Hermann Wissmann
Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von West nach Ost
Hermann Wissmann

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Meine wilden Watussu bewachen meinen Schlaf.

Zehntes Kapitel.
Zum Tanganjika-See.

Am 1. Juni marschirte ich mit meiner kleinen Karawane nur bis Famba. Da ich den Hausherrn nicht in der Barsa fand, trat ich in den Hof und gewahrte ihn in gebückter Stellung, sich von seinen Weibern Kübel mit Wasser über den Kopf gießen lassend. Er war sehr genirt durch mein Erscheinen. Mit blaurothem Kopf und schwankendem Gange kam er mir entgegen, seine Trunkenheit nach Möglichkeit verbergend.

Erst am 3. konnte ich den Kundafluß mit Kanoes passiren, und lagerte in Kawanga. Der Führer meiner Wakussuleute, Ngongo, ein aufgeweckter riesiger Neger, schien ein perfecter Hallunke zu sein. Er betrog bei der Auszahlung der Rationen seine Leute und suchte Humba und meine Westleute, die ihm auf die Finger sahen, bei mir anzuschwärzen. Die Wakussu waren ihm blindlings ergeben, ich hatte also besonders mit ihm zu rechnen.

197 In zwei großen Märschen erreichte ich Kassongo und wurde wie vor einigen Wochen gut aufgenommen. Die Wakussu hatten gut marschirt, aber in jedem Dorfe geplündert und rücksichtslos die Eingeborenen geprügelt, ja mit Messern verwundet. Meine Autorität schienen sie noch nicht recht anerkennen zu wollen, und ich wollte nicht von vornherein zu hart auftreten. Als sie aber in Kassongo, wo ich eine verfrühte Forderung ihnen abschlug, drohende Worte ausstießen, griff ich zum Stock und entließ sie dann mit der Erklärung, ich wollte andere Leute von Abed kommen lassen. Das schien Eindruck zu machen, und nach dem Versprechen, sich zu bessern, und auf Fürbitte der Araber nahm ich sie wieder in Gnaden auf, obgleich man mich von anderen Seiten warnte, mit der geringen Macht durch Manyema zu marschiren. Meine Wakussu seien bekannt als Diebe und Räuber, und wenn es in Folge ihres Benehmens mit den Eingeborenen Schwierigkeiten gäbe, so seien sie unsäglich feige.

Die Araber baten mich des Abends öfter, ihnen aus einer Bibel in Kiswahelisprache mit lateinischen Charakteren, die Stanley hiergelassen hatte, vorzulesen. Auch politische Gespräche wurden des Abends geführt, bei welcher Gelegenheit ich zum ersten Male fühlte, daß ein Rassenhaß gegen die Europäer besteht, der aber mit der Religion Nichts zu thun hat. Ein hitzig gewordener Araber sagte mir, wenn der Sultan von Stambul und der von Masr (Egypten) zusammenhielten, würden leicht die europäischen Reiche von ihnen übermannt werden können.

Auch Kartenspiel gehörte hier zum Zeitvertreib der Araber.

Am 8. Mittags entstand in der Stadt plötzlich großer Lärm, und viele Menschen rannten mit Stöcken bewaffnet nach dem Platze hinter meinem Hause. Ihnen folgend fand ich die Wakussu mit Beilen, Messern und Knitteln, Ngongo voran, in voller Schlägerei mit den Leuten hiesiger Araber. Ngongo, aus einer Kopfwunde blutend, war eben dabei, meine Doppelflinte, die er zum Tragen hatte, zu laden, als ich auf ihn sprang, um ihm dieselbe zu entreißen. Der Riese rang verzweifelt, um die Waffe nicht zu lassen, bis ihn ein Fausthieb traf, der ihn zurücktaumeln machte. Er verschwand in seiner Hütte und erschien mit seinem Speer wieder, um sich in's Gedränge zu werfen, wurde aber wieder aufgehalten und endlich von Humba und einem Araber festgemacht.

Said-Mesrui und Andere hatten unterdeß die Streitenden 198 getrennt, und es ergab sich, daß meine Wakussu ganz betrunken zum Kauf ausgebotene Lebensmittel mit Gewalt hatten an sich reißen wollen.

Jetzt war das Maaß der von Abed so sehr gerühmten Leute voll. Unterwegs hatten sie geplündert, dann mich bestohlen, zu früh Rationen gefordert und sich gegen mich aufgelehnt, jetzt begannen sie schon mit den Leuten der Araber ein Gefecht, und das alles in 8 Tagen.

Man sagte mir, mit solchen Banditen durch Manyema zu gehen, sei unmöglich; man könne es vielleicht mit 100 Gewehren wagen, aber nicht mit 15.

Ich nahm den Leuten die Gewehre ab, jagte Ngongo mit seiner Bande fort und schrieb einen Brief durch Mesrui an Abed mit der Bitte, mir andere Leute zu senden. In 3 Tagen konnten Antwort und Leute hier sein. Nach dieser Zeit erschien der Bote mit der Meldung, er hätte am Lualaba keine Kanoes gefunden; er hatte also, wahrscheinlich von Ngongo überredet, nur 10 Marschstunden in 3 Tagen zurückgelegt, um zu versuchen, ob ich in der Zeit wohl mich beruhigen und davon absehen würde, Abed von dem Treiben seiner Sklaven zu unterrichten. Der Bote erhielt für die Unterschlagung eine nachdrückliche Bestrafung, und ich sandte nun einen andern Boten zu Abed.

In welchem Rufe meine Wakussu standen, wurde mir jetzt erst klar, indem ich mich der Zurufe entsann, mit denen wir beim Einrücken in Kassongo empfangen wurden. »Versteckt Eure Hühner und Ziegen und Alles, was nicht fest ist, denn der Weiße bringt die Wakussu!«

Bis zum 14. hatte ich umsonst auf Nachricht gewartet, und da es hier keine Träger gab, Abed vielleicht verreist war, meine Rationen hier abnahmen und Zeit verloren ging, entschloß ich mich, die Wakussu abermals in Gnaden aufzunehmen, um nur fortzukommen. In Gegenwart der Araber mußte Ngongo sich vor mir im Staube wälzen und sein Haupt mit Erde bedecken, ein Zeichen der Unterwürfigkeit, dem die Araber besondere Wirkung zuschreiben. Dann sagte ich ihm, daß er bei dem nächsten Ungehorsam von mir eine Kugel zu gewärtigen habe, und daß er für seine Leute verantwortlich sei. Ich entzog den Wakussu jegliche Munition und gab nur meinen drei mit Chassepots bewaffneten Westafrikanern einige Patronen.

199 Von Kassongo zum Tanganjika-See führen zwei Wege, der nördlichere, von Cameron betretene, ist kürzer, aber bergig und für leichte Karawanen anzurathen, der südliche, den Stanley wählte, ist weiter, aber ebener, und diesen nahm auch ich.

In Kassongo hatten sich kleine Händler mit ca. 20 Menschen, meistens Weibern, mir angeschlossen, die ich dem Usus nach nicht wohl abweisen konnte. Auf meine Frage, was sie mit so vielen Weibern wollten, sagte mir der Aelteste, daß sie sein Harem seien. Ich erfuhr aber später, daß sie in Udjiji als Sklavinnen verkauft wurden.

Am 15. Juni traf ich beim Mona-Majenge ein und erfuhr durch einen von Kassongo abgesandten Mann, daß Said, des alten Abed's Sohn, angekommen sei, um über die Wakussu Gericht zu halten, daß er aber nun, da ich sie doch genommen hätte, mich nicht länger aufhalten wolle, daß sein Vater mir das Leben jedes Einzelnen dieser Sklaven schenke, den ich wegen eines Vergehens ohne irgend welche Rücksicht niederschießen möchte; ich möchte später nur in einem Briefe von Tanganjika dessen Erwähnung thun.

Diese Botschaft machte auf Ngongo und seinen Anhang einen starken Eindruck.

Am nächsten Tage ging es weiter nach Südost, über Grassavannen, dann über Fortsetzungen des Bergzuges vom linken Ufer des Lualaba. Wunderliche, schräg emporgeschobene und wie oben abgebrochene Sandsteinschichten, eine sich weit nach Nordosten ziehende Hügelkette präsentirten sich.

