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VI

Erinnerungen der Frau Centa von Vogelschrey (So, wie mein lieber Mann mich geheißen hat, das, was ich weiter von diesem Abend weiß, so gut es halt geht, aufzuschreiben)

Ich bin also mit der Mette die Treppe hinauf. Unterwegs haben wir nicht anders gekonnt und sind stehen geblieben und haben uns wieder einen ordentlichen Schmatz gegeben. Sie ist zu arg lieb. Ganz kalte Lippen hat sie noch gehabt, von der Nachtluft draußen. Und ich ein bissel Wasser in den Augen. So gerührt war ich, daß ich sie wieder einmal hab' leibhaftig im Arm halten und streicheln dürfen.

Arm in Arm sind wir dann weiter, wie zwei gute Basen. Oder wie zwei Schwestern. Irgendwie verwandt, schon von den Kreuzzügen her, sind wir ja, wie wir alle. Ich kenne mich mit den Stammbäumen nie aus. Mein Mann sagt oft: »Katzel, du hast so gar keinen historischen Sinn!« Ich habe alle Menschen gern und meine, Menschen sind wir alle und stammen vom Adam und der Eva ab, und so hat uns auch die Mater Jakobea bei den Englischen Fräulein in meiner Zopfzeit gelehrt.

Ja, ich hab' alle Menschen gern. Aber die Mette ganz besonders. Die hätt' ich damals, im Institut, fressen können vor Liebe. Bewundert habe ich sie. Die andern auch. Sie hatte so etwas Besonderes. Sie war so fein und zart, ganz anders wie wir strammen Bälge. Geheimnisvoll wie eine Nixe, mit ihrem langen, blonden Märchenhaar. In das habe ich mich manchmal damals eingewickelt, den ganzen Kopf, daß mir dunkel vor den Augen war, und die Augen noch fest zugemacht und den süßen, betäubenden Duft ihres Haares eingeatmet und mich dann plötzlich losgemacht und sie stürmisch umhalst und geküßt. Sie, die Mette, hat sich die Kälbereien geduldig von uns gefallen lassen, still lächelnd, wie eine heimliche kleine Königin. Sie war immer sanft und freundlich und gut. Verschossen in sie waren wir alle. Das schien uns natürlich und ihr auch. Sie nahm es hin, als ob es so sein müßte.

Darum tat es mir so herzbrechend leid: ihre zweite Ehe! Der neue Mann! Nach einem wie dem armen Peter-Paul, der eines solchen Kleinods wert gewesen war, der gute Gaudenz Safferstätt! Lieber Gott ja: da stand er halt mitten im Zimmer und rieb sich die Hände und wußte nicht, was er reden sollt', und trat von einem Fuß auf den andern, und wenn er nicht dagewesen wäre, dann wäre hernach die Lücke im Weltall und in den vier Wänden hier auch nicht gar zu groß gewesen. Für sie, die Mette, war er auch eigentlich gar nicht vorhanden. Sie hat ihm den Rücken zugedreht und geschaut, daß das Gepäck in die Fremdenzimmer geschafft wurde. Ich hab' in meinem innersten Herzen ein Stoß- und Dankgebet zum himmlischen Vater losgelassen: Lieber Gott: Deine arme Magd preist deine Gnade, daß du mir nicht auch solch eine arme kalte Vernunftehe beschieden hast, sondern einen lieben guten Mann, meinen Leopold Salvator, dem ich eine treue, christliche Hausfrau bin. Lob dir, du Allerbarmer, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Ich will auch redlich meine Pflicht erfüllen und meinem Mann gehorsam dienen und meine Kinder zu braven, guten Menschen erziehen.

Die Mette aber hat dagestanden, kühl und blond und zart, als wäre sie ein zerbrechliches Rokokodämchen aus Nymphenburger Porzellan, die Hände auf dem Rücken zusammengelegt, und vor ihr auf dem Teppich hat ihre Jungfer gekniet und angefangen, die Koffer auszupacken. Trauer um ihr totes Kind hat die Mette nicht mehr getragen, sondern ein dunkelgrün und schwarz kariertes Kleid aus schottischer Wolle, viel zu derb für ihren Libellenwuchs, eben für unser rauhes Gebirge zur Herbstzeit. Es war ja auch fast ein Jahr her, seitdem ihr Töchterchen, gleich nach ihrer zweiten Ehe, gestorben ist.

