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XI

Schreiben des k. k. Lieutenants Vinzenz Ignatius Prinz von Tettikon, von Hardegg-Kürassieren in Böhmen, an den Rittmeister von Vogelschrey auf Vogelöd d. d. 5. April 1852

... Also ich soll dem Herrn Rittmeister aufzeichnen, was ich bei dem Diner an selbigem Oktoberabend vor zwei Jahren in Ihrem Schloß im Kreis der bei Ihnen versammelten Kavaliere und schönen Damen gesehen und gehört habe? Aber bitte! Aber gern! Eine Feder wie der selige Herr von Gentz führe ich freilich nicht. Seit ich glücklich bei die Jesuiten in Feldkirch heraus bin, habe ich Tinte und Feder mehrstens nur für ärarische Protokolle – no – und 'mal für ein Billetdoux benützt! Also: Ich bitt' schön um Nachsicht!

In Ihrem Brief meinen Sie, Herr Rittmeister, ich sei just der Rechte, um den Verlauf desselbigen Diners zu schildern, weil die schon länger bei Ihnen einheimischen Gäste alle schon mehr oder minder stützig und verschrocken gewesen seien und keine so unbefangene Beobachter hätten abgeben können wie meine Wenigkeit, die so recht ahnungslos in die Situation hineingeschneit sei.

Also gut: Ich bin angekommen, habe mich bei dem Herrn Jagdherrn zur Stelle gemeldet, bin unten abends pünktlich zur Tafel angetreten, habe der Gnädigen die Hand geküßt und den Vorzug genossen, an ihrer rechten Seite sitzen zu dürfen, und habe mich gleich recht wohl unter Ihrem Dach gefühlt und wie zu Hause. Ich bin ja auch von Hause aus, wie der Herr Rittmeister wissen, nicht Österreicher, sondern Württemberger und Süddeutscher, und diene nur, wie die meisten meiner Familie, der besseren Fortüne halber in der k. k. Armee.

Die Gnädige war von einer bezaubernden Liebenswürdigkeit. Es war wirklich nicht nötig, daß sie ihre Gäste mit einem recht lieben Lächeln um Nachsicht gebeten hat, wenn sie wenig spräche und manchmal ein wenig zerstreut wäre. Aber sie litte heute recht unter ihrer Migräne. Wir haben die Gnädige herzlich bedauert, und sie hat auch recht blaß und angegriffen ausgesehen.

Gegenüber hat eine zweite schöne Dame gesessen, von einem süperben Blond und Augen: blau wie die Donau. Die schöne Frau war nicht blaß, sondern hatte eine Röte auf den Wangen, die bald kam und bald ging, und schaute hin und her, als erwarte sie etwas. Ich habe zu der Gnädigen neben mir leise gesagt: »Das ist ja ein Bild wie ein Engerl vom Himmel!« und habe von ihr gehört, daß es die Frau Baronin von Safferstätt, verwitwete Gräfin Oetsch, wäre. Gleich darauf hat die entzückende Baronin sich über den Tisch vorgebeugt und die Dame des Hauses halblaut, mit einem Zittern in der Stimme, gefragt: »Katzel! Noch keine Nachricht vom Pater Faramund, ob er kommt?« und die Gnädige hat mit dem Kopf geschüttelt: »Nein! Immer noch keine Nachricht, Mette!«

Die Damen haben so leise gesprochen, weil währenddessen einer von den Kavalieren die ganze Unterhaltung beherrscht hat. Er hat geredet, und die anderen haben zugehört, wie beim Pfarrer in der Kirche. Aber geistlich und gottesfürchtig war es beileib nicht, was er dahergeredet hat! Nach fünf Minuten hat sich einem wohlgezogenen Christenmenschen der Schädel um und um gedreht. Er hat einen langen Landsknechtsschnurrbart gehabt und graublaue Augen und ein sarkastisches Gesicht, als ob er uns alle frozzeln wollt', und dabei einen so tiefen Ernst, daß man hätte schwören mögen, er glaubt selber an den Unsinn, den er redet, und daß man es so zu guter Letzt leicht selber geglaubt hat.

