Christoph Martin Wieland
Göttergespräche
Christoph Martin Wieland

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VII.

Flora, Antinous.

Flora. Warum so einsam und so düster, schöner Antinous?

Antinous. Ich würde vielleicht weniger düster sein, wenn ich einsamer wäre, schöne Flora.

Flora. Wiewohl das Kompliment nicht das verbindlichste ist, so finde ich es an deinem Platze so natürlich, daß ich mich nicht dadurch beleidigt halten kann. Es ist ein wahres Unglück gar zu liebenswürdig zu sein.

Antinous. Niemand kann ein größeres Recht haben dies zu sagen, als die schöne Flora.

Flora. Wozu diese erzwungene Galanterie? Glaubst du, ich könne so wenig Wahrheit ertragen, daß du mich gleich wieder streicheln müssest?

Antinous. Ich habe darum nicht weniger Augen, ob sie gleich ihr Gefühl meinem Herzen nicht mitteilen können. Ich sehe so gut als irgend ein anderer, wie liebenswürdig du bist, wiewohl keine Statue, deren Augen ein Gott mit Sehkraft begabte, kälter bei deinem Anblick bleiben könnte als ich.

Flora. Ich begreife dies vollkommen. Gerade so, schöner Antinous, geht es mir mit dir. Ich höre, seitdem du hier angekommen bist, alle unsre Göttinnen mit Entzücken von dir sprechen. Sie versuchen es nicht einmal, die Regungen zu verbergen, die du ihnen einflößest. Sogar die alte Cybele heftet kleine funkelnde Augen auf dich, und gesteht daß der schöne Attis nicht so reizend war als du. Ich allein finde nichts in meinem Herzen, das mir begreiflich macht, wie man dich mit allen deinen Reizungen lieben kann.

Antinous. Das ist nicht sehr schmeichelhaft für mich.

Flora. Spotte meines Unglücks nicht, Antinous! Wie gern wollte ich das Glück zu fühlen sogar mit der Qual ungeliebt zu lieben erkaufen!

Antinous. Du kennst vermutlich diese Qual nur von Hörensagen?

Flora. Dafür gibt es ein andres Unglück, womit ich nur zu sehr bekannt bin –

Antinous– Von jedermann mit Liebe verfolgt zu werden, ohne jemand zu finden, der sie dir hätte mitteilen können? Nicht wahr?

Flora. Ich kenne kein größeres.

Antinous. Du bist, wie es scheint, nie bis zur ausschweifendsten Schwärmerei von einem Einzigen, und von einem Einzigen, dem die ganze Welt zu Gebote stand, geliebt worden, und genötigt gewesen seine Liebe zu dulden, ohne sie erwidern oder nur durch die mindeste Teilnehmung dir selbst erträglich machen zu können: denn da hättest du ein noch größeres Unglück gekannt.

Flora. Ist es ein Fluch, den irgend ein mißgünstiger Dämon auf die Schönheit gelegt hat? oder liegt es in der Natur der letztern, nichts außer sich zu bedürfen, und in völlig befriedigter Selbstgenügsamkeit die Huldigung der Sterblichen, als etwas das ihr gebührt, anzunehmen, ohne sich dadurch geschmeichelt zu fühlen? Ich habe es nie recht ins klare bringen können: aber das weiß ich, daß ich mir oft gewünscht habe häßlich zu sein.

Antinous. Welch ein Wunsch!

Flora. Erträglich häßlich, versteht sich; – ungefähr wie mir die meisten Personen meines Geschlechts vorkamen, wenn ich sie neben mir in einem Spiegel erblickte. Es ist wahr, eine Häßliche flößt nicht leicht Liebe ein: aber wenn es ihr begegnet, so wird sie auch dafür bis zum Unsinn geliebt; und dies muß ein Genuß für sie sein, dem keine andere Wonne gleicht.

Antinous. Wie so?

Flora verwundert. Wie so? Ich dächte das begriffe sich auf der Stelle.

Antinous. So muß ich nicht recht gehört haben was du mir sagtest.

Flora. Du erweisest mir die Ehre Zerstreuungen bei mir zu haben, schöner Antinous?

Antinous. Das ist sehr natürlich wenn man Dir gegenüber ist.

