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Ihr stammt von hohen Herren, Freundin;
In meinem Stamme belastet man mit Schmach
Das Weib, das weint, und aus dem Grunde,
Es könnte meinem Hause ein Feigling geboren werden.
Alfred de Vigny; Fr. v. Soubise.
Die Herzogin von Almeda, eine Kreolin von Havanna, war noch sehr jung an den Herzog von Almeda verheirathet worden. Diese Verbindung war eigentlich Rita's Willen zuwider, denn sie empfand einen sehr großen Geschmack für das religiöse Leben; allein genöthigt, ihrer Familie zu gehorchen, ergab sie sich, und nur die Pflichten einer ungeheuchelten Frömmigkeit beschäftigten bis zu dem Augenblicke ihr Herz, wo sie nach Frankreich kam.
Der Herzog von Almeda war ein Greis von außerordentlichem Geiste; allein er widmete sich, verblendet wie so viele Leute desselben Standes durch den falschen Schein, den in dieser Zeit die encyklopädische Schule von sich warf, getäuscht durch die anscheinende Liebe für Menschheit und Weltbürgerthum, nach welcher sie strebte, ganz und gar der Verbreitung dieser neuen Lehren. Den merkwürdigen Schwindel theilend, der damals die Vernunft eines Theils des französischen Adels auf den spekulativen Raum der gefährlichsten Träumereien von Staatenidealen irre führte, beschleunigte er nach Verhältniß seiner Mittel die vorschreitende Entwickelung der Ideen, die später allen Aristokratien und allen politischen Gewalten so verderblich werden sollten.
Die bitteren Spötteleien, mit denen er seine Frau wegen dessen, was er ihren Aberglauben nannte, überschüttete, hatten auf dieselbe, so lange sie in Spanien lebte, keinen Einfluß. Die weltliche und geistige Macht der Geistlichkeit war daselbst noch so wirksam, die Gläubigkeit des Volkes noch so stark, daß Rita, versunken in diese Atmosphäre voll Andacht, umringt von Leuten, die ihre Ueberzeugungen theilten, bei jedem Schritte den äußern Symbolen ihrer Religion begegnend, ihren Glauben in seiner ganzen Reinheit bewahrte.
Allein als sie, in Versailles angelangt, einige Zeit mitten unter den Festen und Ergötzlichkeiten eines geistreichen, vertraulichen und glänzenden Hoflebens zugebracht hatte, begann dieser starke Glaube, betäubt durch jenen blendenden Wirbel, zu schwanken.
Und dann war auch, was das Aeußere betrifft, die Religion in Frankreich nicht mehr so, wie die Spaniens; es waren nicht mehr jene hohen, düstern, tiefen Kirchen mit ihren von Gold und Edelgestein flimmernden Reliquienkästchen, die, allein ein schwaches und zweifelhaftes Licht einsaugend, mitten in der Finsterniß wie eine himmlische Klarheit strahlten; es war nicht mehr jener ernste und majestätische Gesang der Mönche; es war nicht mehr die ganz in Schmerz gehüllte Menge, welche auf dem kalten Gestein der Kirchen in Schatten und Schweigen niederkniete, mit Andacht die Perlen des Rosenkranzes zählend.
In Frankreich suchte die, in ihrem Geiste verspottete, beleidigte Religion durch den ihrem Cultus entlehnten Glanz das Auge zu bestechen; die Kirchen waren gefallsüchtig aufgeputzt; aber sie hatten zum Theil jene bewundernswerthen runden Scheiben verloren, die ein so geheimnißvolles Dunkel darin herrschen ließen; und dann ging man zur Messe, um zu sehen und gesehen zu werden; die Sonne schoß ihre heitern Strahlen mitten durch die hohen Fenster, Alles mit Licht überschwemmend, und strahlte von dem Sammt, dem Gold und der Seide wieder, womit sich eine lachende und geräuschvolle Menge bedeckt hatte, deren Pracht die des Altars beschämte; und ferner sprach schon laut der Geist der Philosopheme, unterbrach mit Scherzreden die geheiligten Mysterien; und endlich waren es Opernmädchen, welche die heiligen Lieder sangen.
