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Unter Napoleon.

Hatten schon Ludwig XIV. und seine Nachfolger unzählige Deutsche in ihren Dienst gezwungen, so hat vollends der korsische Eroberer hunderttausende unserer Volksgenossen für seinen unersättlichen Ehrgeiz geopfert. Zwangsweise ließ er in allen deutschen Landen, von der Schweiz bis nach Sachsen, Truppen für seine Kriegszüge ausheben. In größerer Menge zog er derart solche Truppen nach Spanien, wo sie gegen ihre Landsleute von der hannöverschen Legion kämpfen mußten, und später nach Rußland; und zuletzt noch halfen ihm Deutsche, besonders Sachsen, wiederum gegen ihre eigenen Brüder, bei den Befreiungskriegen. Gegen Moskau und das Baltikum allein hat Napoleon 170 000 Deutsche verwendet. Von dem Zuge gegen Moskau, den gar manche deutsche Teilnehmer, darunter der General von Schmidt, ausführlich beschrieben haben, ist noch nicht ein Drittel wohlbehalten wieder heimgekehrt. Außer diesen Massen, die man als erzwungene Reisläufer bezeichnen kann, dienten noch freiwillig gar manche unserer Volksgenossen, durch Abenteuerlust und die ihnen gebotenen Ehren verlockt, unter den Fahnen erst der französischen Republik, dann des Imperators. Die bedeutendsten sind Westermann, Kleber und Kellermann. Pilgerten doch auch begeisterte Zivilisten aus Deutschland nach Paris, um ihren Verstand und notfalls auch ihren Arm dem Triumphe der republikanischen Ideen zu leihen. So namentlich Forster. War die Begeisterung zu verwundern, da selbst ein Schiller von dem trügerischen Lichte der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, das von Paris ausging und das eine verderbliche Feuersbrunst entzündete, geblendet wurde? Freilich hat Schiller seinen Irrtum später eingesehen und hat in der Glocke ihn freimütig bekannt:

Weh denen, die den ewig Blinden
Des Lichtes Himmelsfackeln leihn!
Sie strahlet nicht, sie kann nur zünden
Und äschert Städt' und Länder ein.

Das war ein Bild von den Erfahrungen der französischen Revolution.

Jean Baptiste Kleber war bereits als französischer Bürger zu Straßburg geboren (1753); jedoch, wie aus Goethes Wahrheit und Dichtung hervorgeht, ist Straßburg damals durchaus oder doch wenigstens ganz überwiegend seiner Gesinnung und seinem Gehaben nach deutsch gewesen. Schon mit 16 Jahren kam Kleber nach Paris, um die Baukunst zu erlernen. Zwei Edelleute aus Bayern, denen er im Streite mit Franzosen half, bestimmten ihn dazu, in die Militärschule zu München einzutreten. Hier sah ihn, der hoch und stark gewachsen war, ein österreichischer General, Kaunitz, und er gefiel ihm dermaßen, daß dieser ihm sofort eine Leutnantsstelle in seinem Infanterieregimente verlieh. Kleber zog mit dem Regiment gegen die Preußen, garnisonierte dann in Luxemburg, nahm aber, da er als Bürgerlicher keine Aussicht auf Beförderung hatte, seinen Abschied und kehrte in seine Heimat zurück. Er wurde Bauinspektor in Belfort. Seine Lust und sein entschiedenes Talent zu einer militärischen Laufbahn bewog ihn jedoch dazu, nach geraumer Zeit noch einmal, 1792, und zwar als Gemeiner sich den Freiwilligen vom Oberrhein zuzugesellen. Bald wurde er bemerkt und Adjutant eines Bataillons, das nach Mainz ging. Bei der Belagerung dieser Stadt entwickelte er große Tätigkeit und Kühnheit. In der Schlacht bei Chollet errang er sich den Grad eines Divisionsgenerals. Damals avancierte man sehr schnell. In zwei Jahren vom Gemeinen bis zum Divisionär! Ähnliche Beispiele bietet jedoch die Revolution von damals wie der bolschewistische Umsturz in Rußland von heute ganz häufig. Weil Kleber mit Freimut die Blutbefehle tadelte und den Bürgerkrieg durch eine milde Behandlung der Royalisten beizulegen trachtete, machte er sich dem Wohlfahrtsausschusse verdächtig. Er wurde aus der Vendée entfernt und dafür unter Jourdan in die Maas- und Sambre-Armee eingereiht. Wiederum Divisionär, siegte er bei Fleurus und leitete den Rückzug vor dem Österreicher Clerfait. Im Jahre 1796 nahm er Frankfurt am Main, Streitigkeiten mit dem Direktorium setzten ihn wieder schachmatt. Denn frei, kühn und heftig in Wort und Tat, dagegen ohne den Fanatismus, den eingefleischte Politiker schätzen, hatte er sich viele Feinde zugezogen. In großer Abgeschiedenheit lebte er zu Chaillot bei Paris. Das war ganz günstig für ihn. Denn als das Direktorium am 18. Brumaire gestürzt wurde, war er nicht unter der Zahl der zahlreichen Freunde des Direktoriums, die nach dem ungesunden Cayenne verbannt wurden. Bonaparte suchte ihn jetzt auf und bewog ihn, nach Ägypten mitzukommen. Gleich bei der Einnahme von Alexandrien wurde General Kleber am Kopfe gefährlich verwundet. Hergestellt, begleitete er Bonaparte nach Syrien, eroberte Jaffa und Gaza und gewann die Schlacht am Berge Tabor. Als der Korse beschloß, Ägypten zu verlassen, war er in Verlegenheit, wen er an seiner Stelle zurücklasse. Da er »den gewaltigen Charakter« Klebers fürchtete, trug er Bedenken, ihm den Oberbefehl zu übertragen. Schließlich tat er es aber doch, weil es unmöglich war, einen Besseren zu finden. Man kann nicht ohne schmerzliches Bedauern verfolgen, wie nunmehr Kleber seiner unerquicklichen, undankbaren und unerfüllbaren Aufgabe gerecht zu werden suchte und die Tragik seines Endes beklagen. Von Frankreich gänzlich im Stiche gelassen und ohne Aussicht, nach Europa zurückzukehren, durch die englische Flotte unter Admiral Keith von der See abgedrängt und an der Küste blockiert, faßte Kleber den kühnen Entschluß, Ägypten aufs neue zu unterwerfen. Es war fast wie bei Cortez, der die Schiffe verbrannte, um die Verwegenheit und den Todesmut der Spanier zu steigern. Mit ganz geringen Truppen zertrümmerte Kleber die türkische Armee bei Heliopolis (1800), zügelte das empörte Kairo und war binnen kurzem Herr des Nillandes. Gerade als er daran war, seine Stellung zu sichern und mit den Türken einen Sonderfrieden zu schließen, wurde er, noch nicht ein Vierteljahr nach Heliopolis, von einem türkischen Fanatiker zu Kairo ermordet. Bonaparte war der Tod des Generals erwünscht; denn dieser wäre möglicherweise sein bedeutendster Feind geworden.

