Hermann Wissmann
Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von West nach Ost
Hermann Wissmann

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Missionsstation Plymouth-Rock.

Elftes Kapitel.
Der Tanganjika-See.

Die Missionsstation liegt auf einer weite Umsicht erlaubenden Höhe, die sich nach dem Gestade des Sees und nach der Niederung des Lugumba steil hinabsenkt. Ein aus Lehm gebautes Haus mit Veranda, drei Räume enthaltend, deren einer für mich bestimmt war, und einige abseits stehende Dienerhütten bildeten den am weitesten nach Osten vorgeschobenen Posten europäischer Mission.

Dem frischen Wind von Osten ausgesetzt, erhaben über das Bereich der Moskitos, gewährt der 176 m über dem Spiegel des Sees gelegene Punkt eine wunderbare Aussicht. Nach Norden fallen die schroffen, bewaldeten Hänge von Goma in den blauen Wasserspiegel; kleine Inseln und Vorgebirge, von einem Rahmen weißschäumender Brandung eingefaßt, fesseln den Blick. Nach Osten breitet sich der mächtige Spiegel des Tanganjika aus, begrenzt durch die in weiter Ferne sichtbaren Vorgebirge von Kabogo und Kungwe, und nach Süden greift die Lukugabucht in's Land, 223 umrahmt von weißschimmernden Sanddünen oder steilen Felsabstürzen.

Die Landschaft hier heißt Uguhha, deren nördliche Nachbarn die mit vielen Batua vermischten Wagoma sind, und denen sich westlich Baluba, südlich Warungu anschließen.

Trotz der hohen Lage scheint die Niederlassung nicht gesund zu sein. Zwei Gräber von Europäern, deren eines einen erst vor Kurzem Herrn Griffith durch das Fieber entrissenen Gefährten birgt, und viele Fieber, die mein Wirth selbst durchzumachen hatte, sprachen dafür.

Auf Griffith's Rath sandte ich Humba mit einem Mann von hier hinüber nach Udjiji, um Waaren zur Bezahlung meiner Wakussu und eine Segeldauw zum Passiren des Sees von den Arabern zu holen.

Nach einigen Tagen der Ruhe, die von kleinen Ausflügen zu dem mit Muscheln bedeckten Gestade und in die wildreichen Berge ausgefüllt wurden, beschloß ich, den Lukuga, die interessanteste Stelle, den jungen Abfluß des Sees, zu besuchen, und brach zu diesem Zweck am Abend des 21. in einem Boot mit vier Waguhha, zweien meiner Leute und einem Mann von der Mission auf. Unter den mächtigen Abstürzen der Küstenberge ruderten wir nach Süden, dicht dem Ufer folgend. Bald bot die vom Monde hell beleuchtete Landschaft ein herrliches Bild. Wie ein sprühendes Silberband wand sich die Brandung an dem felsigen, zackigen Ufer entlang oder schmückte ein finster emporragendes Riff. Das tausendfach in den Wellen gebrochene strahlende Bild des Mondes zog sich wie eine goldene Straße über den Spiegel des Sees, und hoch oben in den Bergen leuchtete ein roth glühender Streifen, den Windungen des Terrains folgend, ein weiter eilender Savannenbrand.

Mit elastischen Bewegungen trieben meine federgeschmückten, braunen Waguhha das Boot durch die Fluthen. Am Steuer hockte in buntem Turban ein Mann aus Zanzibar. Ich lag, die frische Abendkühle und die in prächtigen Farben glühende Aussicht genießend, im leicht schaukelnden Boot und dachte an das Meer, die ersehnte Straße zur Heimath, an das Ende der Mühen und Arbeiten, an mein Vaterland und meinen alten Freund Pogge.

Selten sind derartige Gedanken weicher Stimmung in diesem wilden Lande. Am Tage hat man zu sorgen, zu schaffen und zu 224 ringen, und der Abend beschäftigt den Geist mit den Aussichten für den nächsten Tag, bis der Schlaf sein Recht fordert. Es ist auch gut, daß man nicht Zeit zum Grübeln hat; weiche Stimmung macht weniger elastisch gegen Anstrengungen und begünstigt nach meiner Erfahrung das Malariafieber. Eine stete Anregung der Nerven, verbunden mit Erfolg, ist mir stets das beste Mittel gegen Fieber gewesen. Unthätigkeit, Trauer oder Trübsinn verringern die Widerstandsfähigkeit gegen klimatische Einflüsse.

