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Kapitel XXI

Die Flucht über die Heide: Das Moor

Obwohl es im Juli früh zu tagen beginnt, gelangten wir doch noch zur Zeit der Dunkelheit an unseren Bestimmungsort. Es war eine Schlucht: das Wasser stürzte zwischen hohen Bergwänden nieder, und auf der einen Seite befand sich eine enge Höhle. Ein kleines, hübsches Birkenwäldchen, das höher oben zu einem Fichtenwald wurde, stand dicht daran. Der Bach war voll Forellen, der Wald voll Ringeltauben. Es war die Schlucht von Corrynakiegh, und obwohl sie wegen ihrer hohen Lage und der Nähe des Meeres meist im Nebel lag, war es doch ein sehr schöner Ort, und die fünf Tage, die wir dort verbrachten, vergingen sehr angenehm.

Wir schliefen in der Höhle, machten uns aus Heidekraut, das wir zu diesem Zwecke abschnitten, ein Lager zurecht und deckten uns mit Alans großem Mantel zu. An einer verborgenen, tief gelegenen Stelle zündeten wir sogar manchmal ein Feuer an, so daß wir, wenn der Nebel einfiel, uns wärmen konnten, eine heiße Suppe kochten und die kleinen Forellen brieten, die wir mit unseren Händen unter den Steinen und den überhängenden Ufern gefangen hatten. Das war unser Hauptvergnügen und unsere Hauptbeschäftigung. Und nicht nur um unser Mehl für schlimmere Zeiten zu sparen, auch aus sportlichem Vergnügen und Ehrgeiz verbrachten wir den größten Teil des Tages am Wasser, und tappten nur halb bekleidet nach den Fischen. Die größten, die wir fingen, waren vielleicht ein Viertel Pfund schwer, aber das Fleisch war schmackhaft und auf den Kohlen geröstet, schienen sie uns köstlich; nur ein bißchen Salz hätten wir benötigt.

In der übrigen Zeit lehrte mich Alan mein Schwert führen, denn meine Unkenntnis hatte mich beschämt und bekümmert. Auch dürfte Alan, da ich beim Fischen manchesmal größere Erfolge hatte, nicht ungehalten gewesen sein, sich einer Beschäftigung zuzuwenden, bei der er mir so überlegen war. Er machte mir die Sache etwas sauerer als notwendig gewesen wäre, denn er schimpfte und schrie während der Stunden ununterbrochen auf mich los und stürmte so hart auf mich ein, daß auf mich los und stürmte so hart auf mich ein, daß ich oft davon überzeugt war, er werde mir das Schwert durch den Leib rennen. Gar oft geriet ich in Versuchung, davon zu laufen, behauptet aber doch stets meinen Platz und lernte in diesen Stunden ziemlich viel – und wäre es auch nur gewesen, mit ruhiger Miene dazustehen und auf meiner Hut zu sein, was oft das Wichtigste ist. Obwohl ich es meinem Lehrer niemals recht machen konnte, war ich mit mir selbst nicht unzufrieden. Inzwischen aber vergaßen wir auch unseren Hauptzweck, nämlich fortzukommen, nicht.

In mir tauchte zwar der Gedanke auf, daß ich sicherer wäre, wenn ich mich von Alan trennen könnte, da seine Kleider allein ihn schon verrieten, während ich meiner eigenen Sache offen hätte nachgehen können. Auch war das noch nicht alles. Gesetzt auch den Fall, ich würde allein angehalten, so spräche doch wenig gegen mich. Aber wäre ich in Gesellschaft des berüchtigten Mörders aufgegriffen worden, dann erst wäre mein Fall bedenklich geworden. Großmut jedoch hinderte mich, meine Ansicht über diesen Punkt offen auszusprechen, aber ich dachte doch immer daran. Auch hatte Alan, da er bis Frankreich, ich hingegen nur bis Queensferry gelangen mußte, verhältnismäßig weniger Geld als ich; so daß seine Gesellschaft nicht nur eine Lebensgefahr für mich, sondern auch eine Belastung meines Geldbeutels war.

Aber in dem ehrlichen Kopfe meines Freundes war kein Gedanke an dergleichen. Er glaubte, daß er mir Hilfe und Schutz gewähre. Was konnte ich da anderes tun, als schweigen, mich ärgern und abwarten?

