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Durch alle nur erdenkbaren Opfer will ich Dich erringen,
und erringen ohne allen Vorbehalt.
Diderot; Inconsequenz, Th. V. p. 356.
Rita's Ueberraschung war sehr natürlich; denn der düstere Saal und Thurm von Koat-Vën war nicht mehr zu erkennen. Seine feuchten und Durch das Alter geschwärzten Mauern verbargen sich jetzt hinter eleganten Bekleidungen von purpurrother Seide, die das Zimmer um die Hälfte kleiner erscheinen ließen. Und dann verbreiteten eine Unzahl von Leuchtern, Vergoldungen und Spiegeln, welche die Flammen von tausend Wachskerzen zurückwarfen, eine Helle, die überall in diesem runden Gemache wiederglänzte.
Der schüchterne und schwermüthige Heinrich war in einen feingekleideten und kecken Edelmann umgewandelt, welcher jetzt der Herzogin die Hand bot, um sie zu einem Lehnsessel zu führen, der neben einer reich besetzten, ganz mit vergoldeten Gefäßen, Blumen und Krystallvasen beladenen Tafel stand.
Ja, es war wirklich Heinrich. Nur war er statt des Mönchsanzuges, den er, wahrscheinlich um seine Kleider zu verbergen, umgeworfen gehabt, prachtvoll mit einem blauchangirenden Taffetrocke mit Goldstickerei und mit einer Weste von Silberstoff bekleidet; es war Heinrich; blendend funkelte das Feuer der Diamanten unter den langen Spitzen seiner Manschetten, auf den Kniebändern, auf den Schnallen seiner Schuhe mit rothen Absätzen, und aus dem Griffe seines Degens.
Es war Heinrich, der mit Gewandtheit und vollendeter Anmuth diesen Anzug eines vornehmen Herrn trug, dieses durch den Maltheser- und Ludwigs-Orden noch gehobene Kleid, das mit breiten Quasten von weißem gestickten Atlasband verziert war; ein hinlängliches Zeichen, daß er diente.
Aber ach! Heinrichs Antlitz hatte den leidenden und trauervollen Ausdruck nicht mehr, welcher Rita so hoch entzückt hatte. Jetzt waren seine Züge frohsinnig und spöttisch lächelnd; seine Blicke, welche die Herzogin fast stets zu Boden gerichtet und von den langen Wimpern verschleiert gesehen, seine Blicke funkelten jetzt von Muthwillen und Munterkeit, und das Gewölk von weißem und wohlriechendem Puder, welches Heinrichs Haare bedeckte, vermehrte noch den Glanz seiner stechend schwarzen Augen.
– »Ich weiß nicht, ob ich wache oder ob ich träume, Heinrich!« rief die Herzogin zitternd und mit einem Gefühl unwiderstehlicher Furcht und Beklommenheit aus.
– »Die Frau Herzogin wird Alles erfahren,« antwortete Heinrich ehrerbietig, indem er jene ausgesuchte Höflichkeit der damaligen Zeit nachäffte, welche mit Frauen nicht anders als in der dritten Person zu sprechen erlaubte.
Rita warf sich mit den Worten in einen Lehnstuhl: »Sprechen Sie, mein Herr, um des Himmels willen, sprechen Sie!«
»Zuerst,« meinte Heinrich, »wird die Frau Herzogin mir die Frage erlauben, ob dieselbe schon vom Grafen von Vaudrey reden hörte?«
»Viel, mein Herr, – als ich nach Versailles kam.«
»Nun denn; so wird die Frau Herzogin vielleicht mit Erstaunen erfahren, daß ich selbst der Graf von Vaudrey bin.«
»Sie, mein Herr? – Sie, Heinrich? – aber damals – mein Gott! … was bedeutet … aber der Graf von Vaudrey, sagte man mir, diente ja zur See, und war in Amerika … es ist unmöglich … um Gottes Erbarmen, Heinrich, sagen Sie, was soll dieses Geheimniß?«
»Allerdings, Frau Herzogin, diente ich in Amerika's Meeren, wo ich zu dem Geschwader des Herrn Admiral von Guichen gehörte; allein nach zwei Campagne-Jahren bin ich nach Frankreich zurückgekehrt … es sind ungefähr zwei Monate her.«
»Herr Graf,« sagte Rita ungestüm und erhob sich von ihrem Sitze, »welches war die Ursache dieser Vermummung? – denn ich gehe – mein Kopf wird irre … Heinrich! … um Alles in der Welt! … treiben Sie nicht länger Ihr Spiel mit einem armen Weibe! … und wozu übrigens diese Lüge? was bedeutet …«
»Belieben Sie sich wieder zu setzen, Frau Herzogin,« sprach Heinrich mit unbegreiflicher Kaltblütigkeit, »Sie sollen Alles wissen …«
Rita setzte sich mechanisch auf den Lehnstuhl.