Nachts um 2 Uhr meinten die Wakussu, wir seien in der Nähe des Lukuga angekommen und dürften jetzt nicht weiter, da wir sonst in den Strom gerissen werden und, bei Dunkelheit vielleicht gegen einen Stamm geschleudert, das Boot verlieren könnten. Wir näherten uns der brausenden Brandung; ehe wir's vermutheten, stieß das Boot auf, wurde von der nächsten Welle vorwärts geworfen und wir alle von überschlagenden Wellen gebadet. Wir sprangen in's Wasser, zogen das Boot an Land und machten ein Feuer an, um uns zu trocknen, was meinen fast nackten Begleitern schneller gelang als mir, jedoch schlief auch ich auf dem weichen Ufergestade gut bis zum nächsten Morgen. Als das Tageslicht angebrochen war, sahen wir, daß wir noch ein tüchtiges Stück vom Lukuga entfernt waren.

Meine Waguhha ließ ich bei dem Boote und marschirte auf dem sandigen Ufer an den dicht bevölkerten Niederlassungen der Ma-Moni entlang.

Möven, Wildgänse und Schildraben beleben die 500 m breite, weiße Düne, die stellenweise mit der Ranke eines Milchsaft enthaltenden hellgrünen Kriechers netzartig bedeckt war. Baumsavannen mit vereinzelten Palmen begrenzten das Strandgebiet.

Um 9 Uhr 20 Min. passirten wir noch einen mit klarem Wasser zum See rieselnden Bach, und 15 Min. später standen wir vor dem imponirenden Lukuga. Kein Creek, wie bei Cameron, kein seichter, versumpfter Abzug, wie zu Stanley's Zeiten, sondern ein Abfluß, der mit gewaltiger Strömung große Wassermassen der Lebensader des äquatorialen Afrika's, dem Lualaba, zuführt.

Die Papyrusdickichte, die diesen Winkel der Bucht früher verschlossen hatten, waren weggerissen. Nur einige aus dem Wasser ragende Baumstämme deuteten an, daß hier nicht immer ein Strom gewesen war.

225 Fischerhütten zu beiden Seiten der Ausmündung ließen vermuthen, daß hier eine wichtige Stelle für lohnenden Fischfang ist.

Der Fluß tobt direct auf eine Felswand aus grobkörnigem, rothem Sandstein zu. Doch konnte er unmöglich das Werk des Abspülens dieses Felsens in der kurzen Zeit von 5 Jahren vollbracht haben, vielmehr mußte schon früher seine Kraft darauf gewirkt haben. Von der Steinwand abgelenkt biegt der Fluß nach Süden, seinen Weg um eine von dem Dorfe der Ma-Manda gekrönte Kuppe suchend.

Ganz außergewöhnlich ist der Fischreichthum des Lukuga. Einige der kleinen plumpen Kanoes waren halb angefüllt von der Beute einer Nacht. In einem derselben ließ ich 235 Fische, keinen unter 15 cm zählen. Auffallend war, daß die Leute einige Arten als vom Lualaba kommend bezeichneten. Lag dies daran, daß sich dieselben nur in fließendem Wasser aufhalten, also nicht in den See gehen, oder war der Tanganjika solange vom Lualaba abgeschlossen gewesen, daß sich unterdeß die Arten geändert hatten, denn daß schon früher eine Verbindung bestanden hatte, werde ich weiter unten nachweisen.

Für große Fische wurde ein Schleppnetz, für kleinere nur eine Art Käscher benutzt.

Die Sandbank, die Stanley vor der Mündung des Lukuga fand, ist so abgeschwemmt, daß man sie nicht mehr sieht. Nur durch eine Brandung, die bei östlichen und südöstlichen Winden vor der Ausmündung des Flusses steht, ist sie noch angedeutet.