Wir machten uns also wieder auf den Weg, und mehr als elf Stunden ununterbrochenen Wanderns brachte uns zeitlich in der Früh an das Ende einer Bergkette. Vor uns lag ein Stück tief liegendes, ödes Land, das wir zu durchschreiten hatten. Die Sonne war noch nicht lange aufgegangen und schien uns gerade in die Augen. Ein schwacher, dünner Nebel stieg von dem Moorland wie Rauch empor, so daß (wie Alan sagte) zwanzig Schwadronen Soldaten dort hätten liegen können, ohne daß wir sie gesehen hätten.

Wir setzten uns also nieder und warteten, bis sich der Nebel hob, machten uns einen Haferbrei und hielten Kriegsrat.

»David,« sagte Alan, »das Heikle an der Sache ist, ob wir hier bis abends liegen sollen oder unsere Wanderung fortsetzen?«

»Na,« sagte ich, »ich bin zwar müde, aber ich könnte schon noch einmal so weit gehen, wenn es sein müßte.«

»Ja, aber das ist nicht alles, nicht einmal die Hälfte,« sagte Alan. »Die Sache steht so: Appin bedeutet für uns beide den Tod. Südlich ist alles voll Campbells, also ist nicht daran zu denken. Nördlich – ja nördlich haben wir nichts zu suchen, weder du, der nach Queensferry will, noch ich, der nach Frankreich soll. Also könnten wir östlich wandern.«

»Also auf nach Osten,« sagte ich ganz vergnügt, aber im Stillen dachte ich: »Oh Mensch! wolltest du dich nur für eine Himmelsrichtung entscheiden und mich eine andere wählen lassen, das wäre für uns beide das Beste.«

»Ja aber im Osten, siehst du, da ist das Moor«, sagte Alan. »Einmal draußen, ist es nur mehr ›Kopf oder Schrift‹ für uns! Dort in diesem kahlen, nackten, flachen Land, wo sollte man sich da verstecken? Kommen die Rotröcke um einen Hügel herum, können sie dich meilenweit sehen und würden dich bald niederreiten mit den Hufen ihrer Pferde. Das ist kein günstiges Terrain, David, und ich muß gestehen, es ist bei Tageslicht schlimmer als im Finsteren.«

»Alan,« sagte ich, »höre mich an: Appin bedeutet für uns beide den Tod. Wir haben weder zu viel Geld noch zu viel Mehl. Je länger sie uns suchen, um so eher werden sie erraten, wo wir sind. Eine Gefahr ist überall. Und so stimme ich dafür, vorwärts zu gehen, bis wir umfallen.«

Alan war begeistert. »Es gibt Augenblicke,« sagte er, »da du allzu besonnen bist und nichts als ein Whig, nicht die geeignete Gesellschaft für einen Herrn meiner Art. Aber dann kommen wieder Augenblicke, wo du dich mutsprühend zeigst und dann, David, liebe ich dich wie einen Bruder.«

Der Nebel hob sich und schwand dahin, und enthüllte uns dieses Land, das öde wie das Meer vor uns lag. Nur Sumpfvögel flogen schreiend darüber hin, und weit hinten im Osten bewegten sich einige Stück Rotwild, wie kleine Flecken. Nie sah ein Mensch eine ödere oder traurigere Gegend. Aber wenigstens waren seine Truppen zu sehen, und das war für uns die Hauptsache.

So gingen wir also hinab in die Einöde und begannen die mühsame und von unserem eigentlichen Ziele abweichende Reise in östlicher Richtung. Rings ragten die Spitzen der Berge empor, nicht zu vergessen! von denen aus wir jeden Augenblick gesehen werden konnten. So mußten wir uns hauptsächlich in den tiefer gelegenen Teilen des Moorlandes halten, und bogen diese von unserer Richtung ab, mußten wir mit unendlicher Vorsicht über die flache Oberfläche hinkriechen. Oft mußten wir eine halbe Stunde lang von einem Heidebusch zum anderen schleichen, wie Jäger, die dem Wilde hart auf der Spur sind. Der Tag war wieder klar und die Sonne brannte hell. Das Wasser in unserer Schnapsflasche war bald verbraucht, und hätte ich gewußt, was es heißt, die halbe Zeit auf dem Bauche kriechen, und den größten Teil der übrigen beinahe knietief im Sumpfe waten – ich hätte ein so mörderisches Unternehmen nie begonnen.

