Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Das Jenseits im Diesseits.

Große spiritistische Abendunterhaltung.

Der Spiritist. Meine Damen und Herren, es ist mir gelungen, eine größere Anzahl Geister zu einem Gesammtgastspiel zu vereinigen, und ich habe mich entschlossen, sie auf der Durchreise Ihnen vorzuführen. Es sind meist Anfänger, aber große Talente, Geister, welche der Drang, in die Oeffentlichkeit zu treten, veranlaßt hat, sich mir anzuschließen.

Schneidig. Also Nahrungssorgen scheint nicht das Motiv zu sein.

Der Spiritist. Von Nahrungssorgen kann überhaupt bei Geistern nicht die Rede sein. Im Jenseits giebt es dergleichen nicht. Wer einmal in den heiligen Stand der Verewigung getreten ist, ißt und trinkt nicht.

Forsch. Sagen Sie das nicht, lieber Freund. Wir wissen aus der Mythologie, daß die Götter Nektar und Ambrosia genossen haben.

61 Der Spiritist. Die Götter wohl, aber die Geister, das weiß ich aus bester Quelle, sind körperlos und haben mit dem besten Willen keinen Hunger zu stillen. Ich werde mir sofort erlauben, Ihnen einige Geister zu citiren. Hier in diesem Tisch –

Muckenich. Det is aber jroßartig. Eben sagen Sie, die Jeister jehen nich zu Tisch, un nu sollen sie drinnen im Tisch sind. Det kann nich stimmen.

Der Spiritist. Das sollen Sie sogleich sehen. Meine Geister, seid Ihr zugegen? (Man hört klopfen. Stimme aus dem Publikum: Herein! Gelächter.)

Schlumper junior. Vater, ick jraule mir.

Der alte Schlumper. Laß das man. Et is ja allens sojenannter Mumpitz, oder, wie der Lateiner sagt, Spiritismus.

Nachbar. Was ist denn eigentlich Spiritismus?

Der alte Schlumper. Spiritismus is, wenn – oder besser: Spiritismus is die Jeisterlehre.

Nachbar. Also wenn Jemand gar keinen Geist hat?

Der alte Schlumper. Nich Leere mit zwei e's, sondern mit'm h. Uebrigens kann et Ihnen Herr Muckenich sagen, der weeß allen Unsinn.

Muckenich. Spiritismus is Bellachini mit'n richtigen Accusativ.

62 Der Spiritist (hat wieder einen Geist citirt, der geklopft hat).

Der kleine Lehmann. Was war das für ein werther Geist?

Vater Lehmann. Das wird wohl der Geist eines Teppichklopfers gewesen sein, der hat nichts anderes gelernt als klopfen.

Der kleine Lehmann. Der arme Geist, nun muß er wieder den weiten Weg nach dem Kirchhof retour!

Der Spiritist. Verehrtes Publikum, ich schreite jetzt zu dem sogenannten Möbel-Cancan, zu den tanzenden Tischen und Stühlen. Ich lege meine Hände auf diesen Tisch und derselbe wird zu tanzen beginnen. (Es geschieht.) Und nun hebe ich den Tisch empor.

Muckenich. Der Spiritist hat die Tafel aufjehoben, nu können wir wohl jehen.

Forsch. Unsinn, nun geht es doch erst los, wir haben ja noch gar nichts gesehen. Das Bischen Tischrücken und Geisterklopfen kann Jeder, der nur einigermaßen möblirt ist. Das ist etwas ganz Gewöhnliches, es giebt jetzt schon gar keine Wohnung ohne Geisterleitung.

Mohr. Ich halte den ganzen Spiritismus für Schwindel. Ein anständiger Geist wird sich in seinem 63 ganzen Leben nicht dazu hergeben, vom Himmel zu kommen, sich in eine Tischplatte zu stecken und zu klopfen.

Posemann. Sagen Sie das nicht. Wissen Sie nicht, was Hamlet sagt?

Mohr. Ja wohl, er sagt gewöhnlich: Sein oder Nichtsein.

Posemann. Bitte, er sagt: Es giebt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumen läßt.

Mohr. Was weiß Hamlet von meiner Schulweisheit? Meine Schulweisheit läßt sich alle Dinge träumen, welche es giebt.

Posemann. Das kann Jeder sagen.

Stimmen. Ruhe! Ruhe! Musik!

Der Spiritist (führt einen jungen Mann vor). Verehrtes Publikum, ich habe die Ehre, Ihnen in diesem Herrn mein Medium vorzustellen. Derselbe erräth Gedanken, sieht Geister, wandelt Nacht, findet Stecknadeln, liest verschlossene Briefe und schläft magnetisch.

