Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Bei den Kalmücken.

Muckenich. Wo sind denn die Kalmücken? Ick will für 'ne Mark Kalmücken sehen, oder ick werde unanjenehm. (Er wird an das Gehege gewiesen.) Nanu, det sind ja lauter Kameele. Ick dachte, die Kalmücken sind Menschen.

Ein Zuschauer. Das sind sie allerdings. Die Kameele gehören zur Truppe. Die Männer und Frauen sind weiter unten.

Muckenich. Richtig, da sitzen sie un singen un Eener tanzt. (Er tritt der Gruppe näher.) Die führen ja ein janz anjenehmes Dasein. Wenn Hagenbeck noch eenen brauchen könnte, denn möchte ick mir wol als Kalmücke engajiren lassen.

Junge. Un alle roochen, ooch die Jungens un die ollen un jungen Kalmückinnen.

Muckenich. Na natürlich. Det is jejen die Mücken, die die Kalmücken ja nicht los werden. 69 Donnerwetter, paffen die 'ne Sorte! Det scheint mir det berühmte Kumyß zu sind.

Herr Puschel. Kumyß ist ein Gemisch von Stutenmilch und Wasser, dies habe ich selbst gedruckt gelesen, Sie können sich also darauf verlassen.

Muckenich. Mit Verjnüjen. Aber der Kalmückentanz is, unter uns gesagt, der sojenannte Unsinn. Wenn die für so'n Ballet 'ne Mark Entrée nehmen, dann müßte ja Flick und Flock so theuer sind, daß selbst Bleichroeder sich blos Flick erlooben könnte.

Frau Puschel. Sie scheinen ein Kenner zu sein.

Muckenich. Natürlich, ick kann uf Allens räsonniren. Zeijen Sie mir, was Sie wollen, Madame, un ick finde Fehler raus.

Fräulein Puschel. Wie gefällt Ihnen denn das schwache Kalmücken-Geschlecht?

Muckenich. O, die sind bildhäßlich, da muß man jerecht sind. Wenn mir Eener im Wirthshaus son Jesicht schneidet, wie die haben, denn lasse ick mein Essen stehn un jeh' 'raus. Sehen Sie bloß die Nasen, die sie nich haben!

Herr Puschel. Das ist der mongolische Typus.

Muckenich. Da habe ick ja nischt jejen. Ick weeß nicht, wat Typus is, et is jewiß 'ne schöne 70 Sache, aber wenn der mongolische Typus die Nasen verbietet, denn kann er mir jestohlen werden. Ein Volk ohne Jurke sollte sich in Berlin nich ausstellen lassen.

Fräulein Puschel. Sie sind aber ein strenger Mann.

Muckenich. Natürlich, mein Schwiegersohn hat'n Taschentücherjeschäft, un wer keene Nase hat, den halte ick für meinen Feind, der mir persönlich beleidigen will. Spielen Sie Karten?

Fräulein Puschel. Bedaure, nein.

Muckenich. Na also, wer so renongs in Nase is wie der Kalmücke, der sollte ooch nich so'n Rieselfelder-Taback roochen, wenn Menschen dabei sind, die 'ne Nase haben. Wer keener Nase sich erfreut, der soll ooch juten Taback roochen.

Ein Zuschauer. Ja, wer auch nur eine Nase
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer's nie gekonnt, der blase
Keinen Qualm aus seinem Mund.

Muckenich. Janz meine Ansicht. Sehen Sie doch den Kalmuckenich mit dem langen rothen Rock –

Herr Puschel. Das ist ein Gelong.

Muckenich. Det dachte ick mir jleich. Was is denn ein Gelong?

71 Herr Puschel. Ein Gelong ist ein Priester. Derselbe hat die bessere Wohnung, bekommt das beste Essen und dreht die Gebetmühle. Wem die Priester zwei Tropfen aus dem Fläschchen, das sie im Gürtel tragen, auf die Hand schütten, der wird in den Stand einer geweihten Person versetzt.

Muckenich (zu dem Priester). Was kostet denn det? (Der Priester sieht ihn kopfschüttelnd an.) Ick meene, Hochwürden, was Sie haben wollen, wenn Sie mir in den jeweihten Stand versetzen. (Der Priester bleibt stumm.)

Ein Zuschauer. Er versteht Sie nicht, er scheint hier fremd zu sein.

Muckenich. Ick werde hochdeutsch mit ihm reden, er versteht vielleicht den Berliner Jargon nich. (Zu dem Priester.) Ich habe mir erlaubt, Herr Steppenpastor, Sie zu fragen, zu welchem Preise Sie mich gefälligst heilig machen würden. Verstanden? (Der Priester entfernt sich.)

Herr Puschel. Nun geht er in die Kibitke.

Muckenich. Schade, ick hätte jerne noch 'n Bisken mit ihm jeplaudert. Et is doch sehr belehrend, mit fremde Völker zu verkehren. Das is doch mal 'ne Abwechselung. Immer mit Berlinern umzujehen, det wird einem doch auf die Dauer zu lang. Aha, jetzt wird jeritten.

72 Der Zuschauer. Wie sie dahinsausen!

Fräulein Puschel. Jetzt reiten sie zu Bett.

Muckenich. Det heeßt, 'n Kunststück is det nich. Jeroocht un jeritten wird in Berlin ooch. Von fremde Völker will ick doch was Neues sehen. (Er redet einen Kalmücken an.) Sie oller Kalmücke, ick werde Ihnen einen juten Rath jeben. Jehen Sie mal in Berlin rum un sehen sich die Stadtbahn, det elektrische Licht, det Panorama, die Jymnasien un die Ausstellungen an un denn rechnen Sie aus: Wenn Sie hier 'ne Mark Entrée nehmen, was müssen denn die Berliner fordern? Un wenn Sie det Exempel rauskriegen, denn lassen Sie ihre Heiligen die Gebetmühle drehen, bis sie nich mehr jeht, denn dann können die Kalmücken mehr wie Hammelfleisch essen. Na, Adieu, verjnüjte Steppenwanderung!


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