Ich hab' auf die Jungfer geschaut und, damit die's nicht versteht, die Mette auf Französisch gefragt: »Hast du deine Italienerin noch?« »Italienerin« habe ich zum Spaß gesagt. Denn in Wirklichkeit stammte die Jungfer, die Poletta, aus der Gegend von Wasserburg am Inn. Aber dort ging ja immer, bis jetzt, zu den neumodischen Eisenbahnen, flußabwärts der große Verkehr von Italien her über den Brenner, und vielleicht hat das Madel daher das Südliche gehabt: ganz schwarz und ein weißes Gesicht und ein Paar Kohlenaugen mit dicken, dunklen Brauen darin. Darum hat die Mette ihre Jungfer auch immer Poletta statt Pauline geheißen und jetzt, auch auf Französisch, geantwortet:

»Ich hab' sie schon als Mädchen gehabt. Ich bin so an sie gewöhnt. Ich kann sie gar nicht mehr entbehren!«

»Da sei doch froh!«

»Aber im letzten Jahr macht sie mir ewig Verdruß. Sonst hat sie, so hübsch sie ist, nichts von den Mannsbildern wissen wollen. Sie hat sich gewehrt wie eine Katze!«

»Recht hat sie!«

»Da hat's das Unglück gewollt, daß in München der große Prozeß gegen die Haberfeldtreiber war! Du hast doch davon gehört?« Gehört? Liebe Zeit: Das ganze bayrische Oberland war davon voll, daß man endlich an die hundert Haberer dingfest gemacht hatte und beinahe den verborgenen Habererkönig selber ...

»Den einen Haberermeister haben sie aus Mangel an Beweisen freisprechen müssen und aus der Untersuchungshaft entlassen. Da hat ihn die Poletta gerad' vor einem Jahr, als sie zum Oktoberfest mit meiner Erlaubnis zum Besuch bei ihren Verwandten in München war, auf der Theresienwiese kennen gelernt, wie er mit seinem Anhang von Bude zu Bude gezogen ist und die Guldenstückeln nur so um sich geworfen hat. Ein schöner Mensch, dunkel wie sie, mit einem krausen, welschen Vollbart, wie der Andreas Hofer! Sie hat sein Bild immer auf ihrem Nachtkastel stehen!«

»Und in den hat sie sich verguckt?«

»Ach und wie!« sprach die Mette und seufzte. »Und, was weit schlimmer ist, er in sie! Ich hab' es ihr oft schon streng untersagt, mit einem so übelberüchtigten Menschen zu verkehren. Dann weint sie und küßt mir die Hand und dankt mir. Aber dann schreiben sie sich doch wieder. Ich weiß es. Und ab und zu taucht er immer einmal in ihrer Nähe auf!«

Mir ging es durch den Kopf, daß wir doch schließlich nicht, nach zwei Jahren, zusammengekommen waren, um uns über die Dienstboten zu unterhalten, und ich sagte auf Deutsch: »Geh her, Mette! Laß die Poletta deine sieben Zwetschgen auskramen! Die macht's schon! Und komm du auf 'nen Sprung zu mir 'rüber. Da plauschen wir schnell ein bissel gemütlich zusammen!«

Die Mette war es zufrieden. Sie nickte mit ihrem hochmütigen, feinen Blondkopf und schlang ihren dünnen Arm in meinen und ging kameradschaftlich mit mir davon. Ihr Mann? Ich möchte schwören: Wenn man sie in der Beichte, auf Gottes Wort, gefragt hätte, ob der in selber Zeit im Zimmer war, sie hätt's nicht gewußt! Jedenfalls drehte sie sich gar nicht erst nach ihm um, und er stand auch da, als wäre er das schon gewohnt. Recht ein Depp! Ach, du mein guter Leopold Salvator! Dich hab' ich herzlich lieb! Das gehört nicht zu dem, was ich berichten soll, aber ich schreib' es doch hin! Weil's halt wahr ist!

