Hermann Wissmann
Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von West nach Ost
Hermann Wissmann

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Auf der See.

Zwölftes Kapitel.
Bis Mirambo.

Da die Windstille den Wadjijiruderern eine höchst angestrengte Nacht verschafft hätte, fanden sie plötzlich ein Leck in der Dauw, das uns zwang, Abends 9 Uhr in einen reizenden Felsenhafen der Insel Kawalla einzulaufen, und erst am 2. kreuzten wir bei einer frischen Nordbrise den See. In der Nacht um 10 Uhr erreichten wir das östliche Gestade des Tanganjika beim Cap Kabogo, und nach einstündiger Rast ging es weiter nach Norden, auf Udjiji zu. Sobald die Brise ungünstig wurde, trieben die tüchtigen Seeleute, als welche die Wadjiji bekannt sind, die schwere Dauw mit dem Ruder vorwärts unter ununterbrochenem, eintönigem Gesange »cunde mama, cunde, cunde, leo, cunde (Bohnen, Mutter, Bohnen, Bohnen, heute, Bohnen).« Noch in der Nacht passirten wir die Mündung des Malagarassi, des bedeutendsten Zuflusses des Sees, und 234 die wegen seiner räuberischen Einwohner verrufene Küste von Utongwe, und näherten uns um 10 Uhr Morgens der großen Stadt Udjiji, wo Stanley einst Livingstone fand. Von hier aus sind die Umschiffungen des Sees ausgeführt worden; Udjiji ist der bedeutendste Stützpunkt der Araber am See, einer der größten Sklavenmärkte des Continents.

Auch vom Süden näherte sich ein scheinbar europäisches Boot dem flachen Strande, der mit vielen aufgezogenen Fahrzeugen bedeckt war. Eine steife Brise trieb uns dem Landungsplatze zu, und ich sah zwei Europäer im schwarzen Talar aus jenem Boot an's Land steigen, »padri franza« nannte sie mein Bootsführer, also Herren von der katholischen Missionsstation in Massanza, die mich bald darauf aufsuchten.

In einer der englischen Mission gehörigen großen Tembe, in der ein Suahelineger Hüter war, kam ich mit meinen wenigen Leuten unter.

Udjiji hatte nach Stanley's Beschreibung seit dessen letztem Besuch offenbar abgenommen. Viele verlassene und halb verfallene Temben gaben davon Zeugniß. Im Uebrigen macht die Stadt einen mehr arabischen Eindruck, denn Hütten der Neger sieht man selten. Die Sklaven wohnen in dem Hinterraum der großen Temben.

Fünf bis sechs bedeutende Araber, denen sich eine Menge von Küstenhändlern und Mischlingen angeschlossen haben, bilden die erste Klasse der Bevölkerung. Eingeborene, freie Wadjiji, meist als Seeleute in Diensten der Araber, die zweite, der dritte und größte Theil der Bevölkerung besteht aus Sklaven der Araber.

Zum großen Aerger der Araber hatte Said-Bargasch den Muini-Heri, einen reichen Suaheli-Neger, zum Commandanten der Stadt gemacht. Die blutrothe Flagge des Sultans wehte über dessen Hause. Er selbst war mit sieben stark bemannten Dauws nach Norden, um einen Häuptling der kriegerischen Warundi zu »bestrafen«.

Tägliche Märkte geben Gelegenheit, Alles zu kaufen, was die Länder des Tanganjika bieten. Fische, von den Wadjiji ausgelegt, Früchte aus den Gärten der Araber, ein vorzügliches Salz aus Uha, Butter und Honig, Sklaven, Elfenbein vom Norden und vom Lualaba, und außerdem alle Handelsartikel, die von Zanzibar eingeführt werden, stehen zum Verkauf.

235 Die kleinsten Münzen sind rothe und blaue Glasperlen in Bündeln von 10 Schnüren zu je 10 Perlen. Baumwollenzeug und Kupferkreuze entsprechen unserem Silbergeld, und unser Gold wird vertreten durch Sklaven, Rindvieh und Elfenbein.

Auffallend ist der Reichthum an Rindvieh, das vom Norden kommt. Man benutzte die vor einiger Zeit erfolgte Ermordung zweier französischer Missionare in Urundi, um einen Rachezug auszuführen, und erbeutete bei dieser Gelegenheit gegen 2000 Stück Rindvieh. Hätte man nicht gewußt, was bei jenen Eingeborenen zu holen ist, so würde zweifellos dieses Freundschaftszeichen für die Weißen unterblieben sein.

Höchst wunderbar influirt das hiesige Klima auf die Hornentwicklung. Ich maß drei Kühe, bei denen die Spannweite der Hornspitzen der Länge von Nase bis Schwanzwurzel gleich kam und bei einer derselben übertraf. Die gewaltigen Hörner sind dabei proportionirt stark an der Wurzel und schön geschwungen, aber die Träger derselben schienen unter dem Gewicht zu leiden, sie waren sehr mager.

Die Ziegen sind zierlicher, als die dicken kurzbeinigen von Manyema, sehen gazellenartig aus und haben alle eine gelblichbraune Farbe.

Für einen Hafenplatz ist Udjiji möglichst ungeschickt gewählt. Die Gestade sind flach und offen, die Fahrzeuge müssen stets auf's Land gezogen werden. Die Flotte zählt ungefähr 40 Dauws, von denen mindestens 15 unbrauchbar sind. Selbst in die kleinsten derselben pfropft man bis zu 25 Sklaven, und nicht selten kommt es vor, daß bei schwerem Wetter Menschen über Bord geworfen werden, um das Boot zu halten. Einmal ließ ein Araber, der Sklaven und einen Maskatesel überführte, 10 Leute über Bord werfen und behielt den Esel im Fahrzeug. Unglücksfälle sind verhältnißmäßig selten, und ist dies erstaunlich, wenn man in Rechnung zieht, in welch' schlechtem Zustande Segel und Takelage und die Fahrzeuge selbst oft sind. Die Wadjiji sind außerordentlich geschickt und kennen den See und die Winde gut.

Bei einem südlich von Udjiji wohnenden Araber Nsabba-bin-Ʒem kaufte ich für einen auf den Indier Kanji-bin-Zraji in Zanzibar lautenden Chek 9 Stück Baumwollenzeug à 44 m, 4 Stück Taschentücher, ein Frasila Stickperlen, zusammen im Werthe von 210 Dollar, zur Rationenvertheilung auf dem Wege von hier bis 236 Tabora, ferner einen edlen weißen Maskatesel für 270 Dollar und bezahlte die Ankäufe, die Humba für mich hier gemacht hatte, um die Wakussu auszulöhnen, sowie die Benutzung der Dauw mit 275 Dollar. Bei diesen Ankäufen berechnete sich Nsabba mindestens 200%, 100 für das Risico des Transports von Zanzibar bis hierher, 100 für das Risico, daß ich die Küste erreiche.

Nach und nach war es mir möglich geworden, einen Mann aus Zanzibar und 15 Waniamwesiträger anzuwerben, und so machte ich mich zum Abmarsch fertig. Ich entschied mich für den nördlichen Weg durch Uha, der meines Wissens noch nicht aufgenommen war, und weil der südliche durch Uwinza zur Zeit schlecht passirbar war. Der Araber Tibbu-Tibb, der 6 Monate vor mir auf diesem südlichen Wege nach Tabora marschirt war, hatte Krieg mit den Wawinza gemacht und viele Dörfer niedergebrannt.

