Ludwig Tieck
Victoria Accorombona
Ludwig Tieck

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Sechstes Kapitel

Ganz Rom war dieses Mordes wegen in Bewegung. Da man die Täter in finsterer Nacht nicht hatte ergreifen können, da niemand sie gesehn hatte, so erschöpfte sich jedermann um so mehr in Vermutungen. Leidenschaft und feindselige Gesinnung, Parteihaß und Vorliebe machten sich bei diesem tragischen Vorfall geltend, und hundert verschiedene Namen wurden genannt, sowie viele Vornehme angeklagt und von andern verteidigt.

Der alte Kardinal saß noch angekleidet am frühsten Morgen auf seinem Zimmer, Schreck und Kummer hatten es ihm nicht erlauben wollen, sich auf sein Lager zu werfen und den Schlaf zu suchen. Seine Diener hatten ihm vieles und mancherlei durcheinander erzählt, widersprechende Gerüchte und Fabeln, aber auch Tatsachen, die mit der Wahrheit übereinkamen. – »Also dieser Mensch,« sagte er zu sich selber, »dieser verruchte Marcello, – er ist der Mörder oder der Eingeweihte des Komplotts! Er, dem ich mich als Wohltäter erwies, den ich damals vom Tode rettete, um den ich mein Gefühl des Rechtes unterdrückte, mir bittere Vorwürfe im Gewissen seinethalb machte, – nun ja, nun hat er es mir vergolten, und ich muß mir in meinem stillen Innern sagen, daß mir recht geschieht, daß der Himmel so meine sündliche Nachgiebigkeit bestraft; freilich schwer, hart: – so wird mir meine Liebe, mein Mitleiden vergolten, daß ich einmal der Rührung meines Herzens, den weinenden Klagen einer Mutter nachgegeben.« – Er weinte bitterlich und legte sein Haupt zwischen den Armen auf den Tisch, auf welchem viele Papiere lagen, die er noch nicht angesehen hatte.

Als er sich am Weinen gesättigt, saß er aufrecht, um dem Papst den Vortrag über wichtige Geschäfte halten zu können. So trafen ihn in seiner Ruhe mit trocknem Auge und festem Blick bei der Arbeit die ihn besuchenden Kardinäle. Der Mediceer war sehr gerührt, und Borromäus konnte ihn nur von Tränen unterbrochen begrüßen. Diese und andere Kardinäle bewunderten seine Standhaftigkeit und Ergebung in den Willen des Schicksals. Fest und ungebeugt trat Montalto in die Versammlung der Kardinäle, gefaßt und scheinbar ruhig: Freund und Feind begrüßten ihn dort mit der herzlichsten Rührung, viele reichten ihm die Hand, und keiner war, der ihm nicht seine aufrichtige Teilnahme bewiesen hätte. Selbst Farnese und die Partei, die sich bis dahin immer die Miene gegeben hatte, ihn zu verachten, äußerte ihre Verehrung und Bewunderung über diese, wie sie sagten, mehr als menschliche Fassung.

Als Montalto in das Zimmer des Papstes trat, ging ihm der alte Gregor entgegen, drückte ihm die Hand und weinte herzlich. »Wir wollen«, sagte er dann, »diesen abscheulichen Meuchelmord mit der größten Strenge und Gründlichkeit untersuchen, und seid versichert, alter bewährter Freund, der Schuldige, mag er auch sein, wer er will, soll zu Eurer Genugtuung furchtbar bestraft werden.«

»Heiligster Vater,« erwiderte Montalto erschüttert, »wenn mein Wort etwas gilt und meine Bitte, so lassen wir diese traurige Geschichte völlig ruhn und übergeben sie, wo möglich, der Vergessenheit. Ich mag nicht die Veranlassung geben, daß neue Händel und Verwirrungen entstehn, unvermutete Entdeckungen, die die jetzigen Fiktionen verstärken und andere erschaffen könnten. Lassen wir dem Herrn die Strafe, der mir nach seiner Weisheit und Liebe diesen Kummer in meinem Alter gesendet hat.«

Der Papst sah den Redenden mit einem großen, verwunderten Blicke an. – Sie gingen zu den Geschäften über, und als diese geendigt waren und andere Kardinäle eintraten, sagte er zu einigen von diesen: »Dieser Montalto ist ein ebenso großer als kluger Mann: sein unerschütterlicher Gleichmut verdient die allerhöchste Bewunderung.«

So gingen einige Tage vorüber; Peretti war, nach dem Wunsche seines Oheims, mit wenigem Pomp, um das Aufsehen nicht zu verstärken, beerdigt worden. Eine stille, dumpfe Trauer herrschte in der Familie Accoromboni; sie nahmen nicht alle Besuche an, welche ihnen von Teilnehmenden gemacht wurden, viele aber, die sich bisher laut genug zu den Freunden des Hauses gerechnet hatten, blieben aus, so wie der Kardinal Farnese; manche gaben nur schriftlich ihre trauernde Begrüßung ab, und Bracciano war bei einem kurzen Besuche so erschüttert, daß er sich bald wieder entfernen mußte und Vittoria keine Beruhigung von ihm empfangen konnte.

