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Anhang


Zur zweiten Auflage von
»In der zwölften Stunde«

Vorwort zur zweiten Auflage von
» In der zwölften Stunde« (1866):

D ie folgende Novelle hat in dieser ihrer zweiten Auflage (die erste erschien im Jahre 1863) eine wesentliche Veränderung erfahren. Eine unzeitige sentimentale Regung hatte den Verfasser verleitet, von seinem ursprünglichen Plane abzuweichen, und so eine Geschichte, die durchaus einen tragischen Schluß verlangte, wie ein schales Rührstück zu endigen. Einsichtige Freunde machten ihn nach dem Erscheinen des Buches sofort auf einen Fehler aufmerksam, den wohl Niemand tiefer empfand und aufrichtiger beklagte, als er selbst. Es ist ihm lieb, daß ihm jetzt die Gelegenheit geboten wurde, diesen Fehler, so weit er es im Stande war, auszumerzen, und den ersten Entwurf, von dem er nie hätte abweichen s ollen, in sein gutes Recht einzusetzen. Leider war er – um Irrungen zu vermeiden – genöthigt, den Titel »In der zwölften Stunde«, der jetzt kaum noch einen Sinn hat, stehen zu lassen. Vielleicht interessirt es einen oder den andern Leser, den Titel des ersten Entwurfes zu erfahren. Derselbe lautete: »Die Sphinx.«

Berlin, im November 1866.

Der Verfasser.

Der Schluss der Novelle lautet von der zweiten Auflage an:

Siebenzehntes Capitel.

V or der Thür der Villa hielten zwei Wagen: eine geschlossene Kutsche und ein Gepäckwagen, auf dem schon mehrere Koffer standen. Auf dem Hausflur begegnete Sven Leuten, die andere Reiseeffecten hinaustrugen. Er blickte durch offen stehende Thüren in halbaufgeräumte Zimmer; von der Dienerschaft sah er Niemand; erst in dem Vorzimmer des Salons traf er auf den alten englischen Diener, der eben mit einem großen Portefeuille unter dem Arm aus dem Salon trat, und, als er Sven erblickte, die Thür rasch hinter sich zuzog. Zugleich richtete er sich zu seiner stattlichen Höhe auf und blickte auf den Eindringling mit einer halb erschrockenen und halb feindlichen Miene. Der alte Mann war Mr. Durham sehr ergeben gewesen; es mochten in diesem Moment seltsame Gedanken durch seinen Kopf gehen.

»Ich wünsche Ihre Herrin zu sehen,« sagte Sven.

»Mrs. Durham ist für Niemand zu sprechen,« erwiderte der Mann sehr leise, aber sehr bestimmt, ohne seinen Platz oder seine Stellung zu verändern.

»Ich muß sie sehen.«

»Und ich wiederhole Ihnen, daß dies unmöglich ist.«

»Ich werde mich selbst davon überzeugen;« sagte Sven, auf die Thür zuschreitend.

»Zurück!« rief der Alte, den einen Arm drohend gegen Sven ausstreckend.

In diesem Augenblicke wurde die Thür von innen geöffnet und Cornelie erschien auf der Schwelle. Sie war in schwarz gekleidet; ein schwarzer Schleier rahmte ihr Gesicht ein, das sich, als sie Sven's ansichtig wurde, mit einer geisterhaften Blässe bedeckte.

Der alte Diener war auf die Seite getreten. Cornelie und Sven standen sich gegenüber. Sven zitterten die Kniee, seine Glieder bebten, er konnte sich nur mit Mühe aufrecht erhalten. Auch Cornelie legte die Hand, als ob sie nach einer Stütze suchte, an den Thürpfosten; aber sie zog sie alsbald wieder zurück und sagte mit einer Stimme, die nicht umsonst nach Festigkeit rang:

»Sie kommen, uns Adieu zu sagen; Sie finden uns einigermaßen derangirt, da der nächste Dampfer uns stromaufwärts bringen soll. Indessen, unter alten Bekannten macht man nicht viel Umstände: kommen Sie herein.«