Da hier für Gewehre und Pulver horrende Preise verlangt wurden, zog ich mit den drei von meinen Westafrikanern getragenen Chassepotkarabinern und meinem Jagdgewehre ab. Ich sollte noch mehrfach Gelegenheit haben, diese Sparsamkeit zu bereuen. Meine Träger waren mit Speeren bewaffnet.

Am 9. August brach ich mit einer aus 25 Menschen bestehenden Karawane auf, stieg die sanften Hänge zum Plateau von Uha hinan, und lagerte am Bach Luika.

Mein Eselhengst war so heftig, daß er den ganzen Weg in einem Zuckeltrab zurückgelegt hatte und nicht zu beruhigen war.

Der südwestlichste Theil von Uha gehört dem König Luassa, dem Sohn des vor zwei Jahren verstorbenen Antari. Es soll in Uha acht derartige Könige geben, unter denen direct die Häuptlinge eines Complexes von 10 bis 12 kleinen Dörfern, die Mutware heißen, stehen.

In einem der Dörfer der Gemeinde Uionga quartierten sich meine Leute in die Häuser der Waha ein, nachdem sie mein Zelt inmitten des Dörfchens aufgeschlagen hatten. Von allen Weilern Uionga's strömte das Volk herbei, um den Weißen zu sehen, der noch »hinter Manyema« gewesen war.

Die Weiber haben einen angenehmen, kindlichen Gesichtsausdruck, der Oberkörper ist nackt und wird mit einer kreuzweis über Rücken und Brust reichenden Perlenschnur geschmückt. Ziegenhäute, oder sehr weich präparirte Rindshäute bedecken die Hüften 237 bis auf die halbe Wade, Arm- und Fußgelenke sind mit Eisendraht umwunden. Die Haare liegen wie die Spitzen eines Weinblattes vom Hinterkopf aus nach allen Seiten. Die Männer haben harte Züge und eine freie, etwas freche Haltung; sie sind nur mit einer Ziegenhaut bekleidet, die, über eine Schulter befestigt, so weit herabhängt, daß sie meistens die Hüften, die sonst ganz nackt sind, bedeckt. Chignon- oder kappenartig sind die Haare am Hinterkopf zusammengenommen, ringsum rasirt oder kurz gehalten.

Die Waha haben schon viele Gewehre, sie tragen jedoch meist Speere, und in einer Schnur um den nackten Leib Messer und Beil.

Die Häuser sind sehr gut und regendicht gearbeitet: Ein Gestell von starken Ruthen und mit ausgesucht feinem Gras in dichten Schichten überbunden, so daß die Wurzeln der Gräser nach außen stehen, dann wird oft das Geflecht inwendig mit Lehm ausgestrichen. Die Hütten sind 3–4 m, die Thüren 1,5 m hoch. Stark geflochtene Binsenkörbe mit Lehm ausgeschmiert von 1 m Höhe stehen als Kornspeicher um die Häuser herum, und dicht geflochtene Körbe dienen zum Tragen.

Die kleinen Dörfer sind meist mit einem stehenden Astverhau oder mit liederlichen Pallisaden eingezäunt.

Der bedeutendste Handel Uha's besteht in Salz. Dasselbe wird durch Kochen und Filtriren aus dem Wasser, das zum Malagarassi abfließt, gewonnen, und ist das beste, das ich in Afrika je antraf. Es ist weißgrau und kommt in 1 m hohen, dem Zuckerhut ähnelnden Formen, mit Bananenblättern umwickelt und mit Stäbchen umwunden, in den Handel. Ein ca. 10 kg schwerer Salzhut kostet 6–8 Ziegen oder 3–4 Doti (= je 4 Ellen) Baumwollenzeug.

Die Begrüßung der Waha ist ceremoniell und feierlich. Zwei Leute aus verschiedenen Dörfern strecken sich wie segnend die Hände entgegen und berühren leicht die Fingerspitzen. Der von fremdem Dorfe Kommende sagt: »Wake«, und erhält als Gegengruß »Mahollo«. Eine andere Art besteht darin, daß man sich leicht die Arme in einander legt, beide Grüßende mit flüsterndem Tone »Sch–sch–sch–schumbe« sagen, als wenn ein Stotternder nur mit vieler Anstrengung über das »Sch« hinweg käme, worauf sie dann ihr »Wake-Mahollo« folgen lassen.

238 Die Hauptcultur in Uha besteht in süßen Kartoffeln, Erdnuß und dem Erbsenbaum, Hirse zu Bier: »Pombe« und ein wenig Mais und Maniok.

Neu war mir folgende Zubereitung der Kartoffel. Man schält dieselbe, schneidet sie in Scheiben, die man in der Sonne dörrt, dann zu Mehl stößt und mit heißem Wasser zu einem Brei ansetzt.

Rindviehheerden bevölkern in großer Zahl die weiten Ebenen.

Butter wird überall hergestellt, indem man Milch in Ziegenhäuten schwingt und knetet. Käsebereitung ist unbekannt, und die Milch trinkt man nur, wenn sie etwas sauer geworden ist.

Die Ziegen sind gazellenartig fein gebaut und billig, nämlich eine Ziege nur 2 Ellen. Schafe sind Kreuzungen mit dem Fettschwanzschaf, Schweine sah ich nie, Hühner gibt es in großer Zahl und zu billigem Preise, und auch Tauben sind vertreten.

In Ussiunusse wurden wir alarmirt durch die Nachricht, daß dicht beim Dorfe das Weib Kawuansa's, ein Baschilangeweib, geraubt sei. An der Wasserstelle dicht beim Dorfe überzeugten wir uns an der Spur von zwei Männern und der des Weibes, das sich niedergeworfen und gewehrt hatte, und an dem zurückgelassenen Gefäß zum Wasserholen von der Wirklichkeit der Thatsache. Die Spur der Räuber verlor sich in den vielen Kreuzwegen der ringsum liegenden Dörfer.

Zunächst drohte ich dem Mutware von Ussiunusse mit Gewalt, wenn er das Weib nicht zur Stelle schaffe. Als Antwort zählte er mir höhnend meine fünf Gewehre vor und gab mir die Versicherung, daß er selbst mindestens 150 zusammenbringen könne. Ich drohte mit meiner Freundschaft mit den Arabern ebenfalls umsonst, und als ich endlich nach dem Preise fragte, für den ich das Weib zurückkaufen könne, wurden 10 Stücke Zeug gefordert, das Fünffache des Werthes eines Sklaven hier, und die Höhe meines ganzen Bestandes an Waaren. Auch am nächsten Tage kam ich nach langen Verhandlungen nicht zum Ziel, und so mußte ich das arme Weib unter fremden Wilden zurücklassen. Hätte ich eine entsprechende Macht gehabt, so würde man den Raub wahrscheinlich nicht gewagt haben.

Am Abend des Ruhetages brachte der vielgewandte Humba die Nachricht, daß 200 Wawinza auf dem directen Wege nach Osten im Hinterhalte lägen, um uns abzufangen. Erkundigungen meiner Waniamwesiträger bestätigten dies, und war ich nur durch 239 einen Ruhetag, den ich hier gemacht hatte, um wegen des geraubten Weibes zu verhandeln, an diesem Morgen dem Hinterhalte entgangen, und konnte nun meine Maßnahmen treffen.

Zwei Leute der Waha waren durch Belohnungen zu bewegen, uns einen nördlichen Umweg zu zeigen, um dem Hinterhalte zu entgehen.