Diese war endlich durch das Übermaß der vielen sie bestürmenden Gefühle völlig aufgelöst. Ihre Nächte waren schlaflos, die Nahrung stärkte und erquickte sie nicht, und so, nach einem kurzen Fieberzustande, sank sie in eine stumpfe Bewußtlosigkeit. Sie war nicht mehr fähig, ihr Schicksal zu überdenken, sich aller Umstände zu erinnern, die sie so nach und nach in diese abscheuliche Lage geworfen hatten. Diese gewaltsame Wendung ihres Lebens hatte sie so plötzlich überrascht, daß sie noch keines freien Entschlusses fähig war. Ihr Gemüt, das sie für so reich gehalten hatte, schien ihr nun völlig verarmt: sie sah mit Entsetzen in diese innere Leere und begriff nicht, wohin alle diese Kräfte entschwunden waren, die ihr sonst immer Halt gegeben, die Gefühle, von denen sie in allen Lagen, selbst in der Verzweiflung Trost empfangen hatte.

»Wozu«, rief sie in nächtlicher Einsamkeit in ihrem starren Unmut aus, »habe ich mich denn immer für besser als viele andre gehalten, wenn jetzt der Brunnen des Lebens so völlig in mir versiegt? – Ich glaubte ja immer von den Musen begünstigt zu sein und mich in unmittelbarer Berührung mit göttlichen Kräften zu befinden; warum gestatte ich denn nun der toten kalten Erde die Herrschaft über meinen Geist und rufe nicht jene Bundesgenossen zu Hülfe, die mir in Stundendes Übermutes fröhlich und lächelnd beistanden?«

Sie setzte sich nieder, tat einige Griffe auf ihrer Laute und schrieb dann ein Gedicht in Terzinen, dessen Inhalt ungefähr folgender war:

»Ernst und Trauer des Lebens.

Vielleicht sagt man mit Recht, wir seien alle verbannte Geister, die, unwürdig ihres höheren Glückes. sich auflehnend gegen die Liebe, in den Zustand versenkt wurden, der mit dem Tode verwandt ist und den wir Menschen unser Leben nennen.

So wachsen denn, gedeihen wir, und unsere Jugend ist ein Traum, der in uns webt. Rosengewölk vor dem Aufgang der ersten heißen Sonne.

Nun, da wir jagdfähig sind, treten die Dämonen mit Weidmannsgerät in das Revier, die Hunde, von der Leine los, jagen kläffend den armen Hirsch, bis er zerfleischt, ermüdet, Blut schwitzend unter ihren Bissen niedersinkt.

So sitzt der Fischer lächelnd, schlautückisch am Fluß und senkt den lockenden Köder hinein. Der arme, bunte Fisch, er spielt an der Angel, gereizt verschlingt er den Hamen, und am Gaumen wird er aus seinem Element mit dem grausamen Haken herausgerissen.

Das Kind spielt mit dem unschuldigen Lamm, beide hüpfen im Frühlingslicht. Doch im Busche steht schon lauernd der Schlächter und wetzt sein blutgieriges Messer.

Gibt es etwas anders denn Verlust? Denn jeder Gewinn wird uns nur geliehen, damit der Schmerz des Verlierens folge. So scherzen grausame Menschen mit Kindern: schenken ihnen glänzende Sachen zum Schein, und wenn sie sich recht daran freuen, entreißen sie sie ihnen wieder und lachen ihrer Tränen.

So werden uns Eltern, Geschwister durch den unerbittlichen Tod entrissen, die lieben Jugendfreunde – alles war nur Spielzeug und liegt zertrümmert im Staube.

O schlimmer! andre, sie leben und weben noch in ihrer Gestalt, Verbrechen, Unsinn hat sie uns von der Brust gerissen, und wir zittern bei jedem Windhauch, der uns leidige Nachricht von ihnen zuwehen möchte.

Am fürchterlichsten – wenn wir hassen und verachten müssen, wo dasselbe Mutterblut uns zuschreit: du sollst lieben! Welche Sprache, welche Tonweise ermißt diesen Schmerz!

Solon gab kein Gesetz gegen Vatermord, weil sich die Natur des Menschen dahin nicht verirren könne. – So versagt die von Gott uns offenbarte Sprache den Ausdruck diesem Jammer.

Das Herz stirbt ab und bricht – der Seufzer schreit – die Verzweiflung sieht starr. Das ist die Sprache. – So brüllt in öder Wüste der verhungernde Löwe nach Raub, und die stummen Felsen hallen zitternd wider.

Armer Peretti! Was warst du mir? Was konnt ich dir bedeuten? Wie in lebloser Maschine kein Rad vom andern weiß und doch das eine das andere treibt, so lief mit uns, nebeneinander, das Getriebe unsers Daseins.