»Die Frau Herzogin entschuldigen mich, wenn meine Erzählung bis zu einer etwas entfernteren Zeit zurückgeht; allein es ist nothwendig wegen der vollkommenen Verständlichkeit dessen, was folgt. Es sind ungefähr zwei Jahre her, daß der Herr Marschall von Richelieu, so etwas von einem Verwandten und ein starker Gönner von mir, mit Schmerz bemerkend, wie die freien und kurzweiligen Ueberlieferungen der Regentschaft und des Zeitalters Ludwigs+XV. verloschen und sich in dem uns verschlingenden, reißenden Strome der neuen Ideen verlieren, den Gedanken faßte, eine Gesellschaft, oder, wie jetzt unsere Anglomanen sagen würden, einen Klubb zu stiften, in welchem vor Allem jedes Mitglied aus gutem Hause sein sollte; den Vorsitz behielt der Marschall selbst.
»Die Mitglieder dieses Klubbs sollten besonders dahin streben, diese moderne Scheinheiligkeit zu entschleiern, welche, anstatt frei und offen wie ehemals zu bekennen, daß sie das Vergnügen suche, die Spröde spielt, die That läugnet und sich, zu ihrer Rechtfertigung, hinter der Autorität von ich weiß nicht was für angeblich natürlichen, schicksalsvollen, sympathetischen, unwiderstehlichen und andern Gesetzen, die mir gerade zum Glück entfallen sind, verschanzt, dergestalt, daß, wenn man seinen Gatten betrügt, man zu ihm sagt: das hat nichts auf sich, mein Freund; das stand geschrieben, oder auch: das ist so in der Natur; denn bei den Wilden macht man es noch ganz anders … oder auch noch: es ist der Strom des Magnetismus, der mich fortgerissen hat.
»Mithin ist es der Lauf der Welt, das Geschick oder die Natur, der man sich ergeben … und der Liebhaber zählt für, nichts. Alle diese schönen Dinge werden mit hochtrabenden Worten, mit romanhaften Phrasen untermengt, die auf Niemand Eindruck machen; denn, gewännen die Sitten dabei, so wäre dies sehr langweilig, doch auch sehr ehrenwerth. Aber keinesweges, die Sitten sind dieselben; sie verlieren nur jenen Anstrich von Eleganz, Geist und Kunst zu leben, welcher, so zu sagen, die Moral der Sittenlosigkeit bildete, mit einem Worte, man schändet uns die Verderbtheit; man – erlauben Sie mir den Ausdruck – würdigt sie zur Gemeinheit herab.«
»Herr Graf, mir ist nicht bekannt –«
»Doch, Frau Herzogin, ohne Zweifel war dies einst Alles so ungefähr im vertrauten Kreise, und, nachdem der Vorhang heruntergelassen, konnten wir von Tugend zu den armen Teufeln sprechen; die so etwas wirklich nöthig haben, um glücklich zu sein. Jetzt will man Gleichheit in der Liebe, wie in der Politik: Alle Frauen halten sich für Julien, suchen sich andere St. Preux, nehmen sie, gleichviel, Gott weiß woher! – und weil sie einen Troßknecht, anstatt einen Herzog und Pair, zum Liebhaber auswählen, so nennen sie das: das verhaßte und unmoralische Vorurtheil der Geburt stürzen, oder die Verschmelzung der Rangordnungen bewirken.
