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Brief des französischen Dichters Paul Bourget an den Verfasser:

Chantilly, 14. September 1924.

Verehrter Herr Svensson!

Ihre Island-Erzählungen haben mein lebhaftes Interesse gefunden, und ich danke Ihnen für die freundliche Zusendung ihrer Übersetzung, die ich für ausgezeichnet halte. Die Gabe der Erzählung ist Ihnen in die Wiege gelegt worden, jene köstliche Gabe, die so selten geworden ist und deren sich selbst große Romanschriftsteller nicht rühmen durften. Wie geheime Macht geht diese Kunst des Erzählens jedem Atem des Lebens nach und erweckt mit unwiderstehlichem Zauber hingehenden Glauben. Wir Leser folgen Ihrem Nonni und Manni auf ihr Schifflein, dem Schauplatz ihrer Abenteuer. Geschieht auch das Zusammentreffen mit den Walfischen unter den merkwürdigsten Umständen: wir erleben es ohne Schatten eines Zweifels, können es gar nicht anders erleben. Schwarze, lange Leiber dieser Ungeheuer tauchen auf in der Nacht und verschwinden wieder. Wir hören nur das entsetzliche Knattern der niederstürzenden Wassersäulen, die sie gleich Fontänen spielend emporgeschleudert haben. Und wir begleiten schließlich die armen Kinder an den gastlichen Bord des französischen Kriegsschiffes. Das Herausstellenkönnen greifbarer Gegenwart, das ist's, was den Erzähler zum Meister macht. Dieses Vermögen besitzen Sie in allerweitestem Ausmaß.

Halten Sie mir zugute, wenn ich noch etwas zu Ihrem Lobe sage. Ich muß das, sonst wäre es nicht voll. Nämlich: in beiden Erzählungen tritt zu Ihrer Erzählerkunst noch eine andere Gabe, die ich mangels besseren Ausdrucks nicht anders zu bezeichnen vermag denn als die Gabe atmosphärischer Wirklichkeitsvermittlung. Sehen Sie! Wie fern ist uns doch Ihre Heimat, Island! Kaum daß man sie in Frankreich kennt. Und doch! Liest man Ihre Zeilen, so steigen Ihrer Insel einsame Küstenstriche greifbar vor den Augen auf, ihre Gewässer, die im Glanz der Mitternachtssonne zittern, ihre Fjorde, ihre Berge, die ungekünstelte, doch wahrhaft hochherzige Art der Gesinnung ihrer Bewohner! Was muß das für eine Rasse von Seeleuten sein, wenn zwei Kinder, eines mit acht, das andere mit elf Jahren, nichts dahinter finden, mutterseelenallein in einen Nachen zu steigen, Ruder und Steuer in die Hand zu nehmen und in die schwarze Nacht hinauszustoßen, bald übermütig, bald verzagt dahintreibend! Was für ein Geschlecht von Träumern, die den Fischen eines vorpfeifen wollen, daß sie sich in die wogenden Abgründe der Wellen flüchten! Da ist's, als ob wir in unserem abgestumpften, lichtgetrübten Empfinden doch in etwa ahnten, wie in solchen kindlichen Äußerungen jene primitive Vorstellungswelt widerklingt, die einst die seltsamen nordischen Märchen gezeugt hat. Und wir ahnen ferner, bis zu welcher Höhe des Christentums diese Nachkömmlinge einstiger heidnischer Seeräuber emporgeklommen sein müssen, wenn wir den frommen Sinn dieser beiden schiffbrüchigen Kinder sehen dürfen, ihr Vertrauen in den Schutz der Vorsehung, diese köstlich naive Inbrunst ihres Gelübdes.

So war in der Tat, verehrter Herr Svensson, die Lektüre dieser Erzählungen ein großer Genuß für mich. Ich sage Ihnen das gerade heraus, weil Ihnen vielleicht doch etwas daran liegt, das Urteil eines grau gewordenen Schriftstellers zu hören, der die Kunst des Fabulierens zu sehr liebt, als daß er nicht die Begegnung mit solchen Dichtungen als freudiges Erlebnis empfände.

Paul Bourget.


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