Und du bist dahin! Dir und der Welt entrissen, nicht mir. Eigensinn, Verblendung trieb dich deinem schaudervollen Untergange entgegen, die Hemmung, die warnende der Freunde, zerbrachst du ungestüm.

Und ängstigende Ahnung weht um mich. Mir dünkt, ich sehe die unsichtbaren Dämonen schadenfroh lachen und die gierigen Zähne fletschen. Der Glanz der weißen Hauer blitzt leuchtend durch die Nacht.

Sie werden der Unschuldigen nachjagen – schon trieft das Blut aus meinem Herzen – die Witterung macht sie nur lüsterner und wilder. – Ich sinke nieder, todesmatt.«

 

Der biedre, herzliche Caporale zeigte sich auch jetzt wieder als der treueste Freund. Er kam täglich, tröstete, verweilte bei den Trauernden und ließ sich von keinem Geschwätz, von keiner Verleumdung irremachen. In solcher Flut der Verwirrnis erkannte Vittoria sowie ihre Mutter den Wert eines solchen Mannes, der in den Augen der Welt nicht glänzte.

So trat er auch an einem Morgen in das Zimmer der Trauernden. Er war tiefsinnig, ihm schien etwas sehr Schweres auf dem Herzen zu lasten.

»Wie seid Ihr heut so anders, alter Freund,« begann endlich die Mutter; »ist Euch ein Unglück zugestoßen?«

»Jawohl,« erwiderte der Dichter, »und ein solches, daß ich davon ganz zu Boden gedrückt werde. Es lebt hier in Rom seit einiger Zeit ein Kavalier aus England, ein Katholik, der seiner Religion wegen, wie er vorgibt, aus seinem Lande verbannt ist. Da ich aber sehe, daß er mit den einflußreichsten Kardinälen und Prälaten in Verbindung steht und mit dem Governador in einem ziemlich vertrauten Verhältnis lebt, so vermute ich vielmehr, er ist ein maskierter Beobachter und Unterhändler für seine verständige und politische Königin. Dieser Mann hat mich seit einiger Zeit in sein Herz geschlossen und interessiert sich, weil ich viel von euch erzählte, für euer Schicksal. So habe ich denn durch diesen Ritter Carre etwas erfahren, das für euch von der höchsten Wichtigkeit ist. Der edle Montalto wünscht, daß diese Untat und das Unglück vergessen und verschwiegen bleibe, was die Urheber betrifft, wer sie auch sein mögen und was sie beabsichtigt haben. O, dieser Alte ist ebenso klug als großmütig. Er will sich keine Feinde erregen, da ihm bei einem Wechsel der Regierung mächtige Familien hemmend entgegentreten könnten, obgleich ihm alle die Gerüchte, Vermutungen und Verleumdungen nicht unbekannt geblieben sind und er auch im stillen seine Meinung und Überzeugung gefaßt hat. Die Mediceer wollen aber die Sache nicht auf sich beruhen lassen, und Farnese hat sich zu dem klugen Ferdinand gesellt, sowie der fromme Borromäus; ihnen folgen noch einige Unbedeutende, welche meinen, die Ehre des Staates verlange, daß dieses Verbrechen untersucht und bestraft werde. Der Papst, welcher erbittert ist und vom Schicksal Montaltos tief gerührt, läßt ihnen freie Hand. Der elende Mancini, der an jenem Abend die Botschaft brachte, ist gefangen oder hat sich fangen lassen, bei ihm hat man noch jenen Zettel von Marcellos Hand gefunden; der Verkäufliche soll auf der Folter schon allerhand ausgesagt haben, was, wie ich glaube, ihm in den Mund gelegt ist, und so ist man im Begriff, Tugend und Ehre der edelsten Menschen zu verunglimpfen. So hat denn auch, natürlich bestochen, jener Valentini, von welchem Peretti damals schwer verwundet ward, einen Brief eingesendet, in welchem er sich selbst zur Mordtat bekennt weil er schon seit lange Peretti gehaßt habe und nun noch von Schönheit, Huld, Überredung und tausend solcher Herrlichkeiten zur Tat getrieben sei von jenen, die er angedeutet habe, die er aber auch bestimmter bezeichnen könne.«

»Redet ganz aus!« rief die Mutter, schon außer Fassung gesetzt.

»Ihr wißt,« fuhr Caporale mit bewegter Stimme fort, »daß ihr nach den Gesetzen hier in diesem Hause nicht bleiben könnt, denn da Peretti ohne Erben gestorben ist, so fällt es mit allem Zubehör an Montalto zurück. Euch bleibt also nichts übrig, als euch in eure frühere Wohnung zu begeben oder euch beide unter den Schutz des Bischofs, Eures ältesten Sohnes, zu stellen, der jetzt das Haupt der Familie ist.«

»Auf keinen Fall!« rief Vittoria und stand empört vom Sessel auf; »als Sklavin wäre ich dann verhandelt. Ich habe mir längst gedacht, was die elenden Menschen vermuten und ausschwatzen werden, und die am giftigsten, die am besten die Wahrheit wissen.«