Von den Bergen stiegen wir in das freundliche Thal des Ilindi oder Lulindi hinab, eines Flüßchens, das sich über Granit zum Lualaba wendet und dicht am Wege einen von Palmen und Urwald überschatteten reizenden Wasserfall von 15 Fuß Höhe bildet.

Streckenweise wurden wir von Kriegern mit riesigen Schilden und schönen Wurfspeeren begleitet. Einige derselben entrissen einem meiner Leute einen mir gehörigen Papagei und entflohen.

Beim Häuptling von Kagimba forderte ich Schritte zur Wiedererlangung meines Papageies, die versprochen wurden, aber erfolglos blieben.

Um 10 Uhr Abends kam sehr geheimnißvoll der Häuptling zu mir und bat mich, mit ihm zusammen ein benachbartes, ihm 200 feindliches Dorf zu überfallen. Zwei Elefantenzähne sollten meine Belohnung sein. Meine abschlägige Antwort erschien dem Bittsteller höchst wunderlich und wurde meiner Furcht vor dem Kriege zugeschoben.

Ein heulender Oststurm riß in der Nacht mein Zelt nieder; es war der erste Ostwind, ohne Regen, ich schien mich also anderen meteorologischen Verhältnissen zu nähern.

Weiter wanderten wir am Westabhange eines über 100 m hohen, schroff abfallenden Randgebirges von Granit entlang. Bewaldet und mit Geröll von mächtigen Granitblöcken bedeckt, durchzogen von Urwaldschluchten, hatten wir steile Höhen zur Linken, das weite Thal des ab und zu sichtbaren Lualaba, von den fernen Bergen Lubunda's begrenzt, zur Rechten.

Ueber Granitplatten von großer Ausdehnung und wildes Felsgeröll traten wir aus dem Ländchen Usura und sahen über uns am Abhange die kleinen Dörfer des Landes Twite.

Die Bewohner dieser wie Nester am Abhange klebenden Niederlassung waren mit Usura im Kriege und ließen bei unserer Annäherung die Trommel erklingen. Weiber klommen wie Gemsen die steilen Höhen hinauf, um zu flüchten, und die Männer ließen uns, mit drohendem Zuruf die Speere zeigend, unter sich passiren.

Nun ging's hinab in das Thal des Luama. Durch große Hirsefelder stiegen wir zu den die Dörfer bezeichnenden Palmenhainen in die saftig grüne Niederung hinab und machten nach einem ermüdenden 8stündigen Marsche in einem tiefschattigen Dorfe Lager.

Kitete, der Häuptling von Mpungu, erschien mit einem alten Ziegenbock zum Geschenk. Sein Bild aus Stanley's Reisewerk, wegen des langen geflochtenen Kinnbartes aufgenommen, erkannte er und war sehr entzückt, als ich es ihm schenkte. Was mußte er für ein Mann sein, daß sich die Weißen so mit ihm beschäftigten!

Südlich, jenseits des Luama, wohnen die wilden Mikebue, die schon seit Langem dem Eindringen der Araber energischen Widerstand entgegensetzen und wahrscheinlich in Folge dessen als wilde Kannibalen gelten.

Im Südwesten beherrscht jenseits des Lualaba der weit sichtbare Stock der Kidschimaberge das ebene Plateau von Lubunda.

201 Die Art des Grüßens in diesen Theilen von Manyema ist sehr chevaleresque. Man bleibt sich auf 5 m Abstand gegenüber stehen, senkt grüßend die Spitzen der zierlichen Wurfspeere, legt dieselben nieder, mit dem Holzknopf an dem einen Ende auf die Fußspitze, und klatscht mehrmals, sich leicht verneigend, in die Hände.

Weiter am Rande des Luamathales entlang nach Osten führt uns der Weg durch dichte Bananenhaine und Hirsefelder, deren Halme bis 4 m hoch sind, und halten wir dann in den frei und schattenlos an den Hängen von Hügeln gelegenen, schlecht gebauten Dörfern der Ma-Wamba.

Frische Elefantenspuren, von den Urwäldern des inneren Manyema zum Thal des Luama hinabführend, beweisen großen Wildreichthum.

Die ärmlich und verwildert aussehenden Eingeborenen hatten zuerst die Häuser geräumt, kehrten aber bald zurück und näherten sich, erst ängstlich, dann aber, als ich meinen Wakussu verbot, dieselben zu verscheuchen und einzuschüchtern, in großer Zahl meinem Sonnendach, das ich mir zum Aufenthalt während des Tages bauen ließ, da das arabische Zelt, den Sonnenstrahlen ausgesetzt, einem Backofen glich.

Große Bewunderung riefen meine vom Lulua mitgebrachten kleinen Affen hervor, und kindlich klatschten die wild ausschauenden, mit 3 m langen Speeren bewaffneten Krieger in die Hände über die possirlichen Bewegungen derselben, als ob hier derartige Thiere ganz unbekannt wären. Erst in zweiter Linie starrten sie mich mit vor Erstaunen offenem Munde an, und nur flüsternd theilten sie sich ihre Beobachtungen mit. Ein leiser Wink genügte, um die mich dicht Umstehenden, die mir jeden kühlenden Luftzug entzogen, zum Niederkauern zu bewegen. Ein freundliches Lächeln machte sie schnell vertraulich, und ein kleiner Witz über die unförmliche Fettheit eines der Ihren wurde mit herzlichem Gelächter und Händeklatschen aufgenommen.

Welchen Einfluß hat der unheimlich weiß ausschauende Mann mit schlichtem Haar und so eigenthümlich hellen Augen auf diese Kinder der Wildniß!

Meine Wakussu sehen mit offenbarer Mißbilligung zu, wie ich mit den verachteten Waschensi verkehre, denen auch sie noch vor kurzer Zeit angehört haben, sie, die jetzt gewohnt sind, daß 202 Alles vor ihnen zittert, die nie ihre Herren, die Araber, ein freundliches Wort diesen tiefstehenden Wesen haben gönnen sehen.

Am Abend warnten mich die Leute, nicht im Zelte zu schlafen, da man mit Pfeilen durch das Zelt auf mich schießen würde. Wie schnell hatten sie im Räuberhandwerk vergessen, daß auch der Wilde ein Gefühl der Zutraulichkeit besitzt, wenn er sieht, daß nicht nur Haß und Verachtung ihm entgegengebracht wird.

Am 20. ging es durch viele Dörfer, in denen Hunderte von Kriegern mit großen Schilden und Speeren Spalier bildeten, nach Osten. Weiber waren nicht zu sehen, und wunderbarer Weise begleiteten uns fast 200 Krieger bis zu einem Bache, der Grenze ihrer Dörfer, wo sie sich rechts und links vom Wege entwickelten.

Wir passirten den Bach und trafen bald zu je Zweien aufgestellte richtige Doppelposten, die, von vor uns her laufenden Spähern unterrichtet, uns ruhig passiren ließen. Die Macht der Bena-Kagullu lag hinter diesen Posten versteckt, den Angriff der Ma-Kawanga, unserer Begleiter von vorhin, erwartend.

Bald hörten wir, weiter marschirend, Getöse und Geschrei: die mehr mit Geräusch als mit Thätlichkeiten geführte Schlacht hatte begonnen.

In's Thal des Luama hinabgestiegen, gewahrte ich viele Spuren von Büffeln, Elefanten und Antilopen. Ich ritt etwas voraus, und es gelang mir, einen Riedbock zu erlegen. Nach Zerlegen und Vertheilen des Wildes verloren wir den Weg und geriethen in eine fast undurchdringliche Graswildniß und an die Ufer des Luama. Wir folgten mit vieler Anstrengung seinem Laufe und fanden bald den Weg wieder.

Der Fluß ist hier 100–120 m breit und durchschnittlich 2,2 m tief, hat graugelbes Wasser und fließt mit starker Strömung in einem Bette von Thonschiefer, das unten glatt wie ein Parquetboden ist.