Ich habe so ein Nest in dem großen Schloß ganz für mich und ihn, wo nur die ganz Auserwählten herein dürfen, damit man doch einmal seine Ruhe vor den ewigen Gästen hat, so recht klein und gemütlich und lauschig, Tür an Tür neben dem Kinderzimmer, daß ich immer gleich höre, was da geschieht. In das habe ich natürlich die Mette nicht führen wollen, wo sie doch ihr einziges Kind hat hergeben müssen und bittere Gedanken in ihr wach geworden wären. Aber sie streifte sich bei mir die Handschuhe von ihren schmalen Fingern, steckte sie in die Tasche von der Lodenjacke, strich sich flüchtig vor dem Spiegel das Haar glatt und sagte ruhig: »Geh – zeig' mir deine Kinder, Katzel!«

Wer war froher als ich? Das ist doch mein Stolz. Wir sind also auf den Fußspitzen hinein, und ich habe leise Licht gemacht. Da lagen sie alle drei in ihren Bettchen und schliefen mit roten Backen und geballten Fäustchen. Die Mette hat ernst, mit gefalteten Händen und einem schmerzlichen, wunderschönen Lächeln die Mittlere, die Walburg, betrachtet und gefragt:

»Wie alt ist die Burgel? Schon vier Jahre? Ah – da schau her! Du – Centa – jetzt muß ich dir noch sagen, warum ich euch plötzlich ins Haus gefallen bin!«

»Du bist immer willkommen!«

»Ganz und gar nicht! Ihr habt jetzt im Oktober das ganze Schloß voller Jagdgäste. Da könnt ihr Besuch von Frauenzimmern nicht brauchen. Die nehmen nur den Platz weg und stören die Herren abends in ihrer Gemütlichkeit. Das weiß ich. Ich bleibe auch nur höchstens ein paar Tage!«

»Du bleibst, solange du magst! Und je länger, desto lieber ist es mir und meinem Mann!«

Komisch: von ihrem Mann, dem Gaudenz, war gar nicht die Rede. Der ging nur so mit. Die Mette hat sich über das eine Bettchen gebeugt.

»Also, Katzel, ich möchte hier bei euch jemanden sprechen, weil es sich da gerade am leichtesten tut – du – jetzt bin ich ganz dumm: Ist das Jüngste da eigentlich ein Bub oder ein Mädel?«

»Der Peperl? Ein Bub! Und was für einer!«

»Ist auch besser! Was tun wir langhaarigen Menschen auf der Welt?«

Da hab' ich doch lachen müssen und gemeint:

»Ohne uns stirbt aber die Welt doch gerad' aus!«

»Wär' denn das ein Unglück?« fragt die Mette, ganz in ihren Gedanken. »Du – der Peperl ist süß!«

»Gelt?«

»Ja – also schau: also ich möchte mich hier mit dem Pater Faramund treffen – du weißt: dem Mönch in Rom, dem letzten Oetsch, der außer meinem Schwager noch lebt!«

»Ja freilich hab' ich oft schon von ihm gehört!«

»Er gehört zum Orden der Kreuzbrüder von Golgatha in Italien. Es ist ein arg strenger Orden. Schon fast nach der Trappistenregel.«

»Ich weiß.«

»... und er kommt selten nach Deutschland. Nur in jahrelangen Abständen. Aber augenblicklich ist er gerade in Ordensgeschäften zu Gast im Kloster Maria Stern!«

»Das ist ja gar nicht weit von hier!«

»Nein. Ich glaube, nur ein paar Stunden mit dem Wagen über die Berge. Deswegen komme ich ja eben zu euch. Zu dem Pater Faramund kann ich selber nicht in das Kloster Maria Stern hin. Sie lassen ja dort keine Frau in die Klausur. Du – die heiligen Männer müssen doch alle eine rechte Angst vor uns haben – nicht?«

Wir lachten beide. Dann schämten wir uns, daß wir als ehrbare junge Frauen auf solche gottlose Gedanken geraten waren, und die Mette fuhr wieder sehr ernst fort: »Den Pater zu uns, dem Gaudenz und mir, aufs Land einladen kann ich auch nicht gut. Es ist eine weite Reise bis nach Franken, und wir haben ja auch immer Leute bei uns. Unser Schloß ist der reine Taubenschlag. Ich weiß manchmal nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Da finde ich nicht die Ruhe und Sammlung, die ich für die Begegnung mit dem Pater Faramund brauche. Es würde mir immer wieder irgendeine weltliche Pflicht als Hausherrin dazwischen kommen und mich ablenken!«