»So ist es,« sagte Caporale; »den Mächtigen, der es vor seinem Gewissen verantworten mag, was er getan hat, wird man nicht beschuldigen, man wird es nicht wagen, in diesem Prozesse nur seinen Namen zu nennen. So ergießt sich dann die ganze Flut der Schmähung auf arme, wehrlose Weiber, die ohne Schutz dastehn, ganz preisgegeben dem Sturm und Unwetter der Verleumdung. Da ihr so ganz ohnmächtig seid und euer kleines Haus euch kein Asyl geben kann, so müßt ihr euch durchaus unter den Schutz eines Großen stellen. Doch ist der tugendhafte Farnese, der jetzt der Gewaltigste wäre, ganz von euch abgefallen.«

»So bleibt uns nur«, rief Vittoria aus, »der Palast des Herzogs von Bracciano übrig.«

»Das war auch mein Gedanke«, antwortete Caporale. –

»Wird er uns aber in dieser Bedrängnis aufnehmen und seinen Namen preisgeben wollen?« –

»Ich komme von ihm her, meine Angst um euch trieb mich zu ihm: er öffnet euch seine Tür, und ihr seid dort wenigstens für den Augenblick vor Schimpf und Gewalttat sicher.« –

Die Mutter irrte verwildert im Saal umher und rang die Hände. – »So wird es ja aber«, rief sie aus, »nur bestätigt, daß er der Urheber des Frevels ist, daß wir um ihn wußten und ihn bewilligten, daß meine Tochter seine Geliebte ist, daß ich Alte, Unglückselige die Kupplerin vorstellte und mein Jüngster, Flaminio, sich auch deswegen hat abkaufen und bezahlen lassen. Nun sind ja Ottavio und Farnese die Tugendhaften und wir die Verbrecher. O Himmel! Himmel! wie hart, wie grausam bestrafst du meinen Stolz, mit dem ich früher auf meine Kinder hinsah. Wohin, wohin hat uns das Notwendige, Gute, wohin das Schicksal geführt, daß wir nun in diesem ehernen Netze gefangen liegen und alle unsre Glieder tödlich gelähmt sind. O du unbefleckter Ruf meines tugendhaften Hauses! – Es bleibt uns nichts als die Verzweiflung und Untergang.«

»Fassung, Mutter,« sagte Vittoria in ihrer großartigen Weise; »das Nächste, Notwendigste müssen wir auch jetzt ebenso wie damals ergreifen. Konnt ich den Entschluß zu jener unglückseligen Vermählung fassen, weil es die unerbittliche Notwendigkeit so forderte, so kann ich mich auch jetzt diesem Zwange beugen. Verleumdung! befleckter Ruf! O, wohl ist Ehre und guter Name ein unschätzbares Kleinod, aber Freund und Feind hat uns so in diese fürchterliche Enge hineingezwängt, so an die Felsen gedrückt, daß weder Vorschritt noch Rückweg möglich ist, daß ich mich gefangen gebe. Nur sterben will ich nicht, nicht jetzt endigen, wie ich es ehemals vermocht hätte; weil ich das Leben kennen gelernt habe und weil ich es von der Zeit erwarte, die oft billig und selbst gerecht ist, daß sie mich und die Meinigen wieder läutre. – Wir nehmen also den großmütigen Schutz Braccianos an und werden uns als Flüchtige in dieser Stunde noch in seinen Palast begeben.«

So geschah es. Farnese wütete, als er diese Kühnheit erfuhr, weil er geglaubt hatte, weder der Herzog noch die eingeschüchterte Familie würde eines solchen Entschlusses fähig sein: er hatte gehofft, die armen Unterdrückten würden ohne alle Bedingung seiner Gnade und Gewalt anheimfallen müssen.

Bracciano war auf eine gewisse Art erfreut, die Geliebte in seinem Hause und Schutze zu wissen, doch täuschte er sich auch nicht über die Gefahr, der er selber ausgesetzt sei, wenn die Regierung jede Rücksicht fallen lasse und die Untersuchung mit Strenge auf das Äußerste treibe. Indessen sprach er Vittorien Mut ein und verhieß, daß er alle seine Gewalt daran setzen wolle, daß nichts Schreckliches eintreten könne.

Die Gerichte durften es nicht wagen, seinen Palast zu betreten, aber der Governador erschien selber bei ihm, um Vittoria zu dem geistlichen Gericht der Kardinäle vorzuladen.

Im Saale des Vatikans hatten sich die Richter versammelt. Voran als Präsident der Kardinal Farnese, ihm zunächst Karl Borromäus und Ferdinand der Mediceer. Noch waren andre Kardinäle und Bischöfe zugegen, sowie einige Schreiber und Richter der Kurie. Man wollte vorläufig die Angeklagte und scheinbar Schuldige verhören, um nach den Aussagen und Bekenntnissen nachher den eigentlichen Prozeß zu beginnen. Durch Protektion war es dem Ritter Carre gelungen, auch bei diesem Verhör zugelassen zu werden, denn er war sehr begierig, diese Vittoria, von der ganz Rom sprach, über welche die Aussagen so verschieden lauteten, persönlich kennen zu lernen.

