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3. Sonnige Fahrt

Endlich brach der große Tag an.

Schon vor Sonnenaufgang verließ ich das Brynjúlfssonsche Haus an der Dossering und ging eilends durch die Stadt nach dem Neuhafen hinaus.

In den Straßen war es noch still und einsam zu dieser frühen Morgenstunde. Die Menschen schliefen noch in den Häusern. Nur da und dort sah ich jemand des Weges kommen.

Die Luft war lind und lau, der Himmel ohne Wolken. Er schien gutes Frühlingswetter zu verheißen.

Am Neuhafen hatte bereits Herr Petersen die ›Laura‹ segelfertig gemacht. Valdemar, der keinen so weiten Weg bis zum Hafen hatte wie ich von der Dossering her, war ebenfalls zur Stelle, wohlausgerüstet mit allem, was wir verabredet hatten.

Herr Petersen, der alte Seemann, gab uns vor der Abfahrt noch einige Winke. Drauf sprangen wir beide ins Boot hinein. Wir legten rasch unsere Sachen zurecht und stießen dann kräftig das Schifflein mit dem Bootshaken vom Lande weg.

Unsere Fahrt von Dänemark nach Schweden hatte begonnen!

Herr Petersen, der am Ufer stehen blieb, wünschte uns gute Reise. Dankend riefen wir zurück:

»Auf Wiedersehen morgen abend!«

Ich sagte jetzt zu Valdemar: »Solange wir durch den Hafen fahren, mußt du ans Steuer gehen, ich will allein rudern.«

Valdemar setzte sich hinten ins Boot und faßte das Steuer. Ich nahm Platz auf einer der Ruderbänke, ergriff mit beiden Händen die Ruder und fing zu rudern an.

Das Boot entfernte sich schnell vom Ufer. Herr Petersen winkte uns von weitem zum Abschied. Wir erwiderten seinen Gruß und konnten ihn dann bald nicht mehr sehen vor lauter Dampfern und Seglern, die überall herum im Hafen lagen.

Vorsichtig mußten wir unsern Weg durch dieses Gewirr von Schiffen und Fahrzeugen hindurch suchen. Ich rief daher meinem kleinen Steuermann zu:

»Paß gut auf, Valdemar, daß wir nicht anrennen! Immer rechts ausweichen!«

Er antwortete: VHab nur keine Sorge, Nonni, ich werde schon achtgeben! Hier im Hafen kenne ich mich gut aus!«

Valdemar steuerte vortrefflich. Ohne den geringsten Zwischenfall erreichten wir glücklich den schmalen Hafenausgang.

Dort standen mehrere wachthabende Beamte, um Ordnung zu halten. Als wir eben hinauswollten, rief einer von ihnen uns zu:

»Wohin?«

Da wir keine Antwort gaben, rief er lauter:

»Wohin wollt ihr?«

Ich bekam einen gewaltigen Schrecken. – Wollte der Mann uns etwa die Fahrt nach Schweden verbieten?!

Dann wäre ja alles verloren!

Mein nächster Gedanke war deshalb: Unser eigentliches Reiseziel darf ich dem Aufseher keinesfalls nennen. Ich erwiderte also:

»Wir wollen auf den Sund hinaus!«

»Wohin und zu welchem Zweck?«

Du guter Gott! – Was soll ich tun?

Ich überlegte einen Augenblick. Dann rief ich:

siehe Bildunterschrift

»Herr Petersen winkte uns von weitem zum Abschied.« (S. 224.)«

»Wir wollen eine Vergnügungsfahrt machen!«

Zu meiner freudigen Überraschung kam nun die Antwort:

»Gut, dann könnt ihr passieren.«

Mit Leibeskräften ruderte ich jetzt weiter durch die entscheidende Durchfahrt. Noch einige Sekunden – und wir waren in Sicherheit!