»Jetzt – ihn in München oder sonstwo in einem Gasthof treffen,« fuhr sie fort, »ja – ein Pater von einem so asketischen Orden gehört doch nicht ins Hotel unter befrackte Kellner und Geschäftsreisende und neugierige Leute, die ihn angaffen, als wäre er ein Wundertier! Das kann ich ihm nicht zumuten!«

»Das glaub' ich euch, Mette!«

»Nun hab' ich aber was mit ihm zu bereden! Gerade mit ihm, dem letzten Verwandten meines seligen Mannes! Nicht gerade viel! An einem Tage sind wir leicht damit fertig! Aber es muß geschehen! Er ist freilich arg strenggläubig, wie es die Väter vom Cruciferen-Orden halt sein müssen, aber er soll nach allem, was ich von ihm höre, ein guter und gerechter und im Herzen milder Mann sein.«

»Just so hab' ich auch immer von ihm reden hören!«

»Da bin ich auf den Ausweg verfallen – ihr seid ja so gut, du und dein Mann: ihr schlagt mir schon die Bitte nicht ab und gewährt's mir, daß der Pater Faramund über eine Nacht vom Kloster Maria Stern hierher zu euch nach Vogelöd herüberkommt und ich mit ihm meine Unterredung hab'!«

»Aber gern!«

»Ihr habt ja hier auch viel Kinder der Welt, zu denen solch ein Religioser nicht paßt. Ich hab's unterwegs in der Halle unten gesehen. Aber der Pater Faramund kann sich ja auf dem Zimmer halten, das ihr ihm einräumt. Da stört keiner den andern!«

»Gleich lass' ich ein Zimmer richten!«

»Ich dank' dir, Katzel! Du bist gut und lieb!«

Die Mette küßte mich mit einer merkwürdigen, stillen Inbrunst. Ihre Augen waren heiß. Sie war anders als sonst in ihrer sanften Blondheit. Ich meinte:

»Sag' mir nur, wann ich anspannen lassen soll und einen Wagen nach Maria Stern hinüberschicken!«

»Das tut nicht not. Ich hab' mich deswegen schon mit dem Pater Faramund ins Einvernehmen gesetzt. Er benutzt den Stellwagen bis nach Höhenleiten und geht die letzte Stunde hierher zu Fuß, hat er mir geschrieben. Unser Herr Jesus sei auch zu Fuß gegangen, und er, der Pater, brauche keine Equipage!«

»Und wann kommt er?«

»Sobald er weiß, daß ich hier bin! Das habe ich ihm heute von unterwegs, von der Poststation aus, durch einen Boten mit einem Brief nach Maria Stern wissen lassen. Da wird er wahrscheinlich morgen gegen Abend da sein! Sei nicht böse, ich hab' alles eigentlich ein bißchen über deinen Kopf weg abgemacht, weil ich ja schon davon überzeugt war, daß du mir das zuliebe tust!«

»Alles, Mette, alles! Nicht bloß das armselige bissel!«

»Gott vergelt's dir viel tausendfach, Katzel! Und jetzt hab' ich noch eine Bitte: Ich bin müde von der Reise. Ich möchte am liebsten heute den Abend auf meinem Zimmer bleiben und nicht mehr hinunter unter die Leut'!«

»Ja, aber freilich, Schatzi!« hab' ich gesagt und sie in ihr Zimmer zurückgeführt und noch einmal abgebusselt und mit ihrem Mann allein gelassen. Der hat in einer Ecke gesessen, die Hände zwischen den Knien ineinandergelegt, und unverwandt vor sich hingestarrt ... Geistreich hat er nicht ausgesehen. Das tut er überhaupt nicht. Aber wenn einer schon Gaudentius heißt, dann muß er auch ein vergnügtes Gesicht zeigen. Sonst weiß man gar nicht, wozu er nutz ist. Beim Gaudenz Safferstätt hat man das nie recht gewußt. Er hat nie was Ordentliches im Leben vorgehabt oder ist wenigstens dabeigeblieben. Mal ein Jahr im Regiment und wieder weg, mal ein Jahr im Ministerium und wieder weg. Seine Hauptbeschäftigung ist halt, reich zu sein und nichts zu tun. Arme Mette! Sie sagt nichts. Aber man sieht ihr an, was sie leidet. Arme, arme Mette!