Alle erstaunten, als sie statt einer Trauernden, Demütigen, die sie erwartet hatten, die hohe Gestalt im vollen Glanz ihrer blendenden Schönheit stolz hereintreten sahen. Sie hatte sich in ihre reichsten Gewänder gekleidet, und ein köstlicher Schmuck schimmerte von Hals und Nacken. Farnese erschrak fast, denn er gestand sich, daß er diese blasse Schönheit noch nie in so erhabenem Reiz gesehen habe.

»Auf diese Weise«, begann Borromäus, »erscheint Ihr, die Sündige, in dieser erlauchten Versammlung? Statt trauernde Witwe wie eine reichgeschmückte Fürstenbraut, statt der büßenden Magdalena eine heroische Judith? Ist das Eure Reue und Zerknirschung? Wollt Ihr auf diese Weise den zürnenden Schatten Eures Gemahls versöhnen?«

»Wäre ich die,« antwortete Vittoria stolz und mit fester Stimme, »für die ihr, die sich meine Richter nennen, mich ausgeben möchtet, so hätte ich schon lange vorher mit kluger und berechneter Heuchelei meine Witwenschleier und schwarzen Trauergewande fertig und bereit gehalten, um mit verhülltem Antlitz, mit nachschleifendem Krepp und Tränen im Auge euer Mitleiden und Wohlwollen zu erschleichen, – aber Schreck und Kummer haben mich so plötzlich überrascht, daß ich so künstlicher und hergebrachter Anstalten vergaß und mich lieber schmückte, weil dieser Tag meine Unschuld an das Licht bringen soll.«

Ohne einen Wink oder die Erlaubnis ihrer Richter nahm sie den Sessel ein, der allein noch unbesetzt im Saale stand.

Einer der Richter erhob sich und las mit lauter Stimme die Anklage vor. Er erzählte die Vermählung des jungen Peretti, der den gütigen Oheim vermocht habe, ihn, der so größere Ansprüche hatte, mit einer nicht reichen, aber schönen Dame zu vereinigen, welche er leidenschaftlich liebte. Vittoria aber habe sich niemals dankbar bezeigt, sondern den Gemahl immer nur mit Kälte behandelt. Sie habe es vorgezogen, statt eines einsamen, stillen Lebens, wie es ihr als der Nichte eines frommen Kardinals gezieme, ihr Haus zu einer poetischen Akademie, zum Sammelplatz von Fremden und Vornehmen zu machen, um hier in Vorlesung, Dichtkunst, Musik und Gesang sowie sonderbaren und ärgerlichen Gesprächen, die sich für philosophisch ausgaben, zu schwelgen. Sie und die Mutter hätten den jungen Gemahl so sehr vernachlässiget, daß sich dieser am wohlsten außer seinem Hause befunden habe.

Seinen Freunden habe er oft geklagt, wie sehr es ihm empfindlich falle, daß er in seiner eigenen Familie zurückgesetzt werde. Nun sei plötzlich dieser Jüngling in der Mitternacht auf ebenso schreckliche als verräterische Weise ermordet worden. Lange habe man schon davon geflüstert, daß diese Vittoria ihren Mann los zu werden wünsche, um vielleicht eine andre, noch vornehmere Ehe zu schließen. Schon einmal sei der verfolgte Peretti von einem Valentini fast tödlich verwundet worden. Seit lange sei ihr älterer Bruder, der ehrwürdige Bischof Ottavio, mit der Schwester und Mutter in Zwist und habe sie fast niemals besucht, dagegen sei der zweite Bruder, Marcello, der Mörder und Bandit, oft im Hause versteckt gehalten worden. Dieser Marcello habe in jener Nacht durch einen Vertrauten den Signor Peretti nach jenem Mordplatze beschieden: dieser Vertraute, Mancini, habe ausgesagt: noch beim Abschiede in jener Nacht habe die junge Gemahlin dem Manne, der zum Tode bestimmt war, laut ihre Verwünschungen nachgesendet. Die Mutter, Donna Julia, habe das tödliche Komplott mit Klugheit geführt, und Ursula, die alte Amme, sei Mitwisserin der Bosheit. Die Mörder seien alle, wie dieser Mancini aussagte, entflohen, der eine von ihnen ein Untertan eines großen, mächtigen Herrn, den er aber nicht nennen könne und wolle. Valentini habe aber seitdem geschrieben, daß er auf Anstiften die Tat verübt habe. Was sei also wahrscheinlicher, als daß dieser Marcello, der offenbar der Mitwisser des Mordes sei, wo nicht das Haupt des abscheulichen Komplotts, mit der Schwester Vittoria vereinigt, um den im Wege stehenden unglücklichen Peretti zu entfernen, mit dem ruchlosen Bruder und der gottlosen Mutter für die Mörder anzusehn seien.