Sie trat von der Schwelle zurück in das Gemach; Sven folgte ihr, auch der Alte kam mit herein, rückte die Fauteuils um das Sofa zurecht, entzündete die Lichter der großen Leuchter auf dem Kaminsims, während Cornelie Sven winkte, Platz zu nehmen, und in einem seltsam fremden, klanglos-gleichgiltigen Ton, der Sven durch's Herz schnitt, sprach:

»Der Entschluß zur Abreise ist ziemlich plötzlich gekommen. Der Doctor wünschte Edgar so bald als möglich in das mildere Klima Italiens versetzt; überdies werden wir in Florenz oder Genua Sir George Blunt, den Großoheim der Kinder mütterlicherseits, treffen, auf den ich für Kitty große Hoffnungen setze. Sie wissen, daß das Vermögen an Edgar fällt. Der Doctor erwartet uns am Dampfschiff: er will es sich nicht nehmen lassen, seinen Patienten eine Strecke zu begleiten. Es ist mir das um so lieber, als Mr. Smith hier bleiben muß, um unsre Angelegenheiten zu ordnen. – Ich danke Ihnen, Mr. Smith; ich denke, das wird genügen; seien Sie so gut, mich zu rufen, wenn die Kinder fertig sind.«

Mr. Smith hatte mit einem Blick des Argwohns und des Unwillens, der seine Herrin und ihren Besucher gleicherweise traf, das Zimmer verlassen. Cornelie hatte, während sie sprach, ruhig dagesessen und den Mann nicht einmal angesehen; kaum aber war die Thür hinter ihm in's Schloß gefallen, als sie sich erhob, schnell ein paar Schritte in das Gemach that, sich dann wieder nach Sven umwandte, und, die Arme über dem Busen verschränkend, mit einer Leidenschaftlichkeit, die grell gegen die erheuchelte Ruhe von vorhin contrastirte, rief:

»Weßhalb kommen Sie hierher? Sehen Sie nicht, daß ich eine Gefangene bin? daß ich einen Kerkermeister habe, der mir die Minuten der Freiheit widerstrebend zuzählt? Freilich, freilich! früher war ich nur meinem Gatten verantwortlich; jetzt bin ich es aller Welt. Ich fürchte mich vor meiner Kammerjungfer: ich könnte mir ein Lächeln zu Schulden kommen lassen, das nicht zu meinen Trauerkleidern paßt.«

Und Cornelie brach in ein Gelächter aus, in welchem sie sich aber sofort wieder unterbrach, um in höhnischem Tone zu sagen:

»Und Sie sind krank gewesen, Herr von Tissow? Sie haben sich Ihre Zeit zum Kranksein gut gewählt. Sie wollen sagen: Sie seien wirklich krank gewesen, ernstlich krank! Um so schlimmer! Wissen Sie, Herr von Tissow, daß es Zeiten giebt, in denen man nicht krank sein darf, wissen Sie das? Und wissen Sie auch den Grund? weil man darüber möglicherweise die Zeit verpaßt, wo es anständig wäre zu sterben, und man in Folge dieses Versehens dann ein elendes, erbärmliches, schmachvolles Leben zu führen gezwungen ist.«

Und Cornelie ging mit großen Schritten im Gemach auf und ab, mehr mit sich selbst als mit Sven sprechend, der, seinerseits, den Kopf in die Hand gestützt, die halbe Ohnmacht, in der er sich befand, zu meistern und in seine verworrenen Gedanken einige Ordnung zu bringen suchte.