Als wir aus der Hörweite der Hafenaufseher gekommen waren, sagte ich zu Valdemar:

»Warum hat der Mann uns so gefragt?«

»Ich weiß nicht, Nonni. Vielleicht weil wir allein sind und keine Erwachsenen bei uns. Da halten sie manchmal die Boote zurück.«

»Warum tun sie das?«

»Weil auf dem Sund schon Knaben ertrunken sind, wenn sie allein waren, und wenn draußen ein starker Wind ging.«

»Aber jetzt ist doch das Meer ruhig, es sind ja gar keine Wellen da!«

»Das schon, aber ich glaube, er hat nur gefragt, weil wir schon so früh ganz allein hinaus wollen.«

»Dann war es aber ein Glück für uns, Valdemar, daß ich nichts von Schweden gesagt habe!«

»Ja, Nonni, das hast du recht gemacht. Ich glaube, er hätte uns sonst nicht hinausgelassen.« –

Die erste große Gefahr für uns war also glücklich überstanden. Ich atmete auf und gab mich wieder frohgemut ans Rudern.

Leicht und schnell glitt unser Boot dahin. In kurzer Zeit waren wir vom inneren Hafen auf die große Reede hinausgekommen, wo die Schiffe nicht mehr am Lande festgebunden waren, sondern auf dem tiefen Wasser frei vor Anker lagen.

Hier war es viel geräumiger um uns herum geworden, und obwohl es noch nicht das offene Meer war, so dehnte sich doch die Reede weit nach allen Seiten hin.

Rechts von uns lagen in Reih und Glied die alten dänischen Kriegsschiffe an einer kleinen Insel. Links waren die hohen Wälle der Stadt, die breiten Gräben, die Batterien und andere Befestigungsanlagen.

Von den Schiffen, die wir jetzt in nächster Nähe vor uns sahen, waren die meisten größer als die, welche drinnen im Hafen lagen. Es waren auch mehrere fremde Kriegsschiffe dabei, die wohl auf Besuch hier waren.

Wir fuhren dicht an den fremden Kriegsschiffen vorüber, und nur ganz langsam, damit wir sie besser betrachten konnten.

Auf den Schiffen fing es allmählich an sich zu regen.

Von den Kaminen der Schiffsküchen stiegen bläuliche Rauchsäulen in die klare Luft empor, ein Zeichen, daß die Schiffsköche schon daran waren, den Morgenkaffee für die Mannschaft zu kochen.

Nach und nach wurde es immer lebendiger auf den vielen großen Schiffen. Ein Matrose nach dem andern kam auf Deck. Es war die Zeit des allgemeinen Aufstehens.

An den Schiffsseiten wurden Boote heruntergelassen. Kleine Dampfschaluppen wurden da und dort ins Meer gesetzt und schossen dann blitzschnell durch das Wasser nach dem Ufer hin. Und auch vom Ufer her fuhren Boote zu den Schiffen heraus.

Valdemar und ich verfolgten aufmerksam dies eigentümliche erwachende Leben und Treiben. Wir sprachen nur noch von den vielen Dingen, die hier zu sehen waren, und achteten wenig auf unsere Fahrt.

So kam es, daß wir fast unvermerkt an die äußere Grenze der Reede gelangten. Die Aussicht erweiterte sich, ich begann wieder kräftiger zu rudern.

Bald hatten wir die Reede und die Schiffe hinter uns und glitten nun über das tiefe, ruhige Wasser hinaus auf das große, weite, herrliche Meer!

Der blaue Sund in seiner gesamten Größe und Schönheit tat sich zaubervoll vor unsern Blicken auf.

Ostwärts sahen wir nur Wasser und Himmel.

Ein feiner lichter Dunst lag noch auf dem weiten Meeresspiegel und verhüllte uns die ferne schwedische Küste. Bald aber, das wußten wir aus Erfahrung, würde dieser dünne Morgenschleier über dem Meere vor der hellen, aufgehenden Sonne schwinden.

Immer weiter rudernd, entfernten wir uns mehr und mehr von der Reede, bis wir uns endlich voll und ganz draußen auf dem lieblichen Öresund befanden.

Erst hier fing im Ernst unsere eigentliche große Seereise an.

Vor jugendlichem Wagemut und seliger Erwartung schlug unser Herz höher. Wir waren beide in einer festlichen Stimmung.

Valdemar sagte jetzt zu mir: »Nonni, sollen wir nicht beide zusammen rudern, damit es schneller geht? Wir sind ja nun im Freien und können gut ohne Steuer fahren.«

Das war ein kluger Einfall. Ich rief Valdemar, der bisher am Steuer saß, sogleich zu mir her und übergab ihm das eine Ruder. Er setzte sich auf die Bank hinter mir, und so ruderten wir beide zusammen wie um die Wette.