Wir plagten uns und rasteten und plagten uns wieder während des ganzen Vormittags. Gegen Mittag legten wir uns in ein dichtes Gebüsch, um zu schlafen. Alan übernahm die erste Wache, und mir schien es, als hätte ich eben erst die Augen geschlossen, als er mich schüttelte und weckte, damit ich meinerseits wache. Wir hatten keine Uhr, nach der wir uns hätten richten können, und so steckte Alan einen Zweig in den Boden, daß ich am Schatten, den er warf, die Zeit erkennen könne, um ihn zu wecken. Ich war aber so müde, daß ich zwölf Stunden in einem Zuge hätte schlafen können. Der Schlaf steckte mir in der Kehle. Von Zeit zu Zeit gab ich mir einen kleinen Ruck, aber ich schlief doch immer wieder ein.

Als ich das letztemal aufwachte, hatte ich das Gefühl, aus weiter Ferne zurückzukommen. Die Sonne schien mir ein hübsches Stück weit am Himmel vorgerückt zu sein. Ich sah nach dem Zweig in der Erde, und da hätte ich beinahe laut aufgeschrieen, denn ich sah, daß ich Alans Vertrauen mißbraucht hatte. Ich war halb verrückt vor Angst und Scham. Als ich aber weiter um mich blickte, über das vor uns liegende Moor, da stand mir das Herz vor Schrecken stille. Es war, zweifellos während ich schlief, eine Abteilung berittener Soldaten herangekommen, die sich uns vom Südosten her näherten und, sich fächerförmig ausbreitend, in den tiefer gelegenen Teile des Moores hin- und herritten.

Als ich Alan weckte, warf er erst einen Blick auf die Soldaten, dann auf das Zeichen und die Stellung der Sonne, runzelte die Stirne, warf mir plötzlich einen bösen und ängstlichen Blick zu – und das war alles, was ich an Vorwurf von ihm zu hören bekam.

»Was sollen wir jetzt machen,« fragte ich.

»Wir werden wie die Hasen laufen müssen,« sagte er. »Siehst du dort den Berg?« und er zeigte auf einen am nordöstlichen Horizont.

»Ja,« sagte ich.

»Dorthin müssen wir zu kommen trachten,« sagte er. »Er heißt Ben Alder; es ist ein wilder, kahler Berg, voll Felsen und Höhlen, und erreichen wir ihn vor Morgengrauen, so könnten wir noch davonkommen.«

»Aber Alan,« rief ich, »das führt uns ja den herankommenden Soldaten mitten über den Weg.«

»Ich kenne das zur Genüge,« sagte er, »aber jagen sie uns nach Appin zurück, so sind wir so gut wie tot. Also, David, mein Junge, mach schnell.«

Und damit fing er an, mit unglaublicher Geschwindigkeit auf Händen und Knien vorwärtszulaufen, als wäre dies seine natürliche Gangart. Auch wand er sich die ganze Zeit durch die tiefer gelegenen Teile des Moorlandes, wo wir am besten versteckt waren. Unser Gesicht war so nahe dem Boden, daß der feine, rauchartige Staub, den wir aufwirbelten, uns in Nase, Mund und Augen stieg. Wir hatten schon längst kein Wasser mehr, und in dieser Stellung zu laufen, auf Händen und Knien nämlich, ist so über alle Maßen anstrengend und ermüdend, da einen alle Gelenke schmerzen, und insbesondere die Handgelenke unter der Last des eigenen Gewichtes zu versagen scheinen.

Hin und wieder mußten wir auch wirklich, wenn wir einen größeren Busch erreichten, keuchend ein wenig inne halten. Als wir die Blätter zurückbogen, um nach den Soldaten zu sehen, fanden wir, daß sie uns noch nicht erspäht hatten, denn sie hielten genau ihre Richtung bei. Ich war noch gerade im richtigen Augenblick aufgewacht; ein wenig später und wir hätten vor ihnen davonlaufen müssen, statt seitlich zu entschlüpfen. Aber auch so konnte uns noch das kleinste Mißgeschick verderben. Und wenn hin und wieder ein Haselhuhn die Flügel schlagend vom Boden aufflog, so lagen wir regungslos in der Heide und wagten nicht zu atmen.

