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Die hannöversche Legion.

Staatsrechtlich galt es durchaus für ordnungsgemäß, daß die Oranier, die zugleich Hannover und England beherrschten, für die Zwecke Weltbritanniens hannöversche Truppen anwarben. Dagegen kann es befremden, daß die Gibraltarmedaille, die Kaiser Wilhelm II. zur Erinnerung an Heldentaten in Gibraltar den hannöverschen Regimentern 73 und 74 verliehen hat, noch während des ganzen Weltkrieges, der doch auch oder sogar hauptsächlich gegen die Engländer geführt wurde, bis 1918 auf den Röcken deutscher Soldaten zu sehen war. Ganz allgemein wurden die Taten in Spanien und sonstwo, namentlich solche, die gegen Napoleon verrichtet wurden, als deutsche Ruhmestaten gerühmt. Man kann es noch begreifen, daß Handlungen, die gegen Napoleon gerichtet waren, Beifall fanden und wahrscheinlich noch finden; die Legion wurde aber auch für ganz andere Zwecke gebraucht, die mit deutschen Belangen nichts zu tun hatten oder ihnen sogar zuwiderliefen, wie bei dem Krimkriege gegen Rußland, das von Bismarck moralisch unterstützt wurde.

Gibraltar wurde 1704 von deutschen Truppen besetzt und dann den Engländern übergeben. Es wurde 1779 von Spaniern und Franzosen, die sich besonders viel von ihren Kanonenbooten versprachen, heftig belagert und geriet in die äußerste Gefahr. Hier waren es die Hannoveraner, denen es die Engländer zu verdanken hatten – wie General Elliot (im »Münchhausen« verherrlicht) selbst anerkannt hat –, daß Gibraltar in britischen Händen blieb. Die Belagerung dauerte vier Jahre. Und trotzdem hielt die Besatzung aus, obwohl sie gegen eine achtfache Übermacht zu kämpfen hatte. Außerdem wurden sie von den gefürchteten schwimmenden Batterien, die man für unzerstörbar hielt, auf das schärfste bedrängt. Da erfand ein Soldat aus Hoya, Schwebendiek, eine Abwehr gegen die gefährlichen Feuerschlünde. Die schwimmenden Batterien werden folgendermaßen beschrieben: zehn große spanische Westindienfahrer wurden mit Beschlag belegt und eine ungeheure Menge von Material aller Arten nach Algeciras geschafft, wo die schwimmenden Batterien ausgerüstet werden sollten. Die Kanonen dazu wurden sämtlich zu Barcelona neu aus Metall gegossen. Zum Bau der Batterien wurden allein 200 000 Kubikfuß Holz verwandt. Die zu den schwimmenden Batterien gerichteten Schiffe waren nur auf einer Seite mit Geschütz belastet und auf der anderen Seite mit Ballast beschwert, um den Geschützen das Gleichgewicht zu halten. Die nach der Festung zugekehrte Wand wurde sehr verdickt, mit nassem Segeltuch und Häuten überzogen, Wasserkanäle darin umhergeleitet, viele Pumpen angebracht und alles mögliche getan, um sie gegen Feuersbrunst zu schützen. Gegen Bombenwürfe verteidigte eine sehr starke Bedachung von Bohlen, über welche stumpfwinklige, mit Eisenblech überzogene Dächer angebracht waren, von denen die Bomben hinab ins Meer fallen sollten. Die Schießlöcher wurden so eng als möglich gemacht und mit Eisenblech überzogen, um der Gefahr, Feuer zu fangen, weniger ausgesetzt zu sein. Die Abwehr nun, die Schwebendiek erfand, bestand in einem Ofen, in dem gleichzeitig eine größere Anzahl von Kugeln erhitzt werden konnte. Durch die glühenden Kugeln wurden die Batterien alsbald getroffen. Sie flogen in die Luft; zwei andere Batterien, aus denen das Pulver vorher ins Wasser geworfen war, brannten bis auf den Wasserspiegel ab. Die zehn Batterien wurden in Brand gesteckt und in den Hafen getrieben. Das war im September 1782. Allein auf den Batterien sollen 2000 Mann umgekommen sein. Die Spanier gaben zwar nicht nach und versuchten sogar einen Minengang in den Felsen zu treiben, um die englischen Geschütze, deren niederstes 40 Meter über dem Meere lag, in die Luft zu sprengen. Jedoch ohne Erfolg. So rettete der Hannoveraner Schwebendiek Gibraltar für die Engländer.