Hierzu kam, wie man wohl gestehen muß, daß Rita's religiöse Gesinnungen eher erworben, als angestammt oder durch innere Selbstberathung angeeignet waren. Mit einer stets beweglichen und glühenden Einbildungskraft begabt, war sie besonders durch die prunkvollen äußern Zeichen des Christenthums, durch dessen eindrucksvolle und gewichtige Ceremonien begeistert worden; sie, die nichts erlitten, hatte auch nichts von den Echo's jenes Abgrundes zu erflehen, in den Pascal sich gestürzt hatte. Von der Religion fühlte sie nur die Poesie. Vom bodenlosen Weltmeer sah sie nur die lachende und azurblaue Woge, die auf dessen Oberfläche spielt, und wiegte sich, berauscht vom Weihrauch, in dem fernen Getös der Orgelharmonien.
So wußte auch Rita, wenn die ihres Ehemannes Gesellschaft bildenden Philosophen ihren frommen Glauben mit dem eisigkalten Materialismus zu bekämpfen anfingen, nicht, was sie erwiedern sollte. Man redete in Zahlen zu ihr; sie antwortete in Entzücken. Den Wundern, auf welche sie sich berief, setzte man unwandelbare Gesetze der Natur und Astronomie entgegen; und so schwieg die arme Frau, da sie, sie mochte sich wenden wohin sie wollte, nur kalte Vernunftschlüsse oder geißelnde Spöttereien fand; aber bestürzt war sie, denn die anscheinende Klarheit gewisser Einwürfe hatte sie, obgleich nicht durchaus überzeugend, dennoch betroffen.
Nun wollte sie, als fühlte sie durch einen unbewußten Trieb die Größe dessen, was sie verlor, zu ihrem ersten Glauben sich wieder flüchten … allein es war nicht mehr Zeit … der herzlose und rohe Geist der Klügelei hatte mit seinem ausdörrenden Pesthauche jene entzückenden Gebilde von Azur und Licht verwelkt … die Schaaren der Engel, mit flammenden Flügeln, und Lieder singend ohne Ende … Alles war dahingeschwunden. Und das ist leicht zu begreifen: der Mann mit mächtigem Geist oder bewährtem Glauben kann siegreich kämpfen und sogar den Gegnern seine heilige Ueberzeugung aufdringen, wenn er sie mit sich hinwegführt in seine Sphäre durch den Zauber einer hinreißenden Beredsamkeit; allein Rita, deren lebendiger und heißer Geist ohne Tiefe war, Rita, die, wie ich gesagt, vielleicht ebenso an die Poesie der Religion glaubte, wie an diese selbst, vermochte ihre Angreifer zu bekämpfen.
Sie ward es endlich müde, in jenen Streitereien unaufhörlich Unrecht zu bekommen; ihre Eigenliebe war dadurch gereizt, daß sie immerfort verfängliche Vernunftschlüsse ihren ungeordneten Gründen entgegengesetzt sah; sie zweifelte zuletzt an sich selbst und an ihrem Glauben. Vom Zweifeln bis zur Ungläubigkeit ist aber nur ein Schritt; Rita that ihn, und wurde zum Freigeiste.
Der Unglaube mußte anfangs ein so ausgeregtes inneres Wesen, wie das Rita's, lebhaft ergreifen. In Wahrheit findet man beim ersten Anblick einen unseligen Reiz in diesem, wie man wähnt, mit Gott selbst unternommenen Streite; denn die Empörung des abtrünnigen Engels hat allerdings eine wilde Poesie in sich. Es erfordert besonders Kühnheit, die Götter zu lästern, wenn Jupiter mit Donnerschlägen antwortet; man muß ein Atheist sein wie Ajax, oder den Kampf gar nicht beginnen.
Allein, betrachtet man jenen Atheismus des 18ten Jahrhunderts, der immerhin seine gewaltige Stimme erheben mochte, ohne daß Gott sie hörte, so erregt derselbe Ekel und Mitleid, weil er vernunftlos ist und selbst feig, denn seine Bekenner glaubten an ein Nichts jenseits des Todes und hatten, während ihres Lebens, selbst die Bastille nicht mehr zu fürchten.
So dauerte Rita's Ungläubigkeit, da die Gottheit den ihr von Rita angebotenen Kampf nicht einging, auch nur kurze Zeit; ihr folgte die Gleichgültigkeit, und sonach fühlte nun die Herzogin von Almeda weder Liebe noch Haß gegen den Himmel.
Ich verweile deshalb so lange auf dieser Umgestaltung in Rita's Leben, weil von diesem Augenblicke an ihr Dasein ein ganz anderes ward.
Weil diese so lebendige und so leidenschaftlich aufgeregte Einbildungskraft, die bisher in den Vorstellungen des Unendlichen und des Ewigen, welche dem glühenden Herzen eine unermeßliche Laufbahn öffnen, Nahrung gefunden; weil diese Einbildungskraft das, was man ihr gegen die vernichtete Gläubigkeit ausgetauscht, sehr schnell erschöpft hatte, fand sie sich dahin gebracht, von ihrem eigenen Feuer zu zehren.