Noch bei Nacht brachen wir auf, nahmen zunächst, um Späher, die, wie es hieß, in der Nähe des Dorfes lagerten, zu täuschen, den gewöhnlichen Weg, bogen dann nach Norden ab und zogen durch weglose Baumsavanne lautlos dahin, bis wir wieder einen nach Osten führenden Weg trafen, und gegen Mittag in der Gemeinde Ulenda Halt machten. Die Wawinza würden nicht wagen, uns im Lande der Waha zu überfallen, behaupteten die Waniamwesi, da, wo sie gelagert hatten, war die Grenze zwischen Uha und Uwinza. Wir waren einer Gefahr entgangen, die abermals dadurch heraufbeschworen war, daß ich mit zu geringer Macht hier reiste.

Die Führer, die unterwegs stets dicht vor mir marschirt waren, und die ich versichert hatte, daß bei einem Ueberfalle sie die erste Kugel erhalten würden, wurden gut belohnt, erhielten ihre ihnen unterwegs abgenommenen Waffen zurück, und kehrten heim.

Der Grund der Feindseligkeiten der Wawinza war folgender: Tibbu-Tibb hatte 6 Monate vor mir seinen Weg durch Uwinza genommen. Die Eingeborenen hatten eine der gebräuchlichen Rindenschachteln, in der die Papiere und Kostbarkeiten eines in Nyangwe gestorbenen Arabers sich befanden, gestohlen. Tibbu-Tibb forderte Rückgabe und Strafezahlung, stieß jedoch auf Widerstand. Man sagt, daß Tibbu bis zu drei Elefantenzähnen den Wawinza für Rückgabe der Papiere geboten habe, aber zehn gefordert seien. Hierauf hatte Tibbu Krieg begonnen und 2 Monate lang mit den Wawinza gefochten, viele Gefangene gemacht und das ganze Land verwüstet. Die noch in der Wildniß lebenden Zersprengten hatten von der geringen Macht, mit der ich von Udjiji abreiste, gehört, und ebenso, daß ich ein Freund der Araber sei, und wollten sich an mir für Tibbu's Thaten rächen.

Uha ist sehr bevölkert. Ueberall gewahrt man an den Bananenbäumen kenntliche Dörfer. Schon seit dem zweiten Marschtage von Udjiji marschiren wir in ununterbrochener Ebene, nur 240 fern im Norden ziehen sich flache Hügel hin. Der thonige braune Boden ist sehr hart gebrannt und an vielen Stellen geborsten. In den Wegen erschweren steinharte Brocken des ausgedörrten Thones den Trägern, trotz ihrer harten Sohlen, sehr das Marschiren. Die Gräser sind fast überall gebrannt, und ein öder Aschenflor bedeckt die ausgedörrte Ebene. Die Savannenbäume sind von der Gluth des Feuers, welches über sie dahingezogen ist, und von der Sonne entlaubt oder haben braune Blätter. An einigen wenigen Stellen ist ein ganz glänzend weiß gedörrtes Gras, das seidenartig schimmert und, vom Winde bewegt, leichte glänzende Wogen schlägt, stehen geblieben, und nur die unmittelbare Nähe der Bäche gewährt den Rindviehheerden Unterhalt.

Wild ist wegen der großen Bevölkerung nicht vorhanden. Ich sah in ganz Uha nur ab und zu die Spur des Rhinozeros, die erste, die ich in Afrika sah, und die wieder ein Beleg war für die scharfe zoologische Grenze, die ich mit dem Tanganjika-See überschritten hatte.

Hohe Ausluge von Bäumen oder auf Hügeln hergestellt, dienen wohl mehr zur Ueberwachung der Heerden, als zur Sicherung gegen den Feind.

Beim Erscheinen des neuen Mondes beobachtete ich, daß hier, ebenso wie in West- und Centralafrika, Reden an die feine Sichel desselben gehalten werden. Man spricht den Mond um Schutz während der Dauer seines diesmaligen Bestehens an, und zwar in den verschiedensten Formen. So z. B. bitten die Männer, der Mond möge die Krankheiten, die doch nicht abzuwehren seien, auf die Weiber lenken, und umgekehrt.

Auch die Araber feiern das Erscheinen des neuen Mondes durch Schießen.

Die Bäche sind die scharfen Grenzen zwischen den einzelnen Gemeinden, und mit dem Mugungabache mit seinen sumpfigen Ufern überschritt ich die östliche Grenze von Luassa's Land und erreichte Kawerigi, den ersten Dörfercomplex, der zu dem Reiche Kimeni's, das sich bis zum Malagarassi ausdehnt, gehört.

Absolute Ebene mit reiner Prairie, die fast überall gebrannt war, gestattete eine weite Fernsicht, vereitelte aber das Anpürschen auf das erste Rudel der häßlichen Antilopen mit hohem Widerrist und ungraziösen Formen, die es in West- und Centralafrika nicht gibt.

241 Der Mutware Kamerigi litt an einem furchtbaren Geschwür schon seit Jahren und bat mich um Heilung. Auf meine Zusage räumte er mir eine schöne neue Hütte ein, sandte sofort eine Ziege, Milch und Butter, und versprach einen Schlachtochsen.

Drei ganz ausfallend schöne Weiber zeigten als die Richtung ihrer Heimath nach Nordosten. Sie seien nicht Waha, meinten sie; stolze, schlanke, ebenmäßige Figuren mit regelmäßigen Gesichtszügen, ganz hellbrauner Hautfarbe und wohlgeformtem Hals und Brüsten, muß ich besonders zwei derselben, Schwestern, als die formvollendetsten Gestalten erklären, die ich je sah. Jede derselben hätte als Modell zu einer Aphrodite stehen können. Meine Bewunderung war den Schönen sehr schmeichelhaft; so oft sie kamen, erschienen sie von Neuem geschmückt mit Perlen.

Mehrfach wurden uns hier Gewehre zum Kauf angeboten, wahrscheinlich aus Mangel an Pulver.

Auf Bitten des Mutware blieb ich noch einen Tag und behandelte die Krankheit des fest auf mein Mittel Vertrauenden. Der Schlachtstier erschien nicht, ich wurde zum nächsten Morgen vertröstet. Als ich dann, zum Abmarsch bereit, an das Versprechen erinnerte, war natürlich der bestimmte Stier nicht zu finden; ich hätte nicht am Tage vorher dem Häuptlinge die Medicin mit genauer Instruction übergeben dürfen.

Das Rindvieh ist trotz scheinbaren Grasmangels in gutem Zustande, die zahlreichen Heerden sind glatt und wohlgenährt. Der Preis für eine Kuh ist 6–10 Doti Baumwollenzeug, der eines Stieres nur 5–6. Den meisten Schaden an den Heerden thut die gefleckte Hyäne, die wir seit einigen Tagen allnächtlich hören.

Weiter ging es über ebene Savannen, die von großen Flügen des Kronenkranichs und von zahllosen Springmäusen belebt waren. Wir erreichten Ugoma-Goma, und am 18. die Dörfer des Mutware Salassi. In einem derselben machten wir Halt; ich suchte zum Aufschlagen meines Zeltes einen schönen Schattenbaum inmitten des Dorfes auf, der ringsum auf 10 m im Radius mit einem kleinen Zaune umgeben war. Einer meiner Leute sagte mir, ich möchte den Platz nicht wählen, da es ein Vergehen sei, denselben zu betreten. Da aber die umstehenden Eingeborenen nicht remonstrirten, sondern sogar sehr freundlich waren, widerstand ich der schönen Aussicht, einmal im kühlen 242 Schatten zu wohnen, was in diesem baumlosen, ausgedörrten Lande selten ist, nicht, und ließ das Zelt aufschlagen.

