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12.
Wieder vergebens!


Frau von Reinicke saß hier auf dem Sopha, ebenfalls von einem Kreise von Damen umgeben, und diese Damen tranken ebenfalls Kaffee, und strickten ebenfalls an großen, grauen Strümpfen, nur, daß diese Strümpfe hier für die Soldaten bestimmt waren, wie sie es drüben für die Proletarier waren. Diese Gleichheit in der Decoration wirkte auf die zwei Besucher anfangs gleichsam betäubend. Emanuel mußte seine volle Geisteskraft zusammennehmen, um nicht in seltsame Spiele der Phantasie zu verfallen; es gemahnte ihn, wie ein phantastischer Traum, in welchem immer dieselben Damen immer denselben Kaffee trinken und nie endende graue Strümpfe stricken.

»Jetzt mußt Du Dir einen Vorwand unseres Besuches erdenken; ich bin mit meinem Witz zu Ende,« sagte Emanuel zu Robert, diesen vorwärts schiebend.

[149] »Ich werde sagen, daß wir Wohnungen miethen wollen,« flüsterte Robert.

»Ich bitte Dich, nur nicht einen so trivialen Grund angegeben!« sagte Emanuel drohend. »Ersinne gefälligst etwas Anderes. Lieber sage, daß Du kämest, der Tochter des Hauses Deine Hand anzubieten, oder daß Du Dich gezwungen sähest, dem Sohne des Hauses den Hals zu brechen.«

»Ich bin kein Dichter,« sagte Robert spottend.

»Glaubst Du, daß ich dies erst heute merke?« entgegnete ihm der Freund in demselben Tone. »Allein, Du bist verliebt, und da verdienst Du wenigstens, daß ein Dichter sich Deiner annimmt. Also nur vorwärts, mit Gott, für König und Vaterland!«

»Mißbrauche diesen edlen Spruch nicht,« sagte Robert ernst, »in welchem in der That die ganze und volle Ermannung unsres Volkes aus der Zeit der Schmach, des Truges und der Verblendung ausgedrückt ist. Einmal schon war er das Motto unsrer Preußenehre, er soll es jetzt zum zweitenmale werden.«

»O, daran ist kein Zweifel! Ich halte es aber mit den Thaten, nicht mit den Sprüchen. Beweiset, rufe ich immer, beweiset, daß Ihr Euren König [150] liebt, beweiset, daß Ihr treu zum Vaterlande haltet, beweiset, daß Ihr den Fortschritt wollt in edler deutscher Männer Weise, nicht in der Afterweisheit fremder Lumpenherrschaft – beweiset – beweiset, und zum drittenmal – beweiset! – Mit Sprüchen, Devisen und Kokarden ist's nicht gethan.« –

»Unser Heer hat's bewiesen!«

»Ah – da senke ich meinen Degen! Ehre – dreimal Ehre diesem Heere!« rief Emanuel.

Jetzt standen sie vor dem Damenzirkel. Robert wußte noch durchaus nicht, was er sagen sollte. Aber die Dame des Hauses half ihn, wie drüben Emanueln, aus der Verlegenheit.

»Ach, Herr von Ruborn!« rief sie, »Sie kommen, um sich die versprochene Auskunft zu holen. Als Ihr Vater neulich so gütig war, mir einen so beträchtlichen Zuschuß für meine kleine patriotische Kasse zu geben, sagte ich ihm zu, daß ich in diesen Tagen ihm wolle Rechenschaft ablegen.«

»Nicht, um Dank zu empfangen, meine Verehrte –« sagte Robert mit schnell sich zurechtfindender Geistesgegenwart, »sondern, um Ihnen den seinigen zu überbringen, sendet mich mein Vater hieher, zugleich einen langgehegten Wunsch meinerseits erfüllend.«

[151] Somit war die Empfangsangelegenheit glücklich vollendet. Die Herren wurden dem Kreise der Damen zugeführt und aufgefordert, an einer kleinen Lotterie Theil zu nehmen, die eben im Gange war. Sie kauften sich sogleich zu hohen Preisen einige Loose, und waren nun gewärtig, daß von den auf dem Tische angehäuften völlig nutzlosen Sächelchen ihnen etwas zufalle. In der That erhielt Robert ein Kinderhäubchen und Emanuel eine Klingelschnur. Das junge Mädchen, das diese Gewinne vertheilte, war mit ihrem frischen, lieblichen Lächeln, ihren rothen Lippen und muntern, großen Augen selbst der beste Gewinn. Fortuna hätte durch sie einen zinnernen Löffel verschenken lassen können, und man hätte ihn ohne Murren angenommen.

