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Ein großer Wollüstling ist unglücklicher und mehr zu beklagen, als der Letzte und Gemeinste des Volkes.
Massillon.
Hôtel de Vaudrey – dies waren die mit goldenen Buchstaben auf eine schwarze Marmorplatte geschriebenen Worte, welche an dem Vordersims einer der schönsten Wohnungen in der Universitätsstraße von Paris prangte.
Ein steinernes Adelsschild mit einer Grafenkrone erhob sich über dem reichen Getäfel einer großen geschnitzten Pforte von Eichenholz.
Auf jeder Seite dieses von starken Steinen eingefaßten Thores dehnte sich ein Gitterwerk mit vergoldeten Pfeilern aus und endete an zwei Pavillons, deren Rückenmauern sich mit dem Hauptgebäude vereinigten.
Dieser Bau nahm den Hintergrund eines unermeßlichen Ehrenhofes ein.
Die Gebäude, welche an die besprochenen Pavillons stießen, enthüllten die Ställe und Gesindewohnungen, von der Seite des Ehrenhofes mit Bogen und blinden Fensterkreuzen maskirt.
In der That, der Anblick dieses Hôtels war majestätisch; die beiden langen Reihen hoher Fenster mit kleinen Scheiben sprangen hell aus den durch die Zeit geschwärzten Mauern hervor; eine breite, zirkelförmige, ziemlich hohe Treppe führte zur großen Glasthüre des Hausflures, und die Wipfel der Pinien und Kastanienbäume, die eine Art Kuppel überragten, mit einer Uhr in der Mitte, und auf dem Forst des Gebäudes angebracht, ließen vermuthen, das auf der Hinterseite des Gebäudes ein weiter Garten sich hinab erstrecke.
Es war ungefähr acht Tage nach jenem Auftritte im Thurme zu Koat-Vën. – Eben ertönte im Hôtel die Mittagsstunde, als ein heftiger Schlag mit dem Thürhammer die große Pforte erschütterte.
Dieser wüthende Schlag bewog einen mächtig langen, rothen, blatternarbigen Schweizer in seinem Armsessel aufzuspringen; er war bewundernswürdig gepudert, und trug einen Haarbeutel, eine grüne, auf allen Nähten mit Tressen von den Farben und Wappen von Vaudrey besetzte Livree; nach dem Gebrauch war dieses prächtige Kleid mit gestickten Senkeln und einem breiten, silberfarbigen Wehrgehänge, voller Wappenschilder, verziert; an diesem hing ein Degen mit großer Quaste.
Der Sohn dieses Schweizers, ein Knabe von vierzehn Jahren, ebenfalls gepudert und in dieselbe Livree als Vorreiter gekleidet, schickte sich an, die Thür zu öffnen, während der Vater sich auf seine Beine brachte, seinen goldgestickten Hut aufsetzte und seine lange, mit rother, blau- und golddurchwirkter Quaste verzierte Hellebarde ergriff.
Man klopfte noch stärker und mehrere Male.
»So siehe doch, Lorrain, wer der Schlingel ist, der sich so weit vergißt, auf diese Art an die Pforte des Hôtels Vaudrey zu klopfen,« sprach der Schweizer mit wichtiger Miene.
Lorrain nahm, entzückt über den Befehl, seine Peitsche und lief, trotz seiner Sporen und schweren, am Beine anliegenden, oben weiten Stiefel, um zu sehen, wer der Schlingel wäre, der sich so vergäße.
Man klopfte immer noch mit Heftigkeit.
Lorrain stieß die Pforte auf und gewahrte ein mageres Männchen, in einem grauen Reisemantel mit rundem Kragen, spitzem Hute und Reisestiefeln. Diese Person hielt den Thorschlägel in der Hand, welchem er so grausam mitspielte … und blickte, als verfolgte er etwas mit seinen Augen, in die Luft, ohne jedoch deswegen sein höllisches Gelärme zu unterbrechen.