Flora. Bald hätte ich auch gefragt wie so? Aber in diesem Augenblicke wandelt mich ein Wunsch an, der dir noch närrischer vorkommen wird als der Wunsch häßlich zu sein.

Antinous. Und der wäre?

Flora. Daß ich ein Zaubermittel wissen möchte, dich selbst ein wenig häßlich zu machen.

Antinous. Du bist sehr gütig, Flora.

Flora. Wohl verstanden, nicht eben häßlich in meinen Augen, aber doch in den deinigen.

Antinous. Und was würden wir, du oder ich, dabei gewinnen?

Flora. O sehr viel! alle beide sehr viel, mein guter Antinous. Du hast in deinem Leben nie geliebt – sagtest du das nicht vorhin?

Antinous. So wenig als du, wie du ebenfalls gestanden hast.

Flora. Nun gut; wenn du in deinen Augen häßlich wärest, so würden wir vielleicht beide eine neue Erfahrung machen.

Antinous. Ich würde in dich verliebt werden, meinst du? Warum dies die Folge sein müßte, sehe ich nun eben nicht ein. Aber, wofern ich aufrichtig sagen soll wie mir ist, Göttin, so kann ich dir zuschwören, daß ich mir selbst nicht halb so schön vorkomme als du vielleicht glauben magst.

Flora lächelnd. Das wäre ein Zeichen von guter Vorbedeutung, Antinous.

Antinous. Und wenn du eben so aufrichtig gegen mich sein wolltest –

Flora. O das bin ich gewiß! Ich dächte du hättest es schon lange merken sollen.

Antinous. So würdest du mir gestehen, daß ich auch in deinen Augen nichts weniger als das Wunder von Schönheit bin, das die Schmeichler Hadrians aus mir machten.

Flora. Lassen wir das dahin gestellt sein, lieber Antinous! Erst sollte die Aufrichtigkeit deines Geständnisses etwas genauer untersucht werden. Wenn ich nur gleich einen Spiegel hätte!

Antinous. Wozu einen Spiegel? Ich brauche keinen andern als dich selbst. Aber wenn ich dir nun die bloße Wahrheit gesagt hätte, was würde mirs bei dir helfen?

Flora. Du bist eigennütziger als man dir zutrauen sollte.

Antinous. Es kann nichts langweiligeres sein, wie du weißt, als sich lieben lassen zu müssen ohne wieder lieben zu können: aber lieben ohne wieder geliebt zu werden, muß ein noch unerträglicheres Gefühl sein.

Flora. Es ist doch wenigstens ein Gefühl. Immer besser auch nur die Schmerzen der Liebe zu fühlen, als vor langer Weile zu Grunde zu gehen.

Antinous. Wie? du hältst es für eine Kleinigkeit, zu den Qualen des Tantalus verdammt zu sein?

Flora. Wer wollte aber auch gleich den ärgsten Fall setzen?

Antinous. Gesetzt also, ich liebte dich, schöne Flora –

Flora lachend. Vor lauter langer Weile! Wie kommt Antinous zu einer solchen Voraussetzung?

Antinous. Sagte ich nicht vorhin, es würde mir nichts bei dir helfen? Du bist zu schön um etwas außer dir selbst zu lieben.

Flora. Wenn dies auch wäre, so bin ich doch nicht so gar gefühllos, daß ich nicht wenigstens des Mitleidens fähig sein sollte.

Antinous stolz. Des Mitleidens!

Flora. Wenn ich dir doch zeigen könnte, mit was für einer Miene du das sagtest, schönster Antinous!

Antinous. Du bläsest auch gleich so mutwillig den ersten Funken der Empfindung wieder aus, den mein Herz aus deinen Augen gefangen hatte.

Flora. Ein kleines Unglück, das meine Augen leicht ersetzen können, oder der Fehler müßte an deinem Zunder liegen. Aber zu viel mußt du freilich nicht von mir erwarten, mein schöner Herr! Mit Funken ist so ein Kieselherz, wie das meinige, nicht in den Fluß zu bringen.

Antinous wirft einen schmachtenden Blick auf sie und entfernt sich. Hätte ich je gedacht, daß es so weit mit mir kommen sollte!

Flora. Ich gebe noch nicht alle Hoffnung auf, ein wenig Seele in dieses Marmorbild zu bringen. Aber, wo dachten die Leute hin, da sie einen Gott aus ihm machten?


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