der Faust die Oberschenkel.

Ein Handel gilt hier erst für abgeschlossen, wenn ein Hölzchen oder Strohhalm, von den Betheiligten mit der rechten Hand an dem Ende angefaßt, durchbrochen ist.

Vier Leute Tibbu-Tibb's erschienen, ein Mann aus Zanzibar mit drei Sklaven, in lange Hemden gekleidet, um den Weißen, den Freund ihres Herrn, zu begrüßen und – anzubetteln. Es ist dies die dem tributären Blutsbruder des Arabers beigegebene »Ehrenwache«, welche aufpaßt, daß alles Elfenbein nur zu ihrem Herrn geht, auf Kosten der Eingeborenen fürstlich lebt und jede wichtige Nachricht sofort nach Nyangwe zu berichten hat.

Da Kawamba schon Gewehre hat, sieht man nicht mehr besonders schöne Waffen.

Nach dem Dorfe kamen öfters Leute, die, nicht so breit und schwer wie die hiesigen Bassongestämme, schlanker und beweglicher, mit vielen Amuletts behängt, uns auffielen durch ihr kriegerisches, freches Auftreten. Es waren Batetela von dem Dorfe des Kassongo-Luschia, Tibbu-Tibb's altem Lager, wo auch Cameron war. Diese Batetela sind die östlichsten Ausläufer ihres Volks, das vom Sankurru bis hierher die Bassongestämme nördlich begrenzt und überall im Rufe ganz besonderer Wildheit steht.

Der erste Reis wurde uns angeboten, sowie einige Orangen und Früchte des Melonenbaumes. Ein Ochse, der so fett war, daß er sich nur schwer bewegen konnte, war ein Geschenk von Tibbu-Tibb an seinen Blutsbruder.

Tauben gab es wieder.

Man sieht hier doch einmal, wenn auch selten, einen kleinen Fortschritt, der durch die Araber herbeigeführt ward. Solche Ausnahmen aber stehen zu dem Schaden, den die Verwüster Afrika's anrichten, durchaus in keinem Verhältniß.

Am 19. kam Mona Kitenge-Kawamba, ein dicker Mann mit gutmüthigem Gesicht, und brachte uns drei Ziegen und drei Schweine. 162 Er erhielt ein Tischtuch, ein Taschentuch, zwei kleine Spiegel und ein wenig Pulver.

Wegen Krankheit vieler Leute, Rheumatismus, furchtbarer Geschwüre und Fußverletzungen, sowie starker, schon Morgens hereinbrechender Gewitter blieben wir hier bis zum 20.

Unser Reichthum besteht nur noch in 10 Stücken Zeug, 20 Pfund Kaurimuscheln und 5 Pfund Resten von verschiedenen Perlen. Wir können nur noch einmal Rationen vertheilen und sind dann auf die Araber angewiesen.

Weiter wandern wir nach Norden durch eine Graswildniß, in der man sich buchstäblich jeden Schritt erkämpfen muß, fortwährend festgehalten von den feinen, wie Angelhaken gebogenen Spitzen der Akazienbüsche. Fast unausgesetzt ist der Weg mit Wasser bedeckt, und wir marschiren heute 20 Minuten lang bis zu den Hüften und Schultern im Wasser, das langsam durch Schilf, Papyrus und Mariankagras nach Nordosten treibt. Es ist der angeschwollene Kango, der in den Lufubu mündet, und nicht, wie bei Cameron angegeben, in den Kasuku, der sehr viel weiter nördlich fließt.

Die Leute Mutschipula's (Tibbu-Tibb) begleiten uns und sichern überall guten Empfang. Sie halten mich für den zurückgekehrten Cameron, da ich zu ihrem Staunen die Verhältnisse in Nyangwe kenne.

Am 21. passirten wir die Grenze der Bena-Ngubo, und damit die der äußersten Bassonge, und betreten das Gebiet der Bena-Malela, die Wakusa sind und als solche zu dem großen Stamme der Wasongora zählen, wie wahrscheinlich auch die kurz vorher erwähnten Batetela.

