Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Ueber Afrika.

Vortrag, f. d. Colonialverein aus dem Berlinischen in's Deutsche übersetzt.

Verehrte Bezirksbrüder!

Es ist mir der ehrenvolle Auftrag geworden, Alles, was ich über Afrika weiß, nicht länger unter den Scheffel zu stellen, sondern damit herauszukommen. Denn mehr als Afrika ist in neuerer Zeit wohl nichts auf das Tapet gekommen, wenigstens in Deutschland giebt es in diesem Augenblick keinen Welttheil, der so populär, so das Tagesgespräch ist, wie Afrika. Selbst Amerika, welches geraume Wochen durch das Schweinefleisch in Aller Mund war, mußte wieder von dem erwähnten Tapet herunter und Afrika Platz machen. Ich sehe auch nicht ein, warum nicht. Deutschland will sich wie jede andere Großmacht ausdehnen, und da muß ihm ein Welttheil so lieb wie der andere sein, besonders derjenige, welcher uns wie Afrika mit offenen Armen, unter denen ich wohl nur 31 die des Herrn Lüderitz namhaft zu machen brauche, entgegenkommt.

Ich möchte Afrika ebenso wie Amerika das Ei des Columbus nennen. Der Augenschein lehrt uns, daß es viel mehr als Amerika der Eiform huldigt. Afrika sieht, wie Sie, meine verehrten Bezirksbrüder, aus dem Stieler'schen Handschulatlas wissen, wie ein oben plattgeschlagenes Ei aus, es stößt Sie gleichsam mit der Nase darauf, daß es sich so gut wie Amerika zur Erwerbung von deutschen Colonien ganz besonders eignet.

Daß Afrika im Stande ist, die Kosten einer Unternehmung zu decken und reichlich zu verzinsen, wissen Sie aus der bekannten Oper »Die Afrikanerin«. Sie hat den Theatern selbst die schwersten Opfer für die Inscenesetzung außerordentlich belohnt, indem sie eine Reihe von aus- oder gutbesetzten Häusern im Gefolge hatte. Vasco de Gama singt in diesem musikalischen Werk die Hauptrolle, welche darin gipfelt, daß der genannte Entdecker den Seeweg nach Ostindien findet, indem er auf den Rath seiner Geliebten das Cap der guten Hoffnung rücksichtslos umschifft. Ich glaube, daß die Existenz dieser Geliebten dunkel ist wie ihre Hautfarbe, jedenfalls aber ist die Thatsache richtig: Vasco de Gama legte den ersten Wellenstrang nach Ostindien.

32 Aber schon lange vor Vasco de Gama war Afrika vorhanden, obschon es noch nicht in weite Kreise gedrungen und kein Lieblingsthema der Zeitungen war. Um 600 vor unserem jetzigen Kalender wurde es von den Phöniziern und 130 Jahre später von Karthago aus durch den älteren Hanno umschifft. Von dem älteren Hanno weiß ich nichts zu sagen, ohne Zweifel aber wird er so genannt, um Verwechselungen mit dem jüngeren Hanno zu vermeiden. Beide waren – darin stimmen alle Geschichtsforscher überein – Söhne des alten Hanno. Der ältere Hanno ist nicht komponirt worden. Mit Recht. Sein Unternehmen ist ohne Folge geblieben. Er umschiffte Afrika und war vergnügt. Das war Alles. Ihm war nur darum zu thun, Afrika umzusegeln. Aber ans Land zu gehen und Grundstücke zu kaufen wie Lüderitz, oder eine Fahne aufzupflanzen wie Nachtigal, das fiel Hanno'n nicht ein. Selbstverständlich fielen denn auch Jahrhunderte lang den Elephanten die kostbarsten Zähne und den Straußen die werthvollsten Federn aus, ohne daß diese Elfenbeine und Straußenfedern für Europa irgend einen Nutzen hatten. Das soll sich nun ändern, indem Afrika stückweise in unsere Hände gelangt.

Denn, meine verehrten Bezirksbrüder, daß Deutschland sich noch länger ohne ein Stück Afrika behelfen 33 konnte, das hielt ich überhaupt für unmöglich. Wenn der Mensch reich geworden ist, so muß er wie andere reiche Männer den Titel Commerzienrath und eine kranke Leber haben, und wenn ein Staat groß und mächtig wird, so verlangt er Colonien. Es gehört nun einmal dazu.

Nun haben wir den Anfang gemacht. Wir besitzen Angra Pequena und die Behküste. Es ist doch immer etwas. Allerdings wird mancher Bewohner Berlins fragen, wozu wir gerade ein Stück der Wüste Sahara besitzen müssen, da wir doch schon Sand genug haben, aber das ist jedenfalls ein kleinlicher Standpunkt, und ferner kann doch die Meinung einzelner Berliner in so großen Fragen nicht maßgebend sein.

Allerdings ist die Nähe der Wüste kein Vortheil für unsere afrikanischen Provinzen. Leoparden aller Art kommen heraus und machen die Gegend unsicher. Hier wird wieder mancher Berliner fragen: Wozu brauchen wir noch mehr unsicher gemachte Gegend, da Berlin dergleichen schon zur Genüge aufzuweisen hat? Aber auch diese Frage kann ich mit Stillschweigen übergehen. Das Vordringen der Cultur wird die Zustände in Afrika und in Berlin schon bessern. In Deutsch-Afrika wird das Aufpflanzen der deutschen Fahne geregelte Verhältnisse 34 herbeiführen, und wenn sich die persönliche Sicherheit in Berlin nicht bald bessert, so wird hoffentlich Herr Dr. Nachtigal noch eine deutsche Fahne übrig haben, um sie eines Tages in Berlin aufzupflanzen, und dann wird sich das Weitere schon finden.

Meine lieben Bezirksbrüder, denken Sie über Afrika, was Sie wollen, ich für meine Person bin sehr damit einverstanden, daß Afrika nach und nach deutsches Reichsland wird, denn dann erst haben wir auf die Frage: »Was ist des Deutschen Vaterland?« nicht mehr zu singen:

»O nein, o nein, o nein, o nein!
Sein Vaterland muß größer sein,«

sondern wir singen dann die neue Wacht:

Es braust ein Ruf wie Donnerhall:
Hoch lebe unser Nachtigal!
Die deutsche Fahne mit Hurrah
Pflanzt er jetzt auf in Afrika.
    Lieb' Vaterland, nun juble froh,
    Fest sitzen wir auf Klein-Popo!

Zeigt Frankreich nun und Engelland
Mit Stolz den übersee'schen Strand
Und redet: »Deutschland, sehen Sie
Das da ist uns're Colonie«,
    So machen wir es ebenso
    Und zeigen ihnen Klein-Popo.

35 Und wenn sie nun aus purem Neid
Uns schieben möchten dort bei Seit',
So können sie erleben was,
Denn da versteh'n wir keinen Spaß,
    Und machen sie uns gar Halloh,
    Dann giebt es was auf Klein-Popo.


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