Jetzt erhob sich vor dem Saale ein lautes Geräusch. Die Türen wurden gewaltsam aufgerissen, ein großer starker Mann stieß mit Ungestüm die Diener zurück und trat stolz herein. Es war der Herzog Bracciano, in seiner reichsten und kostbarsten Fürstenkleidung, mit allen Orden geschmückt und Ketten und Juwelen auf der Brust sowie glänzende Steine am Hut. Er verneigte sich nachlässig, als er hereintrat.

Vittoria ward rot, als sie ihn erkannte, senkte dann das Haupt und lächelte still in sich. Die Kardinäle waren bei dieser unvermuteten Erscheinung verlegen, und einer der Richter erhob sich in ängstlicher Eile, um für den Fürsten einen Sessel zu suchen. Er fand keinen und näherte sich Vittorien, als wenn er ihr bedeuten wollte, aufzustehen und dem Höheren Platz zu machen. Sie sah ihn nicht an und blieb ruhig. worauf er Miene machte, als wolle er sie vom Sessel aufheben. Da eilte der Herzog herbei, faßte mit starker Hand den Arm des Richters, führte ihn nach seinem Sitze zurück und drückte ihn hastig und gewaltsam auf diesen nieder. Hierauf nahm er eine Art Fußbank oder einen kleinen Schemel, der im Winkel stand, trug ihn in die Mitte des Saals, legte seinen kostbar gestickten Mantel ab, breitete diesen über das demütige Brett und setzte sich darauf, ohne im mindesten seine stolze Miene zu verändern.

Jetzt erhob sich Vittoria und trat vor ihre Richter. Sie vermied es, Farnese anzuschauen, der über ihre Gegenwart halb verlegen und halb erfreut war. »Wie schmerzt es mich,« begann sie mit fester Stimme, »in dieser hochehrwürdigen Versammlung den tugendhaften Montalto zu vermissen, dem ich vertraue, der mich einst liebte, in dessen Gegenwart, von seinem Blick befeuert, es mir noch leichter sein würde, alle diese leeren gehaltlosen Anklagen niederzuschlagen und diese Verleumdung wie Staub von mir zu schütteln. Meine ehrwürdige, tugendhafte Mutter, die ihr ganzes Leben nur ihren geliebten Kindern zum Opfer gebracht hat, die von allen Freunden und Bekannten verehrt wurde, diese eine Mörderin? Und wofür? Weshalb? Hat sie je Rang und Größe auf niedrige oder gar schändliche Weise zu erringen gesucht? Ihr ganzes Leben mit allen seinen Aufopferungen spricht für das Gegenteil. Ich darf wohl daran erinnern, denn die Sache ist ja stadtkundig, wie weder ich noch sie den Bewerbungen jenes jungen, reichen und mächtigen Luigi, der sich sogar Gewalttätigkeiten erlauben wollte, nachgab oder entgegenkam. War es uns denn um Glanz und Reichtum zu tun, so wurde er uns ja hier gewissermaßen aufgedrungen. Der große ehrwürdige Kardinal Farnese hat meine tugendhafte Mutter seit vielen Jahren gekannt, ja ich darf es sagen, ohne seine Würde zu kränken, er ist immerdar ihr wahrer Freund gewesen und hat es niemals an Beweisen der Achtung und des Vertrauens fehlen lassen. Er mag jetzt dreist und entschlossen sagen, ob er diese abgeschmackte Anklage auch nur für möglich hält. – Ja, ich nenne sie abgeschmackt, und die hohe Versammlung verzeihe mir diesen Ausdruck, denn ich finde kein andres Wort für diese unzusammenhängenden, sich widersprechenden Aussagen. Sei es, ich liebte Peretti nicht; – weiß denn der fromme, tugendhafte Borromäus oder der hohe Mediceer, ob ich irgend Ursach hatte, diesen Mann zu lieben? Hat er mich geliebt? War er ein treuer Ehegatte? Hat er mich nicht vielleicht tödlich verletzt und beleidigt? Doch ich will nicht anklagen, wenn ich auch meinen Wandel nicht zu rechtfertigen brauche. – Mein unglücklicher Bruder Marcello – ja dieser ist das Unglück, der wahre Schmerz meines Lebens, – wenn er mit den Mördern, wie es scheint, in Verbindung war, wenn er sie vielleicht führte, – so ist es doch unbegreiflich, wie auf ein dunkles Wort von ihm Peretti so wahnsinnig sein konnte, nach dem Ort der Bestimmung zu eilen. Er muß diesem Marcello also doch unbedingt vertraut haben, er muß sein Herzensfreund, sein Verbündeter, wer weiß zu welcher Freveltat, gewesen sein. Und ich, die ich erst spät erfuhr, die ich mich entsetzte, als ich es vernahm, daß Marcello von Peretti oft in unserm Hause versteckt gewesen sei: ich soll gegen meine Ehre, Wohlfahrt und Leben ein solches Komplott geleitet haben? – Ja, ich bekenne offen und laut: verwünscht habe ich diesen Peretti, als er in jener furchtbaren Nacht trotz aller Bitten und Warnungen von uns eilte, als meine ehrwürdige Mutter, wie wahnsinnig vor Schmerz, weinend und schluchzend seine Knie umfaßte und er sie zurückstieß. – Man stelle doch diesen elenden, verächtlichen Mancini mir gegenüber, er wiederhole, Auge im Auge mir, jene furchtbare Anklage – ich weiß, ich behaupte es, er wird vor meinem Blick zuschanden werden, der Verächtliche, er wird meine Anrede und Frage nicht ertragen können. Man rufe den Valentini herbei, der jenen Brief soll geschrieben haben. Und dann – wenn ich denn dahin gezwungen werde – werde ich auch statt Abbitte und Bekenntnis eine Anklage anregen können, die vielleicht den Dreistesten und Übermütigsten, der sich so sicher dünkt, in Verwirrung, ja Betäubung versetzen möchte. Ich habe erfahren, was in jener Nacht vorfiel, als der arme, berauschte Peretti in sein Haus früher von jenem Festino zurückkehrte, als er uns gesagt hatte; vielleicht läßt es sich wahrscheinlich machen, daß diese Nacht das Vorspiel zu jener trübseligen war, die wir alle beklagen.« –