»So sagt doch! he! – seid Ihr denn einem Käfig der St. Lorenz-Messe entlaufen?« schrie der Knabe muthwillig, wie ein Bedienter von vornehmem Hause, und ließ seine Peitsche um die Ohren des Unbekannten knallen.
»St. Lorenz?!« entgegnete der kleine Mann, welcher von dem zu ihm Geäußerten nur das letzte Wort zu hören oder zu verstehen schien, »St. Lorenz? nein . . nein! Heinrich von Vaudrey … den Grafen … will ich sehen,« erwiederte er, immer die Augen auf den Himmel heftend.
»Sprecht doch, Vater! – es ist ein Verrückter …« rief Lorrain aus voller Lunge.
Bei diesem unschicklichen Geschrei trat der Schweizer aus seinem Thorverschlage; er war vor Zorn kirschroth, wie seine Schärpe … »Willst du still sein, du Bösewicht; – so ein Geschrei auszustoßen! wenn man in einem Hause von gutem Anstand eine Maus laufen hören soll – so aufzuschreien auf der Straße, an der Pforte zum Hôtel Vaudrey: – Gehe hinein, mache, daß du fortkommst; du bringst Schande und Verzweiflung über deine Familie! –«
Und fast hätte der anstandliebende Schweizer unsern Rumphius vergessen; denn dieser war es, begleitet von einem Savoyarden, der sein dünnes Reiseränzchen trug; zum Glücke daß der Astronom den Schweizer beim Degen festhielt, als dieser gerade die Thür zuschließen wollte.
»Graf von Vaudrey!?« sagte Rumphius, diesmal jedoch den ansehend, mit welchem er sprach.
»Ach! – ich habe ja wohl die Ehre, Herrn von Rumphius zu begrüßen,« sagte nun der Schweizer mit dem Ausdrucke ehrerbietiger Bekanntschaft, »Monsieur belieben ohne Zweifel einige Tage im Hôtel verweilen zu wollen; – wiewohl der Herr Graf für Niemand diesen Vormittag sichtbar sind – so will ich doch Monsieur anmelden …«
Und der Schweizer ging, nachdem er den Savoyarden bedeutet hatte, schnell durch die Gänge zu eilen, um nicht den Hof zu verunzieren, wieder in seine Loge zurück und ließ einen scharfen und anhaltenden Ton auf einem Pfeifchen erschallen; auf diesen Klang öffnete sich die große Glasscheibenthür des Hausflures und man sah durch die Fenster die Gestalten von fünf bis sechs Bedienten, eben so wie der Schweizer gekleidet, gepudert, mit Haarbeuteln, rothen Beinkleidern, seidenen Strümpfen und silbernen Schnallen auf den Schuhen.
Die Diener musterten neugierig Rumphius, welcher, in seiner Zerstreuung, zickzack vorwärts ging, den Sand mit seinem Regenschirm aufkratzte, den Himmel betrachtete, bald stehen blieb, wahrscheinlich irgend eine Gleichung berechnend, bald seinen Marsch wieder fortsetzte, um abermals stehen zu bleiben.
Plötzlich fuhr ein Wagen so schnell aus einem der mit den Ställen zusammenhängenden Bogengänge heraus, daß, ohne den wiederholten Zuruf des Kutschers, Rumphius für immer den Wissenschaften entrissen worden wäre.
Aber glücklicherweise sprang der Astronom auf die Seite – dem Kutscher gelang es, die Pferde anzuhalten, sie in Schritt zu bringen und der Wagen stellte sich längs der Vortreppe auf.
Die Pferde waren prächtig; ihr Geschirr schwarz, der Wagen grau, ohne Wappen und Namenszug, der Kutscher ohne Livree, ebenfalls grau gekleidet, und ein eben so angezogener Lakai stand neben dem Wagen.