Der große grüne Papagei, der Schopfadler und Gaukler, und der uns schon vom Quanza an begleitende Palmengeier schwebten über den kleinen Ueberschwemmungen in der Nähe des Flusses, den wir in 2 Kanoes passirten. Am anderen Ufer machten wir in Mutangila Lager.

Als ich Abends vom Bade im Luama zurückkehrte, traf ich meine Wakussu in wilder Schlägerei unter einander. Mit einem 203 Stocke trieb ich rücksichtslos die Erregten bald aus einander und verband einige leichte Wunden, die die einzige Folge waren.

In der Nacht erwachte ich durch tiefe Athemzüge Schlafender, die so dicht an meinem Zelte zu sein schienen, daß ich aufstand, um mich von dem Grunde der Auswahl des Nachtlagers zu überzeugen. Die Hälfte der Watussu lag im dichten Kreise um mein Zelt in tiefem Schlafe, und nur ein Theil der Leute hatte die wegen Nachtkälte und Morgenthau erwünschten Hütten aufgesucht. Ich erfuhr, daß die Leute aus Besorgniß, man würde mit Pfeilen in mein Zelt schießen, woran sie fest glaubten, da dies früher bei Arabern hier schon vorgekommen war, sich diese wenig angenehme Ruhestelle ausgesucht.

Wie ist das zu verstehen? Noch heute hatte ich hart dazwischen geschlagen, als sich die Unbändigen stritten, und jetzt waren sie bereit, meiner Sicherheit ein Opfer zu bringen! Noch hatte ich das kindliche Volk nicht ausstudirt, solchen Wesen gegenüber kann man viel Böses vergessen und vergeben.

Ich ließ jetzt Stanley's Weg im Norden, um einen Bogen desselben abzuschneiden, und erreichte, viele Höhen überschreitend, das Dorf der Tambo-Kilumbo, wo sich zwei Küstenhändler niedergelassen hatten. Auf dem Gipfel einer schroffen Höhe liegt zwischen rings im Kreise wie von Menschenhand zum Walle aufgethürmten Blöcken das Dorf, eine natürliche Festung.

Außer dem bisher fast ausschließlich gebrauchten Wurfspeer sahen wir hier auch Bogen.

Drei Ziegen als Geschenk wies ich, da ein entsprechendes Gegengeschenk mich zu sehr von Waaren entblößt hätte, zurück.

Da schon fast überall die Gräser gebrannt waren, sahen wir häufig Antilopenrudel von sehr verschiedenen Gattungen, den Tragelaphus scriptus aber stets allein. Von dem wild über Felsplatten stürzenden, landschaftlich schönen Bach Luaigi, in dessen tief schattigem Waldsaum ich mich mit der kleinen Karawane eingenistet hatte, unternahm ich einen Pürschgang entlang der sanft zum Bach abfallenden, kurzgrasigen Hänge und erlegte zwei schöne, starke Antilopen. Es entstand unter den Thieren ein derartiges Rennen nach allen Seiten, daß man sich in einem Thierpark hätte glauben können; das Flüchten nach überallhin war indeß nicht durch meinen Schuß, sondern erst durch Zuruf meiner Leute veranlaßt.

204 Seit Nyangwe hatte ich wieder meine täglichen Bäder aufgenommen, die wohl viel dazu beitrugen, daß ich nie an Hautkrankheiten litt. Heute konnte ich direct aus meinem Zelt in die kalten Wellenbäder des tobenden Baches treten, während mein Koch sich abmühte, von dem zarten Wildpret ein Mahl für meinen seit einiger Zeit ganz unnatürlichen Appetit herzurichten.

Tägliche Bäder nimmt man nach meiner Erfahrung am praktischsten kurz vor Sonnenuntergang und kurz vor dem Essen; Morgenbäder ermüden, und mein erstes Bad, das ich in den heißen Stunden des Tages genommen hatte, hatte mir mein ernstestes Fieber eingebracht.

In der Nacht hörte ich die ersten Hyänen wieder seit Angola. Die gefleckte Hyäne kommt in den von mir bereisten Breiten des centralen Afrika's, speciell zwischen Kassai und Lualaba, nicht vor.

Durch bewaldete Savannen, deren Höhen mit Granitgeröll gekrönt waren, marschirten wir am 24. bis nach Mkambila der Bena-Kahyba.

Wir lernten hier den ersten Bananenwein kennen, den man mit Palmwein vermischt, und der so, nicht zu süß, ein angenehmes Getränk bietet.

Das freundliche, tanzlustige Völkchen ließ mich einen Chortanz von ca. 20 Knaben bewundern. Aus einem Kreise, in dem sie sich nach einer auf gut gestimmten Pfeifen gegebenen Melodie im Takte bewegten, sprangen je zwei der Tänzer in die Mitte und führten ganz gewandte Vis-à-vis und Dos-à-dos aus, um einige Kaurimuscheln zu erhalten.

Da wir am nächsten Tage schon nach einer Stunde Marschirens Kibonde, die Niederlassung eines Küstennegers, die durch mächtige Fächerpalmen geschmückt war, passirten, trieb ich meine Wakussu, die gern hier geblieben wären, wieder auf und machte erst am Luelo-Bache in der Wildniß Halt.

Ngongo hatte bei meinem Befehl, die Lasten wiederaufzunehmen, zu murren gewagt, und erhob ich der in Kassongo getroffenen Verabredung gemäß sofort das Gewehr gegen ihn. Er gehorchte auf der Stelle, erhielt aber, im Lager angekommen, eine Züchtigung zum größten Erstaunen seiner Untergebenen. Damit er nicht meine Abwesenheit vom Lager zu irgend welcher Verwicklung benutzen könne, nahm ich ihn mit mir, als ich Nachmittag zum Pürschen ging. Als wir uns, durch Dickicht drängend 205 und kriechend, weit vom Lager entfernt durch die Wildniß arbeiteten, den riesigen Ngongo, der kurz vorher, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, gezüchtigt war, hinter mir mit geladenem Gewehr, kam mir der Gedanke, ob ich wohl unter diesen Umständen mit derselben Sorglosigkeit in eine derartige Position mich wagen würde mit den Sprößlingen einer anderen Rasse, die wie Ngongo in Krieg und Raub groß geworden waren. Der hühnenhafte Führer der Wakussu trug mich auf seinen mächtigen Schultern durch Bäche und Sümpfe und war folgsamer denn je. Nach langem Suchen, bei dem ein Leopard so plötzlich aus dem Gebüsch in's Dickicht sprang, daß ich nicht zu Schuß kam, schoß ich auf eine große, mir unbekannte Antilope. Das Thier brach unterm Feuer nieder, erhob jedoch schnaubend den Kopf, als wir uns näherten. Ich gab Ngongo meine Büchse, um das kranke Wild abzufangen. Als ich mich auf 2 Schritte genähert hatte, warf sich das kräftige Thier auf die Läufe und nahm mich wüthend an, so daß es zwischen Ngongo und mich kam. Ich sprang durch ein Gebüsch und ergriff den Ast eines kleinen Baumes, hätte jedoch sicher die spitzen Hörner des in der Todesangst muthigen Thieres zu fühlen bekommen, wenn dasselbe nicht dicht vor mir zusammengebrochen wäre.

Da am Abend eine Bande Bewaffneter im Lager ziemlich unverschämt Fleisch des in ihrem Lande geschossenen Wildes forderten, von mir aber mit ihrem nach hiesigem Gebrauch nicht üblichen Ansuchen abgewiesen wurden und drohend sich entfernten, stellte ich Posten aus. Wir schliefen indessen ungestört und erreichten am anderen Tage Kabambarre, von wo einst Livingstone nach Norden in Uregga einzudringen versucht hatte, machten bei einem Araber Raschidi-bin-Said Halt und erhielten ein geräumiges Haus und reichliche Lebensmittel. Raschidi war ein nicht mehr unvermischter Araber, dem Trunke ergeben und von rohen Manieren. Er bettelte um Alles, was er sah, zuletzt um meine Doppelbüchse, und fand ich endlich ein Gegengeschenk für die allerdings reichlichen Lebensmittel in meinem kleinen Fernrohr.