Valdemar hatte recht gehabt: unser Kahn schnellte nun pfeilartig dahin. Reede, Schiffe und Stadt wurden immer kleiner vor unsern Augen.

Auf einmal blickten wir erstaunt auf. Wir hielten mit dem Rudern inne. Über der Stadt nämlich geschah jetzt etwas ganz Wunderbares: Wir sahen, wie die Türme Kopenhagens plötzlich anfingen, in goldenem Lichtglanz zu glühen und zu leuchten.

»Was ist denn das, Valdemar?« fragte ich verwundert. »Alle Türme der Stadt scheinen ja zu brennen!«

»Das ist der Sonnenaufgang, Nonni«, antwortete er. »Man kann aber jetzt erst die Türme in dem Sonnenlicht sehen, weil unten noch ein wenig Nebel ist. Nachher wird die ganze Stadt so sein.«

O wie herrlich war doch dieser Anblick! Ich achtete vor Entzücken kaum noch auf unser sanft dahingleitendes Boot.

Indessen hatte Valdemar eine neue Entdeckung gemacht. »Nonni!« rief er, »dreh dich einmal um und schau hierher nach Schweden hinüber! Eben geht die Sonne auf!«

Ich drehte mich schnell um und schaute ostwärts. Da bot sich mir eine neue wundervolle Überraschung dar. In weiter Ferne am Horizont, gerade drüben, wo Schweden lag, tauchte am äußersten Rand des Meeres langsam die mächtige, glühende Sonnenkugel auf.

Im Nu war die ganze weite Wasserfläche bis zu der schwedischen Küste hin in glitzerndes Gold und Silber verwandelt. Der leichte Dunst über dem Meere war jetzt wie durch einen Zauberschlag verschwunden, und von unserm Kahn aus dehnte sich in einer geraden Linie bis nach Schweden hinüber eine über alle Maßen prachtvolle Straße aus lauter Licht und Farben, als wäre sie mit unzähligen schimmernden Perlen und Rubinen besät.

Meine Augen wurden von dem starken Glast ganz geblendet. Ich hatte noch selten eine solche Lichtpracht gesehen.

Valdemar und ich konnten gar nicht satt werden, dies herrliche Schauspiel der Natur zu bewundern. »O wie schön! wie schön!« riefen wir uns immer von neuem zu.

»Der Sonnenaufgang über dem Sund ist aber auch berühmt!« sagte Valdemar. »Hast du noch nie davon gehört, Nonni?«

»Nein, Valdemar. Aber ich bin jetzt froh, daß wir so früh herausgefahren sind. Hier im Freien ist er gewiß am schönsten.«

Als die Sonne dann höher stieg und alle Fülle ihres purpurnen Lichtes über den Öresund ausgoß, wandten wir uns wieder um und schauten nach Kopenhagen zurück.

Jetzt waren dort nicht mehr allein die Türme vom Sonnenlicht vergoldet: die ganze große Stadt stand wie in Feuer und Flammen! Es war ein Glühen und Glänzen, ein Funkeln und Flimmern ohnegleichen.

Wir wurden so ergriffen, daß wir die Ruder einzogen und unsern Kahn frei schaukeln und treiben ließen, um völlig den unaussprechlichen Zauber dieses Licht- und Farbenspieles genießen zu können.

In der flammenden Beleuchtung nahm sich Kopenhagen wie eine Märchenstadt aus. In der Mitte, gerade vor uns, die eigentliche Stadt mit ihren Palästen und Königsburgen: der Christiansborg, Rosenborg und Amalienborg; dazwischen die vielen Kirchen mit ihren schönen, schlanken Türmen, rechts die prachtvollen grünen Buchenwälder, links die langgestreckte Holländerinsel Amager, die einen einzigen duftenden Blumen- und Fruchtgarten bildet.

Nach und nach verwandelten sich die bunten Lichtgarben der ausgehenden Sonne in das blendend weiße Tageslicht, es wurde ein heller, strahlender Frühlingsmorgen.

Wir nahmen wieder die Ruder und fuhren weiter mit unserm flinken Boot über die spiegelblanke, glitzernde Meeresfläche.

