Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Vor den Riesenschlangen im Aquarium.

Muckenich (an der Casse). Fräulein, ick sehe auf die Plakate, wie die jrößte Schlange einen Negerknaben umschlingt un eben zu Tisch jehen will, – is dieser Junge schon da?

Dame an der Casse. Das wird hier nicht vorgeführt. Das Bild soll nur dem Publikum einen Begriff geben von der Größe und der Furchtbarkeit des Thieres.

Muckenich. Na, ooch jut. Unter uns jesagt, ick sehe so wat nich jerne. Ick mag keene Jungens fressen sehen, un wenn sie noch so schwarz sind. Also kann ick mir druf verlassen, det hier nich mit lebendige Menschen jefüttert wird?

Dame. Selbstverständlich.

Muckenich. Denn nehmen Sie's nich übel. 105 (Er geht hinein und tritt vor die Schlangen zwischen die Zuschauer.) Det sind ja nette Kerle! Donnerwetter, da is ja eene weit über Lebensjröße! Wie nennt die sich?

Wärter. Python bivittatus.

Muckenich. O ick verstehe ooch deutsch. Wie lang is die, wenn ick fragen darf?

Wärter. Sieben Meter.

Muckenich. Und wat kostet der Meter?

Wärter. Die Thiere sind allerdings sehr theuer.

Philosoph. Ja, ja, sie haben uns das Paradies gekostet.

Frau Krabbe. Wenn sie nur nicht herauskommt! Hoffentlich ist die Glaswand so stark, daß die Bestie fern gehalten wird.

Ihre Tochter. Ich kannte bisher von Schlangen nur den Regenwurm, den geräucherten Aal, ferner den, welchen man in der Freundschaft am Busen nährt und die goldene an Papas Uhr. Da, wo diese Schlangen zu Hause sind, möchte ich nicht wohnen. (Zu Muckenich.) Wo sind sie her?

Muckenich. Ick bin jeborener Berliner.

Wärter. Die großen Schlangen sind bei Kalkutta gefangen und zwar in den Dschungeln, indem das Terrain, auf dem sie hausten, in Brand 106 gesteckt wurde. Auf diese Weise in Netze getrieben, wurden sie alsbald in Säcke gepackt und nach Europa geschafft.

Politiker. Ohne Zweifel ein neues Zollcuriosum, denn Stahlfedern, Kaffeeproben und Schinken, in Säcke gepackt, mußten als Kleider verzollt werden, und so hat wohl auch für diese Thiere der Zoll für Modewaaren erlegt werden müssen.

Höhere Töchterschülerin. Wie muthig muß unsere Stammmutter Eva gewesen sein, daß sie einem solchen Unthier das Obst aus der Hand nahm!

Steuerprojectler. Ich begreife nur nicht, weshalb nicht schon lange eine Schlangensteuer eingeführt worden ist. Berlin ist jetzt ungemein reich an Schlangen. Miss Damajante hat sie dutzendweis auf Lager, und hier kann man sie kaum zählen.

Muckenich. Wenn die Schlangensteuer injeführt wird, denn sollen Sie ihnen die Steuermarke um den Hals hängen un als Schlangenfänger rumjehen, un wo Sie denn eene sehen, die keenen Maulkorb hat, sollen Sie sie infangen un nach'n Molkenmarcht bringen.

Steuerprojectler. Mit Ihnen habe ich ja gar nicht gesprochen.

Muckenich. Et war mir aber so.

Soldat. Ich dachte, die großen Schlangen würden mit Antilopen gefüttert.

Wärter. Hier bekommen sie jeden Mittwoch ein Kaninchen. In der Freiheit machen sie allerdings Jagd auf Antilopen.

Muckenich. Et lebe die Freiheit!

Antifortschrittler. O den Thieren geht es in der Gefangenschaft sehr gut.

Muckenich. Wat wissen Sie davon? Sein Sie mal Python un sitzen bei Wasser un Kaninchen lebenslänglich hinter Jlas und Riegel un haben nischt jethan als jehäutet! Die Thiere waren in ihrem vorderindischen Dorfe sehr verjnügt, da kommt der Mensch, steckt ihnen das Jras unterm Leibe an, nimmt sie beim Kragen und schmeißt sie in den Kerker. Det is unjerecht.

Lindenflaneur. Finde allerdings, daß Bestien nicht sehr amüsabel. Kriechen nicht, bilden Knäuel, das ist alles.

Muckenich. Det stimmt, die Pharaoschlangen waren amüsanter. Jehen Sie doch mal in den Käfig rin un pieken Sie sie, vielleicht kommt dann Leben in die Bude.

Lindenflaneur. Scheinen mich hänseln zu wollen.

Muckenich. Sie haben anjefangen, Herr 108 Commissionsrath, Sie waren det Karnickel. Wenn det die Riesenschlangen merken, denn kriejen sie Appetit, und denn können Sie sich in Acht nehmen. Jehen Sie man lieber bei Seite, denn Ihnen kann Hermes nich ersetzen. Dazu is sein Reptilienfonds nich jroß jenug. (Er geht fort. Die Beschauer plaudern weiter.)


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