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Vorwort des Herausgebers, des Justizrats und Rechtsanwalts Dr. von Lechner in München

Wenn ich in dem Nachfolgenden den Schleier von den jetzt längst dem Gedächtnis der Lebenden entschwundenen, seltsamen und furchtbaren Ereignissen ziehe, deren Schauplatz um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Oktobertagen des Jahres 1850 das Schloß Vogelöd im Bayrischen Hochland gewesen ist, so erfülle ich damit nur meine Pflicht als Testamentsvollstrecker gemäß dem mir seinerzeit persönlich eingehändigten, gesetzlich einwandfreien letzten Willen des am 22. August 1907, versehen mit den Tröstungen der hl. Kirche, im hohen Alter von siebenundachtzig Jahren in Meran verstorbenen hochwohlgeborenen Herrn, des K. Kämmerers und Rittmeisters a. D., Schloßgut- und Brauereibesitzers Leopold Salvator von Vogelschrey auf Vogelöd. Die diesbezügliche Stelle in seinem Testament, Abschnitt III, zweiter Absatz, Linea 4 und folgende, lautet wörtlich:

»Des Menschen Leben, heißt es in der Schrift, währet siebzig Jahre. So möge nach siebzig Jahren, 1920, das Geheimnis von Vogelöd, von 1850, gelüftet werden, über das sich damals die Menschen jahrzehntelang umsonst den Kopf zerbrachen. Denn wir wenigen, die darum wußten, haben seinerzeit, sofort nach dem Abschluß der Tragödie, auf die Hostie geschworen, das Geheimnis, so lange einer von uns noch leben würde, nicht über die Lippen zu bringen. Ich bin der letzte Überlebende. Nahe an Neunzig. Meine Tage sind gezählt. Kraft dieses Rechtes des Einsamen gebe ich es dem Jahre 1920 anheim, die Geister von 1850 noch einmal zu rufen und, so Gott will, dann zur ewigen Ruhe zu bringen.«

Im Sinne dieser Verfügung des Verstorbenen und im Einverständnis mit den Erben und Rechtsnachfolgern des verewigten Herrn Rittmeisters wurden in meiner, des Justizrats, und eines Vertreters des Nachlaßgerichtes Gegenwart, in Wahrung des § 2197 ff. BGB. die Siegel von einem Pergamentumschlag gelöst, der ein dickes, verschnürtes Pack von Aufzeichnungen in verschiedenen Handschriften, Papierformaten und Tintenfarben enthielt. Diese Aufzeichnungen waren von dem Herrn Erblasser sorgfältig geordnet und durchlaufend mit Rotstiftzahlen numeriert und gelangen, nach seinem Willen, hier genau in derselben Reihenfolge, unverkürzt und unverändert, zum Abdruck.


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