Wir übernachteten in dem Dörfchen der Ma-Manda, die ihre Balubaabstammung an vielen mir bekannten Merkmalen zeigten. Der Ausdruck des Erstaunens, mit dem wir empfangen wurden, war dasselbe »Bakelenge, Bakelenge!« unserer westlichen Baluba, der Baschilange. Die Form der Hütten mit ihrem Ausbaue an den Thüren ähnelte denen des Westens ebenfalls. Die Tätowirung der Weiber auf Bauch und Rücken, Aufschichtung von Brennholz inmitten des Dorfes auf der Kiota, das ceremonielle Wesen, Alles war uns schon bekannt. Bemerkenswerth war die Haartracht, die der der westlichen Tupende gleicht. Thon- und Holzarbeiten waren zierlich und geschmackvoll ausgeführt.

Der Lukuga bildete unser Hauptgespräch mit den freundlichen Eingeborenen. Bis vor wenigen Jahren habe man noch das Gewässer bis an die Knöchel im Wasser durchwaten können, und noch 226 vorher habe da, wo jetzt der große Fluß sei, ein Dorf gestanden, und der Lukuga habe erst weiter westlich angefangen. Daß schon früher einmal der Fluß wie heute existirt habe, wußte Niemand, wohl aber, daß, nachdem der Tanganjika angefangen habe überzulaufen und den großen Fluß zu bilden, den wir jetzt sehen, der See schon wieder etwas gefallen sei.

Am nächsten Tage lieh ich mir ein größeres Kanoe und vollzog die durch die starke Strömung äußerst schwierig gemachten Messungen. Zwischen der Einmündung und der vorher erwähnten Felswand fand ich bei 145 m Breite und 4 m durchschnittlicher Tiefe eine Stromgeschwindigkeit von 1 m in der Secunde. Das Bett des Flusses war rund und glatt, am Boden mit starkem Kiesgeröll bedeckt, und nach dem Ufer zu bestand es aus Sand. Dieses offenbar sehr alte, scharf markirte Flußbett, die abgewaschene Sandsteinwand vor mir, die weiten Sanddünen und schon jetzt über den Wasserspiegel ragenden alten Auswaschungen der Felsufer waren nicht das Werk weniger Jahre, innerhalb welcher der Lukugacreek in den Lukugafluß gewandelt ist. Es mußte also der Abfluß früher schon, und zwar sehr lange Zeit oder periodisch bestanden haben. Erstere Annahme würde durch vulcanische Vorgänge, deren sich die Araber noch entsinnen können, erklärlich sein, indem am See oder im Bett desselben Nachstürze und dadurch Fallen des Wasserspiegels stattgefunden hätten. Hierdurch würde dann der Lukuga für die Zeit, die das allmähliche Steigen des Sees bis zur jetzigen Höhe gedauert hätte, seiner Function enthoben gewesen sein, trocken gelegen haben und durch Winde mit Sand, durch die in ihn mündenden Bäche mit Geröll und Pflanzenresten ausgefüllt worden sein. Als dann die Wassermasse des Sees, deren Zufluß bedeutender ist, als die Verdunstung, bis zur Höhe des Ueberlaufens gestiegen ist, hat sie sich ihr früheres Bett abermals geöffnet.

Für die periodische Function des Lukuga als Abfluß spricht eine andere Erklärung, die noch wahrscheinlicher ist, weil der See seit der Oeffnung des Lukuga wieder regelmäßig im Fallen begriffen ist, eine Beobachtung, die ich 4 Jahre später machte. Hiernach würde der Abfluß des Sees in Folge starken Gefälles stärker sein, als die Zuführung von Wasser, abgesehen von der Verdunstung. Der Spiegel des Tanganjika müßte daher regelmäßig, je nachdem die Regenzeiten regelmäßig sind, fallen. Es würde dann mit der 227 Zeit so weit kommen, daß die Wasser einer Regenzeit nur noch als ganz flache Riesel den Lukuga offen halten; in der auf diese Periode folgenden Trockenzeit aber würde der Wasserspiegel tiefer sinken, als die Sohle des Lukuga, dieser also trocken sein. Wehender Dünensand und durch Bäche zugeschwemmte Theile würden das trockene Bett schneller ausfüllen, als die in der nächsten Regenzeit zukommenden Wasser den Stand des Sees erhöhen. Wenn dann der nun ohne Abfluß stets wachsende See wieder bis zum Ueberlaufen gestiegen wäre, würde er den Lukuga wieder öffnen und so fort.