Endlich klimmte Rumphius die Treppe hinauf. – Die Thür des Flures knarrte und ein Bedienter stieg, vor dem Astronomen hergehend, eine breite Stiege mit schwerem vergoldetem Geländer und ungeheurer Wölbung hinauf, welche zu den innern Gemächern führte; denn Heinrich hatte für gewöhnlich die großen Visitenzimmer nicht inne.
Der Bediente überließ Rumphius dem Geleite eines alten Kammerdieners, der es übernahm, denselben einzuführen.
»Ach, Herr Rumphius,« sagte der bejahrte Diener, »der Herr Graf wird sich recht freuen, Sie zu sehen – wollten Sie wohl einen Augenblick hier verziehen? – Ich will Sie anmelden und Ihr Zimmer in Stand setzen! –«
Und der Astronom wartete in einem herrlichen Saale von länglich-runder Gestalt – die Meubles und Wände waren mit grünem, groß- und weißgeblümten und mit Perlen verzierten Damast überzogen: Alles in Spangen und Schnörkeln von Gold eingefaßt.
Nach einem Augenblick kehrte der Kammerdiener zurück und öffnete die beiden Thürflügel, indem er Herrn von Rumphius anmeldete.
»Ach! mein Gott! – der Herr Graf! – ich störe gewiß,« sagte Rumphius, als er sah, daß Heinrich nicht allein war.
»Keineswegs, mein lieber Rumphius, Sie stören mich gar nicht – setzen Sie sich!« – und dann, sich zu einem allerliebsten Frauenzimmer mit schwarzen Haaren, weißem, üppigem und rosigem Aussehen wendend, deren Gesicht von Muthwillen und Ausgelassenheit glühte, – (es war Lelia, der Wettpreis des Prinzen von Gueméné, der Tischgast von Koat-Vën)– »Meine Liebe, der Wagen steht unten – ich werde Dich vielleicht morgen zum Abendessen mit Fronsac und Escars bitten – leb' wohl, mein Kind!«
Und sie leichtfertig ins Kinn kneipend, grüßte er sie mit vertraulicher Geberde.
Lelia lächelte, hüllte sich in ihre Tücher und ging der Thür zu; – dann sich wieder herumwerfend, stellte sie sich vor Rumphius, der sich gesetzt hatte, machte ihm mit der ernstesten Miene eine tiefe Verbeugung und war in zwei Sprüngen an der Thür.
Bei dieser unerwarteten Verbeugung hob sich der arme Mann ganz erschreckt in die Höhe, und erwiederte dieselbe mit dem ehrerbietigsten und linkischesten Gruße, den nur ein Astronom machen kann; allein er war mit seinem Bückling noch nicht halb fertig, als Lelia schon verschwunden war.
Heinrich seinerseits lachte – lachte bis zum Wälzen in seinem Schlafrocke von prächtigem, blauen, mit Gold durchwirkten Lampas Schweres chinesisches Seidenzeug. A. d. Uebersetzers.
»Sie ist doch wahrhaft allerliebst, diese kleine Lelia,« rief Heinrich, während er noch in Zwischenräumen auflachte, »wundernett mit ihrer Reverenz – und Du, Rumphius – Du mit der Deinigen – Du warst ebenfalls vortrefflich!« –
»Meiner Treu, Herr Graf!« sagte Rumphius, der, ein Mal aus seinen Zerstreuungen gebracht, nie die Fassung verlor und den treuherzigsten Gleichmuth von der Welt besaß, »meiner Seel', Herr Graf, ich habe mein Compliment nach meinen besten Kräften vor der gnädigen – gemacht – ohne Zweifel eine Ihrer gnädigen Verwandten; sie hat wahrhaftig ein recht anständiges Aussehen.«
»Ach! wenn Du wieder anfängst … so weiche ich Dir …« sprach Heinrich, »zu viel Lachen thut mir für's Erste weh …«
»O hören Sie doch, Herr Graf! – ich sehe diese Dame in Ihrem Schlafzimmer … am Morgen … Ihr Wagen steht zu deren Befehlen …«
»Aber, Du alter Gelehrter, hast Du nicht bemerkt, daß mein Wagen ohne Livree war und daß ich ihn hier unten am hellen Tage vor meinen Leuten auffahren lasse? –«
»Aha! ich begreife,« meinte Rumphius mit einem Lächeln voll Schalksinn, Muthwillen und Scharfblick, »ich errathe … so wie Wischnu es gestattet, es ist Yarudah – baßwys, ein Trabant der Venus; mit andern Worten, es ist die Frau Gräfin – zur linken Hand …«
Und der keusche Gelehrte erröthete, nachdem er diese Worte gestammelt, als ob er sich eine empörende Unzüchtigkeit auszusprechen erlaubt hätte.