Muckenich. Ein Mädchum für Allens.

Fräulein Lehmann. Ein ganz netter Mensch.

Der alte Schlumper. Aha, der baldowert des Ueberirdische aus un steht Schmiere, wenn die Jenseitigen was vorhaben.

64 Lehmann. Ein Jeistersänger!

Schneidig. Meine Herren, beleidigen Sie das Medium nicht, es hat Ihnen ja nichts gethan.

Der Spiritist. Ich bitte nun vier Herren, irgend ein Wort auf ein Blättchen Papier zu schreiben und das Blättchen zusammenzufalten. Ich werde dann die Zettel auf den Tisch legen, und das Medium wird Ihnen sagen, was Sie geschrieben haben.

Schlumper junior. Papa, die Herren wissen es doch schon.

Der alte Schlumper. Mische Dir nich in überirdische Sachen und passe uff. Siehst Du, das Medium schläft schon.

Nachbar. Es ist allerdings erklecklich langweilig.

(Der Spiritist hat das Medium in den Schlaf magnetisirt. Mehrere Herren treten an die Bühne heran und bemerken, wie das Medium, das den Kopf auf die linke Hand stützt, mit der rechten die Zettel an sich nimmt, sie liest und wieder zurückschiebt. Nun verbindet ihm der Spiritist die Augen.)

Muckenich. Der Medium mogelt aus'm Schlaf, un nu duht er, als wenn jar nischt vorjefallen wäre.

Schneidig. In meinem ganzen Leben habe ich noch kein Jenseits so diesseits gesehen. Das schlägt dem Faß den doppelten Boden aus.

65 Lehmann. Dasselbe Kunststück habe ich immer mit Karten gemacht, bis ich wiederholt 'rausgeschmissen wurde. Da ließ ich's.

Schlumper junior. Warum wird denn der junge Mann bestrichen, Papa?

Der alte Schlumper. Det nennt man nich streichen, sondern reiben, der Medium is'n Jeriebener.

(Das Medium schreibt nun die Worte nieder, welche in den Zetteln verborgen sind, sie lauten: Taschenspiel. Reinfall. Blendwerk. Unsinn.)

(Allseitiger ironischer Beifall.)

Der Spiritist. Verehrtes Publikum, das Medium wird jetzt sein Erstaunlichstes leisten, ich erbitte mir von den Damen mehrere Handschuhe, (er sammelt solche ein) und das Medium wird mit verbundenen Augen die Eigenthümerinnen herausfinden.

Schneidig. Das Medium wird sich hüten.

Lehmann. Det kenn' ick. Wenn er nich die Richtige herausmediumt, denn sagt er: Verklagen Sie mich! oder: Na, denn wird et wohl 'n anderer Handschuh sind!

Der Spiritist. Ich muß wirklich bitten, Bemerkungen zu unterlassen, die nur die Verbindung mit der Geisterwelt unterbrechen.

Der alte Schlumper. So'n Jeist is wie'n 66 Pferdebahnwagen: Wenn was uf die Schienen liegt, denn stoppt er. Na also: Wo is die Katz'?

(Das im Zuschauerraum herumgeführte Medium hat mittlerweile zwei Handschuhe ihren vermeintlichen Eigenthümerinnen zurückgebracht.)

Die eine Dame. Das ist nicht der meine. Mein Handschuh hat drei Knöpfe und ist Nummer 6½.

Schneidig. Er hat keine sechs Finger, sonst stimmt nichts.

Die andere Dame. Und das ist auch der meine nicht. Ich habe doch nicht zwei linke Hände! (Es finden sich die richtigen Handschuhe, die ausgetauscht werden. Zischen im Publikum.)

Der Spiritist. Ich danke dem verehrten Publikum für die freundlichen Zeichen des Beifalls und schließe hiermit die Vorstellung.

(Neues Zischen.)

Muckenich (zu dem Spiritisten). Lieber jenseitiger Bruder, ick werde Ihnen einen juten Rath jeben. Schaffen Sie sich bessere Jeister an, Jeister erster Jüte. Mit Ihrem Jeisterpersonal is nischt zu machen. Wenn't die richtigen Onkels wären, denn hätten sie Ihnen jesagt: »In Berlin blamirst Du Dir!« Ick werde Ihnen etwas vorschlagen. Fangen 67 Sie'n Handel mit Holz un Kohlen an, der Artikel jeht jetzt. Mit Spiritismus is hier nischt zu machen. Topptopp!

(Das Publikum entfernt sich sehr unzufrieden.)


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