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Kaiser von Mexiko.

Louis Napoleon hatte die hochfliegenden Gedanken seines Großohms, allein ohne die Kraft, sie auszuführen. Er war ein Weltendenker, ein Ideologe wie Bonaparte, aber kein Weltumstürzer wie er. Einer seiner Lieblingspläne war, das Romanentum gegen das übermächtig anwachsende Angelsachsentum zu stärken. Sonderbarerweise wählte er, um den Plan zu verwirklichen, ausgerechnet einen Deutschen, den Erzherzog Maximilian von Österreich. Besonders hatte sich Napoleon III. in die Vorstellung verrannt, daß das Anschwellen der Vereinigten Staaten eine Gefahr für die europäische Zivilisation bedeute, eine Vorstellung, die Palmerston teilte. Die Absicht war nun die, Engländer und Franzosen sollten die Nordstaaten, die sich im Bürgerkrieg mit den Südstaaten befanden, zur Nachgiebigkeit zwingen. Die britische Regierung lehnte eine offene Einmischung ab und begnügte sich damit, durch Kaperbriefe, die sie südstaatlichen Schiffen, so der weltberühmt gewordenen Alabama verlieh, den Handel der Nordstaaten zu stören und die bedrängten Südstaaten mit Waffen und Nahrung zu versehen. Da nun Luis Napoleon nicht allein und ebenfalls nicht offen gegen Lincoln vorzugehen wagte, versuchte er es mit einer Flankenbewegung und setzte sich in Mexiko fest. Dort hatte Benito Juarez, der Präsident, auf die Unterstützung der nordamerikanischen Union vertrauend, den europäischen Regierungen, die einst dem lateinischen Freistaate Staatsanleihen bewilligt hatten, hart vor den Kopf gestoßen dadurch, daß er plötzlich sämtliche Zinszahlungen einstellte, daß er ein Attentat auf den französischen Gesandten unbestraft ließ, daß er die im Lande weilenden Fremden durch Gewaltmaßregeln quälte. Zur Wahrung der völkerrechtlichen Bestimmungen und nicht minder zum Schutze des Leihkapitals verbanden sich England, Frankreich und Spanien in der Londoner Konvention, Herbst 1861. Ein Ultimatum ließ Juarez ohne Antwort. Da einigten sich die drei Mächte zu einem gemeinsamen Heereszuge nach Mexiko. Die Hauptlast der Expedition fiel auf die Franzosen, denen das Abenteuer ungeheuere Kosten verursachte. Juni 1862 langte das französische Heer nach zahllosen Gefechten in der Hauptstadt Mexiko an. Eine Junta beschloß, den Freistaat in eine erbliche Monarchie umzuwandeln. Zum Oberhaupt wurde der Erzherzog Maximilian, der im Schlosse Miramare bei Triest lebte, ausersehen. Ihn stachelte seine ehrgeizige Gemahlin, die Koburgerin Charlotte von Belgien. Wie einst Bonaparte mit der Beredsamkeit eines Advokaten und der Phantasie eines Dichters den Zaren Alexander durch Weltteilungspläne berückte, so spiegelte sein Großneffe dem Enkel Karls V., in dessen Reich die Sonne nie unterging, dessen Macht sich auch auf Mexiko erstreckte, vor, er eigne sich am besten dazu, dem durch Bürgerkrieg zerfleischten Lande Retter und Heiland zu werden. Verwandte und Freunde mahnten ab; es heißt jedoch, daß Franz Josef, der mit der Unterdrückung einer Revolution und mit den Niederlagen im savoyschen Kriege (1859) sich nicht gerade beliebt gemacht hatte, es nicht ungern sah, wenn sein Bruder, der weit volkstümlicher war als er, auf diese glimpfliche Art dazu gebracht würde, Europa zu verlassen. Sei dem, wie ihm sei, Maximilian und Charlotte entschlossen sich zu dem Wagnis. Sie landeten im Mai 1864 in Veracruz. In ihrem Gefolge befand sich eine glänzende Schar von deutschen Grafen und Baronen und nichtadligen Offizieren, während die Mannschaften durchweg aus Franzosen bestanden. Der Adjutant Maximilians war der Prinz zu Salm-Salm, der vorher an dem nordamerikanischen Bürgerkriege teilgenommen hatte. Bei der Vorstellung beim Präsidenten glaubte er Lincoln darauf aufmerksam machen zu müssen, daß er aus fürstlichem Geschlechte sei. »O, das wird Ihnen bei uns nichts schaden!« erwiderte der strenge Republikaner. Ein anderer aus dem Gefolge war der Freiherr von Gagern, ein Bruder oder Vetter des einstigen Frankfurter Parlamentspräsidenten von 1848, der seine Abenteuer in einer Selbstbiographie beschrieben hat. Das Habsburger Paar wurde bei der Landung von jubelnden Volksmassen begrüßt und wurde in der Hauptstadt zum Kaiser ausgerufen; dann aber kam eine Enttäuschung nach der anderen. Es gab endlose Schwierigkeiten. Man dachte sogar daran, eine österreichische Fremdenlegion zu bilden; das verhinderte der Einspruch Lincolns. Napoleon konnte sich nicht verhehlen, daß seine Schöpfung nicht lebensfähig sei: Er gab sie und Maximilian preis. In schroffem Widerspruche zu seinen feierlichen Zusagen gewährte er weder geldliche noch militärische Hilfe. Sein Marschall Bazaine räumte, Vorstellungen und Bitten Maximilians zum Trotz, ganz Mexiko. Eine Reise Charlottens nach Paris verlief erfolglos. Ebenso eine Reise nach Rom zu Papst Pius. Da brach bei der Unglücklichen der Irrsinn aus; sie wurde auf Miramare in Gewahrsam gebracht. Die nächsten Jahre waren für den Erzherzog überaus traurig. Er verwünschte die Leichtfertigkeit, die ihn an Napoleon hatten glauben lassen. Die Nachricht von dem traurigen Los seiner Gemahlin warf ihn aufs Krankenlager. Er suchte den Soldatentod. In heimtückischer Weise hielt ihn der Vollblutindianer Juarez, der sich zuerst auf seine Seite gestellt hatte, hin. Durch den nackten Verrat eines Vertrauten, des Obersten Lopez, fiel er in die Hände des feindlichen Generals Escobedo. Juarez, ein harter Charakter und bei all seiner Heimtücke doch ein großer Führer und Staatsmann, ließ ihn vom Kriegsgericht zum Tode verurteilen. Und ebenso verschiedene Mexikaner, die bis zum Ende treu zu dem Habsburger hielten. Europäische Mächte und sogar Lincoln gingen Juarez an, doch nicht einen Souverain von fürstlichem Geblüte standrechtlich zu erschießen. Auf den Knien bat ihn die Prinzessin Salm um das Leben des Kaisers, »wenn alle Königinnen und Fürstinnen Europas«, erklärte ihr aber Juarez, »an Ihrer Stelle wären, so könnte ich doch sein Leben nicht schonen; ich bin es nicht, der ihm das Leben nimmt, es ist das Volk und sein Gesetz!« Im Juni 1867 wurde der Spruch des Kriegsgerichts in Queretaro vollstreckt. Die Leiche wurde auf Ansuchen seines Bruders, des Kaisers Franz Joseph, ausgeliefert, und durch Admiral Tegethoff, den Sieger von Lissa, auf der Fregatte Novara, der Weltumseglerin, dem nämlichen Schiffe, das vor drei Jahren das Kaiserpaar nach Mexiko getragen hatte, heimgebracht und in der Kapuzinergruft zu Wien beigesetzt.


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