Wie viel Zeit eine solche Periode in Anspruch nimmt, würde leicht durch Controliren der durchschnittlichen Aenderung des Wasserstandes zu bestimmen sein. Daß sich natürlich bei diesen Vorgängen die Ufer in ihren Contouren fortwährend ändern werden, eine später für die Schifffahrt und den Anbau an den Ufern unvortheilhafte Thatsache, ist ersichtlich. Durch Anlegen einer Schleuse am Ausfluß, deren Bau scheinbar Nichts im Wege steht, würde man im Stande sein, stets so viel Wasser abzulassen, als der Zufluß, weniger Verdunstung, beträgt, d. h. man würde den Spiegel des Sees immer auf demselben Pegelstande halten können.

Am zweiten Tage meiner Anwesenheit an diesem interessanten Fleck ging ich am rechten Ufer abwärts und passirte viele Quellen und Bäche. Diese also bilden die Quellen des Lukuga, so lange derselbe nicht Abfluß des Sees ist, und so erklärt es sich, daß die Eingeborenen sagen, daß weiter westlich der Lukuga immer, wenn auch früher viel geringer, existirt habe.

Ich schoß zum großen Staunen der mich begleitenden Ma-Manda ein Flußpferd, das tödtlich getroffen zeichnete. Da es jedoch zu dunkel war, konnte ich nicht auf das Hochtreiben warten und mußte die Beute meinen redseligen Freunden als Belohnung für ihre gefällige Auskunft überlassen.

Am 24. kehrte ich mit meinen drei Leuten nach der Stelle zurück, an der ich das Boot hatte liegen lassen, um zu Wasser heimzukehren. Es stand jedoch von Südosten eine derartige Dünung, daß die Waguhha sich weigerten, auf den See zu gehen, und setzte ich daher meinen Marsch zu Lande fort.

Eine 3 m hohe Sanddüne trennte auf lange Strecken den 228 See von einer Lagune, der Heimath vieler Flußpferde1886 war der See schon so weit gefallen, daß diese Lagune sich zum tieferen Seespiegel abgezogen hatte.. Wir passirten die Lugumbamündung mit viel Schilf und Mariankagras und stiegen steil zur Station hinauf, wo mich mein Wirth freundlich bewillkommnete.

Am Abend desselben Tages ging ich nach eingetretener Dunkelheit nach einem dicht am Hause gelegenen kleinen Schuppen, dessen Thür etwas geöffnet war. Als ich die Thür berührte, sprang mit weiten Sätzen ein Thier heraus einige Meter in's hohe Gras und hielt dort. Ich ergriff ein Stück Holz und warf es in der Richtung, wo ich das Thier vermuthete. Das kurze Knurren eines Leoparden antwortete zu meinem nicht geringen Erstaunen. Auf meine Rufe eilte Herr Griffith mit unseren Gewehren herbei, und wir versuchten zu Schuß zu kommen. Stets nur wenige Meter vor uns sprang der Leopard, dessen Spur am anderen Tage erkenntlich war, auf, und wurde immer wieder kurze Strecken flüchtig, so daß wir wegen hohen Grases und Dunkelheit die Jagd aufgeben mußten.

Einige Tage später wurde vor der geöffneten Thür des Wohnhauses, aus der der Schein der Lampe in's Freie drang, ein Leopard laut, und viele Spuren um den wohl verwahrten Ziegenstall zeigten, daß dieser schlimme Räuber hier nicht selten ist. Diesem Umstande ist es auch zuzuschreiben, daß das Wild so außerordentlich scheu war, daß wir trotz öfterer Ausflüge in die an Antilopen reichen Schluchten nur ein Stück zur Strecke liefern konnten.

Die Arten der Antilopen sind immer noch dieselben, Riedbock, Schirr-, Zwerg- und Pferdeantilope am häufigsten. Ueberhaupt hat sich von der Westküste bis hierher kaum Wichtiges in der Fauna geändert, außer dem Auftreten des Bos kaffer in Manyema, der im Westen durch den Bos brachyceros vertreten ist.

Die wichtigste zoologische Grenze ist in diesen Breiten, wie ich später sah, der Tanganjika.