Franz Christoph Kellermann wurde 1735 zu Wolfsbuchweiler bei Rothenburg ob der Tauber geboren. Die Familie stammte aus Sachsen. Wie und warum Kellermann nach Frankreich verschlagen worden, kann ich aus meinen Quellen nicht ersehen. Vom Kadetten an stieg er in der französischen Armee bis zum Feldmarschall. Nur zu oft hatte er gegen sein Vaterland zu fechten, so schon im Siebenjährigen Kriege und dann während der Revolution. Er gewann die Kanonade von Valmy, von der der anwesende Goethe sagte: von hier und von nun an beginnt eine neue Epoche der Weltgeschichte! Hinfort ist Kellermann als der Herzog von Valmy bekannt. Die Sansculotten kannten jedoch keine Dankbarkeit. Sie warfen ihn zehn Monate lang ins Gefängnis. Erst nach dem Sturze Robespierres kam er frei. Sofort erhielt er den Oberbefehl über die zerlumpten Scharen der Sansculotten in den Alpen und Italien. Sein Nachfolger wurde Scherer, dessen Name gleichfalls auf deutsche Abkunft weist, und Bonaparte. Unter Napoleon wurde er Senator von Colmar und hatte die Reservearmee am Rhein zu führen, worauf er die Herrschaft Johannisberg mit den berühmten Wingerten bekam. Später schenkte sie Napoleon an Metternich, dessen Familie das herrliche Weingut noch jetzt besitzt. Später unterwarf sich Kellermann den Bourbons und wurde Pair von Frankreich. Sein Sohn, zu Metz geboren, brachte es schon in der Frühzeit Bonapartes zum General und kämpfte bei Austerlitz, sodann unter Junot 1807 in Portugal, endlich während der Freiheitskriege bei Bautzen. Unter den Bourbons wurde er Generalinspekteur der Kavallerie. Wiederum ward auch dessen Sohn, der Enkel des ersten Herzogs von Valmy, den Franzosen nützlich, jedoch als Diplomat und als Parlamentarier, als Abgeordneter für das Departement Toulouse.

Von den zahlreichen Zivilisten, deren Geschick sich mit dem der französischen Revolution verwickelte, nennen wir lediglich Forster, den Sohn des Naturforschers und Weltreisenden, der für Katharina II. ihr linguistisches Steckenpferd ritt und außerdem die von ihr gewünschte Ansiedlung von Deutschen bei Saratow überwachte, und der dann in England lebte und von dort Cook auf seiner zweiten Entdeckungsreise begleitete. Johann Georg Forster ward 1754 bei Danzig geboren und ging, halb erwachsen, mit seinem Vater nach Saratow, lebte dann in Petersburg, in London, in Warrington und schloß sich ebenfalls Cook an. Hierauf war er eine Zeitlang Lehrer der Naturgeschichte in Kassel, sodann in Wilna, in Litauen. Als Katharina 1787 eine Weltreise veranstalten wollte, ernannte sie ihn zum Historiographen dieser Unternehmung. Wegen eines Türkenkriegs unterblieb jedoch der Plan. Forster wandte sich nach Deutschland zurück und wurde Bibliothekar beim Kurfürsten von Mainz. Als 1792 die Franzosen die Stadt nahmen, wurden sie von der schwarmgeistigen, leicht erregbaren Bevölkerung jubelnd begrüßt. Die Mainzer schickten Forster nach Paris, um die Vereinigung der Stadt mit Frankreich beim Konvente nachzusuchen. Nun aber rückten die Preußen an und eroberten Mainz zurück. Forster verlor alle seine Habe, auch seine Bücher und Handschriften. Er trennte sich von seiner innig geliebten Gattin, einer Tochter des Philologen Heyne in Göttingen, die mit Willen ihres Mannes einen Freund Forsters, namens Huber, heiratete, und beschloß nach Indien zu gehen. Zunächst jedoch reiste er abermals nach Paris, um morgenländische Sprachen zu studieren, und starb dort 1794 als Opfer der Aufregungen und Anstrengungen der letzten Jahre. Er war ein liebenswürdiger und hochbegabter Mann, der einen vortrefflichen flüssigen Stil schreibt, – »in seiner Prosa verbindet sich französische Leichtigkeit mit englischem Gewicht« – der aber unstet und fahrig und allzu leichtgläubig und begeisterungsfähig war.


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