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Frühzeit der Einwanderung nach Amerika.

Nachdem schon eine große Menge unserer Landsleute am Hudson und am Delaware eine neue Heimat gefunden, bekam die deutsche Auswanderung eine bestimmte Richtung. Was sich in den alten Zuständen nicht wohl fühlte, wanderte nach Amerika. Dazu kamen die unaufhörlichen Kriege Ludwigs XIV., seine Verwüstung der Pfalz, um eine Auswanderung zu beschleunigen. Der spanische Erbfolgekrieg vermehrte noch die Leiden und in seinem Gefolge zogen Hunger und Seuchen. Daher flohen in jenen Jahren manche Familienväter über das Meer. Es kam der gräßliche Winter von 1709, wo die Vögel in der Luft und das Wild in den Wäldern erfroren und die Menschen verhungerten. Da verzweifelten viele am Leben, und als die Einladung der englischen Königin Anna, eine freie Überfahrt nach Amerika und gutes Land umsonst zu gewinnen, den Rhein entlang verkündet wurde, brach man in Masse auf: ein Zug von mehr als 30 000 Deutschen, welcher ein Denkmal des deutschen Elends ist. Von ihrem Vaterland verlassen, erduldeten die meisten dieser Auswanderer furchtbare Not und gingen dennoch unter. Hätte nur einer der ländersüchtigen Fürsten die Einsicht oder den Mut dazu aufgebracht, er hätte mit diesen Menschenkräften weite Strecken Landes für Deutschland erobern können.

Zahlreiche Scharen von Pfälzern zogen den Rhein hinunter und durch Holland nach London. Schiff auf Schiff kam an, und zuletzt waren 32 468 Deutsche in Lagerhütten auf der Schwarzenhaide versammelt. Die Engländer erschraken. Sie hatten nur einige wenige Deutsche nach Amerika ziehen wollen. Von diesen Scharen aber fürchteten sie für ihre eigene Herrschaft in jenem Lande; außerdem waren nicht genug Schiffe zur Überfahrt nach Amerika da. Die Folge war eine entsetzliche Not und größtes Elend unter den deutschen Auswanderern. Ohne Brot, ohne Freunde im fremden Land, das ihre Sprache nicht verstand, ohne Hoffnung für die Zukunft, zogen die Männer bettelnd in den Straßen von London umher und ihre Weiber und Kinder lagen draußen, zum Teil unter freiem Himmel, hungernd und nackt. Manche Londoner fühlten Erbarmen und brachten Speisen und Decken; namentlich die Quäker halfen, wie sie das nach 1919 auch getan haben. Die Quäker wußten nämlich von ihren Glaubensgenossen Penn, wie hoch die Deutschen in Pennsylvanien zu schätzen seien. Auf der anderen Seite gab es genug gefühllose Menschen, die eigens hinauskamen auf die Haide, um sich am Jammer der Deutschen, die vordem in England geehrt und gefürchtet waren, zu weiden, um sie mit rohem Gelächter zu verhöhnen. Britische Geistliche witterten eine Unternehmung der Papisten gegen die englische Hochkirche und hetzten gegen die Ankömmlinge. Ein Haufe von 2000 Engländern aus den untersten Schichten brach in das Lager der Pfälzer mit Äxten, Sensen und Schmiedehämmern ein und schlug nieder, was sich nicht flüchtete. Den verdammten Papisten, schrieen die Angreifer, wollten sie den Nacken brechen. Nun waren damals zu London fünf Indianerhäuptlinge aus dem Stamme der Mohawk. Sie wollten Hilfe gegen französische Kanadier verlangen. Diese Indianer begaben sich nun auch auf die Schwarzenhaide, schauten die Not der Heimatlosen, und hörten durch Dolmetscher, daß die armen Leute nichts weiter verlangten, als Grund und Boden in Amerika. Sie luden sie ein, zu ihnen an den Shohari zu kommen, und sie machten der Königin Anna eine Schenkung von reichen Jagdgründen, ausdrücklich für diese Deutschen. Wie aber hinkommen? Inzwischen nahte der Winter und nirgendwo regte sich eine mächtige Hand, um den Unglücklichen beizustehen. Beinahe 4000 der Auswanderer wurden zuletzt mit ihren Geistlichen nach Holland und den Hansestädten zurückgebracht. An 1600 wurden dazu bestimmt, die unwirtlich rauhen Scilly-Inseln anzubauen; deren Bewohner wollten aber ihren kärglichen Boden und ihr bißchen Armut nicht mit Fremden teilen und trieben sie zurück. Ungefähr 2000 Pfälzer sollten sich in Sunderland niederlassen und in die Bergwerke gehen, aber auch sie wurden übel aufgenommen und wurden nach einiger Zeit, nebst ihren Leidensgefährten aus den Scillyinseln, wieder nach Deutschland heimgeschickt, ärmer und ratloser als zuvor. Um weitere Abhilfe zu schaffen, wurde ein Haufen von 4000 Deutschen nach Irland gebracht und dort auf den wüsten Ländereien der Grafschaft Limmerick angesiedelt. Man nannte sie noch 1820 Pfälzer. Sie zeichneten sich vor den damals verkommenen Irländern vorteilhaft durch guten Landbau, Ehrlichkeit, sowie durch ihre deutsche Sprache aus. Von den übrigen mehr als 20 000 Deutschen ist etwa die Hälfte im Sommer 1710 von der englischen Regierung nach Amerika gebracht und wohlweislich durch alle ihre dortigen Provinzen zerstreut worden. Die anderen sind in England oder auf dem Meere umgekommen. Mehr als 5000 nahm der Statthalter Hunter mit, als er nach Neuyork abging. Sie gingen den Hudson hinauf bis jenseits der Hochlande und gründeten dort, etwa hundert Meilen von Neuyork, auf jeder Seite des Stromes drei Dörfer. Etwa 150 Familien zogen im Frühjahr 1714 nach dem Gebiet der Mohawks am Shoharie. Dort hatten sie anfangs nur Nüsse und wilde Kartoffeln zu essen, besaßen auch sonst weder Lebensmittel noch Geräte. Doch allmählich erarbeiteten sie sich Häuser und Höfe mit hübschen Wiesen und Äckern. Da aber erklärte der Statthalter Hunter, der ein gemeiner Leuteschinder und Blutsauger war, er habe das Waldland, ehe sie es in Bebauung genommen, bereits an sieben Handelsherren verkauft gehabt, sie hätten daher kein Recht an ihrem Lande und müßten es entweder sofort räumen oder pachten und kaufen. Vergebens stellten die bestürzten Leute die Ungerechtigkeit solcher Forderungen vor und die Tücke, mit der man sie behandelt habe; niemals hätten sie von dem Verkaufe ihrer Ländereien gehört, die ihnen von den Indianern nicht nur ausdrücklich überlassen, sondern sogar zum Geschenk gemacht worden seien. In ihrer Bedrängnis schickten sie sogar drei aus ihrer Mitte, Weiser, Schaff und Walrath, nach London.

