Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Nibelungen-Rausch.

Muckenich (schwankt in die Münzstraße bis vor das Victoriatheater. Hier geht er auf einen Schutzmann zu und klagt demselben:) Ach, Herr Fasolt, jehen Sie doch mal mit verhängtem Zügel zu meinem alten Freund Bibber un setzen Sie ihm den Tarnhelm uf un lassen Sie ihn verschwinden. Der sagt nämlich heute zu mir: Muckenich, ick lade Dir hiermit zu vier Wagner-Abende ein, wenn Du ebenso ville Flaschen Zaubertrank bezahlst. Für den janzen Cyclus denke ick, is det 'n jutes Jeschäft, un erkläre mir bereit. Also: Hurtig hin zu Habel! allitterire ick un setze mir mit ihm in die Pferdebahn.

Schutzmann. Das geht mich Nichts an.

Muckenich. Hören Sie man weiter zu, da werden Sie det Bibbermotiv schon verstehen. Wie wir nämlich die vier Flaschen jetrunken haben, da 122 jeht er mit mir von Habel weg, sagt: Nu jeschwind zum Vorabend! un führt mir zum schweren Wagner.

Schutzmann. Das merkt man Ihnen an. Machen Sie, daß Sie nach Hause kommen! (Verläßt ihn.)

Muckenich. Wenn also so ein Hunding, wie dieser Bibber, frei herumlooft anstatt an die Leine jesperrt zu sind un mir vier Flaschen Wein für mein baares Rheinjold abnimmt un det einfach Cyclus nennt, denn sagt der Schutzmann, ick soll zur Wiege wallen? Is det Jerechtigkeit? Is det Friedberg? So muß et kommen! sagt Anjelo Neumann un zeigt in diesem Jeweihfestspiel, wie Siegmund der Vater seines Neffen wird, während der jrimme Spielhagen wejen 'nen janz kleen Bischen Zola confiscirt wird. (Er schreit.) Det jeht nich so weiter! Anjela oder Anjelo, ick will Jerechtigkeit!

Schutzmann. Machen Sie hier keinen Skandal, (drängt ihn weiter) vorwärts, vorwärts!

Muckenich. So werden wir allmälig jezwungen, Fortschrittsring zu werden, un wenn wir es jeworden sind, denn is et wieder nich recht, natürlich, weil der Ring alle Macht uf Erden jiebt. Darum jeht ooch Bismarck nich in die Nibelungen, weil er von dem Ring nischt hören un sehen will. Lieber verlegt er janz Berlin nach Cassel. (Er 123 taumelt weiter.) Ein jroßer Mann, dieser Bismarck, erst verfaßte er das Deutsche Reich, denn corrijirte er's, nu druckt un bindet er's, un zuletzt will er's ooch noch verlegen. (Redet eine Dame an.) Erlooben Sie, daß ick Ihnen nach Cassel bejleite, verehrte Rheintochter?

Die Dame (eilt an ihm vorüber).

Muckenich (ihr nachsehend). Der Nicker hält mir für Alberich, mein Balg is ihr eklig, ick soll mit Aalen buhlen. Dabei überläßt sie es mir, jeräucherte oder jrüne zu wählen. Na, et wird sich ja zeigen, wie die Wahl ausfällt, Ihr sollt Euch über unsere Walküre wundern. (Sehr laut.) Es wird 'n fortschrittlicher Reichstag! (Zu einem Herrn.) Oder sind Sie für Reaction un wollen sich von Wotan Allens jefallen lassen?

Der Herr. Sie sind betrunken!

Muckenich. Det is ooch meine Meinung. Wenn Wotan sich eine so jlänzende Dienstwohnung wie Walhall bauen läßt, eine Burg, ein Schloß, wat sage ick: Schloß? ein förmliches Palais mit separatem Rejenbogen, un sagt denn zu Fasolt und Fafner, die bloß haben wollen, wat ihnen jesetzlich zukommt, et is zu ville, un will sie mit'n Paar Stabreime abspeisen, un wenn denn det langweiligste Hin- un Herreden losjeht un Wotan immer mit'n 124 Spieß rumfuchtelt, als wenn er sämmtliche Rheintöchter blau oder polnisch verschlingen wollte, denn muß man fragen: Is det der jroße Wotan oder der kleene Mime, dem die Nachwelt keene Kränze flicht? Nee, wenn ick det Allens sehe, denn wähle ick nich conservativ, nich um janz Niebelheim, oder wie der Welfenfonds heeßt, wo die jroße Reptilie, die unjeheure Riesenschlange, zu sehen is, denn wähle ick bloß eenen vom Ring, nischt weiter. (Man hört im Theater ein Leitmotiv blasen, womit der Beginn eines Aktes angezeigt wird. Muckenich ruft:) Immer herein, meine Herrschaften, et is mit der Fanfare jeklingelt, et jeht los! (Zu einem Kutscher, der vor dem Theater mit seinem Wagen hält.) Was bleibst Du, Bub', auf dem Bock?

Kutscher. Na paß' uf, wenn ick runterkomme.

Muckenich. Zuletzt wird es nämlich jroßartig. Da macht Wotan um Brünnhilde den Feuerzauber, det is der Schutzzoll, oder wabernde Lohe. Die Motive müssen Sie blos hören, det is die echte Zukunftsmusik; wer die nich schön findet, der wird von der Norddeutschen Alljemeinen Post zum Nihilisten ernannt.

Kutscher. Ick soll Ihnen wohl nach Dalldorf fahren?

125 Muckenich (schwankt fort). Det is der Waldvogel! Der weeß, wo et hübsch is, der will mir nach Dalldorf verlejen, indem er denkt, da is man vor die ville neue Jesetze und Steuern janz sicher. (Schreit.) Det sind ja anjenehme Zustände!

Schutzmann. Wenn Sie jetzt hier nicht still sind, so verhafte ich Sie.

Muckenich. Durchlaucht sind sehr jütig, Sie wollen etwas für den kleenen Mann thun. Det is sehr nett von Ihnen, besonders Ihre Rede jejen die Pferdesteuer, denn wenn ick armer Mann zehn Pferde im Stall habe, un muß drei Mark zehn Pfennige dafür erlejen, da bleibt mir ja nischt übrig, als mit diesen zehn Jranen in den Scheithaufen zu springen. Hojotoho! (Er springt und fällt zu Boden.)

Zwei Schutzmänner (heben ihn auf und führen ihn fort). Vorwärts!

Muckenich. Trauermarsch! Langsam, Mannen, wir haben ja nischt zu versäumen, wir kommen ja früh jenug. Lassen Sie man Ihren werthen Nothung stecken, ick jehe ja sans phrase mit, wie es jetzt Mode is. (Nach einer kleinen Pause.) So ein paar Schutzmänner sind zwei niedliche Leitmotive. (Er denkt nach). Wenn Sie sich nicht irren, meine jeehrten Schutzmannen, so ist der Cyclus aus un Sie bringen mir in die Halle der Gibichungen. 126 (Er wird in das Polizeibureau gebracht.) Juten Abend, meine Herren, aufrichtig jesagt, hier jefällt et mir nich, es sind zu viel Berliner hier, un ick möchte Sie am liebsten uflösen. (Er legt sich nieder und schläft ein.) Jrüßen Sie . . . Wotan, . . . un ick wünsche ihm . . . eine verjnügte . . . Jötterdämmerung . . .


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