Ein großer, breitschultriger, noch junger Mann schlug ein lautes Gelächter auf, als er in Robert's Hand das Häubchen sah. Dieser breitschultrige Jüngling wurde von einem großen Theile der Tischrunde der »Vetter« genannt.

»Worüber lachen Sie, Vetter?« sagte eine nicht mehr junge Dame. »Etwa über das unpassend verschenkte Häubchen? Ich bin überzeugt, daß Herr von Ruborn seinen Gewinn wieder unserem kleinen [152] Vorrath zurückgiebt. So ist's wenigstens Sitte bei unseren Lotterien.«

»Mit Vergnügen,« erwiederten unsere Gewinner; und Klingelschnur und Häubchen wanderten wieder auf das Häuflein Gewinnste zurück. Nochmals wurden theure Loose gekauft, und nochmals ging die Ziehung vor sich. Diesmal überreichte mit noch viel lieblicherm Lächeln das hübsche Mädchen Robert ein Nadelkissen und Emanuel einen Cigarrenhalter.

»Ach – endlich etwas Nützliches!« rief dieser naiv. »Dies behalt' ich.«

Der Vetter schlug wieder ein lautes Gelächter auf.

Die Unerbittliche sagte: »Allerdings könnte dieses Geschenk auch für Sie nützlich sein, mein Herr; allein bedenken Sie, wie viele unserer armen Soldaten, wenn sie von ihrem beschwerlichen Dienst auf die Wachtstube heimkehren, die Wohlthat eines Cigarrenhalters entbehren müssen. An diese armen lieben Leute ist recht eigentlich gedacht worden, als der Comité mit schwerem Gelde diese Spitze kaufte.«

Die Cigarrenspitze und das Nadelkissen wanderten auf das Häuflein zurück, das auf diese Weise nie kleiner wurde. Zum drittenmal Ziehung, Gewinnst Aus- und wieder Ablieferung. Der Vetter [153] fand dies unbeschreiblich spaßhaft, allein unsere beiden Freunde waren nicht ganz dieser Ansicht, denn sie hatten Jeder einen Louisd'or verloren.

»Ja, ja!« rief der Vetter und hielt sich noch die Seiten vor Lachen, »hier gewinnt man nie! Es ist die pfiffigste Lotterie von der Welt! Aber wer sich einmal verbrannt hat, kommt dem Feuer nicht wieder nah. Ich nehme kein Loos.«

»Das ist sehr unrecht von Ihnen, Vetter,« sagte das junge hübsche Mädchen.

»Ei, lieber schenke ich gradezu das Geld, wenn ich's grad übrig habe, als daß ich mir solche kleine Lumperei anfliegen lasse, die gleich wieder zurückfliegt. Die Herren da haben auch doch gradezu das Geld geschenkt –«

»Wir nehmen keine Geschenke an,« riefen drei Damen einstimmig. »Das unterscheidet uns eben von so vielen anderen Gesellschaften zu ›guten Zwecken.‹ Nie Geld – ist unser Wahlspruch – immer eine kleine Gabe, wenn sie auch noch so werthlos wäre. So zum Beispiel hat Fräulein von Blümich neulich ihre Gedichte herausgegeben!«

»Furchtbar werthlos!« schrie der Vetter und lachte noch eine Viertelstunde darauf.

»Fräulein von Anrim malt wunderschön kleine [154] Landschaften, jede mit einem Tempelchen und einem zerlumpten Wanderer im Vordergrunde, und einer Pappel im Hintergrunde.

»Furchtbar werthlos!« brüllte der Vetter.