»Sie fragen mich, ob es Geister gibt?« spricht er. »Ja – da können die Geister geradeso gut fragen, ob es Menschen gibt! Vielleicht sind wir Menschen gerade das Unwirkliche und ragen wie die Gespenster in die Wirklichkeit um uns hinein, die wir nicht sehen und die wir nur stören und verwirren! In den Trümmern der ›Throne der Welt‹ in Luxor in Oberägypten, des größten Bauwerks der Erde, gleich hinter dem vierten Pylon, in dem granitenen, kleinen Allerheiligsten des Oberpriesters des Osiris, das bis zum Ende des Römerreichs die letzten Geheimnisse der Welt barg, dort sah ich einmal bei Vollmondschein während der Bonaparteschen Expedition nach Ägypten ...«

»Sie ... bitt' schön ...,« frage ich meinen Nachbarn zur Rechten, einen Exzellenzherrn, »wer is denn der Sterngucker da unten?«

»Halt, der Oetsch!« sagt der gottergeben.

»Jesses, der Oetsch! Von dem hatte ich auch schon genug gehört! Dem sein Ruf ging weit! Also der! Jetzt habe ich ihn mir genau angeguckt, und der Graf Oetsch hat in der tiefen Stille gesagt, so als redete man von der morgigen Treibjagd:

»Von allen Seiten umgibt uns das Unerklärliche, weil wir es selber sind. Wir selber sind wahrscheinlich gar nicht vorhanden und lösen uns in nichts auf, in dem wir uns erkennen und die Welt dazu!«

»Jesses! Jesses!« stöhnte mir gegenüber ein dicker Herr und hielt sein Stück Rebhuhn auf der Gabel und rollte die Augen zum Himmel. Mein Oetsch aber immer unbekümmert weiter:

»Vermutlich ist das, was für uns sinnfällig geschieht, nur eine Störung der eigentlichen, uns verschlossenen Welt!«

»Ui Jeger! – red't der g'schwollen daher!« sag' ich. Und ein paar Stühle weiter ruft ein großer, graubärtiger Herr Landrichter außer Diensten:

»Das is mir zu hoch! Beweise!«

»Zum Beispiel, Herr von Söller,« sagt der Oetsch kaltblütig, »die Fensterscheibe da macht keinen Lärm und keinen Geruch und ist durchsichtig. Die ist nicht vorhanden. Erst wenn ich sie entzwei schlage, klirrt's, und sie ist wirklich da. Diese fortwährende Zerstörung der Dinge nennen wir das Leben, während das Leben doch erst nach dem Tode beginnt!«

»Is der Oetsch immer so?« erkundige ich mich besorgt. Und der Exzellenzherr: »Heut' is er besonders gut!«

Der Oetsch aber hat förmliche Gespensteraugen gemacht und trocken gesagt und sich dabei sein halbes Rebhuhn zerlegt: »Man darf von so Sachen nicht zu viel reden! Sonst kommen sie! Es wacht da um einen herum auf, und man ruft Dinge bei, die besser ...«

Dabei legte er Messer und Gabel hin und winkte stirnrunzelnd nach beiden Seiten hin ab, obwohl um ihn herum lauter leere Luft war, und ich rief zu ihm hinunter:

»Meinen's, Graf, daß Sie damit Geister beschwören?«

Der Oetsch wurde plötzlich feierlich ernst.

»Im Gegenteil! Die Geister beschwören uns!« sagte er. »Sie rufen uns, wann sie wollen, und wir müssen kommen, wann sie wollen, und tun, was sie wollen, weil wir ja nur ihre Spiegelbilder sind, und das nennt man dann das menschliche Schicksal ...«

»Ja – wo sind denn aber nachher die Geister?« schrie unten am Tisch ganz verzweiflungsvoll ein Herr, der kein Aristokrat war, sondern ein Kunstmaler aus München. Der Oetsch tat über die Frage ganz erstaunt:

»Überall sind sie, Herr Salvermoser! Rund um uns sind sie! Ich will gar nicht erst sagen, wer alles in diesem Augenblick ungesehen mit uns bei Tisch sitzt und zuhört! Die Damen könnten erschrecken!«

Die beiden Damen aber, die einzigen, die unter uns waren, haben gar nicht recht auf das z'widere Geplausch hingehorcht gehabt, sondern sich stumm und erwartungsvoll angeblickt, und die schöne, blonde Baronin Safferstätt hat wieder voll Unruhe gemeint:

»Ich begreif' nicht, daß der Pater Faramund noch nichts von sich hören läßt!«

Die Frau von Vogelschrey hat sie getröstet und geantwortet: »Er wird schon! Er wird schon, Mette! Hab' nur Geduld!«