Bisweilen hielten wir inne und schauten vorwärts nach dem Ziel unserer Reise. Doch die Sonne war so blendend, daß wir unmöglich die schwedische Küste sehen konnten.

Weil wir sie aber nicht sahen, darum meinte Valdemar, der Weg müsse doch länger sein, als wir uns gedacht hatten. Ein wenig mutlos, wie mir schien, fragte er mich:

»Glaubst du, Nonni, daß wir sicher heute noch bis nach Schweden hinüberkommen?«

»Aber gewiß, Valdemar! Du wirst sehen, heute nachmittag sind wir in Schweden. Das ist doch nicht so schwer! Wir fahren jetzt zuerst bis zur Insel Saltholm. Wenn wir einmal dort sind, dann kommen wir auch noch leicht bis nach Schweden hinüber. – Aber wo liegt denn der Saltholm von hier aus? Ich kann ihn nirgends sehen.«

Valdemar sprang auf eine Ruderbank hinauf, schaute nach Südosten, und merkwürdig: er hatte die Insel sogleich gefunden. – »Ich habe sie!« rief er lebhaft. »Komm her, Nonni, ich sehe sie ganz deutlich!«

Ich sprang nun ebenfalls auf die Ruderbank und stellte mich dicht neben Valdemar.

»Schau, dort!« sagte er jetzt, indem er mit der Hand nach vorne, ein wenig rechts von uns, zeigte. »Siehst du die Bäume dort? – dort weit drüben!«

Ich strengte mich an und suchte eine Weile in der angegebenen Richtung. – »Ja, jetzt habe ich sie auch! – Aber wahrhaftig, es sieht aus, wie wenn alle diese Bäume direkt aus dem Meere wüchsen! Ich bin gespannt, wie das von der Nähe sein wird. Komm, Valdemar, wir müssen jetzt in gerader Linie auf den Saltholm steuern.«

Während wir so miteinander sprachen, fiel uns plötzlich auf, daß das Meer nicht mehr so glatt war wie zuvor. Auf dem Wasserspiegel zeigten sich nach allen Seiten hin kleine, sanfte Wellen.

Das kam von einem leichten Wind, der bald stärker zu wehen anfing.

Freilich, es war kein günstiger Wind. Er wehte nicht von Westen her, sondern blies gerade von Schweden herüber uns entgegen.

Valdemar wurde wieder ängstlich. Er sagte: »Nonni, ich glaube, wir kommen nun heute doch nicht bis nach Schweden. Sieh nur, was für ein Wind jetzt geht!«

»O, was macht denn das, Valdemar! Den Gegenwind können wir auch gebrauchen! Wir müssen dann eben kreuzen, statt in einer geraden Linie auf Schweden zu zu segeln. Das Kreuzen ist noch schöner!«

»Ja, aber wie lange wird es dann dauern, bis wir auch nur den Saltholm erreichen!«

»Nicht so lange, wie du meinst, Valdemar. Wir hissen jetzt alle Segel, und du wirst sehen, wie rasch es dann geht!«

Flugs wurden die Segel gehißt. Die anfangs so schwache Brise hatte sich bereits zu einem frischen Winde entwickelt und schwellte nun sofort die großen weißen Segel unseres Schiffleins.

Ich sprang zum Steuer. Das kleine Boot legte sich auf die Seite und lief hurtig über die Wellen.

Als Steuermann gab ich Befehl: »Valdemar, du mußt dich auf die mittlere Ruderbank setzen und auf die vordersten Segel achtgeben! Ich sorge für Steuer und Großsegel.«

Valdemar folgte sogleich meinem Rufe, und nun ging unser Boot, die flinke »Laura«, in stürmischer Eile voran. Ich aber steuerte nicht gegen Osten hin, wo der Saltholm lag, sondern nach Nordost.

Valdemar, der im Segeln nicht so gut bewandert war, wurde infolgedessen wieder unruhig. Er rief mir zu:

»Nonni, wo fahren wir denn jetzt hin? So kommen wir ja zum Kattegatt!«

»Nein, Valdemar, wir kreuzen doch bloß! Gegen das Kattegatt geht es nur eine Zeitlang, dann wenden wir um und fahren nach Südosten. So kommen wir in einer Zickzacklinie dem Saltholm immer näher.«

Mit Hilfe des kräftigen Windes waren wir bald so weit nach Nordosten gesegelt, daß es allmählich Zeit wurde, unsern Kahn zu wenden. Hierzu mußte das Tau, welches das Großsegel an der linken Seite des Bootes festhielt, vorsichtig losgemacht werden, denn im Augenblick der Wendung kam es darauf an, das Segel rasch nach der rechten Seite zu werfen und es dort wieder festzubinden.