Die Häuser der Eingeborenen nahmen hier eine andere Form an, als die im Styl seit langer Zeit sich ähnelnden. Die Sklaven der Araber bauen sich lange Lehmhäuser, im Innern zu verschiedenen Räumen eingetheilt.

Eigenthümlich ist die in vielen Falten auf dem Kopf hängende 206 Schädelhaut bei einigen Manyemaleuten, wenn sie den Kopf rasirt haben. Wahrscheinlich sind die reihenweise angeordneten, mit Thon und Oel beschwerten Haarklümpchen Grund zu dieser wunderlich aussehenden Verrunzelung.

Ganz auffallend war ein heftiger Gewitterregen in dieser Jahreszeit. Man sagte mir jedoch, daß solche im Juni keine Seltenheit seien, ja im Juli noch öfter Regen fielen, und später bestätigte sich mir diese Angabe derart, daß ich behaupten kann, daß eine absolute Trockenzeit in Centralafrika selten länger als 14 Tage anhält, während im westlichen Dritttheil des Continents der letzte Regen, der einen besonderen Namen hat, weil er die kleinen Samenstacheln der hohen Gräser abschlägt, zwischen dem 10. und 20. Mai fällt.

In der Nacht wurde ich durch ein durchdringendes Zetergeschrei meiner Aeffchen geweckt und konnte sie noch eben vor dem Ueberfall der rothen Beißameisen retten. Diese in Millionen auftretenden Vernichter alles animalischen Lebens, das sich durch die Flucht nicht entziehen kann, kommen stets nach einem nach längerer Trockenheit eintretenden Regen hervor, während sie bei Trockenheit unter der Erde, meist in alten Termitenbauten, die auch Schlangen den beliebtesten Aufenthalt gewähren, liegen. Nichts Lebendiges ist vor den kleinen Mördern sicher. Eingeschlossene Hühner, angebundene Ziegen oder Schafe werden getödtet, ja es sind Fälle bekannt, daß Betrunkene oder zu dieser entsetzlichen Todesart bestimmte gebundene Menschen ihnen zum Opfer fielen.

Höchst interessant zu beachten ist das scheinbar nach bestimmtem Ziele wandernde Heer solcher Millionen von kleinen Würgern; gewöhnlich sieht man sie dicht gedrängt in 2 bis 3 cm breiten, aber 5 bis 6 Stunden langen Zügen wandern. Zu beiden Seiten der Colonnen stellen sich Posten auf, zu denen nur die auffallend größten antreten. Diese drohen mit ihren scharfen Zangen, die sie geöffnet hoch halten, nach den Flanken hin jedem Störer, stürzen dann den fortwährend in Bewegung bleibenden Zug entlang, wobei sie bald vorwärts, bald seitwärts sichern. Passirt die Karawane eine Stelle, an der die Marschcolonne der kleinen grimmigen Insecten den Fußpfad kreuzt, so rufen sich die Leute warnend die Bezeichnung (im Westen »Kissonde«) der nun wild hin und her rennenden und sich in alles Erreichbare festbeißenden Ameisen zu, und trampelnd, um den Thierchen nicht Zeit zu 207 geben, sich mit schmerzhaftem Biß an den Fuß zu hängen, läuft Alles vorwärts, bis die gefährliche Stelle im Rücken liegt. Die Ameisen durchbeißen die menschliche Haut, und reißt man die festgebissenen gewaltsam ab, so bleibt öfters der Kopf mit den scharfen Zähnen hängen.

Nachdem ich nach sieben starken Märschen meinen Leuten zwei Ruhetage gegönnt hatte, ging es am 29. am südlichen Hange eines kleinen Granitgebirges entlang nach einer anderen arabischen Niederlassung. Der Besitzer derselben, Suelim-bin-Sani, ein noch junger, schlaff aussehender Maskataraber, steht im Rufe, viel Hanf (im Westen Riamba, im Kiswaheli Bangi, im Arabischen Haschisch) zu rauchen.

Ich sah in einem benachbarten Dorfe einen Hund schlachten, da man das Fleisch ißt. Die Leute behaupten, daß Menschenfleisch ähnlich dem des Hundes schmecke, das Fett des Menschen aber ganz besondere Heilkraft habe. Wunderbarer Weise fand ich auch hier die Ansicht vertreten, daß das Fleisch an Krankheit gestorbener Leute, wenn man Finger und Zehen abgeschnitten habe, unschädlich sei. Auch das Fett verschiedener Thiere steht in hohem Werthe; das des Elefanten reibt man gegen Anschwellung ein, das des Leoparden gegen Verzauberung, und das des Löwen rühmt man als bestes Mittel gegen Moskitos, Büffelschmeiße und Tsetse-Fliege.

Suelim besaß eine Puppe europäischen Fabrikats. Er zeigte dieselbe einigen Eingeborenen in meiner Gegenwart. Die Leute sprangen scheu zurück, näherten sich dann vorsichtig, betasteten endlich das Gesicht und wollten dann Alles näher untersuchen.

Sehr komisch war, daß meine Aeffchen sich ganz genau ebenso benahmen, als man ihnen die Puppe vorhielt.

Ich verließ jetzt Stanley's südlich abführende Route, passirte direct östlich wandernd die Grenze von Manyema und betrat das Land der Wasi-Malungo (Wasi bedeutet Leute und ähnelt sehr der westlichen Form Baschi).

Vom Lualaba bis hierher hatte an den meisten Gewässern gelber Thonschiefer angestanden, während Granit in Geröll auf allen Höhen lag.

Von Kulambarre an waren wir in ein wildzerrissenes, aber nicht sehr hohes Gebirge eingedrungen. 200 m hoch erhoben sich die Kuppen, zwischen denen wir uns hindurchwanden. An den Hängen stand Granit, überall mit mächtigen Quarzadern 208 durchzogen, an, und die Schluchten und Betten der Bäche waren mit Quarzgeröll bedeckt. Irgend welchen Anhaltspunkt für Vorhandensein von edlen Erzen konnte ich nirgends finden.

Die Vegetation in den Niederungen der Schluchten ist üppig und reich. Die Pflanzungen der Neger in den Thälern zeugen von großartiger Kraft des Bodens. Groß ist auch der Reichthum an Wasseradern, die alle schnellfließendes, klares Wasser haben.

Seit Nyangwe hatten wir keine Krankheiten gehabt, die Nächte waren frisch, die Morgen oft neblig, und scheint mir das Klima in diesen Bergen für Europäer angenehm zu sein.

Der Wildreichthum ist groß. Einen mächtigen Keiler vom Warzenschwein, der sich im Schatten eines Baumes niedergethan hatte, hielten wir, bis er vor der sich nähernden Karawane flüchtig wurde, für einen Büffel. Fast schwarze Antilopen mit einer Mähne, die der unseres Hirsches gleicht, waren mir unbekannt; leider kam ich nicht zum Schusse auf sie.

Die Wasi-Malungo sind ganz außergewöhnlich große, kräftige Leute; ohne Schmuck und Verunzierung lassen sie die Haare zu einem wolligen Wulst heranwachsen. Ihre Bewaffnung besteht in sehr starken Bogen, langen Pfeilen, zierlichen und sehr scharfen Messern, sowie Keulen.

Waffen der Wasi-Malungo und der Wabujwe.

Bei einem Suaheli-Neger Kalonda, der hier wie ein Araber mit Hofstaat, Harem und vielen Sklaven lebt, wohnte ich am 1. Juli. Wenig Elfenbein und viel Sklaven sind die Handelsartikel dieses Ehrenmannes, und da das Leben bei billiger Sklavenarbeit und geringen Bedürfnissen wenig kostet, selbst bei diesem großen Haushalt, so soll er ein recht wohlhabender Mann geworden sein.

