August Silberstein
Herkules Schwach, Band 1
August Silberstein

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Vierzehntes Capitel.

Die neue Wohnung – Antrittsreden – eine Bibliothek und eine Braut.

In der neuen Wohnung Schwach's gab es zwei rastlose Größen, Madame Trullemaier und Herr Schnepselmann. Nachdem Letzterer die Wohnparteien, welche ober und unter Schwach hausten, durch irrthümliches Hineinstürzen in ihre Räume vielfältig beunruhigt hatte, war endlich Alles in Ordnung.

An der Thüre prangte ein elegantes Messingtäfelchen mit schwarz eingravirten Buchstaben: »Herkules Schwach.« – Madame Trullemaier ging strahlend umher und äußerte nur gegen Schwach, seufzend, ihre Besorgnisse, daß sie vielleicht nicht lange in ihrem einfachen Stübchen, als einsame Frau werde bleiben können, denn Schwach werde sich sicherlich verheiraten in dieser prächtigen Wohnung, und dann müßte sie fort, sicher . . . oh!

Schwach beruhigte sie, indem er nicht daran denke, und sie solle es sich nur bequem einrichten, als wäre es auf recht lange, immer, wenn's gerade auf ihn ankäme . . .

»Und Sie werden nichts dagegen haben, wenn mich eine Nachbarin oder gute Freundin besucht?«

»Nicht das Geringste!«

»Und ich sage Ihnen schönen, schönen« (mit bedeutendem Blicke) »Dank.« Sie könnte ihn, sagte sie ferner, wenn es sich schicken würde, für so viel Güte umarmen; aber für ihren Sohn sei er viel, viel zu alt, und für . . . . 225 Was könnte er denken, oder was würden die Leute sagen, oder . . . .?«

»Nun, gute Madame Trullemaier . . . .« begann eben Schwach; aber die Thürglocke schellte, und Madame Trullemaier zuckte erschreckt mit der Hand nach ihrem Herzen, als wäre sie bei einer bösen That ertappt worden. Sie verwünschte im Vorhinein den Ankömmling und zog sich zurück. Poll eilte herbei und öffnete.

Der feierlich ankommende Schnepselmann hatte den Vorsatz eine förmliche Einstandsrede und Visite abzuhalten. Er setzte vor Schwach nun auseinander, was er diesem seinem geehrten Freunde wünsche: »Flor und Segen und Gedeihen, Ueberfluß an guter Laune, Gesundheit, recht guten Appetit, eine Frau mit einer Million, jung und hübsch, reizend vom Ansehen, lieblich vom Herzen, rothe Augen, blaue Lippen, schwarze Zähne, weiße Hare – umgekehrt wolle er sagen! schwarze Lippen, oder vielmehr rothe Hare, oder vielmehr rothe Zähne, weiße Lippen . . . oder doch . . .« und er verwickelte und vernestelte sich immer mehr in Widersprüchen, bis ihm Schwach wohlwollend heraushalf.

»Es ist gut, mein Bester, ich weiß was Sie sagen wollen und nehme es recht wohlgemeint an. Ich danke Ihnen vom Herzen!« Und er schüttelte seinem rastlosen Agenten wohlwollend die Hand.

Hierauf ging Schnepselmann zu Geschäften über. »Wünschen Sie von meinen weiteren Nachforschungen über geheimnißvolle Geburten, räthselhafte Adoptionen, vermeintliches Verschwinden von Großen und Kleinen zu hören?«

Schwach sah einen Augenblick zweifelhaft zu Boden.

»Lieber Herr Schnepselmann,« sagte er endlich 226 gutmüthig, »wenn es Ihnen beliebte, ließen wir das vor der Hand; ich möchte . . .«

»Sie möchten diese gemüthsbetrübende Geschäftssache nicht gerade als eine der ersten vorhaben in Ihrer neuen Behausung; verstehe ich recht?«

»Wenn Sie ebenfalls der Meinung wären und es Ihnen beliebte . . .«

»Ganz Ihrer überzeugenden Ansicht! Ich unterdrücke sogar sofort auch die Uebersichtsrechnungen über das bewußte Projekt – Bretzel – Elektrizität – Wichs mobilier. Sie wissen . . « sagte er zur Verständigung nickend. »Auch das ganz neue, ganz neue Projekt, nicht minder genial, noch großartiger, noch besser als alles Bisherige, Dagewesene – für ein andersmal, wenn Sie ruhiger, geschäftsfaßlicher sind. Aber wenn wir das Alles beseitigen, Eines kann ich nicht unterlassen!«

»Was denn?« fragte Herkules gespannt!