Die Fächerpalme ist verdrängt durch die Oelpalme und Buschdickungen, und würde die wilde Ueppigkeit der Natur großen Genuß gewähren, wenn nicht gleichzeitig für uns der Marsch so qualvoll wäre! Bald verschwinden wir in Niederungen mit 12 Fuß hohen Gräsern, das Wasser wird immer tiefer, immer mehr versinkt der Reitstier. Kaum hält er noch die Nase über Wasser. Man springt herunter selbst bis an den Hals in's kalte, feuchte Element und führt das Thier. Dann steigt der Boden wieder an, und ein Dickicht von Palmen und Gebüsch nimmt uns auf. Weiter geht es in baumhohes Mariankagras, dessen daumendicke, geknickte, in den Weg starrende Halme schmerzhafte Stöße gegen 163 Rippen, Schienbein und in's Gesicht verabreichen, so daß das fortwährende Bücken und Schützen mit der Hand, Wegdrücken, Ziehen und Durchwinden sehr ermüdet. Manchmal rennt sich der Stier so fest, daß er wie gefesselt steht und mit dem Messer befreit werden muß von den zahllosen feinen, aber zähen Ranken, die sich an dem Mariankagras hoch windend wie zu einem dichten Netz verschlingen. Das reife Gras läßt bei der geringsten Berührung befiederte feine Samenstacheln regnen, die sich am Hals und an den Aermeln in's wollene Unterzeug hineinarbeiten und ein höchst peinliches Jucken und Stechen veranlassen. Dornenbüsche mit ihren Haken sind nur mit Verlust eines Fetzens Zeug oder mit schmerzhaften Hautrissen zu passiren. – Schon um 8 Uhr Morgens öffnen sich die Schleusen des Himmels, und bald ist der schmale Pfad in einen Gießbach verwandelt, in dem sich die müden Träger rutschend und gleitend vorwärts quälen. Kalte Windstöße machen die vom Regen Triefenden erzittern.

Endlich erreichen wir den kleinen Fluß Moari, auf dessen anderem Ufer Lussuna, unser heutiges Reisziel, gelegen ist.

Bis an den Mund im Wasser watend, erreichte ich nur den Anfang der überschwemmten Brücke und bin gezwungen, mich an dem Lianengeländer vorwärts zu ziehen, da von der starken Strömung meine Füße vom Unterbau der Brücke, einem Baumstamme, fortgerissen werden. Unter diesen Verhältnissen geben wir die Passage auf und lagern uns diesseits.

Gegen Abend treffen die letzten Nachzügler ein, und lassen wir die Ermüdeten sich in rings verstreute Gehöfte, die von den Eingeborenen verlassen sind, einquartieren.

Abends spät kamen andere Leute Tibbu's von Lussuna, und wir nahmen einen derselben als Führer bis Nyangwe an. Der Mann war auf den Comoren geboren und von Zanzibar aus mit Arabern bis Nyangwe gekommen, von dort aus geflohen und hatte sich hier unter den Abgesandten des großen Arabers niedergelassen. Er hieß Hamadi und war ein verlogener Trunkenbold, uns aber, als Führer bis zu dem nächsten großen Ziel, willkommen.

Zu unserem größten Schrecken hören wir, daß Tibbu-Tibb zur Küste abgegangen, und daß kein großer Araber jetzt am Lualaba sei. Wo sollten wir nun Waaren erhalten?!

Am Tage des Geburtstages unseres allergnädigsten Kaisers gönnten wir unserer erschöpften Karawane einen Ruhetag. Hamadi 164 sorgte für frischen Palmenwein, in dem wir die Gesundheit unseres greisen Heldenfürsten tranken, in dem Bewußtsein, daß wohl kaum ein Deutscher heute in größerer Abgeschiedenheit, in einsamerer Wildniß seines kaiserlichen Herrn gedenkt.

Die Häuser der Bena-Malela, die wir bewohnten, waren gegen Ueberschwemmungen durch einen Unterbau von Steinen oder Lehm gesichert, zierlich gebaut und wohlerhalten.

Ein neues Musikinstrument, unserem Holz- und Strohinstrument gleichend,. lernten wir kennen.

Am 24. erst marschirten wir weiter und betraten ein etwas erhöht liegendes Plateau, das mit seiner üppig wuchernden Vegetation einem verwilderten, parkartigen Garten glich. Drei kleine, in dieser von Ueppigkeit strotzenden Flora begrabene Dörfchen, die weit aus einander lagen und von den flüchtigen Eingeborenen geräumt waren, gaben uns Unterkunft und auch Verpflegung, da unter dem Dache des Hauses die Speisekammer der unverhofften Einquartierung zur Verfügung stand, und die Leute nicht erschienen, um Bezahlung zu erhalten. Palmöl und Palmennüsse, Bananen, Mais und Tabak war in großen Vorräthen vorhanden und befriedigte sehr unsere von den Strapazen der letzten Wochen etwas ermüdeten Begleiter.

Um Mitternacht wurden wir durch einen plötzlichen Lärm aufgeschreckt. Ein Leopard hatte ein in der offenen Thür schlafendes Weib eines Trägers bei der Hand gepackt und fortgezerrt. Das Geschrei des Weibes ermunterte die Träger, welche herbeisprangen und die Bestie zwangen, zu flüchten und ihre Beute mit zerfleischter Hand zurückzulassen. Am nächsten Morgen kam ein Eingeborener zu mir, dem von Leoparden die linke Wange aufgerissen war. Vor einigen Tagen war ein Weib von einem Tatzenhieb halb skalpirt, ein anderes am Tage beim Wasserholen zerrissen worden.