Schmerz und Schwäche, das Klopfen meines Herzens, meine wunden Hände und das Brennen im Hals und in den Augen, von dem fortwährend aufsteigenden Staub und Rauch, wurden bald so unerträglich, daß ich gerne alles aufgegeben hätte. Nur die Angst vor Alan flößte mir genügend Mut (eine falsche Art Mut) ein, um fortzufahren. Was ihn selbst anbelangte ( und man muß bedenken, daß er noch einen großen Mantel zu tragen hatte), so war er erst purpurrot im Gesicht geworden, aber mit der Zeit kamen auch weiße Flecken heraus; sein Atem ging pfeifend und zischend zwischen seinen Lippen und seine Stimme klang nicht mehr menschlich, wenn er mir, während der kurzen Rasten, eine Bemerkung ins Ohr flüsterte. Aber er schien in keiner Weise niedergedrückt oder entmutigt, oder seine Energie im geringsten vermindert, so daß ich die Ausdauer dieses Mannes zu bewundern anfing.

Endlich, bei Einbruch der Dunkelheit, hörten wir einen Trompetenstoß und durch die Heidebüsche zurückblickend sahen wir, daß die Truppen sich zu sammeln begannen. Kurz nachher hatten sie ein Feuer angezündet und für die Nacht ein Lager aufgeschlagen, ungefähr in der Mitte der Ebene.

Da bat und flehte ich, daß wir uns auch hinlegten und schliefen.

»Heute Nacht gibt es keinen Schlaf«, sagte Alan. »Von jetzt ab werden deine faulen Dragoner von den Bergen aus Wache halten über das Moorland, und keiner wird mehr aus Appin herauskommen, außer den Vögeln in der Luft. Wir kamen noch eben im letzten Augenblick durch, und sollten wir jetzt aufs Spiel setzen, was wir gewonnen? Nein, nein, kommt der Morgen, so soll er dich und mich in einem fernen Winkel des Ben Alders finden.«

»Alan,« sagte ich, »es ist nicht guter Wille, an dem es mir fehlt, mir fehlt die Kraft. Könnte ich, so wollte ich auch. Aber so wahr ich lebe, ich kann nicht mehr!«

»Gut also,« sagte Alan, »dann werde ich dich tragen.« Ich sah ihn an, denn ich glaubte, er mache einen Scherz. Aber nein, der kleine Mann war toternst und der Anblick so großer Entschlossenheit beschämte mich.

»Geh voran!« sagte ich. »Ich folge.«

Er warf mir einen Blick zu, als wollte er sagen: »Bravo, David, gut gesprochen!« und vorwärts lief er so schnell er konnte.

Es wurde kühler und sogar etwas dunkler – aber nicht sehr viel – je weiter die Nacht vorrückte. Der Himmel war wolkenlos. Es war Anfang Juli und wir befanden uns ziemlich weit im Norden. Es hätte guter Augen bedurft, um lesen zu können, aber ich habe immerhin schon dunklere Wintertage gesehen, als diese Sommernacht. Es fiel nun ein starker Tau, der wie Regen das Moorland tränkte und mich ein wenig erfrischte. Hielten wir einen Augenblick an, um Atem zu schöpfen, so daß ich ein wenig um mich sehen konnte, so erfüllte mich Bewunderung beim Anblick der Klarheit und Schönheit der Nacht, der dunklen wie im Schlafe ruhenden Gestalten der fernen Berge und des hinter uns aufflackernden und hinschwindenden Feuers, wie ein heller Fleck inmitten des dunklen Moores. Und wilde Wut überkam mich plötzlich, daß ich mich hier zu Tode quälen müsse und Staub fressen wie ein Wurm.

Nach all dem was ich in Büchern gelesen, glaube ich, daß wohl keiner von denen, die je eine Feder geführt, wirklich jemals müde gewesen sein dürfte; sonst hätten sie mehr darüber geschrieben. Mir war mein Leben gleichgültig geworden, das vergangene sowie das zukünftige, und ich erinnerte mich kaum noch eines Jünglings namens David Balfour. Ich dachte nur voll Verzweiflung an jeden einzelnen Schritt, von dem ich mit Sicherheit annahm, es wäre mein letzter, und ich haßte Alan, der Schuld daran war. In all diesen Stunden kam es mir nie in den Sinn, daß ich freie Wahl hätte; nur daß ich zu gehorchen hätte, solange ich eben konnte, um dann gehorsam zu sterben.