Wie sollte er Cornelien die Entdeckung machen? eine Entdeckung, die ihm jetzt, wo er sie wieder in der alten Umgebung, in diesen Räumen sah, in denen sein Blick so oft in trunkener Anbetung an ihren Zügen gehangen hatten, als eine Ungeheuerlichkeit, eine Unmöglichkeit erschien. Während sein Auge in einer Art von Starrheit an der schlanken schwarzen Gestalt hing, die vor ihm auf und nieder schritt, sah er Fanny, die Heldin einer eben durchblätterten Novelle, wie sie durch die Straßen Londons vor der Schande flieht, und dann war es wieder Mrs. Cornelie Durham, Gattin des sehr ehrenwerthen Mr. Frank Douglas Durham, deren Name nur ausgesprochen zu werden brauchte, um seine Seele in zitternde Erregung zu versetzen; und dann sah er in den vielgeliebten Zügen des schönen blassen, vom schwarzem Flor umrahmten Gesichtes den Wiederschein vom dem Gesichte eines schlanken hochgewachsenen Mannes, den er nie sehr geliebt hatte, obwohl der Mann sein Vater war; und sein Ohr vernahm in der geliebten Stimme Töne, die ihn zurücktrugen weit, weit in der Erinnerung seiner frühesten Kindheit; Töne, von denen er nicht zu fassen vermochte, warum er sie heute, heute erst vernahm, warum er sie nicht vom ersten Moment an gehört? Und dann wurde die Dämmerung wieder dichter und dichter; er hörte und sah kaum noch, was um ihn her vorging, und dann sah er plötzlich Cornelie, die vor ihm kniete, seine Hände erfaßte und, angstvoll zu ihm aufblickend, rief:

»Lieber, Geliebter, zürne mir nicht; ich bin wahnsinnig; ich weiß nicht, was ich spreche. Du kannst ja nichts dafür; Du hast es gut gemeint; nur daß Du mir nicht geglaubt hast, als ich Dir sagte; daß mir nicht zu helfen sei. Du siehst es jetzt. Er hat es theuer bezahlt, daß er mir helfen wollte; er wollte es nicht dulden, daß ich mich in den Fluß stürzte und jetzt haben ihn die Wellen zwei lange Tage und Nächte umhergeworfen, bis sie ihn am dritten endlich zwischen den Uferbinsen fanden.«

Sie bedeckte sich das Gesicht mit den Händen; der schöne schlanke Leib wurde von der Gewalt der Leidenschaft, die in ihr wühlte, wie von einem Fieber geschüttelt. Dann ergriff sie wieder Svens Hände und drückte sie an ihre Stirn, an ihre Augen, ihre Lippen.

»Du solltest ja auch ertrinken; ich weiß Alles, Alles, als wäre ich selbst dabei gewesen. Ich habe nie geglaubt, daß er ohne mich nicht leben könnte, daß er um meinetwillen sein Leben, und eines Andern Leben würde opfern können. – Dein Leben, Sven! Dein Leben! und blos deßhalb, weil Du mich geliebt! Das durfte er nicht! das war nicht großmüthig von ihm! das war grausam, wie er es im Grunde seines stolzen Herzens war. Dein Leben! – Dein liebes Leben!«

Und wieder zog sie seine Hände aber- und abermals an ihre heißen, zitternden Lippen.

Svens Stirn glühte und seine Schläfen hämmerten, während kalte Schauer durch seine Adern rieselten. Diese schlanken weißen Hände, die liebevoll seine Hände streichelten, – dieser schöne Mund, der Worte innigster Liebe stammelte, – diese dunkeln Augen, deren geheimnißvoll nächtige Tiefen von Blitzen heißer Leidenschaft durchzuckt waren – wie durfte er das dulden, da er doch wußte, was er wußte! Er rang seine Hände aus den ihren, er suchte die Knieende aufzuheben und deutete mit bebender Hand auf das Ebenholzkästchen, das er bei seinem Eintritt auf den Tisch, an welchem er jetzt saß, hatte gleiten lassen. Seine Geberde, sein Blick zwangen Corneliens Blick in dieselbe Richtung; sie erkannte das Kästchen sofort und streckte mit einem Ausruf der Ueberraschung die Hand danach aus, indem sie dabei Sven fragend ansah. Sven, der die Entdeckung mit furchtbarer Schnelligkeit herankommen sah, konnte nur mit dem Haupte winken, daß er es sei, der das Kästchen gebracht habe.

Cornelie hob das Buch heraus und warf abermals einen Blick auf Sven. Ein Etwas in seinem zusammengepreßten Mund, seinen starren Augen schien ihre Seele mit einer dunklen Angst zu erfüllen.