Weil Rita bisher dem Einflusse irdischer Leidenschaften entgangen, war sie besser daran; allein jetzt vermochte sie, die von einer solchen Höhe Herabgestürzte, die Bewegungen der Freude und der Angst, wenn ihr glühendes Herz noch dazu emporstreben wollte, nur in der Liebe aufzusuchen; denn in dieser giebt es ja noch einen Glauben und eine Religion! Und für Rita zumal mußte es so sein; für Rita, die, einmal liebend, mit Selbstsucht, mit Wahnsinn, mit nicht zu besänftigender und wilder Eifersucht geliebt hätte, für Rita, die ihrer Liebe geopfert hätte, was sie dem Himmel hatte opfern wollen, Würde, Glücksgüter, Vaterland. Allein nicht also liebte man damals in Frankreich; auch empfing Rita, die Keinen fand, der ihr einer solchen Leidenschaft, wie sie deren fähig war, würdig erschien, obgleich sie von Huldigungen umringt war, mit Verachtung und Geringschätzung die ihr gewidmeten Aufmerksamkeiten, blieb mitten in der Sittenverderbtheit rein und lebte einig mit dem Herzog von Almeda bis zu dem Augenblicke, wo ein unvermutheter Tod ihren Gemahl abrief, und Rita der Freiheit wiedergegeben wurde. Rita bedauerte des Herzogs Verlust nicht sehr, doch mußte sie, der Schicklichkeit halber, die Trauerzeit auf ihrem Landsitze verleben; den Hof verließ sie übrigens ohne Betrübniß: die hoffärtige Strenge ihrer sittlichen Grundsätze nämlich hatte ihr den Haß Aller zugezogen, und ungeachtet der Verleumdungen Einiger, die behaupteten, Rita's Sprödigkeit sei nur Verstellung, war doch die allgemeine Meinung darüber einstimmig, daß die Herzogin von Almeda, eine vollkommene Reinheit der Sitten bewahrt, allein eine so unerträgliche und so hochmüthige Reinheit, daß selbst die ungebundenste Lebensart ihr weniger Feinde zugezogen haben würde, als ihre beleidigende Tugend.
So bezog Rita, von diesem Hasse ermüdet, und durch nichts in Versailles oder Paris zurückgehalten, das Schloß Kervan.
Seit ihrem Aufenthalte in Frankreich hatte sie sich noch nie in einer so vollkommenen Einsamkeit befunden. Hier war es nun besonders, wo sie mit Reue ihre gläubigen Gedanken von ehemals zurückwünschte; allein es war zu spät. Der Herzogin, aufgeregt und unmuthig, vergingen die langen Stunden unter den Leiden eines unbekannten Uebels, unter dem Sehnen nach einem eben so unbekannten Glücke; sie nahm sichtbar ab; die Thränen höhlten ihre Wangen; ohne Hülfe, ohne Zuflucht vor diesem herben Gram, gegen diese angreifende Aufregung, die sie verzehrten, tauchten hundert Mal selbst Gedanken des Selbstmordes in ihrer Seele auf; dennoch, sei es, daß ihr der Muth gebrach, sei es, daß ein geheimes Vorgefühl sie zurückhielt, – schleppte sie ihr Dasein so elend fort bis zu dem Augenblick, wo ein merkwürdiger Zufall sie mit Heinrich bekannt machte.
Eines Tages kam eine ihrer Frauen, ihr zu melden, daß Fischer, welche einen zertrümmerten am Meeresufer stehenden Thurm betreten hätten, daselbst einen Jüngling von außergewöhnlicher Schönheit, dem Tode nahe, gefunden und, bekannt mit der Menschenfreundlichkeit der Frau Herzogin, ins Schloß gekommen wären, um Beistand zu suchen.