»Wahrhaftig! ich begreife sehr wohl, daß wir auf diese Art im vollen Zuge dahin gelangen, die große Familie der Herren von der Encyclopädie zu bilden – allein wir dürfen eine solche Entwürdigung nicht ertragen; daher muß man, zu ihrer Verhinderung, den Frauen das Nichtige und Gefährliche ihrer vergeblichen Neigungen für die Leute aus dem Staube zeigen und durch irgend einen jener unter dem Namen rouerie bekannten Streiche der Treulosigkeit den guten alten Geschmack endlich wieder zurückbringen.«
Hierbei erblaßte die Herzogin auffallend.
»Einige Zeit vor meiner Abreise nach Amerika ward ich als Mitglied in diese köstliche Gesellschaft ausgenommen; in einem unserer letzteren Gefechte verwundet, ward ich vom Admiral beauftragt, Depeschen an Sr. Majestät nach Frankreich zu überbringen.
»Während meines Aufenthaltes in Versailles hörte ich eine ziemlich grausame Lobrede auf Ihre Weisheit, gnädigste Frau, und, im Vertrauen gesagt, Sie hatten sie wohl verdient. – Wie mochten Sie glauben, sich nicht eine Schwachheit vorzuwerfen zu haben, und wie war es Ihnen möglich, nicht den geringsten Rückhalt in dem Bekennen Ihrer strengen Grundsätze zu beobachten? Allein das war ein Cynismus von Tugend, den die Welt schicklicherweise nicht dulden konnte, – denn zwei Dinge giebt's, die sie nie verzeiht: den Männern das Uebergewicht, den Frauen die guten Sitten.«
»Fahren Sie nur fort, mein Herr!« sagte Rita kalt.
Heinrich verbeugte sich und fuhr weiter fort:
»So war, gnädige Herzogin, nach der Ansicht der Minderzahl Ihre Klugheit die Verschwiegenheit Ihrer Geliebten; dies ging so weit, daß, sah man einen glänzenden Musketier an des Königs Pforte, oder einen großen Herrn bei des Königs Lever – die Boshaften behaupten wollten, es geschehe aus Gewohnheit, daß man sagte: Es ist doch vielleicht der gute Ruf der Frau Herzogin, der jetzt den Posten bezieht, – oder, ob das nicht am Ende die Tugend der Frau Herzogin ist, die jetzt die Verbeugung vor Sr. Majestät macht. – Allein die Mehrzahl, welche guten Grund hatte, gut unterrichtet zu sein, gerade darum, weil sie der Reinheit Ihrer Grundsätze gewiß war, hatte Ihnen einen so unheilbaren Haß oder Neid geschworen, daß man mich, der erst angekommen und von Ihnen nicht gekannt war, beschwur, meine Kräfte gegen Ihre so fürchterliche Tugend zu versuchen.
»Ich gestehe Ihnen, gnädigste Frau, anfangs schwankte ich; während ich kaum drei Monate in Frankreich zuzubringen hatte, mußte ich vielleicht zwei davon zum Gelingen meines Unternehmens aufopfern; auch liefen Sie schon, bei meiner Unentschlossenheit, große Gefahr, Ihr ganzes Leben hindurch tugendhaft zu bleiben, als ich, bei einem Abendessen mit dem Prinzen von Gueméné und seiner Geliebten bei dem Herrn von Soubise, den lebhaftesten Wunsch fühlte, dieses Mädchen zu besitzen. – Das Mädchen wie der Prinz schlugen es mir ab, und Gueméné meinte: Theuerster Graf, bezähmen Sie die widerspenstige Spanierin, und Lelia ist die Ihre, wenn es Ihnen gelingt; wo nicht, so gehört der Wettrenner, den Sie von Lauzun gekauft haben, mir. –
»Ich wettete – und damals war es, wo ich mich entschloß, Ihnen, Madame, meine Huldigung darzubringen.«
Während der Graf von Vaudrey alle diese Unverschämtheiten mit dem aufgeräumtesten und ungezwungensten Tone hervorbrachte, spielte Rita unwillkürlich mit einem der auf dem Tische befindlichen Messer, sprach aber kein Wort; die Augenbrauen allein wurden durch ein fast unmerkliches Zittern bewegt.
