Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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In der Heraldischen Ausstellung.

Muckenich und sein Sohn August treten ein.

Muckenich. Ick dachte: Kinder die Hälfte, un denn hätte ick Dir den Jenuß für'n viertel Hundert Pfennig bereiten können. Et war aber nich, ick mußte Dir als alt verzollen un habe funfzig Pfennig für Dir jeben müssen. Nu seh Dir ooch Allens jründlich an, Aujust, sonst is det Jeld wegjeschmissen.

August. Wat heeßt denn heraldisch, Vater?

Muckenich. Heraldisch, det weeßt Du nich?

August. Nee, wie soll ick'n det wissen!

Muckenich. Heraldische Ausstellung is 'ne Ausstellung, wo Allens zu sehen is, wat heraldisch is.

August. Det habe ick mir jleich jedacht.

Muckenich. Aber nu halte Deinen Skobelew, sonst siehste immer mir an un nischt von det Ausjestellte. Det hier is zum Beispiel 'n Stammboom. 95 Fürsten, Ritter, Jrafen un andere Männer, die nich so niedrig wie wir jeboren sind, sondern denen ein blaues Von durch die Adern rollt, stammen nämlich von Ahnen ab, was man Vorfahren nennt.

August. Wie die Droschkenkutscher erster Classe?

Muckenich. Nanu!

August. Ick meene man, weil bei die ooch immer von Vorfahren jesprochen wird.

Muckenich. Du bist'n sojenannter Esel, denn Vorfahren un Vorfahren is doch'n Unterschied. Hier also is'n Stammboom, den der jewöhnliche Wald- und Wiesenbürjer nich hat, weil er nich von einem alten adeligen Herrn jeboren is.

August. Stammen wir denn nicht alle von Adam ab?

Muckenich. Et is verschieden. Adam zerfällt nämlich in zwei Theile. Bis zum dritten Kapitel lebte er im Paradies wie ein Jott in Frankreich, legte die sämmtliche Hände in den Schooß und so zeugte der den Adel, hierauf wurde er ausjewiesen un mußte sich im Schweiße seines Anjesichts ernähren, un da wurde er der Stammvater der unteren Steuerstufen, der Enterbten, kurzum der Bürjerlichen, die allerdings geadelt werden können, aber ooch erst nach harter Arbeit un nach vielen Kosten, oder wenn man ein Dichter wie Schiller is, was aber selten 96 vorkommt. Dajejen kann der Adelige bürgerlich werden, wenn er sich eines Verbrechens schuldig macht, wo er denn ein Von kürzer jemacht und zu lebenslänglichem Bürjerthum verurtheilt wird.

August. Vater, sieh mal die eiserne Uniform.

Muckenich. Det nennt man einen Harnisch. Die alten Ritter jeriethen in ihrer Jugend leicht in Harnisch, un dann war ihnen nich beizukommen, weshalb man sie Eisenfresser nannte.

August. Fraßen sie denn ihre Rüstungen?

Muckenich. Unsinn, man nannte sie blos bildlich so, Eisen haben sie nich jejessen.

August. Nich? Du sagst aber immer, unsere Armeen verschlingen einen jroßen Theil der Steuern, Vater, warum nennst Du denn unsere Soldaten nich Joldfresser?

Muckenich. Willst Du mal nich so laut reden, Junge! Weeßt Du denn nich, dat jetzt allenthalben die Wände Ohren haben?

August. Hier ooch?

Muckenich. Hier erst recht, hier jiebt et unter all die Siejel keen Siejel der Verschwiejenheit, un wenn Du noch mal sagst, (flüstert) unsere Soldaten sind Joldfresser un der Juliusthurm is der Eisschrank oder derjleichen, denn wirst Du zu 'ner lebenslänglichen Jeldstrafe verknackt.

August. Wir haben aber doch keen Jeld, Vater.

Muckenich. Trotzdem darf man nich sagen, det det Milletär die Steuerstufen überschluckt. Hier also sind lauter Siejel, Stempel un Petschafte, un wenn Du jedes einzelne ansehen willst, denn werde ick sehr eklich.

August. Daran liegt mir nischt, Vater. Sieh bloß mal die schönen Kanonen.

Muckenich. Det sind heraldische Kanonen, oder Feldschlangen jenannt, alle schön jravirt, un wer ins Mittelalter mit die todtjeschossen wurde, der hatte noch jar keene Ahnung davon, det er 'nem Kunstwerk die Ehre verdankte. Die heutigen Kanonen sind Dutzendarbeet, allens Juß, jewöhnlicher Krupp, eijentlich jar keene Artillerie mehr, weil doch Art französisch is un Kunst heeßt. Is Dir det klar?

August. Jar nich. Aber die Münzen möchte ick alle haben.

Muckenich. Det jloobe ick, det sind lauter seltene Joldstücke, aber det seltenste is nich mit mang.

August. Wat is denn det seltenste, Vater?

Muckenich. Det Zwanzigmarkstück. Ick wollte immer Sammler werden, aber ick konnte keene uftreiben, Eens hatte ick mal, et war'n schönes Exemplar vom Jahre 1873, aber der jrößte Münzensammler Berlins hat es mir abjenommen.

98 August. Wer is denn der jrößte Münzensammler Berlins, Vater?

Muckenich. Der Steuerbote.

August. Hat denn der ausjestellt?

Muckenich. Der wird sich hüten. Da wäre det Jebäude nich jroß jenug jewesen.

August. Wat is denn hier, wenn hier nischt Heraldisches ausjestellt is?

Muckenich. 'ne Ausstellung von Schwamm. Dies Jebäude is nämlich eijentlich die Jemäldeausstellung, un nu is der Schwamm in die elende Bretterbude jekommen.

August. Jiebt et denn in's Restaurationszimmer ooch Schwämme?

Muckenich. Wir wollen mal uf die Speisekarte nachsehen. Denn bei die villen ollen Humpen, Willkommen un Trinkhörner, die hier rumstehen, kriegt man ordentlich Durst. Un et is immer anjenehm für 'nen Trinker, Durst zu kriegen. Von die Seite betrachtet, jefällt mir die heraldische Ausstellung jroßartig. Komm, Aujust. (Sie gehen an's Buffet.)


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