Bis Lunanga passirten wir drei Malungodörfer. In einem Viereck angelegt, sind es kleine Festungen, umgeben von einem starken stehenden Astverhau. Innerhalb dieses kommt eine ringsherum laufende Reihe von Häusern, die wieder mit Astverhauen zu einer zweiten Vertheidigungslinie verbunden sind, und selbst innerhalb dieser sind immer noch 4 bis 5 Häuser zu besonderen Reduits vereinigt. Inmitten des Dorfes ist ein runder, freier Platz, meist von einem großen Baum beschattet, der Versammlungs- und Marktplatz, von dem aus nach zwei Seiten schmale Wege durch die befestigten Häusergruppen durch mit Pallisaden verschließbare Thüren in's Freie führen.

209 Die Häuser werden erst im Gerippe von einem Ruthengeflecht hergestellt, dann mit Lehm beworfen und darauf mit Stroh gedeckt. Viele kleine Kornspeicher und Fetischhütten stehen bei den Häusern.

Auf dem Versammlungsplatz sind einige dreieckige, flach ausgehöhlte Estriche, aus glatt gestrichenem Thon hergestellt, in denen sich 5 bis 6 beckenartige Vertiefungen zum Stampfen von Mais und Hirse, wovon große, gut gehaltene Felder das Dorf dicht umgeben, befinden.

Wie die Männer das Haupthaar natürlich wachsen lassen, so sieht man hier auch auffallend viele Vollbärte. Die Weiber haben an den Haaren des Hinterhauptes eine den ganzen Hinterkopf deckende, drei Finger starke, dunkelrothe Scheibe befestigt, die aus Rothholz, welches man mit Wasser in einem ausgehöhlten Sandstein reibt, besteht. Der Brei des geriebenen Holzes wird geformt und getrocknet.

Die ansehnlichen Männer benehmen sich nicht so wild, als die Wa-Manyema, sie sind weder zudringlich noch neugierig, freundlich ohne unterwürfig zu sein, und sind neben den Bena-Kotto des Sankurru die stolzesten Wilden, die ich sah.

Ich kam hier mit einer höchst schwächenden Ruhr an, welcher Krankheit ich wegen mangelnder Opiumpräparate nicht entgegentreten konnte, wie denn überhaupt meine medicinischen Vorräthe bis auf etwas Chinin völlig erschöpft waren. Abends stellte sich Erbrechen ein, und ich hatte eine sehr unangenehme Nacht. Trotzdem marschirte ich am anderen Tage weiter und überschritt, mich nach Süden wendend, die Grenze von Ubujwe oder Ubudschwe. In der Grenzwildniß waren die Gräser nicht gebrannt worden und daher das alte mit dem jungen Grase filzartig verwachsen. Nur Elefanten- und Büffelwechsel durchzogen die dichte Graswildniß.

Vier Elefanten kreuzten die etwas aus einander gekommene Karawane unterwegs und verschwanden im mächtigen Trabe, als die erschreckten Träger aus Furcht Lärm machten.

In der Nähe einiger Wabujwedörfer machten wir Lager. Seit dem Verlassen von Manyema benutzten meine Leute die Hütten der Eingeborenen nicht mehr.

Die Wabujwe fallen äußerlich sehr gegen ihre Nachbarn, die Wasi-Malungo, ab. Sie sind auffallend klein und untersetzt, 210 kleiden sich in Häute oder Rindenzeug, tragen Haar und Bart auch, wie es wachsen will, und über die Stirn bis zum Nasenbein einen feinen Tätowirungsstrich, wie die Kruneger im Westen und die Waniamwesi im Osten.

Schöne Bogen, Pfeile, Messer und Schilde sieht man hier. Letztere, aus einem Stück Holz geschnitzt, haben in der Mitte statt eines Buckels eine geschnitzte Thierfigur.

Die Weiber, die ebenfalls die oben beschriebene Rothholzscheibe in den Haaren tragen, wie die Malungo, durchbohren sich vielfach die Oberlippe und tragen flache Steine oder Holzscheiben, die bis zu 6 cm im Durchschnitt haben, in der allmählich ausgeweiteten Durchbohrung.

Die Wabujwe haben für hier auffallende Zutraulichkeit, die man zuerst für Dreistigkeit hält. Fährt man einen Eingeborenen ungeduldig an, so schreckt er nicht zurück, sondern winkt ruhig abwehrend und sagt in mildem Tone »Lecka«, d. i. »Laß ab!«

Die Weiber haben, wenn sie sich die Lippe nicht durchbohren und das Gesicht nicht mit Ruß und Oel beschmieren, angenehme Züge und viel Weiblichkeit in ihrem Benehmen, so daß man sie gern beobachtet.

Da man Häute und Rindenzeug zur Kleidung benutzt, ist hier nicht Zeug, sondern Salz und Kaurimuscheln der beste Tauschartikel.

Man hört und sieht bei diesem Volk nichts Wildes, Rohes. Das Benehmen ist durchaus furchtlos und ruhig, und war es dies wohl, und das sehr gefürchtete Pfeilgift der Wabujwe, was meine Wakussu zu einem höchst anständigen Benehmen den Eingeborenen gegenüber veranlaßte.

Auf der Grenze zwischen Malungo und Ubujwe hatten wir ein Dörfchen passirt, dessen Bewohner Batua sein sollten. Mein schlechter Gesundheitszustand hatte mich verhindert, die äußerlich wenig von den sie umwohnenden unterschiedenen, also wohl schon sehr vermischten Urbewohner oder Buschmänner Centralafrika's näher zu betrachten. Mir scheint, daß die Wabujwe auch viel mit Batua vermischt sind. Ihre kleine Statur, ihr ganz besonders angenehmes, mildes Wesen, das ich im Jahre 1885 bei ganz reinen Batua als besonders charakteristisch kennen lernte, die große Zahl von Batuadörfern in dem benachbarten Lande Goma, die Art der Kleidung, Kenntniß 211 des furchtbaren Pfeilgiftes und die große Jagdgewandtheit der Wabujwe geben mir Anhaltspunkte zu dieser Vermuthung.

Wenn wir ein Dorf durchzogen, standen die Eingeborenen bewaffnet, aber ruhig und bescheiden dicht am Wege. Als einmal ein Träger gegen ein Haus abschwenkte, nur um sich ein Blatt Tabak abzubrechen, nahm ihn ein alter Eingeborener ganz ruhig bei dem Arme und führte ihn in die Marschreihe zurück, ohne ein Wort zu sagen. Es heißt, hier würde selbst in Gegenwart der Araber nicht geplündert, denn früher hätten dieselben viele Leute durch das schnell wirkende Pfeilgift verloren.

212 Daß die Wabujwe nicht ohne kriegerischen Sinn sind, bewies mir ein Schildtanz, den sie öfters auf Verlangen ausführten. Der Tänzer zieht in fortwährend trippelnder Bewegung bald die Beine an und fährt dann mit dem Schild nach oben, bald duckt er den Kopf und deckt dann die unteren Körpertheile, so daß man stets nur auf einen ganz kurzen Moment einen kleinen Theil des Körpers siehtAuch diese friedlichen und energischen Eingeborenen fand ich im Jahre 1886 mit Ausnahme eines Dorfes von der Handelsstraße der Araber verschwunden..

Noch einmal versuchte ich mich einen Tag weiter zu schleppen, kam jedoch nach einem schweren Marsche durch hohes, trockenes Gras und bei furchtbarer Hitze so erschöpft und mit einem Fieber in Mabunga an, daß ich sehr krank und schwach mich niederlegen mußte.

Am 5. war ich unfähig, mich zu erheben. Ich warf viel Blut aus, litt an starkem Herzflattern und Kreuzschmerzen, und gegen Abend stellte sich ein brennender Durst ein, den ich trotz fortwährenden Wassertrinkens kaum zu löschen vermochte. Nach anhaltendem Erbrechen wurde mein Zustand etwas besser, und ließ ich mich am 6. bis zum Luikabach tragen, wo Millionen von kleinen Bienen ohne Stachel, die einen stark aromatischen Honig haben und mit verzweifelter Consequenz trotz unablässigen Abwehrens in Augen, Ohren und Nase fliegen, den Aufenthalt verleideten.

Ich lebte schon seit 4 Tagen nur von Reiswasser und fühlte mich etwas besser, wenn auch sehr schwach.