Wir blieben wegen Krankheit einiger Träger und wurden in der nächsten Nacht abermals gestört durch Geschrei und Schießen in der Richtung eines von unseren Leuten besetzten Dorfes. Am anderen Morgen holte man mich dorthin zu einem Träger, der im wahren Sinne des Wortes zerfleischt war. Der Mann war bei Dunkelheit aus seiner Hütte gegangen, um von einer in der Nähe stehenden Palme ein Gefäß mit Wein zu stehlen, als er ein Geräusch hinter sich vernahm, sich umdrehte und einen Leoparden 165 gewahrte, der ihn in demselben Augenblicke ansprang und niederwarf. Verzweifelt hatte sich der äußerst kräftige Mensch gewehrt, ohne einen Laut des Hilferufes auszustoßen, und das auf 5 m im Umkreise niedergedrückte Gras gab Zeugniß, daß das Ringen lange gedauert haben mußte, bis endlich einige Träger, von dem Aechzen des Mannes und dem wüthenden Gestöhn der Bestie angelockt, herbeikamen und mit einigen Schüssen letztere vertrieben. Drei Prankenhiebe hatten die Krallen in Rücken und Brust eindringen lassen, so daß hellrothes Lungenblut bei der geringsten Bewegung austrat und Luft mit Geräusch einzog. Ein Biß hatte den Vorderschädel bloßgelegt und ein Auge ausgerissen, und noch zwanzig geringere Wunden an Kopf, Hals, Armen und Brust, sowie Oberschenkel, in dem die Hinterfänge sich eingekrallt hatten, beschäftigten mich mehrere Stunden. Die gierige Bestie hatte, wie die wohlmarkirte Spur bewies, schon lange Zeit hinter der Hütte des Mannes lauernd gelegen, bevor derselbe herausgetreten war. Noch drei Tage widerstand die kräftige Natur des Mannes den Folgen der Zerfleischung, dann unterlag er.

Die Eingeborenen sagten uns, daß viele Leoparden schon seit einer Woche die Gegend in Schrecken setzten, daß Niemand mehr nach Dunkelheit aus den verrammelten Häusern ginge, bei Tage nur vier bis fünf Menschen zusammen ihren Geschäften obliegen könnten, und daß sie Nichts zu thun vermöchten, als Trommeln und Lärmen des Nachts, wenn die Bestien versuchten, »in die Häuser einzudringen«.

Wenn wir nicht selbst Beweise von der unglaublichen Frechheit der Menschenjäger gehabt hätten, würden wir der Erzählung nicht Glauben geschenkt haben. Vielleicht verhinderte die Ueberschwemmung die Leoparden, dem Wilde nahe zu kommen, und der Hunger hatte sie gelehrt, im Menschen eine leichte Beute zu finden.

Wir mußten nun noch zwei Tage liegen bleiben. Ich hatte einer Palme mit nur 1,5 m hohem Stamm die mittleren Blätter ausgeschlagen, die entstandene Höhlung mit Gras vollgestopft und mir somit ein gutes Versteck geschaffen, um von hier zu versuchen, den Leoparden beizukommen. Am Abend begab ich mich mit zwei mit Rehposten geladenen Doppelflinten, Beil, Messer und Revolver in meinen Anstand. Die ringsum stehen gebliebenen Palmenblätter verbargen mich nach allen Seiten. Ein kleines, von der Mutter 166 abgenommenes Zickchen sollte durch sein Rufen die Räuber locken. Zwei Nächte saß ich, bis gegen Morgen der Mond verschwand. In beiden konnte ich genau dem Zuge der Leoparden folgen, an dem bald hier, bald da, bald näher, bald entfernter klingenden Trommeln und Geschrei der Bewohner der ringsum liegenden kleinen Dörfer. Trotzdem ich immer wieder meine Lockziege durch Ziehen an einer ihr an ein Bein gebundenen Schnur zum Rufen brachte, blieb Alles still, und mußte ich mich jedesmal ohne Erfolg mit eingetretener Dunkelheit nach dem entfernten Lagerdorf begeben, was mit der nachgeschleppten Ziege in dieser dichten Vegetation, wo man nicht zwei Schritte seitwärts sehen konnte, jeden Augenblick von Leoparden bedroht, ein höchst peinlicher Rückzug war.

Am 27. brachen wir auf, lagerten auf einem von großen Bäumen beschatteten Marktplatze und am nächsten Tage bei dem kleinen, schmutzigen Dörfchen der Bena-Malale, in einer sumpfigen Niederung, der wahren Heimath der Moskitos.