Alle Antilopen äugen mit ihren schönen, großen Lichtern sehr scharf, und beruhigen sich, einmal mißtrauisch, so schwer, daß der Jäger, der nicht ungesehen zu Schuß kommt, die Jagd ruhig aufgeben kann. Die größte Geduld des Menschen erreicht nicht die 229 des Leoparden im Anschleichen, und daher stammt die Vorsicht des schönen Wildes. Ebenso, wie unser Wild, das sonst scheu ist, sich im Wagen anpürschen läßt, äugt am Wege stehendes Antilopen-Wild eine dahinziehende Karawane ruhig an und läßt sich sehr nahe kommen, so daß ich mehrfach vom Wege aus zu Schuß kam, besonders, wenn ich vorher abbog und das die weiter ziehenden Leute mit Aufmerksamkeit verfolgende Wild von einer anderen Seite anschlich.

Die Stimme des Löwen haben wir seit Lunda am Tschikapa nicht wieder vernommen.

Wie wenig das hiesige Wild den Knall des Gewehres kennt, beweist folgender Fall.

In Ubujive schoß ich, gut gedeckt, einen starken Bock aus einem Rudel von 20 Antilopen, der unter dem Feuer zusammenbrach. Einen Moment bestürzt, die Ohren schüttelnd über das ungewohnte Geräusch, näherten sich die anderen Thiere behutsam dem verendeten Bocke, bewitterten ihn, traten hart den Boden mit dem scharf behuften Vorderlauf, pfiffen durch die Nase und zeichneten Erstaunen. Ich schoß ein zweites Thier mit demselben Erfolg, nur begannen einige Stücke des Rudels ängstlich hin und her zu traben, ohne jedoch auf den Pulverdampf zu achten. Jetzt gewahrte ein etwas höher stehendes Stück des Rudels eine Bewegung von mir, und in flüchtigen, weiten Sätzen führte es alle übrigen ihm im Moment folgenden fast 200 m weiter. Hier wurde ein kurzer Halt gemacht, rückwärts gesichert und wieder davongejagt.

Bei derselben Gelegenheit war das Benehmen von zwei Raubvögeln auffallend. Bevor ich zu einem guten Schuß an die Antilopen herankam, mußte ich eine lange Strecke auf dem Bauche kriechen. Zwei Geier schossen hernieder und folgten, kaum 5 m sich über mir hin und her wiegend. meinen Bewegungen. Stets konnte ich ihren Flügelschlag hören, und manchmal strichen sie so dicht über mir dahin, daß ich den Luftdruck spüren konnte. Erst auf meinen Schuß überschlugen sie sich fast vor Schreck, wie mir nachher meine das wunderbare Gebahren von Weitem ansehenden Leute sagten, und schossen davon. Ich denke mir, daß diese Geier schon öfter ihre Mahlzeit dem Erfolge eines Antilopen anschleichenden Leoparden verdanken und die Anwesenheit des Rudels und mein Anschleichen ihnen wieder einen derartigen Ausgang in Aussicht stellte.

230 Meine Zeit auf der Station ging hin mit astronomischen Beobachtungen und meteorologischen Arbeiten, deren letztere mir wichtige Aufklärungen gaben. Ich hatte mit Ubujive und den westlichen Randgebirgen des Tanganjika die meteorologische Grenze zwischen Ost- und Westafrika passirt. Während bisher von Angola aus die trockenen Winde stets vom Westen, die Winde der Regenzeit mit Haufenwolkenbildung vom Osten kamen, zogen hier die Gewitter stets vom Westen, und nur die trockenen Winde vom Osten her.

Diese Verhältnisse, in Verbindung mit den sich von Süden nach Norden erstreckenden großen Seen Afrika's, bewirken eine scharfe Grenze für die Flora und zum Theil auch in Folge dessen für die Fauna. Später werde ich näher auf diesen Punkt zurückkommen.

Auf einem Ausfluge mit Herrn Griffith in die Berge von Goma gelang es mir, den Schädel eines Soko, eines großen Affen, den andere Reisende Gorilla nannten und dessen Jagd als sehr gefährlich schilderten, zu erlangen. Herr Griffith konnte ein junges Thier erwerben, das ganz dem Chimpansen glich. Herr Professor Hartmann entschied später nach dem Schädel, daß der Affe ein schon von Schweinfurth in Mombuttu beobachteter Chimpanse sei.

