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Abenteurerinnen.

Die Geschichte weiß von vielen deutschen Frauen, die sich im Ausland auf die Höhen der Menschheit schwangen, und sie weiß leider von einer noch viel größeren Menge solcher, die zu den Tiefen der Menschheit sanken. Kein Volk der Welt hat dem Auslande so viele Fürstinnen gegeben, wie das deutsche, und keines so viele Wesen, die sich jenseits der Grenzen der Menschheit verirrten. Von der mittleren Linie ist dagegen wenig zu berichten. Höchstens könnte man die Heldinnen rühmen, die im 17. und 18. Jahrhundert gegen die wilden, skalpgierigen Indianer ankämpften, und solche, die sich in Südafrika gegen die Kaffern verteidigten, wie eine nicht geringe Zahl solcher, die sich einst im Kaukasus und Sibirien, in Südrußland und an der Wolga gegen Tataren und Raubtiere, zuletzt gegen die Bolschewiki unter den schlimmsten Begleiterscheinungen zu wehren hatten.

Den englischen Forschungs- und Weltreisenden weiblichen Geschlechts, wie Isabella Bird, die Persien, Indien, den Malayischen Archipel, Ostasien und das Indianergebiet durchstreift hat, und Mrs. Sheldon, die ein Buch »Von Sultan zu Sultan« schrieb – es handelt sich um eine Reise nach dem Kilimandscharo –, können wir Ida Pfeiffer und Frau Selenka, die sich beide mit Unerschrockenheit unter den Kannibalen Borneos bewegten, ferner Marie von Bunsen, Thea Kaiser und die Albanienforscherin Baroneß Godin zur Seite stellen. Wir haben zwar keine Lady Esther Stanhope, die Nichte des großen Pitt, die zuerst einen Räuberhauptmann auf dem Balkan und dann einen arabischen Emir heiratete und bis zu ihrem späten Lebensende unter den Beduinen des Hauran lebte; allein wir weisen mit Stolz auf die noch in unserer Mitte weilende Frau Förster-Nietzsche, die einst (1885) eine deutsche Auswandererschar in Paraguay nach dem Tode ihres Mannes, des Schöpfers jener Kolonie, leitete und darob die ungekrönte Königin von Paraguay genannt wurde. Wir haben zwar die Prinzessinnen Ena Battenberg und May Teck und Melusine von der Schulenburg an England abgegeben, und eine unübersehbare Reihe von Prinzessinnen an Rußland und Skandinavien, dafür haben wir eine Katharina von Zerbst, die aus eigener Kraft russische Kaiserin und die unglückliche Koburgerin, Charlotte, die Kaiserin von Mexiko wurde. Nicht weniger unglücklich war Alix von Hessen, die als Zarin ermordet wurde. Merkwürdigerweise ist, soviel mir bewußt, keine einzige Deutsche jemals auf den Thron oder in den Harem eines orientalischen Fürsten gelangt, weder in der Türkei noch in Persien, noch in Ostasien, während alle möglichen anderen Europäerinnen zu verschiedenen Zeiten Favoritinnen des Padischah wurden, und eine Engländerin am koreanischen Hofe mächtigen Einfluß erlangte. (Die Dame, die um die Wende des Jahrhunderts nach Söul kam, hieß amtlich Lady Om; ihren richtigen Namen hat man nicht erfahren.) Die einzige Ausnahme macht für uns eine Wienerin, die in den Harem des Khediven geriet und dort sehr ehrenvoll gehalten wurde. Daß es je eine deutsche Lieblingsfrau eines Maharadscha, eines tunesischen Dey oder des marokkanischen Großscherifen gegeben habe, ist mir wenigstens nicht bekannt. Wer etwa davon weiß, trete als Zeuge vor! Dagegen gab es genug solche Frauen englischen und französischen Bluts.

Von dem, was wir in jedem Betracht mittlere Geschicke nennen können, ist wenig zu vermelden. Indes, wieviel Hofdamen, die einer deutschen Herrscherin auf ausländische Throne folgten, mögen sich dort an einen Ausländer verheiratet haben. Emilie von Berlepsch ließ sich von dem weimarischen Kammerherrn von Knebel entführen. Da der Weimaraner verheiratet war, so griff er zu einer List. Er schaffte sich eine tödliche Krankheit an und tat, als ob er sterbe, während der leere Sarg, das Kenotaphion, in die Gruft gesenkt wurde, entfloh er mit seiner Liebsten nach Ägypten. Dort scheint er verschollen zu sein. Der Vorgang hat offenbar (obwohl sich das in keiner Literaturgeschichte findet) Jean Paul zu der gleichen listigen Tat des Armenadvokaten Siebenkäs angeregt. Von anderen Schicksalen könnten wir etwa die deutschen Frauen von Amasia in Nordanatolien anführen, die seit einem Menschenalter armenisiert worden sind, oder Helene Nöhlau, die, um mit dem geliebten Manne eine Bigamie zu ermöglichen, vorübergehend Türkin wurde, endlich die Gräfin Pfeil, die den japanischen Gesandten in Berlin, Aoki, ehelichte, sowie verschiedene Berlinerinnen und Hamburgerinnen, die sich mit höheren japanischen Beamten verbunden haben. Die Ehen sind durchweg gut ausgefallen; jedoch ist nicht zu leugnen, daß die Kinder dem Japanertume anheim gefallen sind, wenn auch noch geraume Zeit der deutsche Einschlag in der gesamten Lebenshaltung greifbar hervortrat.

Schließlich erinnern wir uns an eine Fürstin Hatzfeld, die den Sohn eines amerikanischen Eisenbahnmagnaten, des John P. Huntington, des Präsidenten der Southern Pacific, geheiratet hat.

Außerordentlich unerfreulich ist die Kehrseite der Medaille, die wir aber auch betrachten müssen, wenn wir nicht wesentliche Züge in dem Gesamtbilde deutscher Reisläuferei verschweigen wollen: die Ehen, die deutsche Frauen mit Schwarzen eingingen und noch eingehen, und der Mädchenhandel, bei dem unsere Volksgenossinnen eine überragende, aber wenig beneidenswerte Rolle spielen. Die verschleppten deutschen Mädchen betrifft man in allen Städten und Häfen Europas, betrifft sie in allen überseeischen Ländern von Valparaiso und S. Franzisko bis nach Batavia und Sibirien. Nur in Süd- und Ostasien sind sie glücklicherweise fast gar nicht vorhanden, da die japanische Konkurrenz dort zu stark ist. Der Mädchenhandel wird, außer in Ostasien, fast ausschließlich von Juden betrieben. Er hat nicht wenig dazu beigetragen – genau wie die Wirksamkeit der deutschen Juden überhaupt – den deutschen Namen in der Welt verächtlich zu machen. Die Westmächte, die Hüterinnen der Zivilisation, haben zwar eine große Organisation ins Leben gerufen, um den Mädchenhandel zu bekämpfen, haben ein Komitee aus den angesehensten Völkerrechtslehrern, Diplomaten und anderen höheren Beamten berufen, das dann Jahr für Jahr in irgendeiner europäischen oder amerikanischen Hauptstadt zusammentrat. Die Organisation hat sich jedoch damit begnügt, regelmäßig hochtönende Beschlüsse zu fassen; durchgreifende Taten hat sie in keiner Weise getan.


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