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XII

Untertänigster Rapport des Vinzenz Rubesoier, Haushofmeisters in Schloß Vogelöd

Mein gnädiger Herr, der Herr Rittmeister von Vogelschrey, hatte mich wissen lassen, daß mutmaßlich auf den Abend ein hochwürdiger Herr vom Kreuzträger-Orden von Golgatha als Gast sich melden würde, und mir befohlen, für diesen Herrn Pater die gebührende Unterkunft zu schaffen.

Wir hatten das Schloß voller Gäste. Am Vormittag waren zwar Seine Exzellenz der Herr Reichsrat Graf von Meerwarth abgereist, aber in Hochdero Appartement war gleich wieder ein ebenso illustrer Bewohner, des Herrn k. k. Lieutenants Prinzen von Tettikon Durchlaucht, eingezogen. Des ferneren hatte uns der Herr Professor Dr. Langpointner verlassen. Sein Zimmer war zum Glück noch frei. Es lag zur ebenen Erde, und dies schickte sich recht wohl. Denn Herr Graf von Meerwarth, der den erwarteten Herrn Religiosen von Rom her kannte, geruhte, mir bei der Abfahrt zu wiederholen, was ich schon durch die gnädige Frau wußte, daß der geistliche Herr schon in vorgerückten Jahren und, infolge der strengen Ordensregel der Golgathianer, etwas schwächlich und beim Treppensteigen kurzatmig sei. Daß in dem Zimmer nebenan der Graf Johann Preisgott Oetsch wohnte, würde, so hoffte ich, den frommen Herrn nicht weiter inkommodieren. Denn der Herr Graf waren ja nie zu Hause, sondern in den Bergen und pflegten meist schon lange vor Tagesanbruch das Schloß zu verlassen. Aus diesem Grunde hatten auch Hochdieselben, als welche Ungebundenheit über alles schätzten, sich ein Zimmer zu ebener Erde ausgebeten. Der Herr Graf pflegten nämlich bei seinem frühen Aufstehen weder die Gäste zu stören noch die Dienerschaft zu bemühen. Seine gräflichen Gnaden sprangen vielmehr, die Büchse auf dem Rücken, ungefrühstückt durch das Fenster in den Park und gewannen, dessen Mauer drüben als geübter Turner überklimmend, das Freie. Anderen Herrschaften wäre dieses Unterfangen nicht wohl anzuraten gewesen, der großen Wachhunde wegen, welche nachts den Park durchstreiften und tagsüber an der Kette lagen. Dem Herrn Grafen jedoch war eine Macht über diese Tiere gegeben. Sie winselten freudig und sprangen an ihm empor, wenn sie seiner im Dunkeln ansichtig wurden.

Der Weisung des Herrn Rittmeisters zufolge beaufsichtigte ich also die Herrichtung des Zimmers für den Herrn Pater, sorgte, daß ein Weihwasserkessel angebracht und geziemend gefüllt würde und der Leib des Herrn in der Ecke an der Wand nicht fehlte, und ermahnte, als es dunkelte, den Pförtner, wohl aufzupassen. Denn ich wußte, daß der Hochwürdige nach Apostelweise zu Fuß von Höhenleiten hieher zu pilgern gedachte.

Gegen zehn Uhr nachts ging ich selbst nach dem Tor, trat in das Stübchen und frug den alten Martin, ob er noch nichts verspürt habe. Im selben Augenblick schellte laut und hart dicht an meinem Ohr die Glocke. Ich schaute hinaus. Wir hatten Vollmond und starken Bergwind, der zuweilen dicke Wolken vor die Mondscheibe trieb und weiterführte, so daß die Gegend sich abwechselnd rasch beschattete und erhellte. Jetzt eben war Mondschein. Es war so hell wie am Tage, nur in einem kalten, bläulichen Licht. In diesem Lichte stand eine lange schwarze Priestergestalt am Tor, einen breitrandigen, fremdartigen Hut auf dem Haupt, ein bescheidenes, altes Felleisen in der einen, einen Wanderstock in der anderen Hand.

Ich lief selbst hinaus, so rasch mich meine fünfundsechzigjährigen Beine trugen, öffnete das Tor und verbeugte mich und versetzte: »Gelobt sei Jesus Christus!« Der hochwürdige Herr erwiderte: »In Ewigkeit! Amen!« und blickte mich milde durch seine Brille an. Er war, wie dies der Herr Graf Meerwarth bereits verlautbart hatte, schon recht bei Jahren. Sein Haar war an den Schläfen grau. Man sah es den gelehrten und stillen, bartlosen Zügen des Herrn Paters an, daß Seine Hochwürden nicht zu einer Brüderschaft der Bettelmönche gehörte, als welche bei uns, terminierend, die Schloßverwaltung zuzeiten häufiger als nötig um Schmalz und Eier angehen, sondern zu einem vornehmen, der Beschaulichkeit und Wissenschaft ergebenen Orden.

»Ich bin der Pater Faramund!« sagte der Religiose, und ich antwortete: »Ich habe die Ehre, Euer Hochwürden guten Abend zu wünschen!«, nahm ihm seinen Mantel ab und führte den Herrn selber auf sein Zimmer. Ich wählte den Seitentrakt durch die Spiegelgalerie, denn in der Halle saßen noch alle die Herren Kavaliere, und ich hörte sie, nachdem sie lange viel stiller als sonst gewesen, jetzt laut und aufgeregt miteinander sich unterhalten.

Ich frug den Herrn Pater respektvoll, ob ihm sein Gemach genehm sei. Er lächelte und erwiderte: »Mir ist alles recht, mein Freund!« Dann fuhr er fort:

»Bitte, richten Sie den Herrschaften des Schlosses meine geziemende Meldung von meiner Ankunft aus, und es läge mir ferne, die Herrschaften heute noch, zu so vorgeschrittener Abendstunde, durch meine Aufwartung zu inkommodieren!«

»Sehr wohl!« sagte ich ehrerbietig.

»Des weiteren aber bitte ich Sie, mein Herr Kastellan – denn dieser Titel kommt Ihnen ja wohl nach Ihrem würdigen Äußeren zu ...«

Ich verneigte mich geschmeichelt und bejahte.

»... bitte ich Sie, mein Herr Kastellan, der Frau Baronin von Safferstätt auszurichten, ich sei da und stände, falls die gnädige Frau dies heute abend etwa noch wünscht, in einer Stunde etwa, wenn ich mich vom Reisestaub gesäubert und etwas ausgeruht habe, zu ihrer Verfügung!«

»Es wird pünktlich geschehen!« sagte ich. Ich wußte, daß sich die Frau Baronin noch oben bei der gnädigen Frau im blauen Salon befand. Ich stieg die Treppen hinauf, trat ein und bestellte meinen Auftrag.


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