»Freund,« sagte Schnepselmann und fuhr sich durch die Hare, »Sie müssen . . . . müssen heiraten! – Ein Mann in Ihren Jahren, mit Ihrem Vermögen, in Ihrer Einsamkeit . . . . eine Frau . . . .«

Schwach bewegte gelassen verneinend den Kopf hin und her.

»Eine Frau,« fuhr Schnepselmann im feierlichen Eifer fort, »die Sie erheitert, bereichert, Ihnen das Leben angenehm macht . . . mit Vorzügen in Wissen, Bildung, Unterhaltung . . . fürs Herz und Gemüth . . . Sprachen-sprechend, musikalisch . . . ein Schatz im Hause . . . .«

Schwach schüttelte noch immer, trotz aller dieser verführerischen Vorzüge und Aufzählungen, gelassen verneinend das Haupt. 227 Schnepselmann bog sich nach diesem erschöpfenden und reizenden Register im Sessel zurück und beobachtete die Wirkung, die er gemacht. Ob der Angesprochene nicht doch eine Aeußerung thun werde, die er sogleich glänzend widerlegen könne? – Er harrte wie der Fliegenfeind mit der aufgehobenen Klappe, um die erste sich zeigende Feindin sofort zu vertilgen.

Eine Weile blieben Beide still, dann brach Schwach plötzlich die verlegene Stille.

»Wissen Sie mein Bester, woran ich gedacht habe? – Ich habe die Anzeigen in den Zeitungsblättern der letzten Tage durchgelesen und darin so manches Nützliche angekündigt gefunden. Bücher, besonders Bücher. Ich wünschte mir fürs Haus so einen kleinen Bücherschatz, eine Bibliothek . . . .«

»Denken Sie lieber an die Frau!« warf Schnepselmann ein.

»Wissen Sie mir vielleicht eine?« fuhr Schwach fort.

»Ob ich eine weiß?« fuhr eifrigst der thätige Agent auf. »Eine ausgezeichnete!«

»Groß?«

»Gerade passend für Sie, herrlich!«

»Schön ausgestattet?«

»Vortrefflich, wie Sie nur wünschen können!«

»Höhere Bildung?«

»Höhere Bildung, häusliche Annehmlichkeiten . . .«^

»Auch unterhaltend?«

»O vorzüglich das; besonders in der Musik ausgezeichnet.«

»Musik? das verlange ich gerade nicht; aber . . .« 228

»Aber ist vorzüglich für jede Familie, erheitert, belebt, macht die Abende angenehm!«

»Sprachen?«

»Sprachen? Das will ich meinen! Deutsch, französisch, englisch – Sie fragen um keinen bessern Schriftsteller von dem sie nicht . . . .«

»Aber die Kosten?«

»Oh die Kosten, die sind wirklich so gering, für einen Mann wie Sie sind! Es braucht ja keines Glanzes, Einfachheit, nichts Auffallendes, Seltsames, gerade nur was Ihrem Gemüthe, Ihrem Geiste, Ihrem häuslichen Still-Leben wohlthäte.«

»Das meine ich ja eben.«

»Dann sind wir ja einstimmig! Ganz meiner Ansicht!« Und Schnepselmann schüttelte ihm höchsterfreut die Hand.

»Aber das Geld mein Werther . . . vergessen Sie nicht, steht es im Verhältniß . . . .«

»Im Verhältniß zu Ihren Ansprüchen? Gewiß! Glauben Sie, Schnepselmann vergißt einen Augenblick die nöthigen Rücksichten und gerade diese?«

»Und Sie fänden die Summe angemessen?«

»Sehr, sehr!«

»Aber nur macht mir Sorge dabei . . .«

»Was, verehrtester Freund?«

»Ein solcher neuer Zuwachs im Hause verlangt Platz, neue Einrichtungen, Arrangements.«

»Mein bester Herr und Freund, da seien Sie doch nur nicht ängstlich darüber, das findet sich ja! Sie lassen Alles in der Hauptsache wie es ist – es ist ja so nett! Und kommt der Tag, die Stunde wo sie anlangt . . . weiß 229 ich ja, wie leicht sich das macht! – Da ein Schränkchen, dort ein Kästchen . . . selbst ein apartes Zimmerchen . . . die Erkenntniß des Werthes . . . was Einem ein solcher Schatz gilt . . .«

»Allerdings; mir scheint, man ist dann zufriedener mit seinem eigenen Herde . . .«