Die Kühle des schattigen Platzes genießend, war ich im Zelte eingeschlafen. Plötzlich wurde ich durch ein wildes Geheul und tobendes Lärmen um mich her aufgeweckt. Ich merkte, wie die Taue meines Zeltes durchschnitten oder ausgerissen wurden, und das Zelt fiel auf mich herab. Ich hatte eben noch Zeit, meine Büchse zu ergreifen, mich aus den Falten des bedeckenden Zeltes herauszuwickeln und in's Freie zu treten. Hier sah ich mich von etwa 40 meist betrunkenen Waha mit Gewehren, Speeren und Keulen bewaffnet, in drohender Stellung umringt. Das wüthende Geschrei verstummte für einen Moment, den ich benutzte, um meine Leute mit den Waffen herbeizurufen. Meine drei Westafrikaner und die beiden kleinen Diener rannten herbei, erstere im Laufe die Karabiner ladend; meine Waniamwesiträger aber verschwanden nach allen Seiten aus dem Dorfe. Ein höhnisches Gebrüll beantwortete meine Machtentfaltung, und die Aufregung stieg abermals auf einen gefährlichen Punkt, die Gewehre wurden erhoben, Keulen geschwungen und Speere zum Wurfe ausgeholt, und der nächste Moment konnte für mich und meine armen Begleiter der letzte sein, da wir kaum acht Schritt ringsum von den aufgeregten Wilden umgeben waren.

Ein kritischer Moment.

Da schoß mir ein Gedanke durch den Kopf, der uns retten sollte. Ich streifte meinen rechten Aermel auf, zeigte den Wüthenden eine lange Narbe und rief, das Gebrüll übertönend, den Namen »Mirambo« aus, und noch einmal »Mirambo – rafiki – jangu« (Mirambo ist mein Freund). Sofort entstand ein Stutzen, die Waffen senkten sich, einige Aeltere drängten die Wüthendsten zurück, und es trat eine Stille ein, in der man die Erklärung meines Ausrufes erwartete. Humba hatte mich verstanden. Er schilderte den Aufhorchenden, daß ich ein Blutsfreund von Mirambo sei, der mich sehr liebe, und meinen Tod furchtbar rächen würde. Einige Träger waren auch, als sie bemerkten, daß Verhandlungen angebahnt würden, herbeigeeilt und bekräftigten, beschämt ob ihrer Flucht und ängstlich über eventuelle Folgen derselben, die erfundene Erzählung. Einige hatten mich sogar bei Mirambo gesehen, Alle von mir gehört.

Die Waha glaubten die Erfindung, denn sie kamen nicht auf die Idee, daß ein Weißer vom Westen kommen könne, ohne vorher 243 vom Osten aus in's Innere gegangen zu sein, wie alle bisher hier passirten Weißen.

Der Umstand, der uns in Udjiji mehrfach erzählt war, daß Mirambo noch ganz vor Kurzem das östliche Uha des Königs Kitti unterjocht habe, daß dieses Dorf das äußerste nach dem jetzt Mirambo gehörigen Lande zu war, und daß man noch vor kurzer Zeit gezittert hatte, dieser überall Furcht und Schrecken verbreitende Häuptling, der Napoleon Ostafrika's, wie ihn Stanley nennt, möchte auch bis hierher seinen Zug ausdehnen, bewirkte einen großen Eindruck unserer Nothlüge. Als ich dies bemerkte, rief ich ihnen höhnend zu, sie möchten uns doch tödten, warum sie denn auf einmal nicht mehr Muth hätten gegen vier Gewehre, und benutzte so den Eindruck, um die Erfindung so wahrscheinlich als möglich zu machen.

Noch immer waren einige Hitzköpfe oder Betrunkene so kühn, daß sie behaupteten, sie fürchteten sich nicht vor Mirambo, jedoch im Allgemeinen war der Muth gebrochen, und Niemand widersetzte sich mir, als ich Befehl gab, mein Zelt auf demselben Platze wieder aufzuschlagen, was ich that, um zu zeigen, wie sicher ich mich fühlte.

Nachdem man sich beruhigt und zerstreut hatte, erschien der Mutware Salassi, ein schlanker, elastischer Mann, mit etwas dreistem, ja frechem Gebahren, um, wie er erklärte, die Bezahlung für die morgen in Aussicht stehende Passage des Malagarassi mit seinen Kanoes in Empfang zu nehmen. Ich war mit dieser rechtlichen Forderung einverstanden und erkundigte mich nach dem Preise.

44 Stücke Zeug, jedes zu 40 Ellen, hätten ihm die Missionare bezahlt, ich möge, da ich arm sei, die Hälfte geben. Ich sagte ihm, daß ich das, was ich ihm zu geben gedächte, nach seinem Hause senden würde, und er ging davon.

Mein ganzer Reichthum bestand noch in 6 Stücken Zeug, und da ich die Erzählung von der Bezahlung der Missionare, die sich später doch als annähernd richtig erwies, nicht glaubte, sandte ich ihm 2 Doti oder 8 Ellen an Stelle der geforderten 880.

Zunächst entstand wieder große Aufregung, und mit Entrüstung wurde die Bezahlung abgewiesen. Ich gab etwas zu, ohne besseren Erfolg, und es dauerten die Verhandlungen bis spät 244 in die Nacht, bis ich endlich auf 10 Doti, oder 40 Ellen gekommen war. Nun erklärte ich, ich könne nicht mehr geben, da ich nicht mehr habe, und wenn er nicht zufrieden sei, möge er das Uebrige sich doch nehmen, wir »könnten dann sehen, wie die Sache abliefe«, »er« würde dann sicher nie wieder einen Weißen ausplündern. Jetzt lenkte der freche Bursche ein und fragte ganz mißtrauisch meinen Humba, was ich denn eigentlich für einen Zauber habe, daß ich mich mit so wenigen Gewehren vor ihm, dem Mächtigen, nicht fürchte. Humba schwieg mit geheimnißvollen Gesten und sagte dann, er kenne meinen Fetisch auch nicht, er wisse aber, daß Mirambo ihn wohl kenne und sehr schätze.

Bald kam noch in tiefer Nacht der Mutware zu mir und fand mich erst jetzt mein Mahl einnehmend. Ein nicht verschlossener Koffer stand dicht neben dem Platz, wo er sich niederließ. Derselbe enthielt meine letzten Waaren, und obenauf lagen einige Reste bunter Stoffe. Neugierig wollte er den Deckel des Koffers lüften, ich schlug ihn auf die Hand und preßte dieselbe mit aller Kraft zusammen. Wir Beide sprangen auf, halb erschreckt, halb wüthend, und vor Schmerz zurückzuckend starrte er mir in's Gesicht. Obwohl zornig bewegt, erwiderte ich ruhig seinen Blick, ließ die Hand los und winkte ihm zu gehen. Kurz wandte er sich und eilte mit hastigen Schritten davon. Jetzt rief ich meine Waniamwesi, warf ihnen ihre Feigheit vor und drohte ihnen mit Verlust ihrer Bezahlung, wenn sie mich noch einmal derartig elend im Stich lassen würden, wie heute am Tage. Sie, wie auch meine drei Begleiter vom Westen, mußten um mein Zelt liegend die Nacht verbringen, und ich warf mich angekleidet auf's Bett, um, wenn in der Nacht Nichts erfolgen sollte, noch vor der Dämmerung des nächsten Tages aufzubrechen. Nach einer wenig erquickenden Ruhe ließ ich um 5 Uhr die Lasten zurecht machen, und bevor noch das volle Tageslicht sich über die unabsehbare Ebene ausgedehnt hatte, hatten wir schon die letzten Gehöfte hinter uns und erstrebten in schleunigem Marsche den von Weitem an einem schmalen Saume von Bäumen erkennbar werdenden Fluß Malagarassi.