Erst seit dem Lomani hatten wir diese Plage so recht kennen gelernt, denn auf dem Hochplateau im Westen mit seinem schnell fließenden Wasser gibt es nur sehr wenig Mücken. Aber hier in diesen Sümpfen, Ueberschwemmungen und Grasdickichten hatten wir genügend Gelegenheit, darüber klar zu werden, daß ein Moskitonetz selbst bei der einfachsten Ausrüstung eines Reisenden nicht fehlen darf. Schlaflosigkeit und kleine Fieber sind oft die Folgen von Moskitostichen.

Zwischen den lieblichen Thälern des Moari und Lufubu weiter nach Norden wandernd, erreichten wir das Dorf Goi-Kapopa. Der Häuptling, hieß es, sei abwesend, um die Brücke über den Moari für uns herzustellen. Natürlich war am anderen Tage Nichts geschehen, und lagerten wir, bis zum 1. April an der Herstellung der Brücke arbeitend, in dem furchtbaren Moskitonest.

Am 2. war das Wasser ein wenig gefallen, und passirten nur nunmehr den Fluß an einer Fähre, wo das Wasser nur bis zum Mund reichte, so daß Weiber und Kinder getragen werden mußten, stießen aber jenseits auf eine weite Ueberschwemmungslagune, so daß wir zwischen den beiden Wassern Lager machen mußten.

Bald machten wir die Entdeckung, daß wir auf einer Insel lagen, zu der die einzigste Annäherung auf der von uns betretenen Furt möglich war. Hätten wir doch jetzt, wenn auch nur ein 167 kleines Gummiboot gehabt! Neun Tage sollte uns das Ueberwinden dieser Wasserhindernisse kosten!

Wir sandten zunächst Patrouillen aus nach allen Richtungen, um einen Weg, eine Furth oder günstigen Platz zum Ueberbrücken auszusuchen. Alle kehrten Abends heim mit der Meldung, daß vor uns überall mindestens 400 Schritte breit tiefes Wasser wäre und auch rückwärts dasselbe wieder steige, und beschlossen wir daher, morgen zum Bauen von Kanoes zu schreiten. In der dicht an das Lager grenzenden Ueberschwemmungslagune lag den ganzen Tag Alles jubelnd und spielend im Wasser, und auch ich trug zum Vergnügen bei, indem ich, einen aus dem Wasser ragenden Baum in seinen unteren Aesten als Thurm benutzend, Kopfsprünge machte und sonstige den Negern unbekannte Kurzweil trieb.

Am 4. kamen einige Leute angelaufen mit der Meldung, ein weißer Mann mit großem, schwarzem Barte käme uns aufzusuchen und sei schon dicht am Lager. Mit freudeklopfendem Herzen kramten wir unsere besten Kleider heraus, um uns etwas menschlicher zu machen, denn wir glaubten, Weiße hätten in Nyangwe von unserer Annäherung gehört und kämen jetzt, uns einzuholen. Da aber erschien die Visitenkarte des Erwarteten, eine lange Sklavenkette, die in ihren massiven Halsringen 15 Weiber und 5 Männer von jenseits des Lomani einer dunklen Zukunft entgegenführte, und bald darauf der Beglücker Afrika's, der »Araber« selbst.

Ein schlanker, sehniger Mann von hellgelber Färbung und mit mächtigem, schwarzem Vollbarte, mit nur einem Auge, das scharf und verschlagen aus der tiefen Höhle neben einer großen Adlernase hervorblitzte, gab er uns, ohne Erstaunen zu zeigen über diese wunderliche Begegnung, die Hand zum Gruße und ging sofort durch's Lager nach einer 100 m entfernten Blöße, wo er sein Zelt aufzuschlagen befahl. Trotz eines langen Marsches suchte er, ohne sich auszuruhen, nach einer möglichen Passage und ließ uns später sagen, er wolle sich mit uns zum Bau von Kanoes vereinigen. Bei seinem unheimlichen Aeußeren schien er ein ernster und energischer Mensch zu sein.

Am Morgen des 4. ging Sahorro, so hieß unser neuer Nachbar, mit seinen Leuten und unsern Trägern, Kalamba mit den Baschilange aus, um je einen Baum auszusuchen und zu fällen, während Andere zurückgingen, um Lebensmittel aufzukaufen, 168 denn unsere Vorräthe waren schon erschöpft. Bereits gegen Mittag fand ich, weit schallenden Schlägen der kleinen Beile folgend, den Kalamba vor einem geworfenen Baum. Mit ermunterndem »Moio Lualaba« fielen in rastlosem Eifer und mit schneller Ablösung die Hiebe der kleinen Instrumente auf den der Arbeit scheinbar spottenden Stamm. Der alte Hüne Mukenge selbst schwang wie ein Jüngling das Beil, und Spahn auf Spahn des Holzes flog davon. Sahorro hatte viel unpraktischer einen krummen und sehr harten Baum gefällt. Bei ihm wurde ohne ermunternden Zuruf, aber unter dem scharf machenden Auge doch unablässig gearbeitet. Mir schienen die Hiebe unserer Riambasöhne markiger, weil aus eigener Lust.

