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Elftes Kapitel.

Ein neuer Ankömmling, der unter dem Namen Señora Doña Sebastiana und dem Zusätze »Kommt von Sr. Exzellenz« angekündigt wurde, gab ihrem Sinnen auf einmal eine andere Richtung.

Die Dame war reich, aber nichts weniger als geschmackvoll in eine Menge seidener Röcke von den grellsten Farben gekleidet, die ihrem untern Sein einen Umfang gaben, der mit der platten, bretternen und übel arrangierten Taille nichts weniger als lieblich kontrastierte. Die unmäßig hohen Absätze ihrer Schuhe verliehen ihrem Gang überdies etwas Watschelndes, so daß ihr die Unterstützung des Cortejo, der mit ihr eintrat, wirklich zum Bedürfnis wurde. Dieser Cortejo war ein Mann von starkem Körperbau, aber unangenehmen, ja widrigen Gesichtszügen, mit einem ungemeinen Bestreben, freundlich zu scheinen: eine Mischung von höfischer Abgeschliffenheit und soldatischer Rauheit, in steter greller Beweglichkeit. Man sah es dem Manne beim ersten Blicke an, daß er von einem rastlosen Ehrgeize gepeitscht wurde. Er trug die Uniform eines Stabsoffiziers der königlich mexikanischen Truppen. Seine Schutzbefohlene, indem sie den Saal hinaufschritt, hielt zwei seidene Stricke oder Schnüre, die an ihrem Gürtel befestigt waren, wohlgefällig zwischen ihren Fingern. An diesen waren eine Menge Knoten, die Embleme der verschiedenen Eroberungen, die das schöne Geschlecht von Mexiko, wenn die chronique scandaleuse wahr spricht, auf diese Weise zur Schau zu tragen sich nicht entblödet. Sie war augenscheinlich mit wichtigen Nachrichten beladen, da sie, ohne die etwas umständlichen Eintrittzeremonien zu durchgehen, schon an der Türe den Kavalieren zurief: »Ah, Señores! Señores! So müssen denn wir, die Doña Sebastiana, die Taube sein, die die Freudenbotschaft überbringt«.

Die Dame, nachdem sie gesprochen, schien sich auf einmal zu besinnen und trippelte zur jungen Condessa hinauf, die soeben mit ihrem Gefolge weiblicher Dienerinnen eingetreten war, umarmte sie, und entledigte sich dann ihrer wichtigen Botschaft in folgenden Worten:

»Ah, Señorias, Señorias! Ah, meine Herrschaften!« flüsterte sie, indem sie die Augen in süßer Entzückung verdrehte. »Wissen Sie nun, was jene gnädig huldreichen Worte, die Se. Exzellenz fallen zu lassen gnädigst geruhten – wissen Sie auch? O! Se. Exzellenz sind ein allerliebster, göttlicher Herr. Stellen Sie sich vor«, rief sie wichtig, »Sie haben die Vorhänge Ihrer Loge beim letzten Akte ganz herabgelassen, und Iturrigaray, der vulgäre, liberale Iturrigaray, wissen Sie noch, er behielt sie immer oben, man konnte keine Zigarre rauchen«.

Das schöne Geschlecht Mexikos oblag seiner Lieblingsunterhaltung des Zigarrenrauchens auch im Theater eifrig, sobald die höchste Standesperson gnädig geruhte, die Vorgänge ihrer Loge herabzulassen.

»Ah, Señorias!« rief sie, mit ihrem Fächer wedelnd. »Es ist bereits angekommen, das königliche Paket, versiegelt mit dem großen Staatssiegel«.

»Mit dem großen Staatssiegel?« fielen die Siebenmänner ein.

»Um am Namenstage Sr. geheiligten spanischen Majestät geöffnet zu werden«.

»Geöffnet zu werden!« kreischten die Kavaliere.

»Se. Exzellenz haben uns ja dieses bereits huldreich zu eröffnen geruht«, bemerkte der Conde Irún wichtig.

»Aber wissen auch meine Herrschaften, wissen Sie auch? Fünfundzwanzig!« platzte die Donna heraus, nun nicht länger imstande, die Bürde ihres Geheimnisses zu tragen.

»Fünfundzwanzig!« schrien die sieben Edelleute.