»Zur linken Hand! – so ist's,« entgegnete Heinrich ernst, » pardieu, so ist's; aber deshalb braucht man nicht zu erröthen, Rumphius, obgleich Eure Rede ein wenig frei war und stark nach berüchtigten Häusern riecht … Teufel, zur linken Hand! – hm! Ihr werdet ja Cyniker, mein Lehrer – zur linken Hand!«
»O! ich wäre untröstlich, gnädigster Graf,« sagte Rumphius bestürzt, »in Verzweiflung, wenn ich mich so unanständig in meinen Aeußerungen gezeigt hätte; – ich wäre trostlos, wenn …«
»Nein, Rumphius; man muß wählen; – entweder fortfahren, die Frauen und ihre Gunstbezeugungen zu fliehen, wie Ihr bis jetzt gethan habt, wenigstens habt Ihr mir es gesagt; keusch, rein und ohne Flecken bleiben …«
»Ich betheure Ihnen von neuem, Herr Graf …«
»Oder frei heraussagen, ich bin ein offenbarer Wüstling, ein Gassenstreicher … ein Libertin ohne Scham …«
»Ich? – oh! ich? – Herr Graf!« sagte der Astronom, außer sich vor Beschämung, »ich! …«
»Geh' doch! – siehst Du nicht, daß ich scherze, daß ich das nur sage, um Dich zu quälen … mein guter alter Freund? – Ach! so! – ich bin entzückt, Dich wiederzusehen, weil ich Dir sagen lassen wollte, hieher zu kommen, erst, um Dir für Deinen Thurm von Koat-Vën, für Deine Sternwarte, zu danken, welche meine Leute wieder in Stand gesetzt haben …«
»Und der Herr Graf haben doch wohl beobachtet, was Sie wünschten?«
»Mehr als ich wollte. – Während eines ganzen Monats observirt …«
»War es die Jungfrau? – die Zwillinge? – der Steinbock oder die Wage?« fragte Rumphius, »ach Schade! – wenn Sie sich hätten der Sternkunde widmen wollen, Herr Graf, mit ihren Anlagen! wohin wären Sie nicht vorgeschritten! – aber nein doch, Sie haben sich ja damit begnügen wollen, was den Neid so vieler Andern erweckt; denn ich erinnere mich auf eine Himmelsweite …«
»Ach! laß mich mit Deinen Himmelsfernen zufrieden und hör' auf mich! – Als ich von Deinem verteufelten Thurm zurückkehrte, würde ich Dich in St. Rénan besucht haben, hätte ich Zeit dazu gehabt; – unglücklicherweise konnte ich es nicht … aber hör' jetzt, was ich Dir vorschlagen will – der König hat mir eine Fregatte anzuvertrauen geruhet; ich glaube, wir gehen nach Indien … wenigstens hat mir es ein Freund geschrieben, der erster Secretär bei dem Marinebureau ist …«
Und Heinrich hob die Walze eines großmächtigen Schreibepultes, zierlich mit Elfenbein ausgelegt, um darin diese Schrift zu suchen …
Während dieser Zeit warf Rumphius einen Blick auf das Schlafzimmer seines früheren Zöglings. Es war mit karmoisinrothem Stoffe bekleidet. Die Decke erschien, durch die Menge von Arabesken, die sich darauf im eigentlichen Sinne kreuzten, wie mit Gold gestickt. Die Spiegel und Getäfel waren in lange Rahmen eingefaßt, welche Palmen vorstellten, deren gebogene Aeste sich auf dem Gipfel in einander schlangen und Gruppen von Liebesgöttern und Tauben trugen – Alles dies matt vergoldet auf polirtem Grunde und von ausgezeichnetem Reichthum.