Seit drei Tagen regnete es unablässig, bald in Strömen, bald in lang anhaltendem, feinem Sprühen; Alles war durchnäßt, das Lager glich einem Sumpf, die Hütten trieften, kalte Winde jagten über die Halme und Bäume, und bleigrau hingen, sich nie einem Durchblick der Sonne öffnend, die Wolken nieder. Im dichten Gras gefangen, über uns die krüppelhaften Bäume der Savanne, unter uns Pfützen und Lachen, sitzen wir in unseren modernden Hütten und grübeln über die nächste Zukunft. Werden wir Waaren erhalten in Nyangwe, oder werde ich mich als Bettler bis zum Tanganjika durchschlagen müssen, und Pogge, um Lebensmittel kämpfend, mit unseren vertrauensvollen Bena-Riamba nach Lubuku, dem weit entfernten Land der Freundschaft, heimkehren müssen?

Nässe und Kälte, Aussicht auf Zeitverlust und der leere Magen, der seit zwei Tagen nur mit einigen süßen Kartoffeln beschwichtigt war, brachten uns in trübe Stimmung.

So dicht vor uns lag das lang ersehnte Ziel, und doch konnten wir uns, wie die Verhältnisse lagen, nicht recht darüber freuen.

Um unsere Stimmung noch mehr zu erhöhen, kam plötzlich außer Athem und mit an vielen Stellen abgeschundener Haut ein Träger, Joaquim Verde, im Lager an mit der Nachricht, alle zum Kauf von Lebensmitteln ausgesandten Leute seien massacrirt und gebunden, er habe noch gesehen, wie einer derselben mit dem Messer verwundet sei, die Uebrigen seien alle von den Eingeborenen umringt. Sein Gewehr habe versagt, und mit Speeren verfolgt sei er geflohen, um uns Nachricht zu bringen. Er fügte hinzu, unsere Leute, die mit 6 Gewehren abgegangen waren, hätten im 169 Dorfe angefangen zu plündern und auf Hühner zu schießen, darauf sei die Katastrophe erfolgt.

Sahorro wollte, da es bald Nacht war, morgen hinübergehen, redete uns aber ab, mit Gewalt vorzugehen, da das Dorf Tibbu-Tibb gehöre. Abends um 9 Uhr erschienen unversehrt alle unsere Leute und gestanden, als wir sie in's Gebet nahmen, daß sie allerdings einige Hühner und einen Papagei genommen hätten, ohne zu bezahlen. Ein Mann Kalamba's hätte die Schnur eines Korbes gehalten, in dem Hühner waren, die er dem Besitzer nicht zurückgeben wollte. Dieser schnitt mit seinem Messer die Schnur durch und verwundete dabei den Muschilange. Natürlich war Alles dann zusammengelaufen, und mit unvermeidlichem Lärm hatte man über den Fall hin und her gezankt.

Dies hatte Joaquim von Weitem gesehen und war sofort mit seiner und einer seiner Obhut anvertrauten Frau geflohen, und zwar in so sinnloser Angst, daß er die beiden armen Weiber am anderen Ufer des Moari gelassen hatte, von wo dieselben bis jetzt noch nicht erschienen waren.

Der Feigling und die Hühnerdiebe erhielten ihre Strafe, und die gestohlenen Sachen wurden am nächsten Tage zurückgesandt.

Immer noch schloß der Himmel seine Schleusen nicht, Alles faulte; die Schlafdecken, Kleider, Wäsche, Alles war feucht, Alles rostete oder schimmelte.

Am Abend des 5. kehrten die zum Aufsuchen der Weiber ausgesandten Leute erfolglos zurück. Die Spur der Armen war verregnet, die Eingeborenen behaupteten, Nichts zu wissen von denselben, sie seien keine Kannibalen und würden auch Leute des Freundes der Araber nicht verbergen.

Wir waren seit einiger Zeit auf süße Kartoffeln und etwas angeschimmelten Thee gesetzt, bis uns Sahorro, der uns bei diesem Mahle traf, mit etwas Reis aushalf.

Endlich, nach zwei Tagen, kamen einige unserer Leute mit den vor Hunger und Frost bebenden zurückgelassenen Weibern, noch fast Kindern, im Lager an.