Wir wurden von vier Waha eingeholt und aufgefordert, noch zu bleiben, da mir der Häuptling noch ein Gegengeschenk machen wolle. Ich ließ ihm sagen, daß ich auf dies verzichte, und marschirte weiter, während Leute seitwärts bei uns vorbei dem Flusse zueilten.

245 Wahrscheinlich hatten sie wieder eine Teufelei des frechen Häuptlings auszuführen.

Am Flusse angekommen, fanden wir vier Kanoes, von denen nur ein kleines, 3 m lang, aus einem Stamme gehauen, und ein 4 m langes Rindenkanoe noch einigermaßen brauchbar waren. Letzteres war von der zähen, haltbaren Rinde eines Baumes hergestellt, indem dieselbe etwas über halb um den Baum abgelöst und vorn und hinten mit Lianen zusammengenäht war. Ich nahm sofort die beiden brauchbaren Fahrzeuge und rief aus einem kleinen Gehöft in der Nähe die Fährleute herbei. Als diese eintrafen, weigerten sie sich uns überzusetzen, Salassi habe Nichts mit ihnen zu thun. Sie hätten direct an Kimeni das Fährgeld zu zahlen, und müsse ich daher auch an sie noch einmal Passagegeld entrichten. Dies war wohl Folge des Auftrages der vor uns vorausgeeilten Waha. Auf meine Vorstellungen antwortete man mir höhnend, wir möchten nur mit unsern Lasten hinüberschwimmen.

Ueber den Hohn und die abermalige Erpressung im Innersten empört, stellte ich mich, als ob ich sie bezahlen wolle, und näherte mich ihnen. Ich entriß den mir am nächsten Stehenden das Ruder und säuberte mit dem Handende desselben rücksichtslos und schnell den Landungsplatz. Drohend flohen die Erschreckten in schnellem Lauf in der Richtung auf Salassi's Dörfer. Ich stellte Kawuansa und Joaquim auf, um in der Richtung der Dörfer Wache zu halten, und begann selbst mit dem Rindenkanoe, Humba mit dem Holzkanoe meine kleine Karawane so schnell als möglich überzusetzen. Alles gelang bis auf die letzte Fahrt, bei der Humba und ich meinen Esel überbrachten. Das störrische Thier sträubte sich gewaltig und sprang plötzlich in's Kanoe, warf dasselbe um und schwamm zum Glück Humba, der das andere Ufer erstrebte, nach. Ich griff das Kanoe wieder auf, versenkte alle übrigen und zog, nachdem auch die Wachen übergesetzt waren, das einzige noch brauchbare drüben zu uns an den Strand.

Schon während des Uebersetzens hatte ich mich durch stromauf- und abwärts gesandte Leute überzeugt, daß in der Nähe andere Kanoes nicht lagen, und da wir wußten, daß andere Fährstellen weit von hier entfernt lagen, waren wir vorläufig vor Verfolgung sicher.

Da östlich des Malagarassi auf zwei große Tagereisen kein Wasser ist, mußten wir am Flusse Lager machen, was auf einer 246 flußabwärts liegenden, von Lagunen und dem Flusse eingeschlossenen, leicht zu vertheidigenden Stelle geschah. Die Landenge, auf der man nur den Platz erreichen konnte, war 6 m breit und wurde durch einen Astverhau verschlossen, das Kanoe an's Land gezogen und Wachen ausgestellt. Da schon Nachmittags ein leichter Regen einsetzte und bis in die Nacht anhielt, ein Umstand, der ein Unternehmen von Seiten der Neger stets unwahrscheinlich macht, so hatten wir eine bis auf ununterbrochenes Hyänengeheul ruhige Nacht; vielleicht auch hatte man bei Salassi, mit dem Erfolge der Erpressung zufrieden, viel Pompe getrunken.

Von einem meiner Waniamwesi erfuhr ich, daß mehrere Missionare, in deren Karawane auch er gereist war, auf dem Wege von Tabora zum Tanganjika-See von Salassi derartig ihrer für lange Zeit bestimmten Waaren beraubt wurden, daß sie, in Udjiji eingetroffen, bei dortigen Arabern sofort Ankäufe machen mußten. Die Träger hatten damals ihre Herren gebeten, die schmähliche Erpressung mit Gewalt abweisen zu dürfen, da sie sehr zahlreich und bewaffnet waren. Es war dies jedoch von den Missionaren nicht gestattet worden.

Es ist erklärlich, daß ein Häuptling, der einer großen Karawane gegenüber derartige Erfolge aufzuweisen hat, gegen schwächere Expeditionen noch rücksichtsloser vorzugehen geneigt ist, und sind zum Glück später die Karawanen der Missionen von anderen Herren geführt worden, die nicht, wie jene, gezwungen waren, friedliche Beziehungen auf jede Bedingung hin bewahren zu müssen.

Stanley war einst weiter im Norden nach Uha eingedrungen, hatte jedoch den Versuch, durch Uha zu reisen, aufgegeben; er sagt, daß er, um dies auszuführen, das Doppelte an Waaren oder Menschen haben müsse, und es ist bekannt, wie stark und wohlausgerüstet seine Karawane war.

Der Malagarassi ist ein Fluß von 50 m Breite und 3,5 m durchschnittlicher Tiefe. Sein Bett besteht aus einem zähen gelben Lehm, und seine Wasser sind fast dunkelgrün. Mit einem schmalen Gürtel weidenartig überhängender Bäume eingefaßt, fließt er, so weit das Auge reicht, durch ebenes Land dem Tanganjika zu, dessen größter Zufluß er ist. Die sämmtlichen Bäche des südlichen Uha führen diesem Flusse salzreiches Wasser zu, und da von Udjiji bis zum Nordende des Sees sehr salzreiche Länder sind, ist dies wohl in Verbindung mit dem periodischen Abfluß des Sees der 247 Grund zu dem etwas brackigen Geschmack, den das Wasser des Tanganjika hat1886 fand ich im See kleine Medusen, die meines Wissens sonst nur in Seewasser, sicher aber nicht im Nyassa vorkommen. Es ist überhaupt die Fauna des Tanganjika von der des Nyassa sehr verschieden. Während die Gestade des ersteren mit vielen verschiedenen Arten Muscheln bedeckt sind, findet man an letzterem fast keine Schalthiere. Der Tanganjika nährt Tausende von Möwen, am Nyassa sah ich diesen Vogel gar nicht, wohl aber Cormorane, den Schlangenhalsvogel, Pelikane und andere Süßwasservögel in großen Mengen, die ich am Tanganjika niemals beobachtete..

Am Morgen des 20. füllten wir sämmtliche Gefäße mit Wasser und traten unseren Marsch an nach Osten auf einer unabsehbar weiten, ebenen, wasserlosen Grassavanne. Der ausgedörrte Boden zeigte breite Risse; harte Stückchen des von den Sonnenstrahlen gebrannten Lehms bedeckten die Wege und waren sehr schmerzhaft für die Träger. Bald unterbrachen einige Fächerpalmen, für mich jetzt ein sicheres Zeichen von Salzgehalt im Boden, die Eintönigkeit der Savanne. Die in Westafrika in dieser Jahreszeit so häufigen Nebel hatten wir seit dem Tanganjika nie mehr, es wehte schon am Morgen ein frischer Ostwind, und zwar meist bis zum Mittag, wo es dann still ward. Der feine Sprühregen der letzten Nacht erstaunte alle meine Leute.