Bald darauf, am Ende der Tafel, hat sie ihr ein Zeichen mit dem Kopf gegeben, und die beiden schönen Damen haben sich erhoben und die Herren unter sich gelassen. Wir waren alle aufgestanden und haben uns verbeugt und dann wieder hingesetzt. Nur ein Herr ist hinter den Damen mit hinaus, und der Exzellenzherr, der jetzt, weil wir zusammenrückten, neben mir zu sitzen kam, hat mir verraten, das sei der Baron Safferstätt, der Mann der schönen Frau, und das Ehepaar sei nicht aus Jagdpassion hier wie wir andern, sondern von wegen der Frömmigkeit, um sich mit einem Ordensvater aus Italien zu treffen, der heute abend noch erwartet würde, und das sei ein Vetter des Grafen Oetsch da drüben. Aber die beiden Oetsch machten von ihrer Verwandtschaft als die zwei Letzten ihres Namens keinen Gebrauch, und das läge an dem Johann Preisgott Oetsch. Der liefe immer, wenn sich die beiden irgendwo träfen, so rasch er könne, beiseite, weil er überhaupt keinem geweihten Priester ins Auge sehen könne und die hochwürdigen Herren hasse und meide. »... und das mag bei dem Oetsch ja wohl seine guten Gründe haben!« schloß der Exzellenzherr und zündete sich sehr nachdenklich seine Zigarre an. Das Weitere hat man sich selber ergänzen müssen, was er sich im stillen gedacht hat: »Geheuer ist's mit dem Oetsch nicht! Und dem sein schlechtes Gewissen gönn' ich dem linken Schächer!« Ich hätte mich bei dem Oetsch, wie ich ihn so jetzt hab' von Angesicht kennen gelernt, ja auch wahrhaftig jeder einzelnen von den sieben Todsünden versehen, und er schien es ja mit Fleiß darauf anzulegen, daß ihn ja niemand für besser hielt.

»Es gibt nichts Pedantischeres als Gespenster!« sagte er. »Ich war einmal aus meinen Reisen in einem Gasthof auf dem Lande, einem säkularisierten Kloster, und bat um das Spukzimmer, in dem jede Nacht ein fünfzig Jahre vorher verstorbener Mönch erschien. Gut. Schlag Mitternacht kam pünktlich der Mönch und ging durch das Zimmer. So weit war die Sache ja nun ganz natürlich und alltäglich und nicht der Rede wert ...«

»Jesses ... Jesses!« hat der dicke Herr gegenüber wieder geseufzt.

»... Das Ungewöhnliche war nur, daß der Mönch sich in halber Höhe des Zimmers bewegte. Er schritt sehr rasch und sicher, die Kutte etwas schürzend, mitten durch die Luft. Das gab mir zu denken, während ich einschlief.«

»Und warum hat der Mönch das getan?«

»Weil er so gewissenhaft war, wie ein Geist sein soll!« sagte der Oetsch ruhig. »Ich habe mir am nächsten Morgen die Pläne des Hauses zeigen lassen. Richtig – so wie ich schon vermutete: das ehemalige Kloster war umgebaut und die Zwischendecke zwischen den übereinanderliegenden niederen Zellen beseitigt worden, so daß aus je zweien ein solch hoher Raum entstand wie der, in dem ich übernachtete. Der Mönch aber kehrte sich natürlich an diese modernen Neuerungen nicht. Er ging nach wie vor da, wo früher der Boden seiner Kammer gewesen war, quer durch den leeren Raum. Es war das einfachste Ding von der Welt!«

»Schließlich träumt man noch von dem Zeug!« meinte der Landrichter, der Herr von Söller. Der Oetsch verkündete ihm mit unverbrüchlichem Ernst:

»Wenn Sie träumen, wachen Sie! Jeder Traum ist ein Guckloch in die Wirklichkeit!«

»Johann Preisgott! Ist's wahr, daß du jedem Menschen ansiehst, wann er sterben muß?«

»Jedem!« sagte der Oetsch ruhig und blickte uns alle der Runde nach aus seinen sonderbaren, graublauen Augen an, daß einem unwillkürlich eine Gänsehaut über den Rücken lief. Jetzt aber legte sich der Schloßherr, der Herr Rittmeister von Vogelschrey, ins Mittel und sprach entschieden: »Johann Preisgott – jetzt ist's aber genug! Mache mir meine Gäste nicht kopfscheu und verdirb uns nicht die Jagd!«

»I tu' ja nix!« meinte der Oetsch gemütlich.