»Fünfundzwanzig!« überschrie sie die triumphierende Donna, »worunter vier Großkreuze. Die Camareria Ihrer Exzellenz haben es mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit geoffenbart«.

»Fünfundzwanzig«, schrien und kreischten und schluchzten die sieben Kavaliere, und dann brachen sie in einen Jubel aus, der es wirklich zweifelhaft machte, ob sie nicht alle den Verstand verloren hätten. Sie rauschten in ihren seidenen Röcken aneinander heran, umarmten sich, küßten sich auf die gravitätischste Weise, wünschten sich und Mexiko Glück, trippelten auf die Dame und die junge Condessa zu, umarmten diese und wieder sich untereinander; selbst der Mayordomo wurde umarmt, und einem Pagen, der eingetreten war, um die Armleuchter vor den Schutzpatronen und Schutzpatroninnen anzuzünden, widerfuhr die gleiche Ehre. In ihrem Entzücken hatte die Gesellschaft nicht bemerkt, daß der Graf mit mehreren Kavalieren eingetreten und nicht wenig befremdet über die seltsame Szene, eine Weile sprachlos dagestanden war. Erst als der Mayordomo seinen Herrn ankündete, ermannten sich die Kavaliere, und eilten auf ihn zu: »Fünfundzwanzig, worunter vier Großkreuze«, jauchzend.

Die feinen Gesichtszüge des Weltmannes, weit entfernt, Spott oder Hohn blicken zu lassen, schienen wieder ebensowenig die Freude oder Überraschung seiner Gäste zu teilen. Dieses mochte auch der Fall mit mehreren der Edelleute sein, die mit ihm gekommen waren.

»Die Ehre«, sprach er, indem er sich ringsumher verneigte, »die unserem armen Hause widerfährt, den hohen Adel ebenso unvermutet als herablassend in dieser späten Stunde in unseren Mauern zu sehen, ist so überraschend – –«

»Graf«! sprach der Marquis, der unter dem Titel von Moncada aufgeführt war, »es macht Epoche in der Geschichte Mexikos, fünfundzwanzig, worunter vier Großkreuze – –«

»Bei der Mutter des lebendigen Gottes!« sprach einer der Begleiter des Grafen im höchsten Unwillen. »Wirklich macht es Epoche in der Geschichte Mexikos, zu hören, wie sieben Hochadelige Mexikos vor Freuden umherspringen, daß fünfundzwanzig unserer Söhne wie Hunde zusammengefangen und zur Armee abgesandt werden«.

»Aber, Mutter Gottes!« riefen unsere Sieben, höchst verblüfft.

Es traten mehr und mehr Gäste ein.

»Der sehr edle Marquis de Grijalba irren«, sprach der Graf, »insofern Sie glauben, daß unsere Compairs sich über die gewaltsame Entreißung eines unserer wichtigsten Privilegien freuen, vermöge dessen unsere Söhne, und vorzüglich unsere Erstgeborenen, vom spanischen Militärdienste befreit sind. Ihre Überraschung ist mehr loyal, indem sie sich über die Huld Seiner Majestät äußert, die diesem Lande fünfundzwanzig Klein- und Großkreuze des königlichen Ordens Karls III. verliehen hat«.

»So mögen sie alle Teufel der siebzehn Höllen holen!« fuhr der Marquis heraus, »Und wissen Sie, Señores, was diese Groß- und Kleinkreuze Mexiko kosten? Ei, sie kosten ihm bereits hundertfünfzigtausend seiner fleißigsten Einwohner und hundert Millionen Piaster. Sie kosten uns unsere Erzlager und Bergwerke. Mexiko ist eine Wüste, Puebla eine Wüste, Valladolid eine Wüste, Queretaro, San Luis Potosi eine Wüste; das ganze Land in Aufruhr. Señores, ich bürge Ihnen nicht dafür«, fuhr der hitzige alte Landedelmann fort, »daß Sie, die so entzückt sind über die königliche Huld, von der übrigens Fernandos geheiligte Majestät ebensowenig wissen mag wie unser Stiefel – –«

»Jesus, Maria und Josef! Er lästert, er lästert!« schrien mehrere der Herren.