Diese fielen aber schon in der Delaware-Bai Seeräubern in die Hände und wurden mißhandelt und ausgeplündert. Ihr Schiff mußte nach Boston zurück. Doch endlich gelangten sie elend und zerlumpt in England an; da aber war die Königin Anna gestorben und ihnen kein Freund übergeblieben, als die deutschen Hofprediger in St. James. Hunter aber und die sieben Handelsherren wußten sich unter den jüngeren Leuten am Shoharie eine Partei und ebenfalls Abgeordnete nach London zu verschaffen, welche bei dem König und seinen Ministern jene drei Alten ausstachen. Diese kamen ins Schuldgefängnis, einer starb, die beiden anderen wurden, als endlich Geld von ihren Freunden aus Amerika ankam, ausgelöst. Nun aber ruhten sie nicht – denn, heißt es, »sie hatten beide harte Köpf'« – bis Hunters Nachfolger wenigstens dies anbefohlen wurde, dasjenige Land, das von der indianischen Schenkung herrührte, den Deutschen zu belassen. Ihre besten Grundstücke aber sollten sie abgeben oder einen hohen Preis hierfür bezahlen. Der wahre Grund, weshalb die englische Regierung die Bedrückung der Deutschen geschehen ließ, war die Furcht, sie möchten mit ihren Freunden, den Indianern, zu mächtig und der Abhängigkeit überdrüssig werden.

Am Shoharie kam es nun zu blutigen Schlägereien und Verfolgungen der Deutschen von seiten des Statthalters. Fortan kam der Staat Neuyork durch diese Vorgänge bei den deutschen Einwanderern in Verruf, und sie gingen fast alle nach Pennsylvanien.