Diese Begebenheit reizte den romantischen Charakter der Herzogin; sie antwortete nichts; aber noch denselben Tag wendete sie, von Perez begleitet, ihre Schritte nach dem Thurm von Koat-Vën. Hier erblickte sie Heinrich zum ersten Male. Gerührt von der sanften Schwermuth, die dem schönen und edeln Gesichte dieses Jünglings eingedrückt war, setzte Rita mit innerer Bewegung die Ursache ihres Besuches auseinander: – da sie vernommen, daß Sorgfalt und Theilnahme ihm nützlich sein dürften, eile sie her, ihm ihren Beistand anzubieten. Heinrich dankte ihr mit Zärtlichkeit; fügte aber hinzu, er hoffe, dessen bald nicht mehr zu bedürfen. Seine Geschichte war einfach; als Waise von seinem Oheim, einem greisen Geistlichen, auferzogen hatte er ihn nicht eher verlassen, als bis ihm der Tod denselben entriß. Alleinstehend in der Welt, ohne Vermögen, ohne alle Stütze, blieb Heinrich nichts übrig, als einem Berufe zu folgen, den er für den wahren hielt, dem Rufe ins Kloster. Gleichwohl wollte er, bevor er sich unwiderruflich entschied, sich in der Ertragung der Einsamkeit, der Fasten und Kasteiungen des Mönchslebens prüfen, und hatte sich deshalb auf einige Zeit in jenen Thurm zurückgezogen.
Allein seine Kräfte hatten ihn verlassen, er verfiel in Krankheit; und so wäre er, da sein alter Diener ihn ebenfalls verließ, weil er seine Sorgsamkeit nicht mehr vergelten konnte, ohne den unverhofften Besuch der Fischer unbekannt gestorben. »Es kommt mir jetzt wenig darauf an,« fügte er zuletzt hinzu, »denn ich fühle es, mein Lebenslicht erlischt, und bald werde ich, eine arme Waise, im Himmel eine Mutter wiederfinden, die ich auf Erden nicht habe kennen sollen!«
Diese schwermüthige Ergebung, dieses Verlassensein, dieses Mißgeschick, welches den Jüngling niederbeugte, dessen Antlitz so kindlichrein war; Alles dies machte auf die Herzogin einen tiefen Eindruck, und sie fühlte gleich anfangs ein inniges Mitleid für jenen Unglücklichen.
Von diesem Tage an begann für Rita ein neues Leben; mit einem sonderbaren Widerspruche empfand die stolze Herzogin, die so vielen glänzenden und prunkvollen Huldigungen widerstanden, bei dem Anblicke dieses leidenden und unglücklichen Wesens ein ihr unbekanntes Gefühl in ihrem Herzen entstehen; und wenn die Geckenhaftigkeit in ihrem größten Putze, wenn das ausgezeichnetste Höflingsbetragen, die modernste Anmaßung nicht einen einzigen beachtenden Blick von Rita hatten erlangen können … so blieb Heinrichs trauervolles und bleiches Antlitz ihr tief ins Herz gegraben; diese nur einmal erblickten Züge folgten ihr überall, und die Töne dieser sanften und schüchternen Stimme hallten stets in ihrem Busen wieder. Rita war bei dieser Liebe so glücklich, daß sie gar nicht daran dachte, dieselbe zu bekämpfen. Selbstständig, unermeßlich reich: wer konnte sie abhalten, Heinrich anzugehören? Und dann er, ganz allein, verlassen, ohne Verwandte, ohne Freunde; mußte er ihr nicht angehören, ganz, ihr allein? Befand er sich nicht in vollkommener Abhängigkeit von ihr? Empfing er nicht Alles von ihr? – War sie ferner nicht die Einzige, die ihn liebte? Denn sie konnte ja die Liebe nicht anders erfassen.
Ja! Rita wäre nach dem Tode der Mutter oder Schwester Heinrich's begierig gewesen, hätte er noch seine Mutter oder eine Schwester gehabt; denn die Liebe, wie Rita sie empfand, war ein Egoismus, fast bis zum Wahnsinn; so ausschließend war ihre Liebe! Je mehr nun Rita Heinrich kennen lernte, je mehr liebte sie ihn! Ganze Stunden lang hörte sie auf die vertraulichen Eröffnungen seines natürlichen und unschuldigen Gemüthes; sah sie nach und nach dieses Herz, welches sich seiner selbst noch unbewußt war, sich entfalten; fühlte sie selbst, was sie empfand und was sie in Heinrich weckte; denn eben so, wie ihm, waren ihr die Empfindungen der Liebe noch unbekannt; und so war es ein Austausch entzückender Mittheilungen über jede neue Entdeckung, welche Beide in ihren eigenen Herzen machten …
Und dann war Heinrich so scheu, so furchtsam, und da er um nichts bat, mußte man ihm ja Alles anbieten …
Was soll ich noch weiter sagen? Die wahnsinnigste, die heftigste, die heißeste Liebe ergriff Rita. Bei ihrem Alter mußte die Entwickelung einer so überspannten Leidenschaft schrecklich sein; so schwand auch jedes Nachdenken vor ihrem unerschütterlichen Wunsche, Heinrich zu besitzen; und Würde, Reichthum, ihre Stellung in der Welt vergessend, faßte sie den Entschluß, Heinrich ihre Hand zu bieten, obgleich dieser ihr gestanden, daß er zwar von einem adeligen, aber ganz unbemittelten Hause der Bretagne stamme.