»Den Teufel auch lästert er«, fuhr der hitzige alte Kreole fort. »Se. Majestät sitzen im Schlosse Valençay und wissen den Teufel, was in Mexiko vorgeht, und dann sagen wir, der Marquis von Grijalba sagt es, daß wir sehr im Zweifel sind, ob Sie, Señores, bis zum Namenstage Sr. Majestät auch noch einen ganzen Rock haben werden, um die königlichen Dekorationen in einem gesunden Knopfloche Platz nehmen zu lassen«.

Die Heftigkeit des Sprechers hatte die sieben Edelleute mit Schaudern erfüllt. Sie zogen sich insgesamt scheu zurück.

»Wir können uns nicht verhehlen«, fiel nun der Graf ein, der inzwischen mit dem Empfange der angekommenen Besucher beschäftigt gewesen war, »daß, so sehr wir die allerhöchste Gnade in bezug auf die fünfundzwanzig Ordensverleihungen zu schätzen wissen, eine werktätigere Hilfe um so notwendiger sein dürfte, als ohne diese der Ruin des Landes unausweichlich ist. Im Tale von Cuernavaca gingen die vorletzte Nacht einundzwanzig Zuckerpflanzungen in Rauch und Flammen auf, und, wie wir leider Ursache haben zu vermuten, auf Geheiß unserer Gebieter«.

»Jesu Maria!« rief einer der Sieben, »und uns bringt unser Arriero Nachricht, daß unsere Hazienda de Trigo Landgut, zum Ackerbau eingerichtet, zum unterschiede von Hacienda de beneficio, das zum Bergwerkswesen eingerichtet ist. San Franzisko rein ausgeplündert –«

»Und unsere Real bei Sombrerete zerstörte«, – fiel ein zweiter ein –

»Und alles Maschinenwerk an unseren Schachten an der Valenciana verbrannt und vernichtet«, klagte ein dritter.

»Jeden Tag mehren sich unsere Drangsale«, jammerte der vierte; »und selbst der heutige, sonst nur bestimmt, Jubel zu verbreiten, hat die ganze Stadt mit Schrecken erfüllt. Man hetzt die armen Indianer ärger als die Wölfe«.

»Es sind Rebellen, und zwar die Rebellen von Itzcuhar«, bemerkte der Major, der als Cortejo der Donna gekommen war.

»Denen man jedoch die Amnestie bei dem dreieinigen Gott zugesichert, von allen Kanzeln verkündet hat«, sprach der Graf mit starker, feierlicher Stimme. »Don Agostino Iturbido! Es war Ihre Eskadron, die sich diese überflüssige Grausamkeit im Angesichte Mexikos zu schulden kommen ließ«.

»Hohe Befehle, erlauchter Graf«, erwiderte der Major mit einem tückischen Lächeln.

»Wir haben nichts gegen Befehle zu erwidern, wir, deren Schuldigkeit es ist, zu gehorchen«, sprach der Graf. »Aber wenn wir«, und er sah den Major mit seinem durchdringendsten Blicke an, »um von unseren Gebietern ein gnädiges Lächeln zu erlangen, unser Land noch unglücklicher machen wollen, als unsere Gebieter – und wahrlich, wir tun es, – dann dürfte die Zeit bald kommen, wo diese uns selbst statt der erschlagenen Indianer in die Schächte senden werden«.

»Das ist wahr!« riefen mehrere Stimmen, von der Wahrheit getroffen. »Der Anfang dazu ist bereits gemacht. Man sendet unsere Erstgeborenen zu der Armee, ohne es auch nur der Mühe wert zu halten, uns zu sagen –«

»Das wollen wir«, sprach eine hellklingende, aber harte Stimme, die einem jungen Manne angehörte, der, in der linken Hand ein versiegeltes Paket, in der rechten ein Augenglas, die Gesellschaft gemächlich vornehm musternd in den Saal getreten und sich dem Grafen genähert hatte. Er war von vornehmer Gestalt, leicht und gewandt, hatte jedoch in seinen Blicken etwas vom Basilisken. Als er die Kreolen flüchtig übersehen und vornehm leicht begrüßt hatte, übergab er dem Conde mit einer tieferen Verbeugung und den Worten: »Der Wille Sr. Exzellenz«, das Paket.