»Frau von St. Croix,« fuhr der Graf fort, »eine Ihrer heftigsten Feindinnen, gab mir schätzbare Mittheilungen über Ihren romantischen und exaltirten Charakter; so war mein Plan bald gefaßt. Ein alter Hofmeister von mir, der würdige Astronom Rumphius, lieh mir diesen einsam stehenden Thurm; ich ließ mich hier nieder, und bald, Dank sei es der Geschicklichkeit meines Läufers, hörten Sie vom Einsiedler zu Koat-Vën sprechen. Die Folgen meiner Wunde, die Beschwerden mancher Ausschweifungen, hatten mein Gesicht, welches die ungepuderten Haare noch verjüngten, bleich gemacht; da haben Sie alle Geheimnisse des Physischen, welche ich der Jugendlichkeit entlehnte. – Der Seewind, der Sterne Leuchten, eine unglückliche Vorbestimmung, die Gelübde des Mönchsthumes – die Schwermuth – die Traurigkeit – die Unschuld – die Schüchternheit – Alles lieh meinen Reden einen ganz neuen Reiz – die Liebe bewirkte das Uebrige, und ich war glücklich – denn glücklich war ich, Frau Herzogin –«
Rita blieb stumm.
»Sie waren auch glücklich, Madame, und werden es noch sein; denn, war das Glück für Sie die Gewißheit, mich mit der Kraft der Liebe einem heiligen Berufe entrissen, mir selbst mein stolzes und kühnes Herz enthüllt und mir endlich eine glänzende Zukunft mit Reichthum, edlem Stande und Ruf gesichert zu haben – so sein Sie zufrieden, gnädigste Frau! kraft des innern Triebes eines sehr sympathetischen Herzens, bin ich allen Ihren Wünschen zuvorgekommen. Seit bald vierzehn Jahren, daß ich die Ehre habe, in der Flotte des Königs zu dienen, hat sich mein Klosterberuf, ich schwöre es Ihnen zu, sehr umgestaltet; ich besitze 50,000 Thaler Einkünfte – und Sr. Majestät hat mich gerade jetzt zum Kommandeur einer Dero Fregatten ernannt. – Hier haben Sie meine Zukunft nach Ihren Wünschen – und nun noch, Scherz bei Seite, Frau Herzogin, wir haben Beide Glück genossen, – Sie die Täuschung und ich das Vergnügen, selbige zu erzeugen. – Verlassen wir uns als gute Freunde, denn ein tête-à-tête eines Monates muß Ihre Liebe erschöpft haben, wie es die meinige erschöpft hat. – Leben Sie also wohl, Frau Herzogin, und wenn wir uns je wiedersehen, so versprechen wir uns, dann über die Kinderei unserer jungen Jahre zu lachen, eine Kinderei, die dennoch einen moralischen Zweck hatte. Sie sehen es, Rita, mit einigen Worten, einigen Redensarten – in einem Monate hatte ich Sie dahin verleitet, mir Rang, Titel und Vermögen zu opfern, mir, den Sie für ganz ungekannt und ohne alle Stellung hielten – bekennen Sie, wie hoch Sie gespielt haben. – Möge Ihnen dies als Beispiel dienen – und danken Sie dem Himmel, daß ich glücklicherweise nicht im Stande bin, Ihr Anerbieten zu mißbrauchen oder zu benutzen, denn ich habe, noch vor meines älteren Bruders Tode, meine Gelübde als Maltheserritter abgelegt! –«
»Herr Graf,« sprach Rita, bleich wie der Tod, nach einem Augenblicke des Stillschweigens, »das ist ein schändliches Betragen; – eine Niederträchtigkeit, die eines Edelmannes unwürdig –«
»Ach, lieber Gott! Frau Herzogin, unser alter Marschall hat deren wohl andere begangen und seine Herzogskrone sitzt immer noch gerade und fest auf seiner ehrwürdigen Stirn; und überdies,« setzte der Graf mit Hochmuth hinzu, »fällt nicht alles dieses unter Personen von gleichem Stande vor?«
»Herr Graf!« antwortete Rita mit einer zitternden Stimme, die allein ihre angenommene künstliche Ruhe Lügen strafte, »Sie thun mir sehr wehe; allein zum Unglück für Sie sind Sie der Einzige, der es weiß, denn ich werde Alles läugnen; mein guter Ruf ist, wie man Ihnen gesagt hat, ausgemacht, und Sie gelten für einen Geck! – Bedenken Sie das!«
»Doch!« sagte der Graf, »wenn ich richtig rechne, bleibt das Facit für alle Welt ein junger Mann, der mit den Gunstbezeigungen einer hübschen Frau überschüttet wurde; ich habe nämlich Zeugen! –«
»Zeugen, mein Herr?« sagte Rita mit einem verächtlichen Lächeln.