»Ach! was kümmert mich sein Vermögen!« sagte Rita zu sich, »ist er nicht von Adel? Auch kann ich, die einzige Tochter eines Grand von Spanien, Heinrich Titel und Namen meines Vaters geben! Ja; denn ich wünsche, daß er Alles von mir empfange, Alles, selbst seinen Namen, den er so rühmlich führen wird – denn er ist schön, edel, geistvoll. Heinrich … und ich kenne nicht einen Edelmann, der ihm gliche … und dann liebt er mich so innig – ach! mit Anbetung – ich fühle es wohl hier – in meinem Herzen – ich liebe ihn ja zu sehr, als daß es anders sein könnte; und hat er, die arme Waise, mir nicht Alles zum Opfer gebracht, was er der Welt opfern konnte! Seinen Glauben, den er beschworen; seine Zukunft, die er sich so ungetrübt und so friedlich geträumt … und wer weiß,« sagte Rita mit innerem Schreck, »wer weiß, ob es nicht sein wahres Glück ist, was er mir aufgeopfert!«
Endlich hatten die drei Tage, die sie von Heinrich zur Ueberlegung verlangt, ihren Willen noch vollständiger, noch fester gemacht. So nahm sie auch am dritten Tage, sobald die Nacht eingebrochen war, ihren Ueberwurf, verließ ihr Betzimmer, das mittelst eines Zwischenganges in die Kapelle führte, und kam zu Perez, der sie erwartete. Sich auf den Arm ihres Stallmeisters stützend, machte sie zu Fuß den Weg vom Schlosse nach der Meeresküste, verließ Perez, als sie bei einem großen Felsen angelangt waren, und wendete sich nach dem Thurme zu.
Heinrich stand schon an der Pforte auf einer Art Absatz, der als Grundlage zur Treppe diente; er war aber so gekleidet, daß Rita ihn nicht sogleich erkannte und furchtsam stehen blieb.
»Rita – Rita – ich bin es!« sagte er mit sanfter Stimme. Kaum hatte er aber die erste Sylbe ihres Namens ausgesprochen, als die Herzogin, ihren Geliebten erkennend, schon in seinen Armen lag.
»Heinrich, warum dieser düstere Anzug?« Heinrich trug eine Mönchskutte, deren herabgezogene Kapuze fast sein ganzes Gesicht versteckte.
»War es nicht dieses Kleid, das ich nehmen wollte, ehe ich Dich kannte? Rita … ich wollte es noch ein Mal und zwar das letzte Mal anlegen … um Dir dadurch noch vollständiger das Opfer zu bringen … zürnest Du mir deshalb?«
»Nein, ach nein! aber komm!« sagte Rita, auf die Treppe eilend. –
Heinrich hielt sie sanft zurück: »Höre,« sagte er, seine Lippen auf Rita's Lippen pressend, »ich wollte dort oben allein sein, wenn Du einträtest; noch ein Mal wollte ich Deine Tritte auf der Treppe hallen hören, noch ein Mal das Rauschen Deines Kleides … wolltest Du wohl?«
»Ja, ja! aber um Dir zu sagen,« erwiederte Rita in freudiger Hast; so sehr beeilte Sie sich, ihrem Geliebten das theuere Geheimniß anzuvertrauen, »um Dir zu sagen, Heinrich … meine Hand komme ich Dir anzubieten – einen unermeßlichen Reichthum – einen Titel … einen erlauchten und glänzenden Titel … Alles Dir anzubieten … für Dich, Alles für Dich!«
»Geliebter Engel,« unterbrach sie Heinrich und küßte ihre Stirn, »gleich, gleich!«
»Ja, ja, aber eile … sieh, Heinrich; – ich kann nicht eine Minute mehr ausharren,« sagte die Herzogin mit der Ungeduld eines Kindes.
Und Heinrich verschwand in dem Dunkel des Thurmes.
Eine Minute später stand Rita an jener Thür, die sie trotz der Finsterniß so gut erkannte.
Sie öffnet dieselbe, und ein Schrei des Erstaunens und fast des Erschreckens entschlüpft ihrem Munde.