Ueber dem Kamine waren Miniaturbilder aufgehängt und gegenüber ein großes Gemälde von Lebrun, Heinrich's Mutter darstellend, eine Frau von seltener Schönheit, als jagende Diana gekleidet.
Das Himmelbett mit goldnen Franzen stand auf einer Erhöhung, die mit Tiger- und Löwenfellen bedeckt war, welche Heinrich ohne Zweifel von seinen Reisen mitgebracht hatte. Die andern Meubles, welche eben so aus dem frühern Jahrhundert herzurühren schienen, waren, wie man sie damals fertigte, breit, viereckig, massiv und mit polirten Vergoldungen.
Unter andern bemerkte man eine prächtige mechanische stehende Wanduhr, in Ebenholz geschnitzelt, von einer ausgewählten Arbeit, eins der Meisterwerke Adrian Morand's – zwei kleine silberne, ganz mit Smaragden bedeckte Hähne krähten die Viertelstunden nach Arien von Lulli. Dieses kostbare Stück war von Ludwig XIV. an Heinrich's Großvater geschenkt worden. Auch stand ein Ankleidetisch da von Porzellan von Sévers, mit bewundernswerthen Gemälden und blendendem Schmelz von so lebhaften als bunten Farben.
Aber Alles trug jenes so ernste Gepräge des Alterthums, welches zeigte, wie Heinrich die Religion und die Poesie der Erinnerungen verstehe. Endlich erblickte man durch die langen, halbgeöffneten Vorhänge die hundertjährigen Bäume des Gartens, deren Laub vom Herbst schon zu bleichen begann.
»Ach! da ist das Schreiben!« sagte Heinrich – »verstehe wohl, wenn es von meinem Freunde abhängt, werde ich für's Erste Befehle nach Amerika überbringen und von da, wenn Herr von Guichen mich nicht zurückhält, mich zu dem Ritter von Suffren nach Indien begeben; denn es ist wahrscheinlich, daß man ihm eine Flottenabtheilung giebt. Wenn Du Dich also noch immer mit der indischen Astronomie beschäftigst, willst Du wohl mit mir gehen? – es ist eine schöne Gelegenheit, die sich nicht so wieder findet! – nun, willst Du?«
Rumphius glaubte zu träumen; er kam nicht wieder zu sich; das war ja sein theuerster, sein lebhaftester Wunsch – nach Indien zu reisen – nach der Wiege der Sternkunde, und dahin mit seinem Gönner, seinem Zögling zu reisen – das war um närrisch zu werden. Er vermochte auch seine Dankbarkeit Heinrich nicht anders zu beweisen, als durch abgebrochene Worte, durch halberstickte Phrasen ohne allen Zusammenhang …
»Wie? Herr Graf! – Linghams sehen? – Wischnu's Tempel … Wie? … Ach! wie glücklich wäre ich, hörte ich die Braminen das geheiligte Djon aussprechen … mit dem rechten Nasenloche! –«
»Der Teufel hole mich, meiner Treu', wenn ich weiß, mit welchem Nasenloche sie das aussprechen; … aber Du nimmst meinen Vorschlag an, und das ist die Hauptsache; ich werde Dir den bestimmten Zeitpunkt meiner Abreise, bevor Du nach Brest zu mir kommst, sagen lassen … das ist abgemacht … – Ah! so! – erlaube, daß ich nach meiner Toilette verlange …«
»Wie denn … Herr Graf! Tiruwalluwen billigt …«
»Ach, mein Gott! – welch teufelmäßiger Name! aber wie fängst Du es nur an, diese Namen da auszusprechen, ohne zu gähnen … wenn man Dich hört, sollte man meinen, Du knacktest Nüsse auf.«