Der Soko wird gejagt und gegessen. Sein kurzes, dem Schrecken eines Rehbockes oder Gebell des Hundes ähnelndes Geschrei hörten wir oft des Nachts. Westlich des Lualaba ist dieser Affe nicht bekannt, sondern nur zwischen diesem und dem Tanganjika, und soll er auch südlich von hier nicht mehr vorkommen.

Im Westen sind am meisten Meerkatzen vertreten, deren ich mehrere bei mir hatte, und die weiter östlich bei den Eingeborenen großes Staunen erregten, also jedenfalls dort unbekannt sind. Ueberall in Afrika, wo nackte Felsgebirge auftreten, findet sich der Hundskopfaffe mit seinem ihn stets begleitenden Würger, dem Leoparden.

Das Verbreitungsgebiet des Gorilla ist nur auf ein verhältnißmäßig kleines Bereich mächtiger Urwälder an der Westküste nördlich des Aequators beschränkt.

Die frischen Fährten zahlreicher Trupps von wilden Hunden, wohl von Hyänenhunden, erklärten nach der Meinung der Eingeborenen die Thatsache, daß alles Wild plötzlich verschwunden und 231 in die Berge geflohen sei. Nichts könne sich vor den Heerden des Wildhundes retten, auch Menschen seien, wenn sie nicht einen Baum erklömmen, verloren.

Herr Griffith rüstete mich vor Antritt meiner Weiterreise auf's Liebenswürdigste mit Medicin, Konserven, Wäsche und allerlei nothwendigen oder angenehmen Sachen aus, und schenkte mir ein noch brauchbares Zelt, da er meinte, daß im Osten es oft nicht möglich sei, Hütten zu bauen, ich auch das Zelt von Abed zu Hüftentüchern für meine Träger zertrennt hatte, da es unbrauchbar geworden war.

Humba kam mit Waaren und einer Dauw zurück, so daß ich die Wakussu ablohnen und mit Geschenken in Gesellschaft einer Handelskarawane nach Nyangwe zurücksenden konnte, und so kam der 1. August als Tag meiner Abreise nach einer 14tägigen Erholungszeit. Herr Griffith begleitete mich zum Hafen »Mtoa«, einer Uferstelle, deren Einbuchtung von den vorliegenden Inseln KirindiDiese Insel war 1886 schon, durch das Fallen des Wassers mit dem Festlande verbunden, eine Halbinsel geworden. nach Osten, von Kawalla, Kasenge und Kahenge nach Norden völlig gegen die heftigen Winde und die hohe Dünung des Sees geschützt ist.

Einschiffung.

232 Wir stiegen zu dem abgeschlossenen hübschen Hafen nieder, und ein ungemein fesselndes Bild entwickelte sich vor unseren Augen. Drei arabische Dauws mit den langen Stengen ihrer lateinischen Segel und der weißrothen Flagge, lagen am Strande, dessen weiße Dünen das tiefblaue Wasser von den saftiggrünen Wiesen trennen. Zwei Zelte am Strande, umstanden von einigen Hütten, mit Löschen beschäftigte, in schreiende Farben gekleidete Wadjiji, Leute in weißen Hemden, der beschäftigten Menge Befehle ertheilend, das Alles gab ein so freundliches Bild friedlichen Handels, daß ich versuchte, eine Skizze anzufertigen.

Zur Linken lagen die finsteren Berge von Goma, vor uns dicht bewaldete Inseln, und inmitten des runden Hafens, der einem Binnensee glich, die kleine Insel Kasenge. Einige unter weißen Segeln auslaufende Dauws belebten die Wasserfläche.

Bald war auch ich mit meinen drei treuen Begleitern, deren Weibern und meinen kleinen Dienern an Bord eines großen Kanoes, dessen Borde man durch Aufsetzen erhöht hatte, und zehn Wadjiji setzten mit hellem Sang die Ruder ein.

Mit dankbarem Gruß schied ich von meinem freundlichen Wirth, und hinaus ging es, dem Osten Afrika's entgegen. 233

 


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