»Dann geht die gute liebe Mäusefang von Haus zu Haus, und sammelt Blätter zu einem Album. Dies Album ist verspielt worden, und der Comité hat jedesmal auf zarte Weise zu verstehen gegeben, daß er das Album wieder gern in seine Hände zurückwünsche. Man hat diesem Comité diesen Gefallen erzeigt, und nun wird es dem Könige zu Kauf angeboten werden.«

»Das ist alles verteufelt industriell!« bemerkte der Vetter. »Ich sage, der Gott sei bei uns kann's nicht pfiffiger anfangen als unsere Damen.«

»Sie sind ein schlechter Patriot!« rief eine der Damen.

»Oho! das soll man mir nicht nachsagen!« schrie der junge Mann. »Ich, ein schlechter Patriot! Frau Hofräthin, ich will das nicht zum zweitenmale hören.«

Der junge breitschultrige Mann wurde roth-blau-braun im Gesicht.

»Man beleidige meinen Vetter nicht,« nahm eine junge Wittwe das Wort. »Er ist uns [155] unentbehrlich. Da er selbst nie von seinen Thaten spricht, so ist's nöthig, daß ich davon etwas erzähle. Neulich ist er in ein Lesecabinet gegangen, zu einer Stunde, wo die übrigen Besucher sich bereits entfernt hatten, und hat dort aus den Journalen alle die nichtswürdigen Bilder und Blätter gerissen, die Beleidigungen auf unsere Regierung enthielten.«

»Was sagen Sie, Cousine – ein Lesecabinet? Ich habe es mit fünf Lesecabinetten so gemacht. Aber jetzt fangen die Leute an schon etwas aufmerksam auf mich zu werden. Doch meinethalben! Ich gedenke meiner Wirksamkeit ein noch größeres Feld zu bereiten und werde mich nun in die Leihbibliotheken verfügen.«

»Ah – eine Art Censur!« rief Emanuel.

»Richtig! Ich bin ein Censor ohne Gehalt,« sagte er sehr selbstzufrieden »und meine Scheere ist mir angewachsen.« Er zeigte auf seine Finger.

»Sie nannten vorher, Frau Steuerräthin,« hub eine der Damen an, »das Fräulein Mäusefang. Wissen Sie, daß ich mit ihr gebrochen habe.«

»Nicht möglich! Und weshalb? –«

»Wir sitzen neulich im Theater beisammen, da seh' ich, zufällig niederblickend, etwas brennend Rothes auf meinem Knie.« –

[156] »Um Gotteswillen, was war das?«

»Errathen Sie. Es war das Unterfutter des Mantels der Mäusefang. Stellen Sie sich diese Infamie vor, so hat die Person ein republikanisches Unterfutter an ihrem Mantel. So etwas ist mir denn doch noch nicht vorgekommen! Ganz deutlich – schwarz und roth gewürfelt! Sie wollte sich entschuldigen; allein Sie können glauben, daß ich auf nichts hörte. Ich nahm mir einen andern Platz. Zudem zeigt sich's immermehr, daß ihr Neffe rothes Haar bekommt.« –

»Aber ich versichere Sie, Theure, die Mäusefang ist treu wie Gold.«

»Nun, wir wollen sehen. Ich habe auch neulich bemerkt, wie sie in einen Laden ging, wohin keine von uns den Fuß hineinsetzt.«

»Ich sagte es immer,« seufzte eine andere Dame, »mit der Mäusefang ist's nicht richtig.«

»So wollen wir sie nie wieder sehen!« bemerkte die Wirthin entrüstet.

Die Thür öffnete sich, und Fräulein Mäusefang trat ein, mit einem kolossalen Album unter dem Arme.

Eine etwas kalte, ceremonielle Begrüßung fand Statt. Drei Damen greifen zu ihren Lorgnetten und betrachten Fräulein Mäusefang von oben bis unten, [157] aber sie können keinen andern rothen Fleck an ihr bemerken als ihre Nasenspitze.

»Treu wie Gold!« murmelte die Steuerräthin. »Ich kenne meine Getreuen. Gutes, liebes Mäusefängchen, kommen Sie, setzen Sie sich her, arme Kleine. Man hat Sie verdächtigen, man hat Sie anschwärzen wollen!« –

»Wer?« rief das Fräulein, und hielt das Album wie einen riesigen Schild vor sich, und schwang ihren Sonnenschirm wie eine Lanze. »Wer? frag' ich.«

»Nichts, nichts!« rief die Frau des Hauses. »Nur kein Zerwürfniß.«

Ein allgemeines Murmeln, und eine aufgeregte Stimmung machte sich geltend.