»Wir wissen nichts im Palaste, daß Se. Herrlichkeit eine Tertulia Abendgesellschaft in Ihrem Hause haben«, bemerkte der Höfling lächelnd während der Totenstille, die sein Eintritt verursacht hatte. »Doch haben sich Se. Herrlichkeit vielleicht nicht der hohen Regierungsentschließung erinnert, derzufolge keine Zusammenkunft ohne die ausdrückliche Genehmigung von Sr. Exzellenz in Mexiko stattfinden solle«.

»Wir haben von einem solchen Erlasse gehört«, versetzte der Graf, »und würden nicht ermangelt haben, ihm Folge zu leisten. Doch, wie Don Ruy Gomez sehen, ist es ein bloßer Willkommensbesuch Ihrer Herrlichkeiten, die uns die Ehre angetan haben, uns zu unserer Ankunft in Mexiko Glück zu wünschen.« Der Graf hatte seine Worte mit einer Verbeugung an die Edelleute begleitet.

»Sr. Herrlichkeit zu Ihrer Ankunft in Mexiko Glück zu wünschen«, fielen mehrere Kavaliere ein.

»Se. Herrlichkeit sind sehr glücklich in der Achtung Ihrer Compairs«, meinte der Höfling, »die jedoch, die Wahrheit zu gestehen, eine seltsame Stunde zu ihren Achtungsbezeigungen gewählt haben«.

»Wenn Don Ruy Gómez der Meinung sind« – fielen zehn Edelleute erschrocken ein –

»Wir leben in Zeiten, Señor, wo sich seltsamere Dinge zutragen –« bemerkte der Graf, der währenddem das Siegel des Pakets aufgebrochen hatte.

»Es ist für Euer Herrlichkeit Privateinsicht«, bedeutete ihm der Höfling mit einiger Hast, und nicht ohne Mißbilligung.

»Pardon denn«, versetzte der Graf, »doch finde ich bloß die Reisepässe unseres Neffen Don Manuel und den Befehl, der ihn morgen früh nach Spanien absendet; ob als Gefangener oder Verwiesener, weiß die heilige Jungfrau und Se. Exzellenz allein –«

»Was immer die Befehle Sr. Exzellenz sein mögen«, versetzte der Privatsekretär wichtig, »so werden Eure Herrlichkeit wohltun, sich ganz Hochdero Willen zu fügen, der, wie Sie wissen, immer sehr gnädige Rücksichten für das erlauchte Haus Graf Jagos hatte«.

Der schneidend bitter hohnlächelnde Ton, in dem die ganze Unterhaltung vom Privatsekretär des Virey geführt worden war, kontrastierte seltsam mit den höfischen, abgemessenen und zierlichen Worten, die er zu stellen wußte.

»Wir sind ganz von der Gnade Sr. Exzellenz gegen unser armes Haus durchdrungen«, entgegnete der Graf, »obwohl wir diese Überraschung nicht vermutet hatten. Zwar ist Don Manuel nicht unser Sohn. Wir selbst stehen einsam«, fuhr er mit einer weichen Stimme fort, »aber wir fühlen als Vater. Es scheint jedoch, unser Neffe habe die Aufmerksamkeit und selbst die Gunst Sr. Exzellenz sehr schnell und in hohem Grade zu erwerben das Glück gehabt. Es überrascht uns dieses einigermaßen«.

Diese Worte, im verbindlichsten Tone ausgesprochen, schienen nun wieder den Höfling verlegen zu machen, der den Grafen forschend ansah.

»Ebenso«, fiel der Marquis Grijalba ein, »als wir für die Aufmerksamkeit Sr. Exzellenz verbunden sind, die so unerwartet geruht, unsere Söhne mit dem Portepee zu beehren. Ist es wirklich Sr. geheiligten Majestät Wille, daß die Erstgeborenen des mexikanischen Adels ihrer Privilegien verlustig gehen sollen? Wir haben ein altes Buch, in dem es gedruckt steht, daß –«

Der Sprecher, der, wie er sich nach Landjunkerweise naiv ausdrückte, ein Buch hatte, in dem die alten Privilegien standen, hielt plötzlich inne. Der Geheimsekretär hatte ihn nämlich mit einem Blicke angesehen, so höhnisch und böswillig, daß der alte Gesetzforscher ganz aus der Fassung kam.