Die letzten Worte hatte sie an den Kardinal Farnese gerichtet, jetzt ging sie ganz nahe zu ihm und sah ihn fest mit jenem durchbohrenden Blicke an, dessen Feuer noch niemand hatte ertragen können. Der Alte ward sichtlich verwirrt, er erblaßte, er wollte sich zusammenfassen, und man bemerkte das Zittern seiner Hände. Borromäus und Medici, als aufmerksame Beobachter, sahen alles und errieten noch mehr; sie ahneten jetzt, daß die traurige Begebenheit ganz anders zusammenhänge, als man ihnen hatte vorspiegeln wollen. Borromäus ward sogar beschämt, und der Mediceer beschloß, die Sache so zu wenden, wie er es schon vor der Sitzung bedacht hatte, die nicht stattgefunden, wenn der fromme erzürnte Papst nicht mit zu großem Ernst sie verlangt hätte.

»Um meine Lebensweise,« fing Vittoria wieder an, »also soll es verdächtig, tadelnswürdig sein, sich mit Poesie und Philosophie zu beschäftigen? Mit Fremden, einem Tasso, Caporale und berühmten, edlen Männern, wie dem ernsten Greise Sperone, zu verkehren? Ärgerliche Gespräche? Wen haben sie geärgert? War dies alles doch die einzige Ursache, wie er es selber hundertmal erklärt hat, daß der große Farnese unsre Familie so fleißig besuchte. Sind denn etwa geschminkte oder berüchtigte Buhlerinnen zu uns gekommen, wie es doch an so manchen Höfen geschieht, die dort geduldet, ja bewundert werden, die herrschen dürfen? – So mag nach meiner Rechtfertigung, die ich, wenn ich muß, noch viel bestimmter aussprechen kann, die Versammlung über mich beschließen.«

Es war nicht zu verkennen, daß alle in Verlegenheit waren, denn sie hatten einen ganz andern Ausgang erwartet. Es schien auch dem Befangensten einzuleuchten, daß nur die Tugend so stolz und dreist sprechen könne. Man vermutete, daß ein andres, schlimmeres Geheimnis hinter diesem laure. Man sah, wie still und verlegen, fast demütig der großmächtige Kardinal Farnese war, der in seiner triumphierenden Schadenfreude erst dieses Verhör am eifrigsten gefordert hatte. Auch dem nicht Scharfsichtigen fielen jetzt die Widersprüche in der sonderbaren Anklage auf, und alle waren still und sahen vor sich nieder. Man wußte ja, wie oft Zeugen oder Verbrechern Worte in den Mund gelegt wurden, um ihnen auf diesem Wege ihre Verzeihung zu erleichtern, um irgendeinem Gegner zu schaden. War doch auch der elende Mancini, der auf der scharfen Folter alles sollte ausgesagt haben, schon freigelassen, man hatte ihn nur verwarnt, das römische Gebiet bei Todesstrafe niemals wieder zu betreten. Wußte man denn die Summe, die er vielleicht von jenen erhalten hatte, denen seine Entfernung notwendig war? Valentinis Selbstanklage hatte noch weniger zu bedeuten.

Ohne daß es mit einer Silbe ausgesprochen wurde, hatte Vittoria schon einen vollständigen Sieg erfochten, worüber der Engländer entzückt war, den die schöne große Frau und ihre heroische Entschlossenheit begeistert hatte. Jetzt erhob sich der stolze Bracciano und wendete sich, nachdem er alle durch eine Verbeugung begrüßt hatte, an den Kardinal Farnese, der sich die Miene gab, als wenn er tiefsinnig in seinem Gedenkbuch etwas Wichtiges einzeichnete.