Am Morgen des 7. hatten wir nur 8° C., so daß ich bei meiner Schwäche vor Frost zitterte.

Die Gegend ähnelte mit ihrem unterbrochenen lichten Hochwalde Minungo an der Westküste. Das Land ist flach und wildreich, welch' letzteres ich aber bei meinem Zustande nicht ausnutzen konnte. Viele wilde Fruchtbäume, die Fächerpalme und die wilde Dattelpalme begleiten uns bis zum Luwumbaflüßchen, das 25 m tief senkrecht in plötzlich wieder auftretenden rothfarbigen Sandstein eingeschnitten ist.

Der Luwumba.

Spuren zeigen, daß Flußpferde ab und zu vom Luama bis hierher aufsteigen.

213 Das Wasser des Luwumba ist gelb und führt so viele Glimmerblättchen, daß es im Sonnenschein wie voller Gold gleißt und glänzt.

Am 9. fühlte ich mich schon besser; ein ausgesprochener Abscheu vor dem Tabakrauchen brachte mich auf die Idee, daß meine Krankheit wohl eine Nicotinvergiftung gewesen sei, da die Symptome Anzeichen hierfür waren. Ich hatte von dem schweren Tabak aus Nyangwe aus meiner großen deutschen Pfeife fast den ganzen Tag über geraucht.

In Ubujwe brennt man die Gräser aus Jagdzwecken allmählich, streckenweise, und zwar später als in Manyema, und fand daher auch Stanley zu dieser Zeit hier Alles schwarz, steril und öde, während Manyema schon in dem saftig grünen Kleide der jungen Gräser steckte.

Ich schoß eine Schirrantilope, welche eben erst verheilte furchtbare Narben auf Kopf, Hals und Rücken trug, scheinbar kürzlich erst einem Leoparden oder Lux entgangen war; vielleicht hatte sie sich von demselben, unter einem Ast durchrennend, durch Abstreifen befreit.

Die mächtigen Bergzüge von Goma, deren östliche Abhänge zum Tanganjika-See abfallen, zur Linken lassend, zogen wir stets in südöstlicher Richtung, und dicht an dem über Felsen tobenden Lugumba entlang, bis zu den Dörfern der Bena-Mulolwa. Eine besonders in's Auge fallende Erhebung wird als »die Mutter« des nach Norden fließenden Luwumba und des nach Südosten zum See eilenden Lugumbaflusses gezeigt.

20 m tief, fast senkrecht eingeschnitten, stürzt sich hier der Luwumba wie durch einen Laubtunnel im tiefen Schatten der die Uferhänge krönenden Bäume, deren Kronen sich zu dichter Wölbung vereinen, dahin. Lianen und epheuartige Schlinggewächse zieren die schroffen Felsenufer. Bald brausen die heftigen Wasser in eine Höhle und gurgeln im Strudel wieder heraus, bald fällt die ganze Wassermasse einige Meter tief in einen mit weißem Schaume gefüllten Kessel, Alles ringsum mit einem staubartigen Sprühregen befeuchtend, und kleine Bäche fallen in kühnen Bogen, die senkrechten Wände überspringend, in tief ausgehöhlte, glatte Becken.

Einige meiner Leute hatten sich einem Treibjagen, das die Bena-Mulolwa mit Hilfe des Grasbrennens arrangirt hatten, angeschlossen. Plötzlich kam Humba in's Lager gerannt und meldete 214 mir, daß er einen Eingeborenen niedergeschossen habe. Er hatte, auf Wild wartend, mit 10 Eingeborenen im Walde gestanden, als dieselben sich über ihn geworfen, ihm das Gewehr mit Stößen und Fußtritten entrissen hatten und geflohen waren. Der unweit von ihm stehende Joaquim war ihm zu Hilfe geeilt, Humba hatte ihm das geladene Gewehr entrissen und forderte die auf eine kurze Entfernung stehen gebliebenen Räuber auf, das Gewehr zurückzugeben, da sie ja den Mechanismus des Chassepotgewehres doch nicht kennten. Die Mulolwa antworteten indeß mit Pfeilschüssen, und legte Humba nunmehr an und feuerte unter sie. Er hatte einem Manne beide Kniee zerschmettert, die übrigen Räuber waren mit dem Gewehr entflohen. Mit fünf Mann und Humba lief ich sofort zu Stelle und traf die Mulolwa, die unterdessen den Verwundeten fortgeschafft oder versteckt hatten, am Ort der That. Ich sandte einen mir von dem Küstenhändler Kabunda überlassenen sprachkundigen Führer und meinen alten Kawuansa vor, um von den Dieben das Gewehr zurückzufordern, sah jedoch, wie Kawuansa einen Hagel von Pfeilen mit einem Schuß beantwortete, der wieder einen der Räuber verwundete. Die Mulolwa hielten sich nun immer in einem Abstand von 200 Schritten vor uns; Schüsse von unserer Seite, wie Pfeile von drüben thaten weiter keinen Schaden, und ich wollte auf diese für meine Büchse sichere Entfernung noch nicht schießen, da ich hoffte, die Angelegenheit ohne weiteres Blutvergießen zu erledigen. Ich ließ daher von der nutzlosen Jagd ab, begab mich nach der zum Dorfe der Mulolwa führenden Hängebrücke, die die steilen Ufer der tiefen Luwumbaschlucht verband, fand aber den jenseitigen Ausgang der schwindelnden Brücke schon im Halbkreise von Bewaffneten besetzt. Mein gewandter Führer begann jetzt in lebhafter Rede den Leuten ihr Unrecht und meine Freundschaft mit den Arabern auseinanderzusetzen, erreichte aber Nichts, da sich unsere Vis-à-vis in der für die schlechten Gewehre meiner Wakussu als ungefährlich gekannten Entfernung von 150 m für sicher hielten. Dem behäbigen, auf einen langen Speer gelehnten Häuptling, der drüben die Unterhandlung führte, ließ ich zurufen, ich wolle Niemand tödten, ihnen aber zeigen, daß ich dies wohl könne und thun würde, wenn sie nicht mein geraubtes Eigenthum, das noch dazu für sie ja nutzlos sei, da sie keine Munition dazu hätten, zurückgeben würden. Ich legte an, ohne daß der Ungläubige sich nur rührte. Ich schoß die 215 Kugel ca. 1 m über dem Kopf desselben in einen Baumstamm, an dem er stand. Gleichzeitig mit dem Klatschen des einschlagenden Geschosses sank der Erschreckte in die Kniee, so daß ich schon besorgt war, zu kurz geschossen zu haben. Im nächsten Moment nahm er gute Deckung. Es war jetzt kaum noch Büchsenlicht, und da von drüben gerufen wurde, man wolle mir morgen das Gewehr zurückgeben, denn die Leute, die es geraubt hätten, seien noch nicht da, und ich auch besorgt war, in's Lager zu kommen, nahm ich das Versprechen an.

Bis tief in die Nacht hinein erklangen die Signaltrommeln und wurden von mehreren Seiten von fern her beantwortet, so daß meine aufgeregten Wakussu wohl kaum zum Schlaf kamen. Noch während der Nacht ließ ich Alles, auch mein Zelt, zum Abmarsch fertig machen und vertheilte Munition.

Ich hätte jetzt ganz gern das Gewehr im Stich gelassen, um nicht gegen eine während der Nacht angewachsene größere Macht vielleicht noch mehr zu verlieren, durfte aber nicht nachgeben, wenn ich nicht die dann dreist gewordenen leichtfüßigen Eingeborenen während des Marsches auf dem Halse haben wollte.

Das Lager war dicht an der Luwumbaschlucht gelegen und mit einigen Gewehren zu vertheidigen.

Noch vor Erscheinen des ersten Tageslichtes bestimmte ich 8 Mann, mich zu begleiten, während Ngongo, der in der Nacht wohl dreimal erzählt hatte, daß sein Vater hier an demselben Ort im Gefecht einem giftigen Pfeil erlegen sei, mit 6 Gewehren im Lager bleiben sollte. Die Wakussu kamen jetzt und baten, sie wollten auf 2 Gewehre der Bezahlung für die Reise verzichten, wenn ich nur mein Gewehr in den Händen des Häuptlings lassen und weggehen wolle, oder sie wollten versuchen, mein Gewehr von den Mulolwa zurückzukaufen. Die Kriegstrommel sei die halbe Nacht hindurch geschlagen, und wir würden auf unzählige Massen von Feinden stoßen.