Diese Aufgabe wollte jetzt Valdemar übernehmen, damit ich selbst ungestört am Steuer bleiben könne.

Der kleine Junge lockerte das Tau sehr geschickt. Gleichzeitig steuerte ich entschlossen gegen den Wind. Das Boot drehte sich sofort nach rechts, ebenfalls gegen den Wind, und richtete sich auf. Die Segel flatterten erst wie unschlüssig in der Luft. Dann aber, nach einer nochmaligen kleinen Drehung nach rechts, wölbten sie sich wieder gleichmäßig, und der Kahn legte sich jetzt auf die rechte Seite. Schnell warf nun Valdemar auch das Großsegel rechtsum und band es dort fest. Die kleineren Segel vorne kamen von selbst nach.

Unsere erste Wendung war bestens gelungen, wir fuhren nun in voller Fahrt nach Südost.

»Siehst du, Valdemar, jetzt geht es wieder auf den Saltholm zu!« sagte ich.

»Ja, Nonni, aber doch immer ein wenig schräg!«

»Gewiß; das kommt aber nur daher, weil man nun einmal nicht gegen den Wind segeln kann. Du wirst aber sehen, wie bald wir jetzt am Saltholm sein werden!«

Der Wind wurde noch stärker, die Wellen gingen höher, und immer geschwinder eilte unser wackeres Schifflein. Es hüpfte leicht und geschickt über die schäumenden Wellenkämme hinweg, hob sich dabei stark in die Höhe und schoß dann jedesmal blitzschnell in die Wellentäler hinab.

Das war eine köstliche Freude für uns! Immer auf und nieder, flogen wir von Welle zu Welle dahin.

Auch Valdemar erkannte jetzt, daß wir niemals mit Rudern so schnell vorwärts gekommen wären.

»Nein, nicht halb so schnell«, sagte ich. »Und wie müde wären wir durchs Rudern geworden! Nun aber macht der Wind die ganze Arbeit allein, und wir können uns ausruhen.«

Es war in der Tat eine Lust, so mühelos wie im Fluge über die tiefen Wasser dahingetragen zu werden, immer weiter und weiter, einem geheimnisvollen, unbekannten Ziele entgegen!

Noch war ja der Saltholm eine unbekannte, geheimnisvolle Insel für uns.

Jetzt sahen wir sie aber schon ganz deutlich. Sie war größer, als wir gedacht hatten. Sie erstreckte sich von Nord nach Süd und mochte ihre sechs bis sieben Kilometer lang sein. Wie breit sie war, das konnten wir noch nicht sehen.

So tief im Meere, wie es uns vorher geschienen, lag sie auch nicht. Sie erhob sich einige Fuß über den Wasserspiegel. Man sah auf ihr nur grüne Wiesen, ein wenig Gebüsch und kleine, liebliche Wäldchen.

Je näher wir hinkamen, desto mehr nahm der Wind ab. Die Wellen wurden immer kleiner und verschwanden schließlich ganz.

»Aber Nonni!« rief Valdemar, »jetzt haben wir ja wieder Windstille, und das Meer wird wieder so glatt wie am Anfang bei der dänischen Küste!«

»Natürlich; das kommt von der Insel und ihren kleinen Wäldern«, sagte ich, »die brechen die Kraft des Windes.«

Als es ganz stille geworden war, zogen wir die bereits schlaff herunterhängenden Segel ein, hoben den Mast aus und ruderten dann kräftig noch die kurze Strecke bis zur flachen, sandigen Küste.

Das Boot glitt sanft zum Ufer hin und bohrte sich fest in den knirschenden Sand.

Wir sprangen beide heraus und zogen das kleine Fahrzeug bis zur Hälfte auf das Land hinauf, damit es nicht von den Wellen fortgeschwemmt würde.

Unser erstes Ziel, die geheimnisvolle Insel, war erreicht!


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