Immer noch stand die Angeschuldigte da mit ihrem Schild und ihrer Lanze.

»Ich frage: wer?« wiederholte sie.

Dem Vetter gelang es Frieden zu stiften; er faßte in einer jeden seiner großen Hände drei Damenhände und an diesen sechs Händen zwang er die Besitzerinnen derselben zur Ruhe. Dann holte er das Fräulein, das sich mit ihrem Album und ihrem Sonnenschirm in die Ecke des Zimmers geflüchtet hatte, im Triumph wieder an den Tisch zurück.

»Wenn kleine politische Zwistigkeiten unter [158] Freunden vorkommen,« nahm die Frau des Hauses wieder das Wort, »so will das wahrlich nicht viel bedeuten; aber was sagen Sie dazu, meine Damen, daß ich schon seit Jahren unter einem Dache wohne mit einer Vaterlandsfeindin, die sich nicht scheut, heimlich, gegen das Verbot, Waffen zu bewahren. Was sagen Sie dazu?«

»Ich würd's für ein Ding der Unmöglichkeit halten, wenn Sie selbst es nicht erzählten,« bemerkte die Steuerräthin. »Und wer ist's denn?«

»Die Blimke drüben.«

»Entsetzlich! Unerhört! Wir würden es in Ihrer Stelle sofort anzeigen.« –

Die Dame des Hauses erwiederte: »So wollt' ich auch; allein ich habe mich eines Besseren besonnen, und hier der Vetter wird die Güte haben, zu dem General zu gehen.«

»Noch heute!« bekräftigte der breitschultrige junge Mann.

»Also urtheilen Sie, was ich empfinde – unter einem Dache mit einem solchen Ungeheuer,« setzte die Bemitleidete ihre Rede fort. »Ich bin auch fest überzeugt, das nagt an meinem Leben. Ich bring' es nicht mehr weit. Ich werde täglich und stündlich [159] in meinen heiligsten Gefühlen verletzt. Noch neulich war der Fall mit dem Schornsteinfeger. –«

»Was war das für ein Fall?« fragten mehre Damen neugierig.

»Nun, den hat sie mir weggekapert. Vor der Nase weggekapert. Ich hatte in dem Jungen wahren und ächten Patriotismus entdeckt, während er hier in meiner Kaminecke saß und eine Butterstulle verzehrte, die ich ihm von meinem Frühstück gab. Kaum bekommt die scheußliche Republikanerin Wind von meiner Bekehrung, so bearbeitet sie sofort auch den Knaben, und bringt es durch größere Butterstullen dahin, daß er von mir abfällt und zu ihr übergeht. Jetzt ist der kleine Taugenichts Republikaner, und läßt Hecker und Struve im Schornstein leben.«

»Wo sie hin gehören –« bemerkte der Vetter, und lachte schallend.

»Aber ich habe mich gerächt,« fuhr die Geheimräthin fort, »ich habe der nichtswürdigen Person ihre Milchfrau dagegen weggekapert. Die geht jetzt nicht mehr über ihre Schwelle. Aber alle solche Kämpfe, wenn man auch Sieger bleibt, bringen doch eine ewige, nicht zu stillende Aufregung zu Wege, und diese Aufregung nagt am Leben, wie ich schon die Ehre hatte zu bemerken.«

[160] »Ein Schornsteinfeger ist schon eine Milchfrau werth!« rief Emanuel zerstreut und in einem Tone, als spräche er eine politische Wahrheit aus.