»Und haben Eure Herrlichkeit«, fragte der Höfling, indem er den Sprecher hohnlachend vom Kopfe zu den Füßen maß, »wirklich ein solches Buch? Wahrscheinlich in Kalbsleder eingebunden?« fuhr er nach einer Pause mit demselben Hohne fort. »Als Antwort auf Ihr Buch wollen wir Euer Gnaden sagen, daß Ihre Söhne ihrer Privilegien verlustig worden sind, weil sie sich deren durch ein disloyales Betragen unwürdig gemacht haben. Danken Sie es der Milde Sr. Exzellenz, daß Hochdieselben das Verbrechen der Söhne nicht schärfer heimgesucht haben, als durch eine Strafe, die« setzte er hinzu, »selbst spanische Hidalgos für eine Belohnung angesehen haben würden. Wahrlich! Kavaliere, die sich erfrechten, Pasquille gegen die geheiligte Person Sr. Majestät anzuhören, sind sehr huldvoll durch ein goldenes Portepee bestraft«.

Die Ursache des Gewaltschrittes, der vierundzwanzig Söhne der ersten Familien ihrer Privilegien beraubte und sie zwang, die Waffen wider ihren Willen für Spanien zu ergreifen, war somit an das Tageslicht gekommen. Die Kavaliere, die erst jetzt Aufklärung über die Ursache erhielten, die ihre Söhne, ohne daß sie gehört oder zur Verantwortung gezogen worden wären, verdammte, unter einem blutdürstig rohen Manne zu dienen, wurden so gänzlich durch die Worte des Höflings eingeschüchtert, daß auch kein einziger etwas zu erwidern versuchte.

»Ihre Söhne, Señores«, fuhr der Geheimsekretär, fort, »werden unter dem unüberwindlichsten Helden, der die Rebellen bei Alculco, bei Marsil und an der Brücke von Calderón vernichtet, der von Sr. Majestät selbst hochgeehrt ist, unter diesem Helden werden sie die Zucht und die loyalen Gesinnungen lernen, die sie im Verkehr mit rebellischen Cavecillas vergessen zu haben scheinen«.

»Wenn«, sprach der Graf, »unsere Söhne sich so weit vergessen haben, Pasquille auf Sr. Majestät geheiligte Person anzuhören, dann können wir sie bloß der bekannten Milde Sr. Exzellenz anempfehlen. Was uns und unsere Compairs betrifft, so stehen unsere Güter, unser Blut Sr. Majestät ganz zu Diensten. Aber Don Ruy Gómez wird bemerken, daß Staatsklugheit ebensosehr erfordert, daß man die Kräfte der Getreuen schone, als die des Feindes vermindere, und daß Sr. Majestät Interesse weit mehr gefördert werden dürfte, wenn diejenigen, deren Grundsätze anerkanntermaßen loyal sind, auch in den Stand gesetzt werden, die Regierung zu unterstützen«. »Die Regierung zu unterstützen?« wiederholte der Geheimsekretär mit dem bittersten Hohne; »die Regierung zu unterstützen?« sprach er mit wegwerfender Verachtung. »Wir haben immer geglaubt und sind immer gelehrt worden, daß Se. Majestät der unumschränkte Gebieter in allen ihren Landen und über alle ihre Untertanen und deren Güter sind, niemand Rechenschaft zu geben schuldig als Gott und ihrem Beichtvater. Wahrlich! Es ist uns sehr befremdend, hier eine ganz neue Lehre aufgestellt zu hören.«

»Niemand zweifelt daran,« fiel der Marquis de Grijalba ein, »daß Se. Majestät unumschränkter Gebieter unserer Habe und unseres Lebens sind; aber wo nichts ist, sagt unser Sprichwort, da hat des Königs Majestät selbst das Recht verloren, und wenn unsere gnädigen Gebieter noch eine Weile auf diese Art hausen, dann wird des Königs geheiligte Majestät ihr Recht bald verloren haben.«

»Das ist Aufruhr! Rebellion!« schrie der Geheimsekretär, im höchsten Zorne erglühend.

»Rebellion!« schrien ihm der Major und zehn Edelleute nach, und im Augenblicke herrschte ein Tumult im Saale, der, bei der außerordentlichen Beweglichkeit der Kavaliere, beinahe in Tätlichkeiten auszubrechen drohte.