Der Tag brach an, nach Jahren wie es mir schien. Um diese Zeit hatten wir die größte Gefahr hinter uns, und durften wie Menschen auf unseren Füßen gehen anstatt wie Tiere zu kriechen. Aber du lieber Himmel! Wir müssen ein nettes Paar gewesen sein. Wir stolperten gleichsam wie Urgroßväter und kleine Kinder in einer Person, und unsere Gesichter waren bleich, wie die von Leichen. Keiner sprach ein Wort, jeder kniff den Mund zusammen und stierte vor sich hin; wir hoben die Füße wie eine Zentnerlast. Die ganze Zeit über schrieen die Vögel in der Heide »Piep« und im Osten wurde es immer heller und heller.

Ich darf wohl sagen, es ging Alan genau so wie mir. Nicht etwa, daß ich ihn einen Augenblick lang angesehen hätte, ich hatte genug damit zu tun, meine Füße zu heben. Aber es ist klar, daß er ebenso blöde war vor Müdigkeit wie ich selbst und ebenso wenig achtgab, wohin wir gingen, sonst wären wir nicht wie Blinde in einen Hinterhalt geraten.

Das geschah folgendermaßen: Wir gingen einen Abhang hinunter, Alan voran, ich ein oder zwei Schritte hinterdrein, wie der Spielmann mit seiner Frau. Da raschelte es plötzlich im Heidegras und drei oder vier zerlumpte Kerle sprangen hervor. Im nächsten Augenblick lagen wir auf dem Rücken, jeder einen Dolch an der Kehle.

Ich glaube, es war mir alles gleichgültig: meine früheren Schmerzen überwogen noch bei weitem die Schmerzen, die mir diese rohe Behandlung verursachte. Und ich war nur allzu froh, nicht mehr weiter gehen zu müssen, als daß mir an einem Dolch etwas gelegen wäre. Ich lag und sah dem Manne, der ihn hielt, gerade ins Gesicht. Ich erinnere mich, daß sein Gesicht sehr sonnverbrannt war und seine Augen leuchteten, aber ich hatte keine Angst vor ihm. Ich hörte Alan mit einem anderen in gälischer Sprache flüstern, aber was sie sprachen, war mir ganz gleichgültig.

Dann entfernten sie die Dolche, nahmen uns unsere Waffen ab und Alan und ich saßen einander in der Heide gegenüber.

»Das sind Clunys Leute,« sagte Alan. »Wir hätten es nicht leicht besser treffen können. Wir müssen nur hier bei ihren vordersten Posten warten, bis sie ihrem Hauptmann die Nachricht meiner Ankunft überbracht haben.«

Cluny Macpherson, der Hauptmann des Clans Vourish, war vor sechs Jahren einer der Führer des großen Aufstandes gewesen. Es war eine Belohnung auf sein Leben gesetzt worden und ich glaubte, er wäre längst in Frankreich. So müde ich auch war, hätte ich doch wahrscheinlich noch weiter gefragt, aber Alan machte ein Ende und sagte: »Ich bin sehr müde und möchte gern schlafen.« Und ohne noch ein Wort zu verlieren, drehte er sich um, legte das Gesicht ins Heidegras und schien im selben Augenblick auch schon zu schlafen. Bei mir war nichts dergleichen möglich.

Als die Posten zurückkamen und meldeten, daß Cluny sich sehr freuen würde, uns zu empfangen, mußten wir wieder auf die Beine und weiter wandern.

Alan war in bester Laune und Verfassung. Ich für mein Teil aber verspürte – so schwer mir vorher alle meine Glieder waren – jetzt eine schreckliche Art von Leichtigkeit, die mich am Gehen hinderte.

Ich sah, wie Alan die Stirn runzelte, und glaubte, er wäre zornig und das verursachte mir eine kindische Angst. Ich erinnerte mich auch, daß ich lächelte und nicht aufhören konnte zu lächeln, so sehr ich mich auch bemühte, denn ich hielt es nicht für angemessen. Aber mein braver Geselle hatte nur Gutes im Sinn, und im nächsten Augenblick faßten mich zwei Männer an den Armen und trugen mich, wie es mir schien, sehr schnell davon, obwohl es in Wirklichkeit nur sehr langsam vorwärts ging durch ein Labyrinth von Höhlen und Tälern, bis wir ins Innerste dieses schrecklichen Berges Ben Alders gelangten.


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