Die Ebene nahm bald den Charakter der Steppe an, bald wechselten kleine Bestände krüppelartiger Bäume mit ausgedörrtem Gras. Großartig war die Verschiedenheit der in dem ausgedörrten Boden von der letzten nassen Zeit noch gut erhaltenen Wildspuren. Rhinozeros, Giraffe, Zebra, viele Antilopen, Löwen, Hyänen und Schakale mußten diese weiten, unbewohnten Flächen bevölkern. Zum ersten Male sah ich einen Trupp von 20 Zebras in Gesellschaft einiger Antilopen, ohne auf dieses scheueste allen Wildes in Afrika zu Schuß zu kommen. Zum höchsten Staunen meiner Westafrikaner zog ein Rudel von Giraffen, in dem flimmernden Licht der heißen Steppe gigantisch erscheinend, am Horizont dahin, und viele Arten Antilopen, die wir bisher noch nicht gesehen hatten, beobachteten unseren Zug, der in der weiten Ebene ganz verschwindend klein aussah.

Ein leichter Hügelzug wurde im Norden sichtbar. Die Savanne war hier erst vor Kurzem gebrannt und aus weite Strecken mit dem schwarzen Todtentuch der Asche überdeckt.

248 Ein Ruf des Erstaunens meiner Leute lenkte meine Blicke nach Norden. Schwarze Trichter erhoben sich, am Boden hinlaufend, von der Ebene; dieselben wurden dünner, höher, im Kreise liefen sie gespenstig über den schwarzen Boden, immer mehr anwachsend, immer schlanker werdend, sich bald biegend, bald wieder streckend, zu gewaltiger Höhe. Vom Wirbelwinde erhoben, thürmte sich die Asche der gebrannten Steppengräser auf zu Tromben. Drei solcher wunderlichen, beweglichen Säulen zogen einige Minuten lang dahin, hoch oben sich verbreiternd, den Trichter wieder öffnend, um dann durch die ersterbende Kraft des schnaubenden Windes sich aufzulösen und zu zerfallen. Es schien, daß selbst meine Waniamwesi dieses Schauspiel niemals vorher gesehen hatten, denn Alles stand erstaunt und richtete gespannt den Blick auf das gespenstige Erscheinen und Verschwinden der schwarzen, wandelnden Säulen.

Aschentromben.

Nach einer kurzen Ruhe zogen wir gegen Mittag weiter, denn wir waren nur für eine Nacht mit Wasser versehen. Nach mehrfachen Versuchen gelang es mir, eine Kuhantilope zu strecken durch einen Blattschuß. Als ich mich näherte, um das starke Thier mit dem Messer abzufangen, schlug es schnaubend so heftig nach mir, daß ich nach meinen Leuten rief und, um meine schon sehr reducirte Munition zu sparen, einen Speer nahm. In dem Moment, wo ich zum Fangstoß ausholte, kam das an Größe einer Kuh gleichkommende Thier auf die Läufe und wurde flüchtig. Ich nahm schnell mein Gewehr zurück, konnte aber, da meine Leute wie hungrige Wölfe dem kranken Thiere folgten und mich maskirten, nicht zum Schuß kommen. Trotz großen Schweißverlustes erweiterte sich der Abstand zwischen Wild und Jägern, und nach einer halben Stunde kehrten Letztere erschöpft zurück; die Antilope war den Hyänen anheimgefallen. Mein Blattschuß hatte schräg von hinten nur eine weite Wunde aufgerissen, ohne jedoch in edlere Theile einzudringen.

Oft erfreuten wir uns an einer kleinen rothen Antilope, die flüchtig sich in Pausen mit mächtigem Sprunge, die vier Läufe angezogen, hoch warf, um dann in Windeseile wieder fort zu jagen. Der prächtige Sprung befähigte das reizende leichte Thier zu schneller Umsicht über das hohe Gras in dem Moment des Springens.

Des Abends schlich ich mich umsonst auf einen Trupp von acht Giraffen an. Das schöne große Licht, von der gewaltigen Höhe 249 niederschauend, überwacht zu leicht die ebene, wenig bedeckte Gegend.

Erst um ½6 Uhr hielten wir auf offener Ebene, ohne jeden Schutz, nur, weil ein trockener Krüppelbaum uns Feuerholz versprach. Entferntes Stoßgebrüll des Löwen, Geheul der Hyäne und Gekläff des Schakals, nahes Pfeifen der unsere Lagerfeuer anfichernden Antilopen hielt mich lange wach. Es schien mir, als ob die Stille in der Wildniß viel tiefer sei, ein Unterbrechen derselben viel markirter, zum gespannten Aufhorchen anregender, als in Europa, doch mag dies auch seinen Grund darin haben, daß in der Wildniß die Nerven angeregter sind, als in der sicheren Ruhe unseres civilisirten Welttheiles.

Am nächsten Morgen ging es weiter, immer durch dieselbe Ebene, die zuerst nur mit Gras, dann viel mit Akaziengebüsch bestanden ist. Aus drei die Karawane anfichernden Antilopen, die uns bis 100 m nahe kommen ließen, schoß ich eine, die nach drei weiten Sprüngen verendet zusammenbrach. Weit und breit war die Gegend bevölkert mit Zebras und Antilopen; da wir jedoch noch bis zum Abend marschiren mußten, um Wasser zu erreichen, begnügte ich mich mit der Beute, die doch für unsere ganze Karawane für einen Tag genügend Fleisch gab.

Schon am Nachmittag schien eine üppigere Flora auf Annäherung von Wasser zu deuten. Wir erreichten zunächst einige vor Kurzem niedergebrannte Dörfer und zogen gegen Abend in das starke Dorf Kigao ein.

Vom Malagarassi an waren wir in dem östlichsten Theile von Uha, das bis vor Kurzem dem Könige Kitti zugehört hatte. Durch Ausplünderung einer dem Könige Mirambo gehörigen Karawane war es zwischen diesen Beiden zum Kriege gekommen. Bald ward Mirambo Sieger, Kitti fiel im Kampfe, die Waha wurden theils vertrieben, theils blieben sie, mit Waniamwesi vermischt und, von einem Häuptling, den Mirambo eingesetzt hatte, beherrscht, im Lande.

Bei diesem Kriege war die Entscheidung am Malagarassi gefallen, etwas nördlich von der Stelle, wo ich den Fluß passirte, Kitti's Waha hielten das rechte Ufer besetzt und Mirambo begann in einer Nacht Bäume und Büsche in den nur langsam treibenden Strom zu werfen, und zwar mit dem Erfolge, daß seine Leute am nächsten Tage den ästigen Wall im Feuer der Waha überkletterten 250 und das rechte Ufer stürmten. Man sagt, daß diese Baumwehr zuletzt durch viele gefallene Krieger Mirambo's gut passirbar geworden sei, und daß dieser selbst mit seiner besten Schaar den Ausschlag gegeben habe.

Bevor Mirambo heimgekehrt war, hatte er verschiedene Befestigungen angelegt, deren Stärke sein kriegerisches Geschick bewies, sowie daß er die Waha als Feinde nicht unterschätzte.

Ein solches Grenzdorf war Kigao, in dem ich von dem Häuptling feierlich als Weißer, also Freund Mirambo's, empfangen wurde.