»Sie haben ganz recht,« rief die Wirthin, »und ich lobe dies feine und richtige Gefühl in Ihnen. Man findet es heuzutage bei der Jugend so selten.«

Robert trug jetzt sein Anliegen der Dame vor. Sie hörte ihn mit sichtlicher Aufmerksamkeit an. Aber der Fragende erfuhr nichts. Konnte man ihm drüben nichts sagen, so wollte man hier ihm nichts sagen. Die Geheimeräthin war mit im Geheimniß, wenigstens glaubte sie es zu sein, und somit waren einige Reden, wie daß sie von dem Mädchen nichts wisse, daß sie sich aber bemühen wolle, von ihr etwas zu erfahren, alles was der junge Mann erlangen konnte. Er machte sich bereit, seinen Rückzug anzutreten. Als er einen Blick auf den Tisch warf, bemerkte er, daß der Kreis um ihn her sich um einen Gast vermehrt hatte, und zwar war dieser wiederum kein Anderer als Herr Kieselack, der auch hier Eintritt gefunden hatte. Als die beiden Freunde sich entfernten, griff auch Herr Kieselack nach seinem Hut, und eben dasselbe that der Vetter, der sich zu seinem Gange zum General anschickte. [161] Emanuel und der Vetter gingen voraus, Robert und Herr Kieselack folgten.

»Sie kennen also diese beiden Frauen nebst ihrer Gesellschaft oder vielmehr ihrem Anhange auch?« sagte Robert leichthin.

»Erst seit heute,« tönte die Antwort. »Das Haus stand auf meiner Liste.«

»Sie führen eine Liste?«

»Eigentlich nur ein paar Notizen,« entgegnete Herr Kieselack lächelnd. »Ich merke mir an, in welcher Gegend der Stadt noch allenfalls etwas Neues für mich zu finden sein möchte. Früher waren es zwei langweilige alte Weiber, aber seitdem sie eine so seltsame Feindschaft zwischen sich gegründet haben, amüsiren sie mich. Obgleich ich das erstemal über die Schwelle getreten und nur wenige Minuten dageblieben, so weiß ich doch schon, daß die Eine irgend etwas polizeilich Verbotenes bei sich verbirgt, die Andre aber ein junges Mädchen, eine Verwandte, Gott weiß wo, versteckt hält.«

»Wie, bester Herr Kieselack, Sie vermuthen wirklich, daß die, die wir eben zuletzt besucht haben, eine junge Dame versteckt bei sich hält?«

»Nicht bei sich, das hab' ich nicht gesagt, sondern anderswo?«

[162] »Aber wo?«

»Ja, das wird schwer zu erforschen sein in einer so großen Stadt; allein wenn ich Ihnen, Herr von Ruborn, damit einen Gefallen erweisen kann, so will ich mich auf's Ausforschen legen.«

Das Berliner Kind freute sich als es die Qual und die Aufregung auf dem Gesichte seines Gefährten bemerkte, aber zugleich, da dieser Mann eine vornehme und möglicherweise einflußreiche Bekanntschaft war, so beschloß das Berliner Kind, sich in der Sache ungemein thätig zu beweisen.

»Was hast Du nur immer mit diesem fatalen, blonden, faden Menschen?« fragte Emanuel, als er sich wieder zum Freunde gesellte. »Er thut ja schon, als wenn er Dein ältester und bester Freund wäre. Welche Zudringlichkeit, Dich unterm Arm zu fassen, und so mit Dir die Straße hinabzuschlendern! Hast Du ihm das erlaubt? Aber es geschah aus Eitelkeit, um vor den Leuten mit Deiner Bekanntschaft zu prunken.«

»Meinst Du?« sagte Robert. »Es ist möglich.«

»Auch mir hat er sich anzuschmiegen gesucht, und mich bereits einen gefeierten Dichter genannt, obgleich die fade blonde Perrücke noch keinen Vers von mir gesehen. Aber ich hab' ihn abblitzen lassen. Wenn [163] er nur nicht diese matten, glanzlosen Augen hätte! Es ist so gar nichts Frisches an dem Burschen; ich glaub', er ist schon gleich so fertig, allwissend und alt auf die Welt gekommen. Nichts setzt ihn in Erstaunen, nichts befremdet ihn, immer hat er dieselbe nichtssagende blasirte Miene. Ich werde ihm nächstens eine ungeheure Grobheit sagen, vielleicht bringt ihn das etwas aus dem Geleise und frischt ihn auf.« –

Robert war zu sehr beschäftigt mit dem Gegenstande seiner Nachforschungen, als daß er sich um mit Aerger und Spott gemischte Reden seines Genossen hätte viel kümmern mögen.


[164]


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