Der feige Träger hatte ihnen, am Flusse angelangt, versprochen, er wolle sie, nachdem er erst sein Gewehr hinübergebracht habe, abholen, da das Wasser für sie zu hoch war. Der Schurke kehrte vor Angst nicht zurück und ließ die Armen in ihrer Furcht vor den verfolgenden Eingeborenen am anderen Ufer. Um nicht 170 von Verfolgern, nach ihrer Meinung, aufgegriffen und verspeist zu werden, flohen sie seitwärts des Weges in das Dickicht und blieben zwei Tage und zwei Nächte ohne Nahrung bei fortwährend strömendem Regen, bis sie durch Zufall wieder die Fährstelle fanden und sich einigen passirenden Trägern, die sie an ihrer Sprache erkannten, anschlossen.

Inzwischen war die Arbeit an den Kanoes eifrig fortgesetzt, das von Kalamba gebaute, wie wir vorausgesetzt, bessere und größere 2 km weit durch Dickicht und Savanne nach dem Wasser geschleppt und unter dem Jubel der Bena-Riamba in's Wasser geschoben.

Seit dem 6. hatte der Regen aufgehört, und die Gluth der von 7 Uhr Morgens bis 5 Uhr Abends sengenden Sonnenstrahlen, von keinem Wölkchen aufgefangen, trocknete, ja dörrte bald unser zum Pfuhl gewordenes Lager.

In der Nacht des 8. brach Feuer aus, wurde aber, da es windstill war, auf 10 Hütten beschränkt.

Endlich war auch Sahorro's Kanoe fertig, fiel aber in Form und Tragfähigkeit sehr gegen das des Kalamba ab. Letzterer hatte unterdessen das Lagunengewirr vor uns sondirt und mit seinem praktischen Sinn bald die beste Passagestelle gefunden. Da das Kanoe des Arabers fast unbrauchbar war, wurde zwei Tage lang übergesetzt an einer 350 m breiten Stelle, und erst am 3. Tage war Alles am rechten Ufer.

Während der letzten Tage hatten wir eine höchst peinliche Hungercur durchgemacht. Wir versuchten dem Mangel durch ein Stück Wild abzuhelfen, konnten jedoch, weil das hohe trockene Gras zu sehr jede Bewegung verrieth und keine Uebersicht gestattete, nicht zu Schuß kommen. An Spuren von Elefanten und Wildschweinen fehlte es nicht. Das Warzenschwein muß, nach der Größe der Spur zu urtheilen, ganz kolossale Dimensionen annehmen.

Auch unsere Leute leben nur von gekochten Maiskörnern und Maniokblättern; dabei haben die Baschilange aber stets eine Beilage von Raupen, Ratten, Heuschrecken &c., während unsere Träger, viel unbeholfener, über Hunger klagen und sich nicht so auszuhelfen wissen, wie jene.

Viel aufreibender für Pogge und mich als die schlechte Nahrung war die Moskitoqual. Abgesehen von den schmerzhaften 171 Stichen und dem ewigen Erwehren gegen die großen schwarzweißen Blutsauger wird die Nachtruhe ununterbrochen gestört durch Stöhnen, Klappen und Wettern der Leute.

Am Morgen des 12. kam das Kanoe zum letzten Male herüber, beladen mit dem dicken Kaschawalla, der einen solchen Abscheu vor dem Wasser hatte, daß er, zu einer Kugel zusammengekrochen, sich fest an die Wände des Kanoes klammerte. Durch seine ängstlichen Bewegungen brachte er es fertig, daß dicht am Lande das Fahrzeug umschlug. In seiner Todesangst ergriff er, da er nicht schwimmen konnte, noch eben einen Ast, der ihn so lange über Wasser hielt, bis er an's Land gezogen werden konnte. Er schilderte nachher höchst komisch seine Position, die ihm besonders peinlich war, da er stets fürchtete, von Krokodilen angeknabbert zu werden. Dieses Unglück war Fetisch, und es sollte bald herauskommen, wer das dem Armen angethan hatte.

So hatten wir denn vom 2. bis 11. April neun Tage gebraucht, um einen Wasserlauf zu passiren, der in der trockenen Zeit zu durchwaten ist, jetzt aber einem treibenden See glich.

Weiter ging es nun nach Norden den Lufubu entlang. Schon um 10 Uhr machten wir abermals Halt vor einer Ueberschwemmung, passirten aber diese mit zwei vorgefundenen Kanoes und lagerten im Gebiete der Bena-Samba, die dem Araber Abed-bin-Salim tributpflichtig sind und bedeutenden Handel mit Salz treiben. Auch sie gehören zu den Wakusu, also Wasongora oder Bassonga. Die Wakusu sind hier so verschieden von Gesichtsbildung, daß ich annahm, sie seien sehr mit Sklaven und mit früher beim Annähern der Araber von Manyema über den Lualaba geflüchteten Stämmen vermischt.

Tausend verschiedene Haarfrisuren, meist mit Ruß und Oel in ihren absurden Formen erhalten, schmücken die Männer: die Weiber sind in kleinen, strahlenförmig angeordneten Strichen, die in ausgelaufenen, blasenartigen Narben bestehen, auf dem Bauch und in der Verlängerung des Rückens tätowirt.