»Zeugen, meine Gnädige! – Der alte Ritter von Lépine, der sich seit einem Monate in das Laternenhäuschen dieses Thurmes verbannt und durch die in diesen Saal führende Thüre kein Wort unserer Unterredungen überhört hat. – Gueméné hält zu viel auf seine Geliebte, als daß er nicht seine Sicherheitsmaßregeln hätte nehmen sollen.« –
»O mein Gott, mein Gott!« rief die Herzogin vernichtet; dann sich erhebend sagte sie mit glühend rothen Wangen und flammenden Augen, aber mit Würde im Ausdrucke zu Heinrich:
»Ich setze nun voraus, Herr Graf, daß dieses grausame Spiel lange genug gewährt hat; Sie haben lange genug die einer Frau, und zwar einer Frau meines Ranges schuldige Achtung vergessen. Mein Herr, ich weiß nicht, ob Sie der Graf Vaudrey, ob Sie es nicht sind; was ich weiß, ist, daß ich Sie hier allein, leidend und unglücklich gefunden habe; daß ich bestraft bin, wenn das tiefe Mitleid, daß ich für ein wirkliches oder vorgebliches Unglück empfunden, einem Verbrechen gleich bestraft werden soll – mein Herr, daß, wenn jene Liebe, die ich ohne Vorwissen für ein Wesen fühlte, welches ich verlassen und ohne alle Hülfe auf dieser Welt glaubte, auch ein Verbrechen ist . . der härtesten Folter würdig . . daß ich diese Qualen ertrage … denn ich habe Sie geliebt, Heinrich,« sagte Rita, gegen ihren Willen weinend, »ich habe Sie geliebt mit aller Stärke des Mitleids, welches Ihr Unglück mir einflößte; ich habe Sie geliebt mit aller nur möglichen Hoffnung, Sie zum Glücklichsten der Menschen zu machen – geliebt, Heinrich! – ach, so sehr geliebt! –«
Heinrich fühlte sich tief bewegt. –
»Und wenn ich her kam, Ihnen meinen Reichthum, meine Titel, meine Hand anzubieten, in der Meinung, Sie wären ganz unbekannt und arm … wenn ich Sie so innig liebte … wenn ich auch noch so sehr liebe! denn ich liebe Dich immer noch,« schluchzte Rita convulsivisch, indem sie auf die Kniee sank, »ich liebe Dich immer noch; was Du mir eben gesagt, es hätte mich tödten sollen! aber es ist Deine Stimme, die das sagt, und ich liebe sie zu sehr, als daß ich sterben könnte … ach! und dann kann es ja gar nicht so sein, siehst Du, Heinrich, glaube mir, glaube meiner Liebe! ich schwöre es Dir zu! – bei Gott! – wenn sie mich nicht hätte verlernen lassen, an Gott zu glauben; denn, Heinrich, auch das kommt noch dazu … sieh, ich glaube nicht mehr an Gott, an nichts mehr – nur Dich habe ich auf der Welt … Wenn ich noch die Zuflucht zum Gebete hätte, wenn ich nur wenigstens noch einen Namen anrufen könnte, während ich gemartert werde! Aber nichts! – nein! nichts, gar nichts, als Verzweiflung oder Tod! Ich that Dir nie etwas zu Leide! Ich wollte Alles Dir opfern, was einer Frau von meinem Range nur möglich ist … Ich lag zu Deinen Füßen, ich liege noch da! – Ich war Deine Geliebte, ich wollte Dir ganz angehören – Dein Weib werden – nun denn, ich will es nicht mehr, Heinrich; ich will werden, was Du nur willst, daß ich sein soll – sprich, Heinrich! aber liebe mich – nur liebe mich!«
Und weinend küßte sie, wie berauscht, Heinrich's Hände; – eine Thräne entquoll seiner Augenwimper, sein Herz brach im Busen; er neigte sich zu Rita hinab; – da ließ ein schlecht unterdrücktes Gelächter hinter der Tapetenwand sich hören.