»Ich kenn' dich, du Schlankel! Du bist imstand und zeigst auf einmal auf einen unter uns, der bald sterben muß, und nennst ganz seelenruhig seinen Namen!«

»Das werd' ich auch!«

»Bist gleich still!«

»Einer von uns hier im Saal wird vielleicht schon in nächster Zeit sterben!«

»Hör' auf! Um Gottes willen!«

»Kann sein: schon heute nacht!«

»Schickt doch die Diener hinaus!«

»... Kann sein: morgen oder übermorgen ...«

»Johann Preisgott! In allem Ernst: Jetzt bist du ruhig!«

»... und sein Name, andächtige Trauerversammlung, lautet ...«

»So haltet ihm doch den Mund zu!«

Aber dem Oetsch und seiner furchtbaren Körperkraft wagte keiner nahe zu kommen. Die Kavaliere waren alle aufgestanden und hatten die Stühle zurückgerückt und standen ärgerlich und erregt um ihn im Kreis, die Jüngeren noch halb lachend und, je älter sie waren, mit desto mehr unsichern und abwehrenden Mienen, und der Herr von Vogelschrey versuchte es jetzt in Güte und sagte bittend:

»Johann Preisgott! Hab' doch ein Einsehen! Nenne keinen Namen! Du erschrickst ja denselbigen zu Tod!«

»Der erschrickt gar nicht, mein Lieber!« antwortete der Oetsch gleichmütig. Er allein war sitzen geblieben und hielt die Jagdpfeife schief unter dem langen Schnurrbart im Mund.

»... Woher willst denn das wissen?«

»... weil ich nicht so schreckhaft bin, Poldl!«

»Du?«

»Ja – freilich ...« Der Oetsch paffte wie ein alter Förster und streckte seine langen Beine aus.

»Du meinst, daß du selber ...«

»Kann leicht sein!«

»Und davon sprichst du so ruhig?«

»Ja – was ist denn weiter dabei?« erkundigt sich der Oetsch verwundert. »Ich bin schon oft gestorben. Ich kenn' das! Da feit si nix! Das ist nicht schlimm, mein Lieber! Das ist Gewohnheitssache!«

»Aber wie sollte denn das geschehen? Ein Bärenkerl wie du ...«

Der Oetsch schaute gelassen zu ihm auf.

»Du denkst doch nicht im Ernst, Poldl, daß ich krank werden könnt'? Krankheiten sind für die alten Weiber. Ich hab' seit gut dreihundert Jahren keinen Schnupfen mehr gehabt!«

»Ja also gut, du narrischer Kerl! Wie kann dann also ...«

Der Johann Preisgott Oetsch stand langsam auf, gähnte, reckte die Arme, schaute um sich. Es war eine Stille. »Wenn ich tot hier bei dir im Haus aufgefunden werde, Poldl,« sagte er, als spräche er davon, ob's morgen Regen gibt, »dann bin ich fei' ermordet worden!«

»Was!« schrie der Herr Rittmeister, und wir anderen haben dumme Gesichter gemacht vor Verblüffung.

»Ich sag' es dir nur vorher, Poldl, damit du's weißt und nicht etwa denkst, ich hätt' mich selber umgebracht! Dann tät's wieder heißen: Aha – da habt's ihr's! Das ist das böse Gewissen! Das Blut von vor drei Jahren in Pfaffenrod. Der geheimnisvolle Tod von meinem Bruder Peter-Paul. Die saudumme Nachrede mag ich nicht! Dazu hab' ich gar keinen Grund, mich ins Jenseits zu expedieren! Nein – wenn du mich tot findest – das is hernach schon ein Mord gewesen, mein Lieber ...«

Nachdem der Oetsch so gesprochen, setzte er sich seelenruhig wieder hin und überließ uns unserem recht erstaunten und ratlosen Schweigen. Endlich begann der Rittmeister:

»Wer sollte dir denn nach dem Leben trachten?«

Der Oetsch wehrte mit der Hand ab und stützte dabei seinen Geisterseherkopf in die andere.

