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II.
Das Bankhaus Ommekamp

Das Bankhaus Ommekamp lag am Ring, es bestand aus zwei, drei, sechs Häusern, die so gekauft waren, wie dies geschrieben ist, nacheinander und rasch, sie hatten verschiedene Höhe, Stockwerke und Fenster, nur der Firnis war gleichmäßig. An ihm sah man, daß da drinnen ein einheitlicher Betrieb steckte.

Der Haupteingang führte in den Kassen- und Buchhaltungsraum, hier saßen hinter breiten Zahltischen: Prokuristen, Kontenführer, Sekretäre, Tippfräulein, eine Phalanx, stark genug, den größten Kundenandrang auszuhalten, doch dieser Kundensturm war nicht zu verspüren – sicherlich war er an vorigen Tagen ausgetobt oder vollzog sich zu anderen Stunden oder an andern Stellen dieses weitverzweigten Bankhauses, das an Filialen mit den größten Bankhäusern es aufnahm: die gewaltige Masse der Beamten, die hier aufgezeigt wurde und welche alle emsig und lautlos arbeiteten, war die tragende Säule des Hauses Ommekamp.

Eine Flucht weiterer Zimmer setzte fort und vertiefte den Eindruck des Empfangs-Saales: überall waren Haustelephone, Fernsprecher, Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, Diktaphone, Teppiche, blinkendes Linoleum. Nur eins war merkwürdig:

An einem alten Park erkennt man den alten Besitz. In diesem Hause waren nur junge Leute, von denen bekannt war, daß sie mit doppeltem Gehalt aus anderen Banken wegengagiert waren. Vom Inhaber des Hauses bis zum Stift war alles jung.

In einem der entlegensten Räume saßen die Prokuristen Gerber, Kleefeld und Wittig und berieten; keiner von ihnen war 30 Jahre. Sie sahen aber wenig jugendlich sorglos und zufriedengestellt aus.

»Nix to maken,« sagte Wittig, »wir haben kein Geld.«

Kleefeld kratzte sich am Ohr.

»Lasse Sie Ihr Ohr in Ruh,« sagte der süddeutsch-lebhafte Gerber, »Sie solle mit dem Kopf arbeiten.«

»Der hat drei Tage lang gearbeitet«, seufzte Kleefeld.

Gerber: »Aber die Ohren brauche drum nit zu hänge. Wir sind doch bon.«

Wittig: »Bon oder meinetwegen Bonbon. Ook Bonbon helpt us nich.«

Gerber: »Ich sage, unsre Sache sind bon, prima.«

Kleefeld: »Eine Bank braucht keine Sachen, sondern Bargeld. Die Ware einer Bank ist Geld und nicht industrielle Unternehmungen, welche Geld saufen.«

Gerber: »Wir müsse den Industrien die Kredite beschränken – mache wirs wie der alte Katz Vater; wenn dem ein fauler Wechsel kam, betrachtete er ihn mit einem Auge lange und sagte dann freundlich: das Papierche is gut, awer wir hawwe heit kein Geld.«

Wittig: »Dann sind alle unsre Industrien morgen pleite.«

Gerber: »Nun? – und wir sind gesund.«

Wittig: »Wenn eine unsrer industriellen Gründungen morgen pleite ist, sind wir übermorgen pleite. Mensch, begreifen Sie nicht, daß wir an unsren Gründungen kleben, wie die Fliegen am Klebpapier?«

Kleefeld: »Abstoßen, langsam abstoßen.«

Wittig: »An wen abstoßen? Unfertige Unternehmungen abstoßen!«

Kleefeld: »Ja wir sind Haussiers – das ist unser Unglück.«

Wittig: »Der erste Zusammenbruch ist für uns Katastrophe.«

Gerber: »Dann müsse wir drehen. Wir müsse doppelte Engagements à la Baisse eingehn.«

Wittig: »Nix to maken. Zum Drehen braucht eine Bank erst recht Geld.«

Gerber: » Er ist ein Genie, ein Napoleon sag ich. Ich war dabei vom Anfang, zuerst nacheinander zehn Filialen in drei Jahren. Immer das Kapital vermehrt. Dann die Eisenhütte Haldenberg, gekostet 300 000 Mark, gegründet mit 1 Million; 700 000 Mark bar hereingekriegt.«

Wittig: »Und 500 000 Mark haben wir wieder in den alten Eisenofen hereingesteckt.«

Gerber: »Aber der alte Eisenofen macht sich langsam. Und dann die Kohlenzechen, an jeder Emission verdient.«

Wittig: »Unsere Zechen sind Dreck, an der Ruhr ist eben nichts mehr los; was dort etwas wert ist, hat Carl Funke sich rechtzeitig geholt.«

Gerber: »Und dann kamen wieder zehn Filialen bis nach Emden, und jede pumpt Geld wie eine Wasserstation.«

Wittig: »Das Grundwasser muß wohl zurückgegangen sein. Die Pumpen stehen seit drei Wochen still.«

Gerber: » Er schafft's doch. Seit drei Tagen ist er fort. Wie hat er das mit dem Ankauf der Reederei gemacht, he! 500 000 Mark haben wir daran verdient.«

Kleefeld: »Aber die alten Rheinkähne haben keine Fracht. Ein Wunder muß kommen.«

Wittig: »De glöf an Wunder. Mensch merken Sie sich: Wunder passieren in Kirchen, aber nicht in Bankhäusern.«

Das Telephon klingelt leise an. Kleefeld wird in den Kassenraum gebeten.