Nur Heinrich vernahm es, und beschämt über seine Rührung, gewann er seine ganze Kaltblütigkeit wieder und sprach:
»Stehen Sie auf, Frau Herzogin! Was giebt es denn so Verzweifeltes? Wir haben uns einen Monat lang geliebt; unsere Laune ist verrauscht, und ich sagte Ihnen, was Sie vielleicht Andern gesagt haben, gnädigste Frau: Stillschweigen und Lebewohl! –«
»Glauben Sie es nicht! Das ist eine schändliche Verleumdung!« rief Rita außer sich, ganz außer Fassung. »Glauben Sie es nicht, Heinrich!« und sie schleppte sich knieend zu ihm hin.
Bei dieser Bewegung erhoben sich die Behänge rings um den Saal und ließen die erstaunte Herzogin laut auflachende und: »Bravo, Bravo!« rufende Männer und Frauen erblicken: »Bravo, Graf Vaudrey! Du hast die Wette gewonnen! Der Streich ist einzig!«
Die Herzogin erhob sich, stieß den Grafen heftig von sich zurück, stürzte, in diesem Augenblicke mit einer übernatürlichen Stärke begabt, der Thüre zu und verschwand, ehe einer der Gäste sich ihrer Flucht widersetzen konnte.
»O ich Elender! – sie wird sich tödten!« rief Heinrich aus und wollte Rita nachstürzen.
»Sich deswegen tödten? – Gehen Sie doch! Sie wird zu leben verstehen!« sagte der Herzog von St. Ouen, während er Heinrich hinderte, ihr zu folgen. »Meine Damen, vereinen Sie sich mit mir,« fügte er, sich zu sechs allerliebsten Frauenzimmern, die den Tisch umgaben, wendend, hinzu, »in Wahrheit, ich erkenne ihn nicht mehr, den armen Graf Vaudrey – Was würde der Marschall sagen?«
»Die Lehre ist vielleicht doch zu stark! Und dann, – wenn ich wirklich ihr erster Geliebter wäre?« dachte Heinrich bei sich, als seine Eigenliebe wieder laut wurde, als er sich den Ausbruch von Rita's Zärtlichkeit zurief –
»Ach was!« sagte er, »ich habe zu viel Bescheidenheit, um mir die Ehre einer Entlarvung zuzuschreiben!« und dann, seine ganze Fröhlichkeit wieder gewinnend, fügte er hinzu:
»Ueberdies haben Sie Recht; wir sind immer die Ersten – aber wie die Könige, die Ersten des Taufnamens – und dann, meiner Treu! giebt es ja so viel Heinriche, daß es wie ein Glücksspiel ist.« Hieraus wandte er sich an den Ritter von Lépine: »Ritter, Du wirft es Gueméné sagen, wie gewissenhaft ich mir seine Geliebte gewonnen habe!«
»O gewiß, Du hast mich mit Recht verdient,« sagte der verführerischeste Wettpreis von der Welt, Heinrich's Arm erfassend.
»Sage ihm dies Alles nur bei Tische, Lelia!« rief der Ritter, »speisen wir, speisen wir!«
»Ja, speisen wir!« rief Alles mit einer Stimme.