Das Fort war auf einer sanften Erhebung in einem Viereck angelegt, dessen Seiten 300 m Länge hatten. Nach Osten trennte nur ein 50 m breiter, sanfter Hang die Befestigung von dem weiten Sumpf Muanga, nach allen anderen Seiten war das Terrain flach und unbedeckt auf mindestens 500 m. In der Zeit des hohen Wasserstandes war nur vom Süden eine Annäherung möglich. Zuerst passirte man einen 1 m hohen Wall, dessen Krone mit 3 m hohen, dichten, nur mit der Axt passirbaren Euphorbien bewachsen ist. Der Boden zu dem Auswurf war inwendig ausgehoben und von der Sohle des entstandenen Grabens in Schußhöhe Schießscharten durch den Wall gemacht, die in dem zähen Thon gut standen. Hinter dem Graben lief ringsum ein 4 m breiter Wallgang, der von einem starken Pallisadenzaun, der zweiten Vertheidigungslinie, begrenzt war. An acht Stellen führten maskirte Thore, mit an Angeln hängenden schweren Bäumen verschließbar, in das Dorf, in dem die dicht gedrängten Hütten einer Familie in wohlvertheilte Gruppen, und jede durch einen Pallisadenzaun umgeben, nebst einigen Viehcoralen im Kreise um einen freien Platz inmitten des Dorfes lagen. Die Mitte dieses »place d'armes« nahm als ein wohlbefestigtes Reduit das Gehöft des Häuptlings ein, und aus diesen ragte wohl 5 m hoch ein Auslug über die Gipfel der Hütten. Ein dichtes Dorngebüsch war weit ab vom Dorfe angepflanzt, um im Falle des Krieges geschnitten und rings um den Wall im Boden befestigt zu werden.

Es war dies Fort die stärkste Befestigung, die ich in Afrika je sah, und wohl gesichert gegen jeden Angriff ohne Geschütz, und ich muß gestehen, daß es mit einer Sachkenntniß angelegt war, die mir schon jetzt einen hohen Respect einflößte vor dem Erbauer, Mirambo.

251 Die Felder der Bewohner von Kigao lagen jenseits des breiten Sumpfes. Die Form der Häuser war je nach der Entstammung der Bewohner die der Waha und der Waniamwesi.

Der Häuptling, ein Günstling Mirambo's, brachte am nächsten Tage Reis, den ersten, den ich seit Udjiji wieder sah, Butter, dicke Milch, Honig und Pompe, was nebst einigen Enten, die ich am Muanga schoß, den Koch befähigte, ein lucullisches Mahl zu bereiten.

Das Rindvieh hier ist klein, doch rund und glatt, die Milch sehr sahnenreich und gibt viel Butter.

Die Bewohner des Dorfes waren alle mit europäischen Stoffen bekleidet und jeder Mann im Besitz eines Gewehres.

Der Muanga ist ein von Norden nach Süden langgestreckter breiter Sumpf, in dem Binsen, Papyrus und Schilfbestände mit Tümpeln und Lachen, die mit dem breiten Blatt der Wasserlilie zum Theil bedeckt sind, abwechseln. Der Grund ist tief moorig, das Wasser dunkelbraun, stagnirend und lauwarm. In der Regenzeit soll die ganze Niederung überschwemmt sein und dann das Wasser, langsam nach Süden treibend, dem Malagarassi zufließen. Der nordöstlich bekannte Ngombefluß soll nicht in den Muanga münden, sondern nördlich von hier schon in den Malagarassi. Für diese Behauptung sprach die Angabe, die mir einige Tage später Mirambo machte, indem er sagte, der Ngombefluß sei stets im Fließen, und nicht, wie der Muanga in der Trockenzeit, stagnirend.

Ich fand hier ein Eldorado der Wasser- und Sumpfvögel. Den ersten Pelikan sah ich, unabsehbare Schwärme verschiedener Enten, von denen ich einmal sieben auf einen Schuß erlegte, dann große weiße Reiher, den Kuhreiher, Rallen und hochbeinige Wasserläufer, die im seichten Wasser wateten oder auf den breiten Blättern Insecten jagend umherrannten. Ibisse und der Kaiserkranich bevölkern in großen Flügen die Ufer, und Fächerpalmen, die am Rande der sanften Hänge zum Sumpfe stehen, werden von Tausenden von Tauben bewohnt. Krokodile sollen sich nur an tieferen Stellen aufhalten, Flußpferde nur selten hier erscheinen. Große Fische werden nur bei hohem Wasserstande gefangen.

Meine Leute schossen einige Antilopen und Kronenkraniche. Ich pürschte mehrfach umsonst auf Zebras, die sich Abends dem Wasser näherten, und schoß viel Wasserwild.

252 In der Nacht des 23. wurde ich durch ein durchdringendes Angstgeschrei erweckt. Ein Ringen wurde dicht bei meinem Zelte hörbar. Es erfolgten klatschende Hiebe, von Wimmern unterbrochen, und als ich aus dem Zelte stürzte, um mich von dem Grunde der aufregenden Störung zu überzeugen, brach in schwerem Falle ein junges Weib unter den Keulenhieben zweier Männer zusammen. Ich sprang hinzu, stieß die Mörder zurück und richtete mit Hilfe des hinzugekommenen Humba das Weib auf. Der Schädel war zerschmettert, und das arme Opfer schon verendet. Da die beiden Männer entflohen, ließ ich den Häuptling rufen und forderte Aufschluß über die empörende That. »Das Weib sei eine Wahazauberin, die schon zwei Leute des Dorfes durch herbeigezauberte Krankheiten getödtet habe, und zu diesem Tode verurtheilt sei,« wurde mir zur Antwort, und als ich fragte, warum dies greuliche Urtheil hier vor meinem Zelte vollzogen sei, sagte er mir: »Du kannst doch nun Mirambo sagen, daß ich ein strenger Herr und Richter bin, daß die Waha, die hier noch wohnen, nicht mehr wagen werden, gegen ihn aufzustehen, denn sie fühlen durch mich seine Hand!«

Betrübt darüber nachdenkend, wie weit diese Wilden noch von dem Standpunkt seien, der sie befähigen würde, dem Christenthum ihr Herz zu öffnen, wie aussichtslos noch jetzt jede Bemühung zu diesem Zweck sei, ging ich in mein Zelt und wurde am anderen Morgen wieder durch die Spuren an die entsetzliche That daran erinnert, unter welchen Wesen ich hier lebte.

Noch in der Frühe zog der Häuptling mit der ganzen Schaar der Krieger hinaus zu einer richtigen Felddienstübung. Auf freier Ebene entwickelten sich die Krieger zur offenen Linie, begannen vor- und rückwärts springend nachzuahmen, wie sie schießen, gedeckt oder in fortwährender Bewegung laden würden, stürzten dann vorwärts mit Geheul, und sammelten sich mit hoch gehaltenem Gewehr im Kreise um den Häuptling.

Es wurde dann ein Kalb geschlachtet und vertheilt und mit dem Blute ein jeder Krieger auf der Brust gezeichnet.

Noch an demselben Tage brach ich auf; der Häuptling geleitete mich bis zum Muanga, und bat mich, Mirambo zu sagen, ich habe in ihm einen »Mona Mumme«, d. i. einen »Mann« getroffen.

253 Bis an die Hüften im Morast ging es durch zwei sumpfige Arme des Muanga, dann durch lichten Wald, in dem ich aus einem Trupp von ca. 40 Perlhühnern eins schoß, bis zu dem Dorfe Malembelika, das aus nur 20 liederlichen Hütten besteht. Die Bewohner waren alle leicht betrunken von Pombe, und verließ ich daher so bald als möglich die Niederlassung, um zu pürschen. Mit einer kleinen Antilope kam ich heim.

Der Abend war schwül, und ferner Donner erregte in dieser Jahreszeit allgemeines Erstaunen.