So wurden jene 5000 unserer Landsleute, welche 1710 nach Neuyork gebracht wurden, die Anfänge einer Reihe von deutschen Niederlassungen, welche, jenseits der Hochlande des Hudson beginnend, die Straße der Weißen durch die Jagdgründe der Indianer nach den Seen führten. Denn die nachkommenden Deutschen ließen sich in der Regel da nieder, wo schon ein paar von ihren Landsleuten saßen. Freilich wurden gerade diese deutschen Ansiedlungen ihrer weit vorgeschobenen und hingezogenen Lage halber in den Indianer- und Franzosenkriegen auf das härteste mitgenommen. Im Jahre 1758 wurden z. B. die German Flats zweimal von einer Übermacht der Indianer und Franzosen überfallen und verwüstet. Was sich nicht rettete, wurde erschlagen oder mit den Herden in die Wälder geführt.

Inzwischen wurde Pennsylvanien, sowie Virginien und die beiden Carolinas mit einem Netz deutscher Ansiedlungen überzogen. Die Einwanderer gediehen bald und »wurden fröhlich«, zeichneten sich jedoch bis auf den heutigen Tag durch »starken Eigensinn« aus, sowie nicht minder durch Freiheitsliebe in bürgerlicher und religiöser Beziehung. Die acht Grundherrn, welchen die Landschaft Nordcarolina gehörte, sorgten, daß gegen 1800 von den Deutschen dahingebracht wurden. Diese gründeten am Zusammenfluß der Neuse und Trente Neubern mit verschiedene Ansiedlungen in der Nachbarschaft. Andere Deutsche kamen auf eigene Faust teils aus Pennsylvanien, teils aus Europa herüber. So machten sich 1708 Christoph von Graffenried und Ludwig Michel aus Bern auf den Weg nach Amerika. Beide waren kühne und schlaue Männer und machten sich bald einen Namen. Auf ihre Stutzen sich verlassend, kreuzten sie in den unbekannten Wäldern hin und her bis weit über die letzten Ansiedlungen hinaus. Die Indianer fürchteten beide und gestatteten es, daß sie sich ein befestigtes Haus in ihrer Mitte bauten. Graffenried hatte 15 000 Acker für die Deutschschweizer gekauft und wurde nun der Anführer der Deutschen in Nordamerika. Auf einer seiner Entdeckungsfahrten in das Innere des Landes kam er in schlimme Gefahr. Er fuhr mit dem Oberlandmesser Lawson in einem Boote die Neuse herauf, da wurden sie eines Abends von etwa sechzig Indianern überfallen und die Nacht hindurch in den Wäldern herumgeschleppt und schließlich den Häuptlingen der versammelten Indianer überliefert. Zwei Tage hielten diese feierliche Beratung über ihr Schicksal und bestimmten ihnen endlich den Kriegertod auf dem Scheiterhaufen. Man band sie an den Pfahl und legte brennendes Holz im Kreise um sie her. Vor ihnen saßen die Häuptlinge in zwei Reihen und hinter diesen tanzten die anderen Wilden. Da rief Graffenried: ob sie den König eines Volkes ermorden wollten, welches mit den Engländern nichts zu schaffen habe? Und als ihm die Häuptlinge näher zuhörten, da erzählte er ihnen so wunderbare Geschichten von seiner Macht, so daß sie ihn vom Pfahl und aus dem Feuerkreise nahmen und ihn voll gläubiger Verehrung zuletzt ungekränkt weiter ziehen ließen. Lawson aber wurde verbrannt. Nachdem er fünf Wochen in den Händen der Indianer gefangen gewesen, kam Graffenried zu den Seinigen zurück. Aber was sah er? Wohin er kam, nur verbrannte Hütten und Gebeine. Unsere Landsleute waren dahin verlegt, wo sie den ersten Anfall der feindlichen Indianer empfangen und brechen mußten. Die Wilden hatten sich ohne Aufsehen zusammengerottet und beschlossen, vorsichtig die Weißen zu überfallen und nicht zu ruhen, als bis der letzte vertilgt sei. Graffenried aber war in eben jener Versammlung der Häuptlinge zurückgehalten worden und unterdessen ging das Mordwerk vor sich. Am 22. September 1711 begannen die Überfälle.

Die zerstreuten Häuser der Deutschen wurden des Nachts umzingelt und niedergebrannt. Die Indianer wurden zwar später mit Hilfe von englischen Soldaten zurückgedrängt und die Ortschaften der Deutschen mit Befestigungen umzogen; allein sie waren bereits zu geschwächt und durch das gelbe Fieber, das im Spätherbst desselben Jahres unter ihnen wütete, wurden sie fast völlig aufgerieben. Im ganzen ist sonach der Ausgang jener Massenwanderung der Deutschen nach Amerika in den Jahren 1709 und 1710 höchst unglücklich gewesen. Die Mühsale der Wanderschaft, die Hartherzigkeit der Engländer, die weitgedehnte Zerstreuung durch alle Provinzen, die Mordsucht der Indianer – alles das vereinte sich, um nur zu viele von denen zu verderben, die von ihrem Vaterland verlassen und aufgegeben worden waren.