Die Häuser haben dieselbe Bauart wie die der Bassonge, sind aber viel flacher und breiter. Die Thür ist manneshoch. Oben im Hause befindet sich ein Boden zur Aufbewahrung von Mais und Maniok; der Bettraum ist besonders abgetheilt, das Bett ist 0,7 m hoch und hat einen überstehenden Rand. Die Wände sind mit Strohmatten bekleidet.

172 Nur 6 bis 10 Häuser bilden ein kleines, in der üppigen Vegetation meist versteckt liegendes Dörfchen.

Sehr zierlich und gut in der Gewichtsvertheilung sind die Wurfspeere, deren jeder Mann zwei bis drei trägt. Die Sehne des Bogens besteht nicht mehr in Rohrschale, sondern von jetzt an bis zur Ostküste in gedrehter Haut oder Thiersehne; die Schilde sind von Palmenrippen angefertigt.

Waffen der Wakussu.

In gelbes Mabelezeug gekleidet treibt man Luxus mit der Länge und dem dichteren Faltenwurf des Hüftentuches. Die Weiber tragen Körbe mit breiten Bändern über den Schultern.

Mais, Hirse und Erdnüsse werden besonders cultivirt, Maniok wenig.

Besondere Industrie besteht in Töpferei, deren Ergebniß, wie auch das Salz, was hier gewonnen wird, auf dem Markt in Nyangwe ausgeboten wird.

Das Salz wird aus den Quellen der meisten Bäche in Samba gewonnen. Unter der Quelle wird der Boden zu einer Mulde ausgehöhlt und das Wasser einfach in großen Töpfen eingekocht. Das zurückbleibende Salz ist feinkörnig, fast schwarz, und hat einen wenig salpetrigen Geschmack.

Unsere Bena-Riamba machten sich sofort als praktische Leute an die Arbeit, um sich für lange Zeit mit Salzvorrath auszustatten, was ihnen auch von den Eingeborenen nicht verwehrt wurde. Gewerbefreiheit!

Das Plateau von Samba bietet landschaftlich große Abwechslung. Bald zwängt dichtes üppiges Gebüsch, über das vereinzelte mächtige Bäume ragen, den Weg ein, dann treten kleine Urwalddschungeln aus, oder Grasplätze und Palmenhaine.

Viele kleine Dorfschaften liegen malerisch umher. Der Boden scheint vorzüglich zu sein, Tabak und Kaffee, dessen Cultur hier von den Arabern eingeführt ist, gedeihen wunderbar. Beides ist von gutem Geschmack.

Das weiter nördlich gelegene Ukussu, sagt man, sei noch viel reicher, es liefere den Arabern den besten Kaffee, der Maniok werde dort so stark wie ein Menschenschenkel, die Erdnüsse groß wie ein Daumen.

In einem Dorf, dessen Häuser um eine weite Blöße inmitten mächtigen Urwaldes liegen, lagern wir. Sahorro warnt unsere 173 Leute, weit vom Lager wegzugehen, denn flüchtige Sklaven trieben sich oft raubend hier umher.

Am Abend traf ich alle Häupter unserer Karawane im Kreise um drei Baschilange sitzen und denselben fortwährend frischen Hanf in die dampfenden Pfeifen stopfen. Einer der Drei war schon stark narkotisirt und taumelte hin und her. Es waren die Leute, die im Verdachte standen, Kaschawalla fetischirt zu haben, daß er bei der Passage des Moari ertrinken sollte, und die Armen mußten jetzt so lange rauchen, bis der Missethäter, der sicher unter ihnen war, Geständniß ablegen würde. Kaschawalla selbst sah mit großer Spannung der Entscheidung entgegen, bis wir der Sitzung ein sehr schnelles Ende machten und Kaschawalla heftig schalten, daß er, der schreiben und lesen könne, Christ sei und als Gebildeter behandelt sein wolle, an solche lächerliche Sachen glaube. Er ging davon, dem Befehle gehorchend, aber sicher nicht von seinem Unrecht überzeugt, und ich glaube, daß später doch noch der Fetischero ausgefunden worden ist.

Gibt es doch in Angola noch manchen Portugiesen, der sich der Entscheidung des Diviniares unterzieht. Ja, ich kenne einen Beamten in einer Colonie, der zwei Streitenden den manches Mal tödtlichen Bambu-Trank als Gottesgericht außerhalb der Grenzen seines Bezirkes einzunehmen räth.

Zu später Stunde erschienen zwei Gesandtschaften von Nyangwe. Die eine kam von Schech Abed-bin-Salim, die andere von Djumma-Merikani, deren jede uns auffordern sollte, bei ihrem Herrn einzukehren. Man riß sich um uns, man wußte nicht, daß wir fast als Bettler kamen und nicht, wie frühere Reisende, mit gewaltigen Mitteln.