Ich war über meine Schritte so im Klaren, daß ich ihre Bitte abschlug, und machte mich mit dem Führer und 8 Mann auf den Weg.

Mit der ersten Dämmerung erreichten wir die Hängebrücke und fanden diese unbesetzt. Die Wakussu fürchteten einen Hinterhalt und baten flehentlich, nicht hinüberzugehen. Ich sandte Humba, den Führer, und Kawuansa auf die andere Seite, selbst 216 auf dieser Seite mit der Büchse fertig für den Fall, daß drüben ein versteckter Feind sich zeigen sollte. Nachdem sich die Drei jenseits aufgestellt hatten, ließ ich zwei Wakussu, Ngongo's Bruder und Neffen, die ich der Sicherheit wegen bei mir behalten hatte, folgen und ging dann selbst hinüber, indem ich Joaquim Miranda mit den übrigen Wakussu an der Brücke ließ, um diese für alle Fälle offen zu halten.

Nichts regte sich, Alles im Dorfe schien noch im festen Schlafe zu sein. Jetzt feuerte ich einen Schuß ab, und ganz verstört stürzten die Eingeborenen aus den Häusern. Weiber entflohen schreiend, Männer rannten hin und her, während unser Führer ihnen beruhigend zurief, ich käme nur, um zu sehen, wie es mit dem Versprechen stände, noch heute müsse eine Karawane des Arabers Abed vom Tanganjika her hier eintreffen, und deshalb wollte ich wissen, ob Krieg oder Friede sei. Die Ueberraschung hatte die halb schlaftrunkenen Neger völlig übermannt, die geschickte Lüge des Führers über unerwartete Verstärkung meiner kleinen Karawane that wohl auch das Ihrige. Man brachte mein Gewehr noch geladen vorsichtig herbei und übergab es Humba, forderte aber Zahlung für einen Mann, der, gestern verwundet, in der Nacht gestorben sei, und für einen anderen Verwundeten. Ich ließ ihnen sagen, dies sei die Strafe für ihren Raubversuch, und wenn sie Bezahlung wollten, so möchten sie sich diese nur in meinem Lager holen. Dann ging ich, um den sich immer mehr Ansammelnden nicht Zeit zur Erholung von ihrem Schreck zu lassen, zur Brücke zurück und wurde empfangen von dem Freudengeschrei der uns am jenseitigen Ufer Erwartenden, die schon besorgt geworden waren.

In stürmischer Verhandlung, ließen wir die düpirten Mulolwa zurück, nahmen im Lager sofort die Lasten auf, und weg ging's in außergewöhnlich munterem Reiseschritt und in geschlossener Linie. Ich schloß mit meinen drei Westafrikanern. Wohl sahen wir, daß einzelne Leute uns folgten, jedoch schienen die Bena-Mulolwa nicht zu einem Entschluß kommen zu können.

Bei dieser Gelegenheit hatte sich gezeigt, daß Ueberraschung, die den Neger aus dem tiefen Schlaf reißt, besondere Aussicht auf Erfolg hat, eine Thatsache, die den Arabern zum Ueberfall und zur Sklavenjagd wohl bekannt ist, in diesem Falle aber weiteres Blutvergießen vermeidbar machte.

217 Ich glaube, daß der aus dem Schlafe gestörte Neger mehr Zeit gebraucht zur Ermunterung und vollen Nerventhätigkeit, als der Europäer. Dieser Umstand entspringt wohl aus demselben Grunde, der den Neger zu einer kurz entschlossenen, energischen Körper- oder Geistesproduction nicht so befähigt, als den Europäer. Die plötzliche Gefahr macht den Neger rathlos oder stumpf; zur höchsten Entwickelung geistiger Thätigkeit sind Aufregungen nöthig, wie z. B. Tanz, Trunkenheit, Blutscenen u. s. w. Der schroffe Wechsel vom Zustande tiefster Ruhe im Schlaf zu einer momentanen großen Anforderung überwältigt den Neger geistig völlig.

Das langsamere Wirken des an die Muskulatur übermittelnden Telegraphen-Systems der Nerven machte sich mir bei den Wilden öfters bemerkbar. Ich war mehrfach erstaunt, wie gewaltig muskulöse Neger so schnell und leicht zu überwältigen waren, wie sie fliehend im schnellen Anlaufe schon mit wenigen Sprüngen zu erreichen, wie sie nicht im Stande waren, auch nur ein mittleres Hinderniß im Sprunge zu überwinden. Selbst der Araber, obwohl Sohn derselben Rasse, steht uns hierin weit nach, was sich z. B. beim Schießen zeigt. Schnelle Entscheidung im gegebenen Moment, für den Schützen die Hauptanforderung, ist sicherlich bei den Arabern, denen es an Uebung durchaus nicht fehlt, geringer als bei uns. Es haben allerdings die meisten Araber, die ich im Osten Afrika's kennen lernte, etwas Negerblut.

Ich stehe bei den Arabern im Rufe eines unübertrefflichen Schützen und großer Körperkraft, obgleich ich Europäern gegenüber hierin durchaus nichts Außergewöhnliches leiste.

Anders verhält es sich mit der Ausdauer. Die unglaubliche Widerstandsfähigkeit, die der Körper des Negers fast ohne Schutz den schroff wechselnden Witterungseinflüssen entgegensetzt, habe ich schon bei früherer Gelegenheit besprochen. Die Zähigkeit, von der die Leistungen der Träger zeugen, die durchschnittlich 60 Pfund, an der Westküste oft über 100 Pfund täglich 4 bis 5 Stunden lang durch alle Terrainschwierigkeiten tragen, oder sehr weite Strecken im Dauerlauf zurücklegen, bei ärmlicher, fast nur pflanzlicher Nahrung, ist bewundernswerth.

Weiter durch reichbewässerte, lichtbewaldete Wildniß zogen wir, von den Mulolwa unbehelligt, den reizenden Luwumba aufwärts. Die Gegend ist sehr reich an Büffeln, und marschire ich daher, aufmerksam nach Wild spähend, immer 50 Schritte meiner lautlos 218 wie eine Indianerhorde auf dem Kriegspfade folgenden kleinen Karawane voraus.

Mein alter Reitstier war schon seit einigen Tagen krank, mein Esel hatte sich bei einer schwierigen Bachpassage das Bein verletzt, und so mußte ich ungewohnter Weise zu Fuße gehen.

Bei der schon um 8 Uhr beginnenden sengenden Hitze der wolkenlosen Trockenzeit war uns die köstlich saure Frucht des Amomum eine große Erfrischung. Auch eine faustgroße Baumfrucht mit harter gelber Schale und vielen Körnern, die von faserigem, braunem, säuerlich-süßem Fleische umgeben sind, wurde viel gegessen, hatte aber nach Eintreffen im Lagerplatz ein allgemeines Erbrechen zur Folge. Es war die Frucht eines Strychnus gewesen, und mein kleiner Sankurru hatte schon vorher vor übermäßigem Genuß gewarnt.

Es war auffallend, wie unterrichtet dieser kaum 11 Jahre alte Knabe von der ihn umgebenden Natur war. Er kannte jeden Baum nach seiner Holzart oder Rinde als zu Bogen, Holztrommeln, anderen Musikinstrumenten, Farben, Heilmitteln oder Giften brauchbar. Von ihm lernte ich die weit ringsum einen Zwiebelgeruch verbreitende Schale eines mächtigen Urwaldbaumes kennen, die durch Kochen mit Fleisch dem Gericht einen der Zwiebel entsprechenden Geschmack gibt, sowie Oelfrüchte im Urwald, die außerordentlich einer Muskatnuß gleichen und durchschnitten, in der Hand gepreßt, ein dickflüssiges, wasserklares Oel geben, auch eine Frucht, deren Schale dem animalischen Elfenbein außerordentlich ähnelt, und viele schädliche, giftige oder eßbare und heilkräftige Früchte, Wurzeln, Blätter, Rinden oder Pilze. Er kannte genau alle schädlichen Insecten, die Wirkung der Stiche oder Bisse und gute Mittel gegen sie, und irrte sich nur in der Giftigkeit einiger Schlangen. Kurz, ich habe nie wieder bei einem Neger derartige Kenntniß so vieler Hilfsmittel aus der Flora und Fauna bewundert, und trug seine Kenntniß, die auch von allen Trägern anerkannt wurde, nicht wenig zur Abwechslung meiner Speisekarte bei.