Ich bin hinunter zu den Gästen, die auch schon ans Schlafengehen dachten – denn es war schon halb elf Uhr, und vor Tagesanbruch wollten sie zur Jagd aufstehen – und hab' zu meinem Mann gesagt: »Du, Poldl, – weißt das Allerneueste? Der Pater Faramund kommt! Der Doktor theologiae Faramund, mit dem weltlichen Namen Oetsch! Die Mette hat was mit ihm zu bereden. Deswegen ist sie da!«

Mein Mann hat ordentlich dankbar Atem geholt und gesprochen:

»Also deswegen! Vielleicht bringt uns der Hochwürdige Glück ins Haus! Man hört von ihm immer nur das Beste! Du kennst ihn übrigens doch, Onkel?«

»Und ob ich ihn kenn'!« nickt der alte Franz Assisi Meerwarth und schnauft. »Vor vierzehn Tagen habe ich ihn noch in München beim Erzbischof gesehen. Da war er auf dem Weg nach dem Kloster Maria Stern. Gar nicht weit von hier!«

»Von da fährt er morgen zu uns herüber!« rief ich. Und mein Mann zum Onkel Franz, vertraulich:

»Du – wie ist er denn so im ganzen?«

»Mehr ein Gelehrter als ein Priester!« erklärt der Onkel Franz Assisi. »Ein Kirchengelehrter. Ein Bücherwurm. Weltfremd. Beinahe menschenscheu. Eine Autorität im kanonischen Recht. Hoffentlich zieht ihn die Mette nicht in Dingen des äußeren Lebens zu Rat. Da ist er wie ein Kurzsichtiger, der seine Brille sucht!«

»Aber als Mensch?«

»Als Mensch ein milder, abgeklärter Priester. Ich habe ein Beispiel davon vor einem Jahr in Rom gehabt. Da promenierte ich mit ihm von Santo Spirito in Sassia den Borgo hinab, und voici: kommt uns vom Fluß her der Johann Preisgott Oetsch, sein lieber Vetter, der da drüben sitzt, entgegen! Ein Exterieur wie der alte Fra Diavolo – breitrandigen Campagnolenhut, Carbonarimantel, Kniestiefel mit Pfundsporen, ein Tableau aus den Abruzzen! Der Johann Preisgott seinen würdigen Bluts- und Namensverwandten erblicken und höhnisch die Achseln heben und ungezogen wieder über die Tiberbrücke zurück, als sei der Pater Faramund unter seiner Bibliothekar-Brille mit dem mal' occhio behaftet, war für den Johann Preisgott das Werk einer Sekunde!«

»Und der Pater?«

»Der hochwürdige Vater hat fein gelächelt und geschwiegen und endlich gesagt: ›Ich muß doch öfter für meinen armen Vetter beten! Er braucht es!‹ Und wieder nach einer Weile des Nachdenkens: ›Ich werde lieber täglich für ihn beten! Sag' es ihm, wenn du ihn siehst!‹«

»Das ist der rechte Mann!« sprach mein Leopold Salvator dankbar. »Mir wird schon ganz leicht ums Herz, wenn ich daran denke, daß wir ihn morgen hier haben!«

»Mir auch!« sagt' ich.

»Es mag schon geschehen, und sicherlich hat man Exempel,« stimmte der Onkel Franz Assisi zu und war leider wieder recht asthmatisch beim Reden, »daß die bloße Gegenwart eines weltabgewandten, furchtlosen und leidenschaftslosen Dieners des Herrn, wie des Paters Faramund, die Luft von den schädlichen Influenzen reinigt, die Miasmen in den Seelen ausbrüten, und den Fürsten der Hölle exorziert! Mir schwant wohl, wem er hier sein Apage, Satanas! zurufen wird!«

»Mir auch!« meinte der Leopold Salvator.

»Möge sich durch ihn alles zum Guten wenden!«

»Das walte Gott!« sagte mein Mann.


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