»Wir haben zu viel von den Gesinnungen Ihrer Herrlichkeiten gehört,« sprach der Geheimsekretär mit lauter, erhobener Stimme, »um uns nicht veranlaßt zu finden, Ihnen im Namen Sr. Exzellenz anzudeuten, augenblicklich die Casa Sr. Herrlichkeit zu räumen und sich sofort nach Hause zu begeben.«

Diese sonderbare Weisung, an mehr denn zwanzig Glieder des ersten Adels von Mexiko in seiner eigenen Hauptstadt gegeben, war nicht sobald ausgesprochen, als auch die Mehrzahl schon Anstalten machte, ihr mit aller nur möglichen Hast Folge zu leisten. In unaussprechlicher Angst rannten diese armen Kavaliere nach der Türe und fingen an, nach ihren Hüten und Mangas zu schreien.

»Wenn Se. Exzellenz«, sprach der Graf, »Don Ruy Gómez zu diesem Befehle ermächtigt haben, dann müssen die Kavaliere gehorchen, denn der Wille Sr. Exzellenz, ob gerecht oder ungerecht, ist Gesetz im Lande. Wenn jedoch Don Ruy Gómez aus eigener Machtvollkommenheit den unschuldigen Beweis von Achtung, den unser Compairs uns zu geben für gut befunden – –«

»Bemühen Sie sich nicht,« unterbrach ihn der Geheimschreiber mit einem schnöden Seitenblicke, »was wir getan, werden wir auch zu verantworten wissen.«

Mehr denn zehn Kavaliere hatten sich nun an die Türe gedrängt, wurden jedoch in ihrem Eifer, dem Saale zu entfliehen, durch einen staubbedeckten, schweißtriefenden Mann in brauner Jacke, rotsamtner Weste und braunen Ledergamaschen aufgehalten, der in stürmischer Eile, von mehreren Dienern eingeführt, in den Saal drang und dem Grafen ein versiegeltes Schreiben überreichte. Dieser riß das schmutzige Kuvert weg, überflog das Papier und wandte sich dann mit demselben marmornen Ausdrucke im Gesichte zum Geheimsekretär, dem er einige Zeilen zu lesen gab.

Dessen Gesicht nahm einen feierlich ehrfurchtsvollen Ausdruck, sein ganzes Benehmen einen Anstand an, von dem früher auch nicht die leiseste Spur zu vermerken gewesen.

»Jesu Maria! Was ist's? Was gibt's?« schrien nun die Kavaliere, die mit atemloser Spannung diese Symptome einer veränderten Gemütsstimmung im Gesichte des Spaniers gelesen hatten.

»Sie werden es hören, Señorias,« wandte sich der Graf mit derselben ehrfurchtsvollen Gelassenheit an sie, »wenn Sie sich bis zu unserer Rückkehr gedulden wollen, wogegen nun hoffentlich Don Ruy Gómez nichts ferner einzuwenden haben wird. Señorias!« fuhr er mit erhöhter Stimme fort, »die Nachrichten, die uns unser Kurier soeben gebracht, sind von einer solchen Wichtigkeit, daß wir nicht umhin können, sogleich zu Sr. Exzellenz zu eilen, um sie Hochdemselben zur hohen Einsicht vorzulegen, wobei wir Se. Herrlichkeit den Marquis de Grijalba ersuchen, uns zu begleiten; und wenn es«, wandte er sich zum Geheimschreiber, »von einem spanischen Hidalgo nicht zu viele Herablassung ist, einen Sitz im Wagen eines armen mexikanischen Grafen anzunehmen, so bieten wir diesen Don Ruy Gómez ehrfurchtsvoll an.«

Kein Zug von Spott oder Hohn zeigte sich bei diesen Worten in den Mienen des Grafen, und es blieb zweifelhaft, ob seine Einladung nicht mit der überreichlichen Demut eines Kreolen gegenüber seinem spanischen Gebieter ausgesprochen war. Der Geheimsekretär schien sie wenigstens ganz in diesem Sinne zu verstehen.

»Wir nehmen«, sprach er stockend, obwohl mit aller spanischen Grandeza, »das Anerbieten Sr. Herrlichkeit an.«

Die beiden entfernten sich unter dem Vortritte des Mayordomo und mehrerer Diener, und bald darauf verkündete das Rasseln einer Kutsche ihre Abfahrt.


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