Wir hatten mit dem Muanga die Grenze überschritten zwischen Uha, das früher Kitti zugehörte und jetzt Mirambo unterthan war, und dem großen Lande Uniamwesi (dem Lande des Mondes, »mwesi« heißt Mond) oder Graganza, wie von den westlich wohnenden Völkern das Gebiet genannt wird. Der größte Theil von Uniamwesi ist mit lichtem Hochwald bedeckte Ebene. Bei einer durchschnittlichen Höhe von 1200 m treten überall geringe Erhebungen, mit Granitgeröll bedeckt, vereinzelt auf, ohne eine scharf kenntliche Trennung der Wasserläufe, eine Wasserscheide, zu bilden. Die Hydrographie dieses Landes ist schwierig: wenn sich auch die größere südliche Hälfte nach Westen zum Malagarassi neigt, und der Norden zum Victoria-Nyanza, also die Linie der Wasserscheide zwischen Kongo und Nil durch dies Gebiet läuft, so ist es doch bis jetzt noch keinem Reisenden gelungen, ein System in das Netz der meist nur in der Regenzeit bewässerten Abzugskanäle zu bringen. Ja, die einfachsten Angaben verschiedener Reisender über Richtung des Ablaufs widersprechen sich.

Landschaft in Uniamwesi.

Ich habe in der trockenen Zeit Uniamwesi von West nach Ost durchkreuzt, und Abstecher nach Süd und Nord gemacht, ohne auch nur ein einziges fließendes Gewässer verzeichnet zu haben. Quellen, die ab und zu versiegen, Tümpel oder Brunnen spenden während dieser Zeit den nöthigen Vorrath von Wasser. In der Regenzeit sollen oft große Ueberschwemmungen entstehen, da der Abzug der Wasser nur langsam stattfindet; die Verdunstung muß sehr stark sein.

Höchst eigenthümlich sind die häufigen Anzeichen vulcanischer Thätigkeit. In Tabora, fast dem Centrum von Graganza, werden oft Erdstöße verspürt. Ich selbst beobachtete einen solchen, indem ich meinen Unterarm zwischen die Stuhllehne und eine Wand 254 einstemmte und deutlich die Bewegungen des Zurückweichens der Wand wahrnahm.

Die Waniamwesi stehen in vieler Beziehung sehr viel höher als irgend ein Volk des Innern, mit Ausnahme vielleicht der Baschilange, und sind höchst wunderbarer Weise dabei wie jene mehr dem Genuß des Hanfrauchens ergeben, als alle anderen mir bekannten Stämme. Ich bin der Ueberzeugung, daß die Wirkung des Hanfes auf den Neger eine zähmende ist, daß das narkotisirende Kraut die unstäte Wildheit, das unbändige Gefühl der Absonderung von äußeren Einflüssen mildert, und den Neger zugänglicher und brauchbarer für Cultur und Civilisation macht, ohne jedoch die wohl übertriebene, aber gewiß bestehende Schädlichkeit der Einwirkung auf die Körperconstitution ganz bestreiten zu wollen. Wie uns die Baschilange, früher die wildesten, in ewiger Fehde unter einander lebenden Stämme bewiesen, welche Aenderung seit dem Hanfcultus mit ihnen vorgegangen war, so macht man hier ähnliche Beobachtungen, nur mit dem Unterschiede in der Wirkung, daß jene zu ihrem ersten Fortschritt durch die Europäer, diese seit längerer Zeit durch die Araber gelangten.

Die Stämme von Graganza gewährten den Arabern den ersten festen Sitz im Innern, den Centralpunkt zu ihren Unternehmungen nach Westen und nach Norden. Sie waren die Begleiter als Träger und Soldaten, die das Vordringen nach allen Seiten ermöglichten, mit deren Hilfe das Innere dem vernichtenden »Handel« geöffnet werden konnte. Die schlimmen Folgen dieses Vorgehens sind nicht ihnen aufzubürden; sie hätten, von Europäern geführt, ebenso zum Guten verwandt werden können, wie sie es unter der Leitung der Araber zum Verderben der weiter im Innern wohnenden Stämme wurden.

Der Muniamwesi leistet Hervorragendes in weiten Märschen, im Tragen von Lasten, sowie im Widerstand gegen Witterung; daß er auch ein guter Krieger ist, wenn er nur recht geleitet wird, beweisen die Erfolge von Mirambo, der stets nur mit Waniamwesi focht.

In 26 Tagen, von denen sechs Ruhetage meist auf meinen Wunsch, und nicht auf Drängen der Leute gemacht wurden, habe ich die ca. 55 deutsche Meilen lange Strecke vom Tanganjika-See bis nach Tabora zurückgelegt. Es kommen so auf jeden Marschtag 2,75 deutsche Meilen, was für längere Märsche in der Wildniß eine ganz vorzügliche Leistung ist. Ich rechne jetzt für 255 jede größere Reise einschließlich längern Aufenthaltes durchschnittlich eine deutsche Meile pro Tag. Nur einmal hatte ich einen Fall von Ungehorsam auf der letzten Reise zu bestrafen. Nie hatten meine Waniamwesiträger Nachforderungen oder Erpressungsversuche gemacht; Diebstähle waren nicht vorgekommen, und daß sie mehrfach mich in Gefahr verließen, ist bei der geringen Macht, mit der ich reiste, den Leuten wenig zu verargen.

Die ewigen Kriege Mirambo's, die Feindseligkeiten zwischen ihm und den Arabern haben große Strecken von Graganza in den letzten zehn Jahren verödet. Die überall mit anerkennenswerther Bestrebung vorgenommenen Verbesserungen, als Reiscultur, Rindvieh und Eselzucht, sind dabei wieder sehr zurückgegangen; jedoch ist durch Bekanntwerden mit dem fernen Innern der Muniamwesi ein tüchtiger Handelsmann geworden, natürlich unter den Bedingungen, die er vom Araber kennen lernte, d. h. unter Anwendung von Sklaven.

Am 24. passirten wir die Dorfschaft Luassa, und sah ich hier die erste Waniamwesitembe, eine im Viereck um einen großen Hof gebaute, kasernenartig zusammenhängende Niederlassung. Die vier Seiten sind lange Gallerien von Wohnungen, die durch eine Wand getrennt sind. Nach außen zeigen die gelben Lehmmauern nur einige Schießlöcher, das Dach fällt nach inwendig ab und bildet die Hauptvertheidigungsstellung. Durch zwei wohl zu verwahrende schmale Pforten tritt man in das Innere, wo unter dem verandaartig überhängenden Dache eine Masse von Thüren in die Familienabtheilungen führen. Inmitten des Hofes steht gewöhnlich ein Reduit, ein mit starker Pallisadenzäunung umgebenes großes Haus. Die stehenden Pallisaden werden inwendig noch bis zur Schußhöhe mit querliegenden Bäumen verstärkt.

Weiter in nordöstlicher Richtung durch ausgedörrte, mit niedrigem, lichtem Hochwald bestandene Ebene ging's bis Malolela. In der Nähe der Dorfschaften sind in Senkungen oder ausgetrockneten Bachrinnen mit der Hacke Brunnenlöcher ausgehoben, in denen weißes, warmes Wasser steht. Neben Reis wird Hirse hauptsächlich angebaut. Der eintönige Savannenwald wird hier und da von Wiesen mit Baum- und Palmeninseln unterbrochen. Zebras und Antilopen beleben die Grasmatten; Büffel-, Giraffen- und sogar einige Elefantenspuren kreuzten den Weg.

256 Die Dörfer liegen meist in weiten Lichtungen im Walde. Die Gegend ist schwach bevölkert und wildreich.

Am 28. näherten wir uns einem Complex von einigen zwanzig Dörfern. Der vor zwei Tagen von mir vorausgesandte Humba kam mir entgegen, und brachte mir »Salaams« von Mirambo, der mich nach seiner Residenz einlud, und Mittags hielten wir vor dem Thore eines hohen Pallisadenzaunes, der das Heim des gewaltigsten Kriegers Ostafrika's umschloß. 257

 


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