Trotz alledem war die Einwanderung im Wachsen. Einige Berichte der damaligen Zeit mögen darüber belehren: James Logan, Sekretär der Provinz Pennsylvanien, schreibt 1717: »Es sind in letzter Zeit viele Pfälzer zu uns hereingekommen, ohne irgendeine Empfehlung oder Benachrichtigung, und wollen Land haben. Wir erwarten zudem täglich Schiffe von London, die noch andere Pfälzer herüberbringen in einer Anzahl von sechs- bis siebentausend. Unsere Freunde wachsen mächtig an und ein zahlreiches Volk ist nunmehr in der Wildnis, welche schnell ein fruchtbarer Acker wird.« Es verging kein Jahr, ohne daß eine Anzahl von Schiffen mit Deutschen nach Philadelphia kam.

Die Anfänge der Deutschen in Amerika waren kläglich und verzweifelt. Sie waren eine Ausgeburt des Elends. Trotzdem waren diese Kinder der Not die Begründer von Siedlungen, die in der Folge mächtig aufblühten und die Millionen von Menschen Unterkunft und Nahrung gaben. Es erwuchsen deutsche Kolonien am Hudson, am Shoharie, am Mohawk. Die Zahl unserer Landsleute allein in Pennsylvanien war 1742 schon auf hunderttausend gestiegen. Schon gab es Jahre, in denen mehr als 10 000 Deutsche in der Neuen Welt landeten, so 1749, während das Jahr 1759 sogar 22 000 Süddeutsche wie Treibholz an die Gestade Amerikas warf. Es waren jetzt meist keine regelrechten, von erfahrenen Männern geleitete Siedlungen mehr, sondern das wahllose Überquellen eines Stromes, der sich bald hierhin, bald dorthin ergoß, um hier einen großen Teich zu bilden, dort zu versickern. »Haufen verwegener und armer Fremdlinge, von denen viele als Soldaten gedient hatten, gingen auf die besten noch unbesetzten Landstriche und bemächtigten sich derselben als freier Beute«; machte man ihnen das Besitzrecht streitig, so reckten die alten Kriegsknechte ihre Fäuste: sie würden ihr Land schon verteidigen! Tatsächlich dachte die englische Regierung schon daran, die Deutschen zu eigenen Regimentern mit deutschen Offizieren zusammenzuziehen.

