Julius Stettenheim
Muckenich's Reden und Thaten
Julius Stettenheim

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Bei dem Meerweib.

An einem Hause der Friedrichstraße zeigt ein Bild den Fang einer Sirene, welche mit einem kolossalen Lockenhaupt dargestellt ist. Muckenich tritt an die Casse.

Muckenich. Bin ich hier recht bei dem Meerweib und was kostet es?

Cassirerin. Funfzig Pfennig.

Muckenich. Et steht anjeschrieben: Soldaten un Studenten die Hälfte. Ick bin Soldat un Student jewesen, ziehe mir also zwee mal die Hälfte ab und zahle jarnischt.

Cassirerin. Darauf kann ich mich nicht einlassen.

Muckenich. Sie sollen sich ja ooch nich einlassen, sondern mir. Na, beruhigen Sie sich man, hier sind die funfzig Pfennige, un nu seien Sie jemüthlich. (Er geht in den Salon und tritt an eine daselbst liegende ausgestopfte Sirene oder Seejungfer.)

28 Erklärer. Hier, meine Herrschaften, sehen Sie das Meerweib.

Muckenich. Das arme Jeschöpf, wie hat es sich auf dem kurzen Weg von draußen bis hier in die Stube verändert! Det is ja 'n jewöhnlicher Seehund, oder sonst 'n Meerwauwau. Freuen sie sich, dat er dodt is, sonst müßten Sie Hundesteuer bezahlen. Nee, so was!

Erklärer. Schauen Sie das Thier an, sieht es nicht wie ein Mensch aus?

Muckenich. Nee, et mag ja Menschen jeben, die wie Seehunde aussehen, aber ick kenne sie nich.

Erklärer. Ich kann Ihnen aber sagen, daß dies kein Seehund ist, es ist, wie ich Ihnen sage, ein Meerweib.

Muckenich. Wetten, daß nich? Sie wollen mir doch nich weiß machen, det dieser Seeköter eene von die Sirenen oder Meerpattis is, die die ollen Jriechen mit ihre Arien anlockten und sie dann umbrachten?

Erklärer. Das ist allerdings Mythe.

Muckenich. Die werden Sie vielleicht rausschlagen, wenn det Local nich zu theuer is, aber ick jlobe nich, det Sie'n Jeschäft machen werden. Denn der Berliner läßt sich keenen jewöhnlichen Seephylax ufbinden.

29 Ein Zuschauer. Ich bitte um weitere Erklärung.

Muckenich. Ick bitte jleichfalls darum, lassen Sie sich nich in Privatjespräche ein.

Erklärer. Also, meine Herrschaften, dies ist ein Meerweib, und wie Sie sehen, hat es Hände und Brüste ganz wie ein Mensch.

Muckenich. Was Menschenhände nich Allens ausstoppen können!

Zuschauer (zu dem Erklärer). Bitte, fahren Sie doch fort.

Muckenich. Dazu möchte ick Ihnen jleichfalls jerathen haben. Fahren Sie, wohin Sie wollen, aber in Berlin is mit so was keen Jeschäft zu machen. Wenn Sie dajejen mal 'ne lebendige Seejungfer, die etwas Stimme hat, uftreiben können, denn kommen Sie wieder, denn sollen Sie mal sehen, was sie vor ausverkaufte Häuser haben. Aber uf diesen Seehund kommt Ihnen keen Berliner. Na, Adieu, ick wünsche Ihnen verjnügte Zuschauer. (Geht hinaus.) Wie ick das Bild draußen jesehen habe, dachte ick Wunder was. (Zu der Cassirerin.) Behalten Sie man die funfzig Pfennige, aber mehr wie vierzig is Ihre Wassermamsell unter Brüdern nich werth. Kaum! (Er entfernt sich.)


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