Auch ihre Augen nahmen einen starren Ausdruck an. Sie hatte die Schmucksachen herausgenommen, das Medaillon entglitt ihren Fingern und fiel auf den Tisch; die Kapsel sprang auf.

»Weß ist dies Bild?« fragte Sven und die Worte rangen sich kaum aus der gepreßten Brust.

»Meines Vaters,« erwiderte Cornelie mit blassen Lippen.

»Und meines!« murmelte Sven.

Cornelie war bei Svens verhängnißvollem Wort, als hätte ein Schlag sie in's Herz getroffen, zurückgetaumelt. Jetzt stand sie da, die Hand gegen die Stirn pressend, bemüht, das Ungeheuere, das sie eben gehört, sich zum Verständniß zu bringen. Sven hatte ihr im Laufe ihrer Bekanntschaft nach und nach die Geschichte seines Lebens, seiner Familie erzählt. Cornelie bedurfte nur wenige Augenblicke, um die Möglichkeit, die Gewißheit zu begreifen, daß der Mann, der ihre Mutter unsäglich elend gemacht, der Vater des Mannes sei, den sie geliebt.

Ein paar Laute, die halb wie ein Gelächter klangen und halb wie der Angstschrei einer Seele, welche die Qual, die sie leidet, nicht mehr stumm ertragen kann, tönten durch das Gemach. Cornelie zog die Hand von der Stirn und blickte Sven, der aus seinem Stuhl emporgetaumelt war und sich jetzt an dem Rande der Tischplatte hielt, mit glühenden Augen an.

»Deßhalb also bist Du gekommen?« rief sie; »deßhalb! und konntest es nicht mit in das Grab nehmen? weil Deine tugendsame Ehrlichkeit sich vor dem Gedanken entsetzte, Du könntest über das Grab hinaus geliebt werden mit einer Liebe, die Natur und Sitte verdammen. Natur! was weiß die Natur davon! Sie hat mir nichts gesagt, sie hat Dir nichts gesagt; in meinen Zügen nicht, von dem Papier da hast Du es gelesen. Aber sei ruhig! ich liebe Dich nicht! ich habe Dich auch wohl nie geliebt, denn mich schaudert bei Deinem Anblick. Dein Vater hat meiner Mutter das Leben vergällt, nun kommt der Sohn, an der Tochter ein Gleiches zu thun. Fluch über euch, die ihr vampyrgleich von dem Blut eurer Opfer lebt! und mögen wir uns nie in diesem Leben wieder begegnen!«

Sie nahm das Kästchen und schleuderte es mit seinem Inhalt in das Kamin, in welchem ein lebhaftes Feuer brannte. Dann eilte sie zur Thür hinaus. Eine Minute später hörte Sven das Rollen der Wagen, die nach dem Dampfschiffe fuhren.

Er hatte keinen Versuch gemacht, Cornelie zurückzuhalten. Er hätte es vielleicht auch nicht gekonnt, wenn er gewollt hätte. Seine Kraft war gänzlich erschöpft; in seinem Kopfe war es so öde, sein Herz so schwer, so beklommen.

»Und konntest es nicht mit in's Grab nehmen,« murmelte er.

In dem Kamin fing es an zu knistern und zu knacken. Das trockene Holz des Kästchens war in Brand gerathen und strahlte ein lebhaftes Licht durch das Gemach. Der helle Schein fiel auf ein Bild, das an der im Uebrigen leeren Wand hing. Es war dasselbe, das ihm in der Dämmerung jenes Sommermorgens erschienen war, das trotzig düstre, edelstolze Gesicht mit der Welt von Leidenschaft in den schmerzlich starren Augen. Und jetzt wußte er, warum diese Augen so starr blickten; jetzt wußte er, was der tiefe, hoffnungslose Schmerz bedeutete, der um die Winkel des Mundes so fest lag, daß man hätte weinen mögen, wenn man länger hinsah.

Aber Sven konnte nicht weinen, so voll seine Brust auch von namenlosem Leid war. Noch einmal schaute er nach dem Bilde hinauf, über das jetzt seltsam wechselnde Lichter der zusammensinkenden Flamme zuckten.