»Wer? ... Wer, lieber Poldl? ... Ich weiß es wohl. Aber ich sag' es nicht. Denn der Mord ist noch nicht geschehen, und ich gehör' nicht zu den Leuten, die andere eines Mordes beschuldigen, den sie niemals begangen haben, so wie's mir seit drei Jahren geht. Ihr müßt's schon abwarten, bis es so weit ist!«

Der Leibjäger des Schloßherrn war hereingetreten und hatte dem Herrn Rittmeister einen Brief überreicht. Dessen eben noch verstörte Mienen erhellten sich, wie er ihn aufbrach und las. Er frug den Büchsenspanner:

»Wer hat denn den Brief gebracht?«

»Ein Bauerbursch aus St. Benno in der Öd.«

»Wo sind denn die Damen?«

»Die gnä´ Frau und die Frau Baronin sitzen zusammen im blauen Salon!«

»Dann gehst, Anderl, und bestellst, eben sei Post von Pater Faramund gekommen! Er hat unterwegs noch einen Weltpriester, den Bruder eines seiner Ordensbrüder, in St. Benno drüben besucht und jetzt den Stellwagen nach Höhenleiten genommen. Von dort ist er auf d' Nacht jedenfalls hier!«

Er rief den Büchsenspanner noch einmal zurück und gab ihm das Schreiben. »Tragst's besser gleich mit hinauf! Da kann's die Frau Baronin selber lesen, daß der Pater Faramund unterwegs ist!«

Der Oetsch war unterdem in seiner ganzen hageren Länge aufgestanden. Wie der Grünrock draußen war, hat er finster, man möchte sagen, drohend gefragt:

»Wer ist unterwegs? Ein Pfaff'?«

»Dein eigener Vetter! Der Pater Faramund!«

»Kutte is Kutte! Wer die trägt, is mir gleich zuwider!«

»Da kannst nix dagegen machen, Johann Preisgott!« sagte der Schloßherr. »Der Pater kommt, ob du magst oder nicht! 's ist doch oft den Tag über davon geredet worden! Hast denn nichts gehört?«

»Ich war den ganzen Tag droben auf der Wildalp,« sagt der Oetsch grantig wie ein ungezogener Bub, »und hab' nach den Gemsen ausgeschaut und bin eine halbe Stund' vor dem Nachtmahl saumüd' heimgekommen. Ich hab' nichts von meinem heiligen Herrn Vetter erfahren!«

»Also jetzt weißt's!«

Der Rittmeister schaute auf die Uhr.

»Der Bote hat sich auf dem Weg über die steilen Berge auch hart getan. Der Postwagen ist unterdessen jedenfalls schon in Höhenleiten durchpassiert. Es kommt darauf an, wie rasch der Pater den Weg von dort hierher zu Fuß geht. Kann leicht sein, daß er jeden Augenblick hier eintritt!«

»Ich hab' die Ehr'!« sprach der Oetsch brüsk, sich von uns verabschiedend.

»Kann auch sein, daß es noch ein paar Stunden dauert!«

»Mein Kompliment den Damen oben!«

»Bleib' doch noch so lange, Johann Preisgott!«

»Mit Weihrauch kannst mich jagen, mein Lieber! Schau, ich krieg' ja doch bloß Händel mit den Tonsurierten! Nachher is's dir auch wieder nicht recht!«

»Beileib nicht!«

»... und bald nach Mitternacht muß ich doch wieder aus den Federn und in die Berge. Da brauch ich mei' Ruh'!«

»Du hast recht!«

»Wünsch' alsdann allerseits geruhsame Nacht!« versetzte der Oetsch, verneigte sich rechts und links gemessen wie ein spanischer Grande und ging, den Kopf steif im Nacken, gravitätisch hinaus.

Wie er weg war, waren wir eigentlich alle heimlich froh, und es war doch eine sonderbare Leere im Zimmer. Der Herr Rittmeister hat sich entschuldigt und ist mal hinauf zu der Gnädigen. Von uns hat keiner viel geredet, und es wäre auch nicht viel Gescheites dabei herausgekommen. Ich hatte gedacht, ich komme hier in eine rechte Hetz' herein und ein Tanz abends und fesche Kavaliere und lustige Frauen. Statt dessen hat ein jeder dagesessen und seinen Gedanken nachgehangen. Schließlich war es uns nicht mehr recht heimlich in dem Saal. In dem hat man immer noch dem Oetsch seine Stimme zu hören geglaubt. Da sind wir alle aufgestanden und haben uns drüben in die große Halle gesetzt.


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