Mein Diener Sankurru, 4 Jahre später.

Selbst am Himmel wußte er Bescheid. Er kannte und bezeichnete mehrfach erprobt genau verschiedene Sternbilder, z. B. die drei Gürtelsterne des Orion als der Reihe nach »Wild, Hund und Jäger«, andere Zwiegestirne als Mann und Frau, einen großen und benachbarten kleinen als Vater und Kind, u. s. w.

219 Da der Büffel bei heißem Tage meist in sumpfigen Urwalddschungeln liegt, war mein stetes Pürschen nicht von Erfolg begleitet, bis ich endlich drei derselben, die, viel höher als die früher gesehenen, mich überzeugten, daß ich hier den bos kaffer vor mir hatte, antraf. Schon auf 200 Schritte mußte ich schießen. Ein Stück brach zusammen, nahm sich wieder auf, folgte den beiden anderen in schwerem Galopp, stürzte bei der Passage eines trockenen Baches abermals und verschwand dann in einem Uferdickicht, nachdem ich ihm noch ein Geschoß auf's Blatt gefeuert hatte. Wo das gewaltige Thier gestürzt war, war der Boden mit Schweiß bedeckt; trotzdem gab ich die Verfolgung in das kaum durchdringliche Dickicht auf und verbot auch meinen fleischgierigen Leuten zu folgen, da der Jäger, der einen kranken Büffel auftreibt, an Stellen, an denen er von der Büchse nicht freien Gebrauch machen kann, meist verloren ist.

Mein armer Reitstier war so krank, daß er sich kaum noch vorwärts schleppen konnte, der Esel vom Famba erwies sich als ein Danaergeschenk. Wenn er eine Stunde geritten war, legte er sich nieder, und Nichts konnte ihn wieder auf die Beine bringen, so lange ich in seiner Nähe war.

Seit vier Tagen haben wir keine Lebensmittel kaufen können, da wir nach dem Verlassen der diebischen Bena-Mulolwa durch unbevölkerte Wildniß marschiren. Gebleichte Schädel und Menschenknochen bezeichnen den Weg, auf dem die Sklavenkarawanen zum Tanganjika getrieben werden, und von denen Mancher, von Hunger erschöpft, hier sein Leben beschloß.

Am 14. trafen wir wieder einige Dörfer, und zwar gemischte Bevölkerung von Waguhba und Baluba, hier Waluba oder Waruwa. Meine Westafrikaner fanden viele Sprachähnlichkeit dieser mit ihren westlichen Verwandten; jedoch war äußerlich Vieles von den Wabujwe angenommen. Diese Baluba sind die nordöstlichsten Ausläufer des am Kassai beginnenden und sich südlich meiner Route entlang streckenden mächtigen Balubastammes.

Schon öfter hatte ich in letzter Zeit gesehen, daß sich die Eingeborenen lange Zeit mit den Fingern die Nase zuhielten; heute kaufte ich einen hölzernen Nasenklemmer, ein gespaltenes Stückchen Holz mit geschnitztem Griff, dessen zwei Spaltstücke die Nasenflügel zudrücken. Man laugt Tabak in etwas Wasser so lange aus, bis 220 dasselbe schwarz wird, zieht es dann in die Nase auf und schließt diese für 2 bis 5 Minuten; eine neue Art des Schnupfens.

Nachts wurden wir häufig durch das widerwärtige Geheul von Hyänen und das wie aus einer rauhen Kehle dringende »Eau« des Leoparden gestört.

Nach zweitägigem Warten kamen meine mit dem kranken Reitstiere zurückgebliebenen Leute mit der Nachricht an, daß das Thier gefallen sei. Anschwellen des Maules und fortwährendes Auslaufen von Geifer bei rapider Abmagerung waren die Krankheitssymptome gewesen, und große schwarze Büffelbremsen, die in großer Anzahl das Thier in den Wäldern südlich von Ubujwe beunruhigt hatten, waren die wahrscheinliche Ursache.

Von der Tsetsefliege, die ich kenne, habe ich nie in Afrika etwas bemerkt, und glaube ich nicht, daß mein Weg bis zur Ostküste von diesem schädlichen Insect gekreuzt wird. Auf späteren Reisen wurde mir die Beobachtung mitgetheilt, daß diese Fliege sehr local sei, d. h. nur in bestimmten Grenzen beobachtet werde.

Frisches Büffelfleisch wurde uns angeboten, und verlangten meine Wakussu von den Eingeborenen die Auslieferung des Wildes, da es von dem von mir angeschossenen und verendeten Büffel sei, was wahrscheinlich war, von mir aber abgewiesen wurde, da Beweise fehlten.

Am 17. bogen wir nach Osten ab, überstiegen einen bedeutenden Bergrücken, den südlichen Ausläufer der Gebirge von Goma, und lagerten im Walde.

Eine Karawane von Waniamwesileuten des Königs Mirambo begegnete uns, auf dem Wege nach Nyangwe begriffen, um dort von den Arabern Elfenbein zu kaufen.

Ich sandte Humba jetzt voraus mit einem Briefe an den Engländer, der ein Haus am diesseitigen Ufer des Tanganjika haben sollte, in dem ich mich anmeldete und um Unterstützung bat, da meine Waaren völlig erschöpft waren. Am nächsten Morgen machten wir Toilette, so gut es unsere Verhältnisse erlaubten, denn wir sollten heute einen Weißen finden. Von dem Gipfel einer Kuppe, die schroff nach Süden abfällt, hatten wir durch einen Windbruch eine prächtige Fernsicht nach Süden. Der große See lag vor uns, seine blaue Fläche verschmolz am Horizont mit dem Himmelsgewölbe. Ich hatte einen Vorgeschmack des ersehnten Wiedersehens des Meeres. Meine Wakussu jubelten 221 über die Nähe ihres Reisezieles, und meine Westafrikaner verharrten im Ausdruck des Erstaunens über ein solch' großes Wasser und erkundigten sich ängstlich, ob wir den See mit Kanoes passiren könnten.

Wir stiegen hinab in das sumpfige Thal des Lugumba, dessen Quelle dicht bei der des uns so lange begleitenden Luwumba liegt, und begannen die Passage des mehr einer treibenden Lagune als einem Flüßchen ähnelnden Gewässers. Eine halbe Stunde lang verschwand die ganze Karawane im hohen Schilf und Mariankagras. Bis zu den Hüften, ja bis zu den Schultern im Wasser watend, wurde alle auf unser Aeußeres verwandte Mühe vernichtet. Am anderen Ufer übergab mir ein Bote, ein in ein reines weißes Hemd gekleideter Mann aus Zanzibar, der einen schönen Maskatesel mit ganz neuem Sattel führte, einen Brief, in dem mich der auf der Missionsstation am Tanganjika wohnende Mr. Griffith freundlichst willkommen hieß. Ich schwang mich in den Sattel, und in elastischem Gange trug mich das feurige Thier den steilen Hang des schroffen Küstengebirges hinauf bis zu einem von Bananenbäumen umgebenen, rein gehaltenen Platze vor dem zierlich gebauten Hause der Station »Plymouth-Rock«.

Mr. Griffith, ein Missionar aus Wales gebürtig, ein untersetzter Mann mit rothem Haar und Bart, die mir besonders in's Auge fielen, und freundlichen blauen Augen, trat aus dem Haus und schüttelte mir zu herzlichem Willkommen die Hand. Er war, Pogge ausgenommen, der erste Europäer, den ich seit Jahresfrist sah. 222

 


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