Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Vor dem Goethedenkmal.

Muckenich (erscheint am Mittwoch, nachdem die Enthüllungsfeier vorüber, vor dem Denkmal und sagt zu einem Schutzmann.) Sie entschuldigen, Schwertlein, aber ick konnte nich später. Wie ick nämlich höre, die zwei Enkel Joethes wären nich jekommen, da jing ick un trank zwee Pullen auf ihr Wohl. Denn det war nett von die zwee Herren, wenn Sie sie kennen. Waren Sie schon in Weimar? Nich? Na, denn werden Sie ja wissen, dat die Enkel dieses Schaper'schen Prachtmannes Keenen in das Haus rin lassen, wo er jeathmet hat un wo so ville von ihm jeschrieben liegt, wat noch nich jedruckt is. Un wie ick nu die zwee Enkelpullen –

Schutzmann. Das geht mich nichts an. Verhalten Sie sich ruhig! (Geht fort.)

Muckenich. Wie Recht hatte Joethe, daß er zu Eckermann sagte: »Es lebt, wie ich an Allem 133 merke, in Berlin ein so verwegener Menschenschlag beisammen, daß man mit der Delicatesse nicht weit reicht, sondern daß man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muß, um sich über Wasser zu halten.« Det muß wahr sind, – der Schutzmann hält sich schön über Wasser! »Das geht mich nichts an. Verhalten Sie sich ruhig!« sagt er. (Betrachtet das Denkmal.) Himmel, Joethe sieht ja in Bismarcks Jarten rin, un Bismarck kann es doch nu mal nich leiden, dat ihm Jemand in die Karten un in den Jarten kuckt. (Zu einer Dame.) Is det von Joethe nich keck, Clärchen?

Die Dame (entfernt sich).

Muckenich. »Ich versprach Dir, einmal spanisch zu kommen.« Heute muß Allens joethisch sind, (laut) wir müssen Alle joethisch werden un dem Reichskanzler in den Jarten kucken! (Immer lauter.) Jeder Deutsche muß das Recht haben, dem Reichskanzler in den Jarten zu kucken! Un deshalb freut es mir, dat Joethe hier in'n Thierjarten steht un nich uf'n Schillerplatz. Wenn ihm man hier die Strolche nischt thun, die Nachts bei Mutter Jrün nich wissen, was sie mit dem anjebrochenen Nachmittag anfangen sollen. Sie haben ja ooch das Schillerjitter beschädigt. Ja, Berlin is 'ne intelljente Stadt, und so'n Kerl denkt sich, er muß ein Stück von Joethe 134 haben. (Zu einer Dame.) Sie wissen wohl nich, wer die drei Sockeljestalten sind? Det sind die neun Musen.

Die Dame (beachtet ihn nicht).

Muckenich. »Geh' den Weibern zart entgegen, Du gewinnst sie, auf mein Wort,« sagt Joethe. Also die hätte ick jewonnen, denn zart bin ick ihr jekommen. Na, det is schön. (Zu dem Herrn, der die Dame führt.) Kann ick den Jewinn jleich mitnehmen?

Der Herr. Ich werde den Schutzmann rufen!

Muckenich. »Edel sei der Mensch, hülfreich und gut!« sagt Joethe. Also ick werde ihn selber rufen. (Schreit.) »Heinrich! Heinrich!«

Schutzmann (faßt ihn). Marsch auf die Wache, Sie machen hier zu viel Skandal!

Muckenich. Aha, Faust erster Theil! Donnerwetter, kneifen Sie aber! (Reibt den Arm.) Ick habe schon blaue Flecke. »Es kann die Spur von Deinen Erdentagen nicht in Aeonen untergehn!« (Schutzmann führt ihn fort.) Ick habe mir jeirrt, Sie sind Jötz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Hoffentlich führen Sie mir nich in ein Atelier, um mir da auszuhauen. Ick warne Sie, denn es is noch nich mal für Joethe das Jeld beisammen. Der arme Schaper! Sie haben zur Enthüllung mehr 135 Schutzleute als Jeld jeliefert, un Joethe war ja keene Milletärperson. (Er wird in die Wache gebracht.) Da wären wir denn wieder. Na, meinswejen. Ick sage mit Joethe: »Pfeiler, Säulen kann man brechen, aber nicht ein freies Herz!« Na, meins jewiß nich, un wenn sie fünf Milljarden Schutzmänner bei Joethe hinstellen!


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