Er blieb lange unten, während die zwei andern Hüter des Hauses ab und zu in die Zigarrenkiste griffen und stumm den Dampf zum offenen Fenster bliesen.

Da erschien Kleefeld wieder.

Er sah aus, wie ein Mensch, der mit einer schweren Nachricht belastet ist.

»Nun?« fragte Gerber.

Kleefeld ging um den Tisch, holte sich eine Zigarre, steckte umständlich an und sog und blies.

»Wollen Sie nun rauchen oder endlich sprechen«, drängte Wittig.

»Ich habe 240 000 Mark,« sagte Kleefeld stolz.

Wittig kam fast aus seiner Ruhe.

»Ein Wunder,« schrie Gerber, »da ist das Wunder!«

Kleefeld berichtete umständlich: »Als ich an den Schalter komme, stehen da vier Bauern; sie verlangen den Direktor zu sprechen. Ich bringe sie in ein Zimmer.

›Is dat hier de katolske Bank‹, sagt einer.

›Ja, sage ich, da sind Sie hier richtig.‹

›Wi hebt use Höfe bi Lünen verkoft an de Zeche Glückauf. Gistern hebt se us utbetalt. De Zechendirektor segg to us: Givt se mi dat Geld; ik sall et in de beste Obligatschonen anleggen. Ne, segen wi, wi brengt dat Geld up de katolske Bank. Twehunnert und vertigdusend Mark.«

Gerber stand auf: »Und da sagt dieser Wittig, es gäbe nur Wunder in Kirchen. Ein Bankhaus ist so gut wie eine Kirche.«

»Sie hängen wenigstens zusammen oder sie gehören zusammen,« erklärte Kleefeld, »ich habe sofort dem Pfarrer des Dorfes 1000 Mark gesandt für seine Kirche.«

In diesem Augenblick öffnete sich rasch die Türe, und leichtfüßig trat ein großer, im englischen Reitanzug gekleideter, noch jugendlicher Mann herein – der Inhaber des aufblühenden Bankhauses – Ommekamp. Alle drei erhoben sich. Ommekamp begrüßte sie freundlich, sogar mit einer kavalierhaften Forsche, etwa wie ein Husarenoffizier, obgleich die Beine dieses bedeutenden Mannes bis vor einem Jahr noch nie an einem Pferdebauch heruntergehangen hatten.

»Ich begrüße Sie, meine Herren Mitarbeiter. Ich bin hierher geritten von meinem Gute; ein famoser Gaul, Halbblut aus irischer Mutter, ein bißchen Durchgänger, ich liebe das, beruhigt die Nerven. Komme heute Mittag von Brüssel. Mich eben umgezogen und hierher. Fürchtete eine Versammlung der Niedergedrückten zu finden. –«

»Wir waren mühselig und beladen,« erklärte Gerber, »aber der Segen des Himmels tropfte auf uns herab.« –

Kleefeld berichtete.

»Sehen Sie,« sagte Ommekamp stark, »wissen Sie, ich glaube an Wunder. Ich bin ein gläubiger Mensch. Ich glaube an meine Zukunft. Ich habe fortwährend Gesichte und ich höre Stimmen, die mich führen. Ich habe wechselnde Schicksale gehabt, aber ich habe einen Stern, der mich leitet. Ich weiß es, daß ich noch zu Großem berufen bin. Eine Stimme, die ich oft hörte, spricht jetzt, jetzt augenblicklich in mir; ich kenne diese Stimme. In verzweifelten Lagen habe ich sie gehört –«

»Das Geld reicht für zwei Wochen«, sagte Wittig ruhig.

Ommekamp klopfte mit der Gerte leise an seine Reitstiefel.

»Ich habe mehr als das,« sagte er bedeutsam und sah Wittig königlich-durchdringend an, »siebenmal so viel. –«

Gerber sprang in die Höhe: »Hab ich's nit gesagt? Er ist ein Napoleon.«

Ommekamp hatte wieder das Kavaliermäßige in Ton und Haltung.

»Wir haben vor vier Wochen die zwei Zechen bei Lüttenscheid gekauft.«

»Ja, Herr Ommekamp, zwei gute Schächte mit Maximalfeldern«, beteuerte Gerber.

»Ja, zwei gute Schächte und auch gute Maximalfelder. Nur keine Kohlen darin«, brummte Wittig.

»Beste Anthrazit-Kohle. Wir müssen nur einige Sohlen tiefer kommen«, erwiderte Ommekamp leichthin.

»Kostet 150 000 Mark«, sagte Wittig.

»Wir müssen in drei Wochen den Preis von 700 000 Mark hinterlegen«, angstete Kleefeld.

»Werdet gläubig, ihr Ungläubigen«, fertigte Ommekamp alle ab: »Gestern nachmittag 3 Uhr habe ich in Brüssel die Urkunde vollzogen.« Ommekamp sprach von jetzt ab in langsamen Absätzen.

»Die Gesellschaft heißt ab gestern Charbonnages réunis près de Lüttenscheid!«

»Société anonyme.«

Alle drei fragten mit den Augen.

»Kapital 900 000 Mark.«

»Obligationen 900 000 Mark.«

»Genußscheine 900 000 Mark.«

Wittig fragte noch immer mit einem Auge.

»Das ganze Kapital wird in fünf Tagen ausgezahlt. Es liegt bereit

»Ein Hoch dem Napoleon«, schrie Gerber.


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