Am 15. brachen wir in gehobener Stimmung auf, heute sollten wir den Lualaba (Kongo), das Ziel dieser Reise, erreichen, und in lebhaftem Tempo ging es vorwärts. Wir ließen hakigen Dornbüschen ihren Tribut, die Lianen waren uns kein Hinderniß; so erreichten wir denn den Rand des Plateaus und – da endlich lag er vor uns, im weiten flachen Thal, der mächtige Strom, die künftige Lebensader des noch dunkelen Welttheiles, der zweitmächtigste Strom der Welt, und drüben ein langgestreckter, saftig grüner Bananenwald, aus dem hier und da die gelben Häuser sich abhoben, Nyangwe, die große Stadt mit wenigen Arabern und Tausenden von Sklaven.

174 Mit einem weitschallenden »Moio« benachrichtigte ich die Nächsten auf dem Wege hinter mir, und weiter pflanzte sich ein nicht enden wollender Jubel, denn Jeder wußte, was der Ruf bedeute.

Nun ging's hinab in's Thal durch wechselnde Ueberschwemmungslagunen und sanfte Erdwellen, oft bis an die Brust im Wasser, über schlüpfrigen Lehm, durch mächtig dichtes Gras, doch immer vorwärts.

Strömender Regen entzog uns die ersehnte Aussicht, und durchnäßt und erschöpft, aber doch froh und zufrieden suchten wir uns in den Hütten der Wagenya, der Fischer und Fährleute des großen Stromes, Unterkunft.

Die elenden, von Rauch schwarz gefärbten liederlichen Hütten waren voll gestopft mit Fischkörben, Rudern, Thongefäßen und allerlei Geräth. Mächtige, 1,75 m hohe und 0,8 m breite thürähnliche Schilde standen an den Wänden. Der Geruch faulender Fische herrschte überall, und die Schweine waren kaum aus den Hütten, die sie sonst mit den Eingeborenen theilen, fernzuhalten. Schaaren blutdürstiger Moskitos ließen uns nicht zur Ruhe kommen.

In einer Lagune, die mit dem Strome in Verbindung steht, lagen mehrere 16 bis 18 m lange, 0,75 bis 1,3 m breite und bis 0,7 m tiefe Kanoes, die von den kräftigen Armen der Wagenya mit berühmter Geschicklichkeit stehend geführt werden.

Ein 15 m langer flacher Korb mit hochgebogenen Rändern, der versenkt und, nachdem sich das Wasser über ihm beruhigt hat, aufgezogen wird, ist das am meisten angewendete Fischergeräth am Lualaba und zeugt von dem bedeutenden Fischreichthum desselben.

Schon fast in der Nacht kamen Salaams (Grüße) von Abed-bin-Salim; er sandte uns süße Milch, zwei riesige Töpfe voll gekochten Reises, einen eben solchen mit in Fett gekochtem Fleisch, einen Korb mit Orangen, Guayaven, Ananas, Mango und Melonen, sowie eine große Schale mit Eiern, so daß wir uns vor diesen Delicatessen wie Schlemmer vorkamen und uns besonders an den lang entbehrten Früchten labten.

Unser Bekannter, Sahorro-bin-Zefu, erschien am anderen Morgen, um uns abzuholen. In einem mächtigen Kanoe von schönem, hartem, rothem Holz, das aus dem Mitamba, einem stromabwärts liegenden Urwald, kommt, stießen wir ab. Ueber 175 100 m ging es durch Schilfdickichte, in welchen 4 m breite Kanäle eingeschnitten waren. Da plötzlich rief mich Pogge, welcher vor mir im Kanoe saß, ich blickte auf, und vor mir lag 1200 m breit die imposante Wasserfläche des schon hier in seinem Oberlauf mächtigen Stromes. Nach Norden vereinigte sich der in der Sonne gleißende Wasserspiegel mit dem blendenden graublauen Himmelsgewölbe. Dorthin war der glückliche Entdecker dieses letzten mächtigen, noch bis vor Kurzem unbekannten Stromes gegangen.

Ein solches Wasser konnte sich nicht verlieren in Sümpfen oder Wüsten, es mußte das Meer finden. Dies hatte sich wohl jeder der drei Europäer, die vor uns den Strom sahen, Livingstone, Cameron und Stanley, sagen müssen, und ich verstehe wohl, daß der Erstere nur mit dem Tode das Ziel, welches der Letztere der Drei erreichen sollte, aufgab. Es war wohl ein Ziel, das des Einsetzens des Lebens, aller Geisteskräfte, jedes Nerves werth war, denn der Lohn ist Unsterblichkeit! 176

 


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