»Ihr, verehrter Freund,« sprach Bracciano mit lauter Stimme, »werdet also, wie die edle Witwe wünscht, ihre Tugend und Unschuld am besten und kräftigsten bezeugen können. Soll Euer Stillschweigen nicht für Lossprechung gelten, oder verlangt der Heilige Vater und das Kollegium der Kardinäle die Fortsetzung des Prozesses, so erkläre ich hiermit, daß ich imstande bin, den wahren Mörder anzuzeigen, was ich auch gewiß tun werde, wenn man mich zum Äußersten zwingt. Aber zum Äußersten, ich wiederhole es, werde ich dann getrieben. Alle meine Macht, Mannschaft, mein Ansehn, meine Reichtümer, meinen Einfluß werde ich dann rücksichtslos daran strecken, mit meinem Gut und Blut eine verleumdete Unschuld zu verteidigen und zu erretten. Es komme dann, was kommen mag, und meine Gegner mögen sich dann selber die möglichen Folgen zuschreiben. Dann eröffne ich aber zugleich, wie und wo ich es erfahren habe, wozu dieser arme Peretti von einem großen, mächtigen Manne gemißbraucht werden sollte; wird dies weltkundig, so steht es dahin, ob noch irgend jemand, selbst der edle Oheim, das Schicksal des Unglücklichen sonderlich bedauern würde.«

Alle verstummten und sahen nach Farnese, der heftig in sich kämpfte, seine Fassung nicht völlig zu verlieren. Er war vernichtet, denn was Vittorias Rede nur angedeutet, sprach der Herzog deutlich aus: daß er selbst in jener Nacht die schändliche Abrede angehört hatte. Mit einem stolzen Gruß wendete sich Bracciano nach der Tür. Einer der Schreiber eilte ihm nach und sagte demütig: »Exzellenz, Ihr habt Euern Mantel vergessen«; er machte Miene, ihn herbeizuholen. »Kind,« sagte der stolze Mann, »was kümmert dich das? Laß liegen, ich bin es nicht gewohnt, die Stühle, auf denen ich sitze, mit mir zu nehmen.« – So verließ er den Saal. –

Jetzt erhob sich Farnese und sagte, indem er die Versammlung eilig verließ: »Ich bin in meinem Gewissen gezwungen, alles das zu bestätigen, was der edle Herzog oder die verständige, tugendhafte Witwe selbst ausgesagt haben, ich halte sie für völlig unschuldig und erkläre, daß wir durch falsche Angeber sind getäuscht worden.«

Der Mediceer erhob sich hierauf und sprach: »Vittoria Accorombona, verwitwete Peretti, wir sprechen Euch hiermit jedes Verdachtes an dem Morde des Gemahls frei, los und ledig. Aber in dieser unruhigen Zeit, verfolgt von mächtigen Feinden, wie Ihr es seid, bedrängt von gewalttätigen Bewerbern, die, wie Ihr selber wißt und ausgesagt habt, keine Mittel scheuen, selbst die schrecklichsten nicht, ist es unsre Pflicht, Euch auf einige Zeit von der Welt abzusondern, um Euch Sicherheit zu gewähren. Daß Euer kleines Haus Euch diese nicht verleiht, daß es nicht ziemlich ist, länger im Palast des Herzogs zu verweilen, muß Eurem hohen Verstande selber einleuchten. Der Governador in eigner hoher Person, der Neffe und weltliche Stellvertreter unsers Heiligen Vaters, hat Euch die Ehre erwiesen, Euch hierherzuführen, er wird Euch gleichfalls zurückbegleiten und Euch einen Teil seiner eignen Wohnung zum Schutz in Kastell Angelo anweisen. Nicht als Gefängnis bezieht Ihr diese Burg, sondern als wahres Asyl, um Euch wie vor Verleumdung, so auch vor persönlichen Angriffen zu schützen. Der Heilige Vater wird sich auch erweichen lassen und Euch die völlige ungehemmte Freiheit wieder gewähren, die Ihr scheinbar nur auf einige Zeit verliert, wenn sich alle diese ungestümen Wogen verlaufen haben.«

Im Vorsaal empfing der Governador die Losgesprochene und führte sie nach der Engelsburg, wo sie mehrere Zimmer bewohnen sollte, um weder Bracciano noch andre ihrer Freunde oder Feinde auf einige Zeit zu sehn.

Als im Palast der Mediceer der Kardinal Fernando und der Ritter Carre angekommen waren, sagte der letztere: »Diese herrliche Frau sollte die Königin eines großen Reiches sein.«

»Man sagt,« erwiderte der Mediceer, »daß sie sich schon jetzt mit Bracciano verlobt habe. Sei sie übrigens unschuldig, so darf doch unsre Familie diese unkluge Ehe nicht zugeben, damit die rechtmäßigen Kinder nicht in der Erbschaft verkürzt werden. Diese Mißheiraten haben schon Unglück genug hervorgebracht. Ich zitterte, daß sie mir von meiner jetzigen Schwägerin, Bianka Capello, sprechen würde. Aber die Frau ist hochbegabt und verständig.«


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