Verfolgen wir die weiteren Schicksale der hannöverschen Legion, die zwar gegen Napoleon kämpfte, aber doch für nichtdeutsche Zwecke und Ziele ins Feld geführt wurde! Bonaparte ließ 1803 Hannover besetzen. Die Elbkonvention war die letzte Handlung eines Trauerspiels, durch die das tüchtige, mit Lorbeeren bekränzte hannoversche Kontingent aufgelöst wurde. König Georg III. erkannte jedoch die Konvention nicht an und beschloß, in England eine deutsche Legion zu bilden, in der vornehmlich seine deutschen Landeskinder Aufnahme finden sollten. Die Aufstellung ging zuerst sehr langsam; denn die Franzosen bedrohten die Werber mit dem Tode. Ende 1803 waren 2800 Mann unter den Fahnen, 1812 wurde der Höchstbestand mit 15 000 Mann erreicht. Im ganzen wurden an die 30 000 Mann bis zum Ende des napoleonischen Krieges angeworben. Die Verluste der Legion waren erheblich. Allein bei Kopenhagen verlor sie über q200, vor Bayonne 500, vor Talavera 1200 Mann und bei Waterloo 1470. Man vergleiche hiermit, daß die Engländer bei Waterloo 24 000 britische Soldaten zur Verfügung hatten und in den Jahren 1792-1815 insgesamt nur 5000 Tote britischen Blutes zählten. Mit fünftausend eigenen Opfern haben sie die Weltherrschaft erstritten!

Die erste Unternehmung der Legion fand 1807 statt. Sie besetzte Rügen und Stralsund und belagerte Kopenhagen. Hierauf ging die Legion nach Sizilien und den Küsten des Königreichs Neapel; auch wurde das Bataillon Honsteds gegen die tunesischen Seeräuber verwandt. Als Wellington nach Spanien ging und später in Portugal größere Truppen um sich sammelte, beteiligten sich vier hannöversche Bataillone, nachdem sie vorher noch zu einer verfehlten Fahrt nach Schweden bestimmt worden waren. Eine leichte Brigade unter Oberst von Alten half Wellington, Portugal zu besetzen und in der Gegend von Valladolid einen englischen Angriff gegen Spanien einzuleiten. Napoleon selbst zog ihm 1808 entgegen. Bei strenger Kälte und hohem Schnee marschierte das englisch-hannöversche Heer nach der Küste und schiffte sich nach England ein. Nur die Legion blieb in Portugal zurück unter dem Befehl des Generals Langwerth v. Simmern und des Obersten Löwe. Marschall Soult bedrohte sie von Oporto aus, Marschall Viktor drang gegen Badajoz vor. Allein Wellington, der durch Verstärkungen schließlich bis auf 21 000 Mann gekommen war, drängte zunächst Soult zurück, schob sich dann nach Abrantes vor und siegte, inzwischen durch 35 000 Spanier unterstützt, am 28. Juli 1809 bei Talavera über König Joseph, die Marschälle Jourdan und Viktor und den Verteidiger der Dardanellen, Sebastiani. Die Hannoveraner Langwerth, von dem Bussche, und v. Berger zeichneten sich besonders aus. Nach dem Sieg, der sehr kostspielig gewesen, zog sich Wellington wieder an die portugiesische Küste zurück und verschanzte sich dort. An einer Unmenge von Gefechten und Unternehmungen nahmen die Hannoveraner teil. Weltberühmt ward ihr Reiterangriff bei Garcia Hernandes. Die Hauptschläge geschahen seit 1812. Wellington machte sich bereit, nach Paris vorzudringen. Er schlug Marmont bei Salamanka, wobei die Hannoveraner die stärksten Befestigungslinien warfen und viele Offiziere verloren. Er erstürmte Burgos, schlug am 21. Juni 1813 König Joseph bei Vittoria aufs Haupt, brachte Pampeluna zu Fall und gewann das Jahr darauf Bayonne, eine starke Festung, wobei die Linienbrigade von General v. Hinüber und die leichte Brigade unter von dem Bussche St. Etienne angriff. Der Weitermarsch nach der Loire und nach Paris stieß dann auf keine Hindernisse mehr. An allen diesen Taten hatten die Hannoveraner einen hervorragenden Anteil gehabt.

Auch nachdem Hannover von England getrennt und endlich dem Deutschen Bunde wiedergegeben war, 1837, behauptete sich noch die hannöversche Legion. Sie wurde noch einmal bei einer weltgeschichtlichen Unternehmung im Rahmen der britischen Weltpolitik eingesetzt, im Krimkriege. Die Reste der Legion wurden hierauf in Südafrika angesiedelt, bei King Williamstown, an den Grenzen des Kafferngebietes. Die Siedler sanken von der Höhe ihrer heimischen Kultur tief herab: das Kafferntum färbte auf sie ab. So weit allerdings ist die Erniedrigung bei ihnen nicht gegangen, wie in Natal, wo ich mit eigenen Ohren hörte, wie deutsche Kolonisten – von dem Missionsgebiete des Hannoveraners Harms – sich in Kaffernsprache miteinander unterhielten.


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