»Ha! Herr Graf! da spreche ich ganz andere aus,« rief Rumphius mit einer empörenden Abgeschmacktheit, »als Paltanatu-Sullä und Sarowi-gnä-moarty und Karyma …«
»Genug, genug! – lieber Rumphius; ich bezweifle Deine Gelehrsamkeit ja gar nicht!«
»O da giebt es noch, wenn ich fortfahren wollte,« sagte Rumphius, »die Hölle des Wisany-calpatylaquila …«
»Ich bin von Deinen Kenntnissen überzeugt! – aber bitte! … « und Heinrich klingelte und sein getreuer Germeau schickte sich zu seiner Amtspflicht an, ihn zu frisiren und zu rasiren, während zwei andre Kammerdiener ihm alles zur Ausführung dieser wichtigen Dienstverrichtungen Nöthige darreichten …
»Wie Du siehst, mein guter Rumphius,« sagte der Graf, »habe ich heute noch so mancherlei zu thun!«
»Auf dem Marineministerio, Herr Graf?«
»Ach! Gott bewahre! man hat genug an die Marine zu denken, wenn man am Bord ist … Nein, ich habe eine Wette gegen Lauzun; ich habe nämlich einen meiner Zöglinge gegen seinen Talbot gesetzt, den er erst letzthin, trotz des Krieges, aus England hat kommen lassen –«
»Wie, Herr Graf? einen Ihrer Zöglinge, Ihrer Seekadetten? – ah! da ist also dieser Talbot ein wohlbeschlagener Patron …«
»Ach! herrlich! … ach! beschlagen,« sagte Heinrich, in ein neues Gelächter ausbrechend, »ach! aber ja, beschlagen! – ganz und gar beschlagen, um so mehr, als Talbot ein Hengst ist … und mein Zögling auch … er kommt von meinem Gute zu Vaudrey, wo ich ein Gestüte habe … verstehst Du?«
»Ei vollkommen! ich dachte, es gelte einen astronomischen Zweikampf,« sagte Rumphius in seiner unerschütterlichen Kaltblütigkeit.
»Und ohne zu rechnen, daß ich weit mehr Kunstgriffe und mehr Geld habe aufwenden müssen, den Jokey des Herrn von Polignac abspenstig zu machen … Aber endlich habe ich ihn, und wir werden den Talbot gegen meinen Amadis sehen. – Nachher muß ich zur Cour bei Sr. Majestät, den Marschall Richelieu besuchen, meinen guten alten lieben Ohm, Bischof von Surville sehen, und dann muß ich hier zum Ballet sein, denn ich habe Puysegur und Crussol bestellt, um nachher bei Soubise zu speisen. Morgen Vormittag frühstücke ich im Gasthause mit dem kurzweiligen Kerl, dem Rivarol, und dem Narren, dem Marmontel; nach dem Frühstücke muß ich dabei sein, wenn das arme Fräulein von Clarency den Schleier nimmt– ganz Paris wird da sein, um die Motetten von Mondorville zu hören, und dann muß ich auch noch nach Versailles zum Mittagsessen beim Fürsten von Montbarry. – Den Donnerstag bin ich mit bei des Königs Jagd. – Nun, bei Gott! ich habe zwanzig Pferde im Stalle … und finde doch, daß diese nur gerade zureichend sind … urtheile selbst!«
»Welche Toilette befehlen der Herr Graf?« fragte der Kammerdiener, »das Wetter ist schön.«
»Nun … den fleischfarbenen Sammet mit Flittern … nein, nein! – die Stickerei von Lyon, die letzte, die mir Lenormand mitgebracht hat …«
»Und was für Spitzen, Herr Graf – englische oder Mechelner?« fragte Germeau mit wichtiger Miene.
