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Struensee.

Da war ein Prediger an der Ulrichskirche zu Halle, der Verfasser des alten Halle'schen Gesangbuches, Adam Struensee. Ihm erblühten sieben Kinder. Der zweite Sohn Johann Friedrich studierte in Halle Arzneiwissenschaft und wurde, kaum neunzehnjährig, schon Doktor und in der Folge Stadtphysikus zu Altona. Als schöner Mann, lebenslustig, ehrgeizig und genußsüchtig, suchte er vornehme Bekanntschaften zu machen und stürzte sich bald in Schulden. Durch eine Empfehlung des Grafen Rantzau-Aschberg bewogen, nahm ihn 1768 der junge Christian VII. von Dänemark zum Leibarzt für eine Reise durch Deutschland, Frankreich und England, und berief ihn hierauf nach Kopenhagen. Er wurde als Leibarzt bestätigt und zugleich zum Vorleser des Königs und zum Kabinettsekretär der Königin ernannt. Diese, die ihn zuerst mit Mißtrauen betrachtet hatte, wendete Struensee ihre Freundschaft zu, weil er ihren zweijährigen Sohn, den nachmaligen König Friedrich VI., von einer Krankheit heilte. In Kopenhagen herrschte eine Adelsoligarchie, die aus den Grafen Bernstorff, Thott, Rosenkrantz, Moltke und Reventlow bestand. Christian, durch Ausschweifung gänzlich heruntergebracht, war unfähig und wußte das selbst und überließ daher alles jenen Grafen. Diese fürchteten jedoch den steigenden Einfluß Struensees und der von ihm beratenen Königin Karoline Mathilde. Struensee beschloß, gemeinsam mit seinem Freunde Brandt, die Zügel an sich zu reißen. Er setzte Bernstorff, der vierzig Jahre lang als Staatsmann gewaltet hatte, kurzerhand ab. Er ließ, um die Gunst des Volkes zu gewinnen, die Pressefreiheit verkünden; er hob den Staatsrat auf. Er bestimmte nach eigenem Gutdünken neue Minister. Kurz, er wurde Diktator, allmächtiger Herr. Zu seiner Partei schlugen sich der Oberst Falkenskjöld und der General Gähler, den man zum Admirale avancieren ließ. Es gingen zu ihm über die früheren Gegner Rantzau und der den Russen ergebene Diplomat Graf Osten. Dann konnte Struensee noch auf die Generalin Gähler, eine Freundin der Königin und, wie es heißt, seine Geliebte, und auch die Gräfin von Holstein, der Brandt innig zugetan war, zählen. Um seine Stellung noch mehr zu kräftigen, rief Struensee noch seinen Bruder (den späteren preußischen Minister), den Botaniker Oeder für die Landwirtschaft und Sturz für die Presse aus Deutschland herbei. Struensee war nicht ohne Verdienste. Er ordnete die Finanzen, verringerte die Abgaben und hob Handel und Wandel. Er milderte die Strafgesetze, schaffte die Fron zum Teile ab und verbesserte die Verwaltung wie den Unterricht. Ein aufgeklärter Reformer! Bald regten sich jedoch wieder die Gegner, zumal der deutsche Küngel bei den Dänen sich nicht beliebt machen konnte. Gegen die verhaßten Ausländer waren einmal die Adligen, die ihre Macht verlieren sollten, ferner die Beamten und Offiziere, die anderen den Platz räumen mußten, endlich die Bürger, die ihre Zunftprivilegien einbüßten. Und nicht zuletzt die Geistlichen, weil die Reformen ihnen freigeistig schienen. Bei Hofe ging es unterdessen lustig zu: Festlichkeiten und kein Ende! Je freier die Sitte, umso willkommener.

Kaum hatte Struensee ein volles Jahr, man kann schon sagen, regiert, da meuterten die Matrosen. Hierauf empörten sich die Leibgarden. Beide Male war Struensee so ängstlich und nachgiebig, daß seine Feinde Mut schöpften und sich zu seinem Untergange verschworen. Die Königin gebar 1771 eine Tochter. Das Gerücht verbreitete sich, sie sei von Struensee. Der britische Gesandte, Lord Reith (ein Bruder des preußischen Generals, der bei Zorndorf und sonst sich ausgezeichnet hatte), sah die Katastrophe herannahen und wollte die Königin retten. Im Einverständnis mit seinem Souverain, Georg III., bot er Struensee eine bedeutende Summe Geldes und eine Zuflucht in England an. Der Minister schlug jedoch aus, weil die Königin nicht ohne ihren Freund leben wollte. In der Nacht vom 16. zum 17. Januar 1772, während ein Hofball stattfand, nahmen die Verschworenen, auf das Dragonerregiment gestützt, das die Wache vor dem Schlosse versah, den verhaßten Ausländer gefangen, ebenso Brandt und nicht minder die Königin. Es war nicht gerade rühmlich, wie die Verschworenen Geständnisse von den Verhafteten zu erpressen suchten. Man wollte von der Königin herauslocken, daß sie mit dem Hallenser sich vergangen habe. Da sie sich weigerte, rief man, Struensee habe seine Schuld eingeräumt; wenn das jedoch eine Lüge sei, so müsse er als Verleumder der Majestät eines schmählichen Todes sterben. Die Königin fragte zitternd, ob man ihn begnadigen werde, wenn sie den Wunsch der Verschworenen erfülle. Als das bejaht, begann sie ein Papier, das die Aussage ihrer Schuld enthielt, zu unterzeichnen. Sie hatte ihren Namen noch nicht ganz vollendet, als sie auf dem Gesichte ihres Drängers eine höhnische Freude bemerkte. Ohnmächtig sank sie in ihren Sessel zurück. Der tückische Kommissar, Schack-Rathlow, soll dann der Ohnmächtigen die Feder in die Hand gelegt und, die Hand führend den Namen »Karoline Mathilde« völlig ausgeschrieben haben. Struensee wird zum Schafott verurteilt. Ihm und Brandt sollte lebend die rechte Hand und hierauf der Kopf abgehauen, der Körper gevierteilt und aufs Rad gelegt, der Kopf auf einen Pfahl gesteckt werden. Das Urteil wurde am 28. April 1772 wirklich vollstreckt. Es gilt allgemein für einen Justizmord. Die Königin aber verließ Dänemark, konnte aber ihres Lebens nicht mehr froh werden und starb drei Jahre danach aus Gram auf dem Schlosse Celle im Lande Hannover.

Bald nach Struensees Tode schlug die Stimmung um und man erkannte, daß seine Reformen segenbringender gewesen waren, als die Mißwirtschaft, die nun einsetzte. Struensees »Glück und Ende«, bald in Flugblättern und von Bänkelsängern durch Deutschland verbreitet, rief schon im 18. Jahrhundert dichterische Bearbeitungen hervor, so in dem Drama »Friedrich Graf von Struensee« von Ernst Bornschein (1793) und in dem Roman Bouterwecks »Gustav und seine Brüder« (1796). Sein Andenken lebendig erhalten haben die beiden Dramen von Michael Beer und Heinrich Laube, das erstere eine der besten Leistungen des Schiller-Epigonentums, aber ohne dramatische Schlagkraft, das andere ein echtes rechtes Theaterstück mit guten Charakteristiken, aber von der Geschichte ziemlich weit abweichend. Laubes vielgespieltes Stück hat die Gestalt Struensees auf der Bühne heimisch gemacht.


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