»Das ist nicht ihr Bild,« murmelte er, »das ist das Antlitz der Sphinx, der uralten; und der Fluch, mit dem sie mir fluchte, ist der uralte Fluch, mit dem die neidischen Götter das Menschengeschlecht fluchten: der Fluch von der Schuld, der Urschuld, die mit dem Leben geboren wird, der Schuld, die an uns gerächt wird, und deren schwererer Theil doch auf die fällt, die, ohne unser Wollen, in's Leben uns hineinführten.«

Die Flamme im Kamin erlosch. Sven raffte sich auf und schwankte aus der Stube, aus dem Hause.


Sieben Jahre sind seitdem verflossen. Benno ist ordentlicher Professor und auf dem Wege ein berühmter Mann zu werden. Er hat so viel zu thun, daß er, wie er selbst sagt, nicht an's Heirathen denken kann. Er ist ein wenig ernster geworden, als vor sieben Jahren, wenn die Studenten sich auch mit den Bonmots und Scherzworten ihres jugendlichen Lehrers tragen; melancholisch aber hat ihn noch Niemand gesehen. Er wird es nur, wenn sein Weg ihn einmal bei der Villa am Strome vorüberführt, die jetzt dauernd von einer englischen Familie, welche sich in der Universitätsstadt angesiedelt hat, bewohnt wird. Dann zieht sich seine Stirn unter dem stets schief sitzenden Hute in ernste Falten; die dunklen Augen suchen den Boden, und seine Gedanken schweifen von dem wissenschaftlichen Problem oder schwierigen Fall, mit welchem sie eben noch beschäftigt waren, viele Meilen weit an den Strand der Ostsee zu einem einsamen Gute, auf dem ein einsamer Mann wohnt.

Ein einsamer und unglücklicher Mann.

Unter seinen Gutsnachbarn circuliren mancherlei Geschichten über das Wie und Warum der Herr v. Tissow so geworden; aber diese Geschichten differiren sehr, und da der Held derselben sein Gut selten und dann immer nur in Geschäftsangelegenheiten verläßt, und in Folge dessen auch selten – und das auch nur wieder in Geschäften – Jemand zu ihm kommt, so hat man es schließlich aufgegeben, das Wahre von der Sache zu erkunden. Nur Eines steht fest: daß in seinem Arbeitszimmer das Bild einer noch jungen und sehr schönen, aber äußerst düster blickenden Frau hängt, das nicht immer da gehangen. Einer der Nachbarn, ein Herr von Adel, der – gegen die Gewohnheit seiner Standesgenossen in jener Gegend – größere Reisen gemacht hat, will wissen, daß jenes Bild das Porträt einer Dame sei, die vor sieben Jahren in der Bai von Nervi bei einer Segelfahrt über Bord fiel und ertrank, nachdem ihr einziger Sohn wenige Wochen vorher in jugendlichem Alter an der Schwindsucht gestorben. Eine Tochter der Dame, die bei ihren Verwandten in England lebt, und eine große Schönheit von ungefähr vierzehn Jahren und nebenbei eine der reichsten Erbinnen des Landes sein soll, wollte derselbe Herr noch kürzlich in England gesehen haben. Er behauptet auch, daß er durch die Aehnlichkeit dieser jungen Dame mit dem Einsiedler auf Schloß Tissow ganz außerordentlich überrascht worden sei.

Die Leute auf dem Gute fragen auch wohl untereinander, was denn nur eigentlich dem Herrn passirt sein möge, daß er so still und in sich gekehrt und so ganz offenbar recht von Herzen unglücklich von seinen Reisen zurückgekommen; aber sie haben sicherlich keine Ursach, über ihn zu klagen, wie es die Nachbarn thun. Denn einen Herrn, dessen Herz so gütig und mild, dessen Hand so offen für die Nothleidenden wäre, gebe es – behaupten sie – auf der ganzen Insel nicht, und nur das haben sie an ihm auszusetzen, daß er nicht heirathet und ihnen einen jungen Herrn schafft, welcher dermaleinst dem Vater, wenn auch nicht gleich, so doch ähnlich werden könnte.

Aber sie sagen selbst: dazu sei wenig oder keine Aussicht.



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