»Mecheln … doch, aber nein, ich denke … für dieses Pferderennen … doch nicht …, diesen Morgen … in Chenille … einen ganz einfachen grünen Frack – englisch … und dann nicht weiter zierlich geputzt – sondern ganz prunklos. – Aber wahrhaftig, mein armer Freund, ich bitte Dich wegen dieser kindischen Kleinlichkeiten, die Dir wohl Mitleid einflößen, um Verzeihung … einmal wieder zur See, werde ich mir schon Deine Achtung wieder gewinnen. – Ha! so! – Dein Zimmer ist bereit; Du bist hier, wie zu Hause – Du wirst dem Haushofmeister den Befehl wegen des Mittagsessens geben, im Falle ich Dir nicht Gesellschaft leisten sollte … Aber da fällt's mir ein: welchem glücklichen Zufalle habe ich denn Deinen lieben Besuch zu verdanken? – und wie geht es denn Deinem trefflichen Bruder?«
Und Heinrich warf im Aufstehen einen Blick auf den Spiegel und sagte: »Wahrhaftig! dieser verdammte Kerl hat sich selbst übertroffen; noch nie war ich so nach meinem Geschmack frisirt, als heute!–«
Bei des Grafen Frage sprang Rumphius mit einem Satze von seinem Lehnstuhle auf: »Ach! was bin ich für ein Narr! – Dummkopf! – das sind meine Zerstreuungen; die erste Sache, die ich vergesse, ist der Gegenstand meines Besuches! –« und in seiner Tasche wühlend, zog er den Brief heraus, welchen Perez seinem Bruder übergeben hatte; »hier ist ein Brief, den ein Mann nach St. Rénan gebracht hat, während ich geschlafen. Mein Bruder hat ihn erhalten, ich glaube in der Nacht um eilf Uhr … er kommt von jener seligen Herzogin, die gestorben ist, sagte mein Bruder; denn ich weiß nicht …«
»Wie? gestorben? – welche Herzogin ist …« rief Heinrich.
»Ja! eine spanische Herzogin an unsrer Küste.«
»Geht,« sprach Heinrich zu seinen Leuten und dann, auf Rumphius zutretend: »aber weißt Du auch, was Du da sagst? – wenigstens …«
»Aber ich sage es wie es ist, Herr Graf,« antwortete der Astronom ganz erschreckt.
»Was ist, was wirklich ist? – aber nein, es ist nicht möglich; es ist nicht, es kann nicht sein;« und Heinrich betrachtete ängstlich den verhängnißvollen Brief. »Todt –« wiederholte er noch ein Mal.
»Ja! für diesmal todt! – ganz sicherlich todt; – Beweis davon ist, Herr Graf, daß man ein prachtvolles Leichenbegängniß angestellt hat, wobei die Armen viel Geld bekamen; und daß es der Pfarrer von St. Johannis zu St. Rénan, ein alter Freund von mir, ist, der ihr das Abendmahl gereicht und ihren letzten Athemhauch empfangen hat. – Sie ist ganz einfach an einem schrecklichen, wie mir scheint, übel beachteten Blutsturze gestorben. Denn die Krankheit war so reißend schnell, daß man nicht einmal Zeit hatte, einen guten Doctor zu holen … Es kam wohl einer … aber es war zu spät!« –
»Oh! das wäre gräßlich,« sprach Heinrich; »denn nach Allem bin ich gewiß, sie hat nur mich geliebt; ihre Hingebung ohne Schranken; ihre Opfer, ihre Verzweiflung; Alles bewies mir es; und für so viel Liebe habe ich vielleicht ihren Tod herbeigeführt! –«
Dann das Siegel mit Heftigkeit aufreißend, rief er aus: