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I

Einleitende Bemerkungen nach Sammlung und Abschluß der Aufzeichnungen aller Beteiligten durch mich, Leopold Salvator von Vogelschrey auf Vogelöd, zu Ende des Jahres des Heils 1853

Wie und warum gerade ich, vor nunmehr drei Jahren, dazu berufen war, Zeuge all des Unerhörten und Ungewöhnlichen unter meinem Dache zu sein, das ist Gott dem Herrn allein bekannt. Denn weder ich noch meine liebe Frau Centa haben irgend etwas Ungewöhnliches an uns oder möchten etwas Unerhörtes erleben. Wir sind Menschen wie andere, in festem Glauben an unsere christlich-katholische Kirche, und, dank der Gnade Gottes, in glücklichen äußeren Lebensumständen, beide jung und gesund, ich damals vor drei Jahren dreißig, meine Eheliebste fünfundzwanzig Jahre alt, mit drei blühenden Kindern und mit ansehnlichem irdischem Gut. Nichtsdestoweniger berief uns der Wille der Vorsehung, ohne unser Wissen und, wenn wir es hätten vorausahnen können, sicher wider unseren Wunsch, zu dem Los, in unserem Schlosse Vogelöd die ungläubigen und ratlosen Zuschauer unerklärlicher Vorgänge zwischen unseren Gästen zu werden, die, auf das Recht der Freundschaft und Verwandtschaft pochend, ihre finsteren Geheimnisse in unsere friedliche Berg- und Waldwelt trugen.

Ich und die Meinen sind an allem, was geschah, völlig unbeteiligt. Unsere Hände und Herzen sind rein. Nur der Schreck zittert noch im Herzen nach und bebt in der Hand, mit der ich das schreibe. Ich bin kein Schreibkünstler. Ich halte lieber die Zügel oder die Jagdbüchse oder auch, in Mußestunden, den Malpinsel als die Feder. Ich habe mich daher nicht getraut, alles, was geschah, allein zu Papier zu bringen. Es könnten zuviel menschliche Irrtümer mit unterlaufen. Denn ich war natürlich nicht bei allem selber dabei. Da habe ich mit meiner lieben Frau und auch mit dem hochwürdigen Herrn Nepomuk Thurmbichler, Pfarrer in Vogelöd, beraten, und wir haben geglaubt: Es ist am besten, wir bitten jeden, der in den schwarzen Oktobertagen vor drei Jahren Augen- oder Ohrenzeuge von wichtigen Vorkommnissen gewesen ist, es uns einfach und schlicht aufzuschreiben, was er gesehen und gehört hat. Stellt man sotane Aidemémoires richtig nebeneinander, so muß doch ein klares Gesamtbild der Vorgänge herauskommen, geradeso wie, nach den Worten unseres verehrten Herrn Landrichters Ritter von Söller, durch eine Reihe von Zeugenaussagen vor Gericht die Wahrheit. Die Beteiligten haben sich denn auch ohne Ausnahme auf meine Bitte bereit gefunden, mir ihre Beobachtungen schwarz auf weiß, so gut es eben ein jeder konnte, zur Verfügung zu stellen. Ich, der Rittmeister von Vogelschrey, habe das Ganze zeitlich geordnet und, als Schloßherr von Vogelöd, durch meine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse ergänzt.

So ist dieser wahrheitsgetreue Gesamtbericht entstanden, für den ich die Verantwortung trage. Als Erstem unter den vielen, die etwas zu sagen haben, gebe ich nun meinem Freunde Franz, Kunstmaler aus München, das Wort.


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