Freilich waren nicht längst alle so hochgemut, wie die ehemaligen Krieger; gar manche kamen aus Hunger und Not in der Alten Welt, und endeten in Schmutz und Not in der Neuen Welt. Auch tat sich eine ganze Klasse von Schwindlern auf, den Anlockern und Seelenverkäufern, die eine richtige Menschenjagd betrieben, um Auswanderer unter den schmählichsten Bedingungen anzuheuern. Dieser Auswurf von Spielern und Schatzgräbern, Werbern und Sklavenhändlern wie abenteuernden Schiffsmeistern, von denen im 18. Jahrhundert alle Häfen wimmelten, Gesellen ohne Treu und Glauben, aber dreist und durchtrieben, nannte sich selbst die »Neuländer«. Sie widmeten sich allen möglichen Geschäften. Sie brachten Waren nach Amerika; sie erhoben dort Gelder und Erbschaften; sie versorgten die Farmen mit Arbeitern. In Deutschland zogen sie auf Kirmessen und Jahrmärkten und Vogelschießen umher und hielten ihre Zuhörer in den Wirtshäusern frei. Dabei trugen sie großen Kleiderprunk zur Schau, zogen oft ihre dicken Golduhren heraus und ihr Mund floß über von den Wunderdingen der Neuen Welt. Glaubte man ihnen, so lagen dort Bergwerke von Silber und Gold und Diamanten; jeder Knecht würde dort ein Herr, jede Magd eine gnädige Frau, der Bauer ein Edelmann, der Bürger ein Graf. Gesetze und Obrigkeit mache man sich nach Gutdünken. Die Leute, die durch derlei Reden gewonnen waren, verkauften nun ihre Habe, dabei stets von dem Neuländer beraten, der ihr Geld in Verwahrung nahm, und der für sie die angeblich nötigen Waren einkaufte. Nun kommt die Kehrseite! Schon wird den Auswanderern die Rheinfahrt angerechnet. In Holland müssen sie auf die Abfahrt warten, manchmal monatelang, doch der Neuländer bezahlt alles, und die Reeder geben Vorschuß. Die Siedler unterschreiben einen Vertrag, daß sie die Reisekosten mit Geld und Arbeit bezahlen wollen. Die Schrift ist englisch, was sie nicht verstehen, allein ihr Landsmann, der Seelenverkäufer, sagt ihnen, alles sei in Ordnung, und er werde schon zusehen, daß sie nicht betrogen würden. Nun fängt das Elend an auf der See. In üblen Räumen, schmutzigen Ställen eingeschlossen, inmitten von Schmutz und Ungeziefer, verlacht vom rohen Schiffsvolk, werden sie durch Krankheiten zermürbt und sterben wie die Fliegen. Der Seelenverkäufer gibt abermals Vorschüsse, um das teure Essen, um Arzneien und Erfrischungen zu bezahlen. Jetzt kommen sie drüben an der Küste an. Die Ärzte stellen sich ein und bestimmen, in wieviel Wochen das Schiff noch nicht verlassen werden dürfe, denn gewöhnlich ist es verseucht. Endlich dürfen die, welche die Seuche verschont hat, ans Land. Sie atmen auf. Sie werden in langer Reihe zu dem Rathaus geführt und müssen dem englischen Könige huldigen. Dann aber müssen sie wieder auf ihr Schiff der Qualen zurück. Die Zeitungen verkünden, so und so viel Deutsche seien zu verkaufen. Jeder kann die Sklaven erstehen, wer für ihre Fracht und die aufgelaufenen Schulden aufkommt. Ein offener Markt wird auf dem Schiffe in Szene gesetzt. Wer einen Knecht, eine Magd braucht, geht hin und sucht sich das passende aus. Die Auswanderer werden wie Sklaven betastet und beurteilt. Ein Vertrag wird aufgenommen, der auf eine Anzahl von Jahren die armen Auswanderer dem oder jenem Käufer als Eigentum zuschlägt. Wer hilft den Verlassenen? Der Neuländer, der Seelenverkäufer, hat sich schon längst aus dem Staube gemacht. Der Schiffsmeister, der Richter, die Käufer, alle sind sie einverstanden, die geringgeachteten Deutschen zu betrügen. Wer sich widersetzt, wird mißhandelt. Endlich erklären sich die Gepeinigten zu allem bereit; ihre letzten Sachen und Waren verschleudern sie für ein Butterbrot, nur um ans Land zu kommen. Es gab sogar Großunternehmer für diesen Menschenhandel, »Seelentreiber«. Sie kauften die Einwanderer in Haufen von Fünfzig und mehr von den Schiffsmeistern und zerstreuten die Haufen im Land, um sie zu verhandeln. Oft hören die Verwandten nie mehr voneinander. Am schlimmsten geht es den Alten und Gebrechlichen. Man nimmt sie nur mit in den Kauf, wenn ihre Kinder für sie um so länger dienen wollen; dann müssen sie aber oft den Zorn und die Erbitterung ihrer Kinder ertragen, denen die besten Jahre im Sklavendienste verfließen. Manche auch gehen betteln, und treiben sich elend auf den Straßen umher, die Strafen der Hölle auf die Seelenverkäufer herabfluchend. Die alten Ansiedler aber, zumal die englischen, verschließen vor ihnen die Tore, weil sie sich vor Ansteckung und Seuchen fürchten. In einem Fahrzeuge, das gegen 1750 drüben ankam, hatten sich einmal 412 Deutsche eingeschifft: davon erreichten nur 180 lebend die Gegenküste, und von diesen starben noch viele gleich nach der Landung. Das ist nur ein Beispiel.

Es gab jedoch drüben noch andere Anfechtungen mannigfacher Art. Wie am Schohari, so wurde nur zu oft den Ansiedlern, nachdem sie sich wacker geplagt, den Urwald zu roden, das Besitzrecht an ihrem Boden bestritten. Ebenso ungern sahen es die Engländer, wenn in ihren amerikanischen Kolonien Fremde zu politischem Ansehen gelangten. So brachte Jacob Heißler aus Frankfurt am Main es zwar bis zum Gouverneur in Neuyork, wurde aber von Feinden verfolgt, angeklagt und hingerichtet. Das war Ende des 17. Jahrhunderts. In späterer Zeit kamen die Knownothings, die Nichtswisser, auf, die das Recht der britischen Siedler betonten und von anderen überhaupt nichts wissen wollten. Die Knownothings veranstalteten förmliche Menschenjagden in den Städten auf deutsche Bürger und töteten viele.


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