»Man bleibt mehr zu Hause.«

»Jedenfalls; es ist schon dies ein Ersparniß!«

»Man braucht keine Gesellschaft, das stille Stübchen ist genug.«

»Und man vergißt die andere Welt!«

»Vergißt die andere Welt und hat Reize, die . . .«

»Reize, die sich nur uns erschließen, die so Viele nicht zu schätzen wissen, die man ganz besitzt, die sich täglich erneuern.«

»An denen man wiederholt Wohlgefallen findet.«

»Wiederholt, unaufhörlich.«

»Durch ein ganzes Leben!«

»Und Sie glauben, daß ich Alles finden werde, was . . .«

»Glauben? Ich bin überzeugt!«

»Sie kennen dieselbe?«

»Ganz, sage ich Ihnen; habe oft sie gesehen, mich erheitert . . .«

»Und ich kann sie bald sehen?«

»Natürlich; Sie werden selbst urtheilen.«

»Und dann mich entschließen.«

»O sicherlich!«

»Woher . . .?«

»Sollten Sie den Namen Käsemenger nicht kennen?« siel Schnepselmann rasch ein. »Sehr geachtetes, 230 sehr geehrtes, bekanntes Haus. Immer die schönste Gesellschaft daselbst, feine Bildung . . .«

»Natürlich; wo sollte denn sich Derlei beisammen finden?«

»Das versteht sich, und trägt zur Erziehung sehr viel bei.«

»Sehr viel.«

»Wann sind Sie bereit sie zu sehen?«

»Jeden Tag, sobald Sie wollen. Sie wissen . . .«

»Natürlich, Sie haben keine pressante Beschäftigung.«

»Und bin begierig.«

»O, sind Sie einmal eifrig!?« sagte Schnepselmann schelmisch mit dem Finger winkend. »Das ist recht; so liebe ich Sie; nur muthig vorwärts!«

»Nun, Sie wissen, was ich einmal bedacht . . .«

»Das sind Sie entschlossen auszuführen. Sehr gut. Und ich hoffe, Sie sollen mir Zeitlebens Dank sagen!«

»Das hoffe ich und wünsche ich und werde ich sicherlich.«

»Ich verlange jedoch nichts, durchaus nichts; reine Freundschaft, Theilnahme an Ihrem Glück – es wird mir stets ein wohlthätiger, höchst erquickender Anblick sein, sie im Hause zu sehen!«

»Sie sind ein guter Mann!«

»O, eines Freundes Zufriedenheit zu befördern! – Und ich hoffe, daß Sie ebenso entgegenkommend sein werden, als man sich anderseits bestreben wird . . .«

»Das leidet keinen Zweifel. An mir soll's nicht fehlen. Sie wissen, ich bin keiner von den Hartnäckigen.«

»Ihr Herz . . . .« 231

»O, kommen Sie nicht auf mein Herz zu sprechen. Die Sache ist geschlossen?«

»Gut; wir werden hingehen, ich werde Sie an einem der nächsten Abende vorstellen. Es wird so das Beste sein. Man empfängt Sie in freundlichem Zirkel . . .«

»Das fordere ich eben nicht.«

»Dies ist aber Sitte, Herkommen; und Sie wissen der erste Eindruck in einem fremden, doch feinen Hause . . .«

»Natürlich, natürlich in seinem Hause, besonders bei neuen Bekanntschaften . . .«

»Obwohl Sie sich nicht betreffs des Hauptgegenstandes sogleich bestimmen lassen werden, sondern prüfen und urtheilen.«

»Nun ja, bester Herr Schnepselmann, Jeder findet das für seine Pflicht . . .«

»Wenn er nicht bereuen soll. Jedenfalls. Und die Reue kommt dann zu spät! – Geschlossen?«

»Ganz entschlossen.«

»Gut; mein Bursche wird Ihnen Tag und Stunde melden oder eine Karte Käsemenger's wird Sie zum Thee laden. Leben Sie wohl – Geschäfte rufen mich – ich muß vorbereiten, in Kenntniß setzen. Adieu, adieu, meinen Glückwunsch dazu im Vorhinein!«

»Danke danke; adieu!«

Schnepselmann eilte nun zu Käsemenger, fuhr sich nach allen Weltgegenden in die Hare, und konnte über das bevorstehende Glück nicht genug sprechen, erzählen, voraussagen.

Schwach ging ganz gelassen nachdenkend im Zimmer auf und nieder und sagte zu sich selbst: »Poll kann sie 232 täglich abstauben und rein halten – sie kann ganz gut an der Wand stehen – was ich hierauf ausgeben werde, das gebe ich mit Freuden, denn eine Bibliothek ist wirklich ein unbezahlbarer Schatz für's ganze Leben!« –



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