Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünftes Kapitel

Der Palast, in dem die Hofkur gehalten wurde, und dem die ehrenvollere Bestimmung zuteil geworden, die obersten Behörden einer freien Republik in seinen Mauern zu vereinigen, war ganz geeignet, den Repräsentanten eines mächtigen Herrschers mit den höchsten Landesstellen und einen glänzenden Adel aufzunehmen.

Die Torwege und die Säulenhalle wimmelten von Scharen reich gekleideter Hofdiener, Leibgardisten und Livreebedienten, mit Wachtposten vermischt, die an die Staatstreppen hinanstanden, und an die sich eine zweite Schar noch reicher gekleideter Hausoffiziere anschlossen, die zum Teil einen weiten Vorsaal einnahmen oder vor den Flügeltüren des Audienzsaales gerichtet standen. Gruppen von Adjutanten und Offiziere aller Grade und Waffen bildeten jene malerische Mischung, die vielleicht mehr als der glänzende Hof selbst geeignet war, das Bild höchster Gewalt recht imponierend vor Augen zu bringen. Zwei reich gekleidete Höflinge bewachten den Eingang und überlieferten die zum Eintritt Berechtigten immer dem Zeremonienmeister.

Der große und hohe Audienzsaal, mit glänzenden Teppichen belegt, war in jenem altertümlichen Geschmacke verziert, der eine lange bestehende und fest begründete Herrschaft andeutet. An den Wänden glänzten ungeheure Spiegel, abwechselnd mit langen Reihen von Wappenschildern, die die absoluten Ansprüche der verschiedenen Herrscherfamilien Spaniens auf beinahe alle Länder des Erdbodens darstellten. Eine reiche, obwohl etwas verblichene Draperie von Purpur und chinesischem Atlas, mit Gold verbrämt, zog sich oberhalb dieser den Wänden entlang zu einem Thronhimmel, unter dem sechs Stufen hoch ein schwerfälliger vergoldeter Armsessel mit hoher Lehne stand, auf dem die Attribute der königlichen Würde lagen. Zu beiden Seiten dieses Thronsitzes, drei Stufen niedriger, befanden sich zwei andere Sessel auf Estradas, und darüber gleichfalls Baldachine, obwohl um vieles einfacher. Eine dritte Stufe hatte wieder mehrere Sitze, jedoch ohne Baldachine. Alle waren mit kostbaren, aber einigermaßen gealterten Fußteppichen bedeckt; zwei Reihen von Sesseln zu beiden Seiten des Salons vollendeten die Einrichtung.

Sowie der Erzbischof eingetreten war, erhoben sich sämtliche Anwesende und verneigten sich. Während der geistliche Würdenträger zu den Stufen des Thrones vorschritt, öffneten sich die oberen Flügeltüren, und ein prachtvoll glänzender Zug trat von dieser Seite ein. An seiner Spitze befand sich der Virey, Vizekönig dem königliche Gunst das Wohl und Wehe des reichsten Königreiches der neuen Welt mit sieben Millionen seiner Bewohner zur unumschränkten Disposition überliefert hatte. Er war ein feingebildeter Mann mittlerer Größe und trug die Feldmarschallsuniform Spaniens mit dem großen Bande des Ordens Karls III. Die Weise, wie er den Erzbischof empfing, verriet jene scheinbar hohe Ehrfurcht, mit der kluge Staatsmänner die geistlichen Stützen zeitlicher Gewalt vor den Augen der Menge zu ehren verstehen, wenn sie gleich von dem lebenden Prinzip der Religion wenig oder gar nicht durchdrungen sind. Seine Verbeugung war beinahe demütig, und der schärfste Beobachter dürfte vergeblich einen Zug von Spott in dem Gesichte des Vizekönigs gesucht haben, der auf mehreren seines Gefolges nicht undeutlich zu lesen war. Andererseits schien der geistliche Würdenträger sich vollkommen seines hohen Ranges bewußt, und es war an ihm nichts von jener affektierten Demut zu spüren, die wir an den Vorstehern dieser Kirche in Ländern zu bemerken Gelegenheit haben, wo ihre Autorität auf unsichern Pfeilern schwankt; eine gewisse Verlegenheit allenfalls ausgenommen, die dem Gesichte einen finstern Ausdruck verlieh, und die vielleicht dem Pereat zuzuschreiben war, das der Schutzpatronin seines Geburtslandes und so ihm selbst von dem Pöbel gebracht worden.

Das tiefste Schweigen herrschte während der Unterhaltung der beiden Würdenträger, an der bloß noch eine Person unmittelbaren Anteil nahm: eine starke, hagere Gestalt von muskulösem Körperbau, mit einem finstern, abschreckenden Gesichte und einem Paar kohlschwarzer, verglaster, stierer Augen, die, unter den buschig grauschwarzen Augenwimpern hervorglotzend, dem Manne etwas Gräßliches verliehen. Es war eine Art Satansgesicht, doch ohne dessen Geist, vielmehr eine Mischung von Bigotterie, Dummheit und Grausamkeit, die zugleich Ekel erregte.

Als die beiden Würdenträger und der Generalkapitän, denn dies war die hohe Charge des soeben beschriebenen Militärs, die Unterhaltung lange genug ausgedehnt hatten, um den Anwesenden gewissermaßen das innige Verhältnis zwischen Staat, Kirche und dem Schwerte bemerkbar zu machen, traten sie vor die Stufen des Thrones, um einen Zug von Damen zu empfangen, der sich nach einer kurzen Unterhaltung zur Linken des Thronhimmels auf der ersten Stufe aufstellte.

In der Art, wie sich jetzt die Spanier dem Virey näherten, lag etwas servil Niederträchtiges und wieder abstoßend Arrogantes. Sie kamen in der ehrfurchtsvollsten Stellung heran; aber in dieser geheuchelten Ehrfurcht lag wieder ein Hohnlächeln, das deutlich verriet, ihre Huldigung gelte dem Abglanz der Majestät nur insoferne, als diese ihre eigenen Pläne unterstützte, und daß sie tief fühlten, sie befänden sich in einem Lande auf dessen unbeschränkte Beherrschung sie einzig und allein Anspruch hätten, obgleich sie in ihrem eigenen Lande Sklaven waren.

Ängstlich und beinahe furchtsam, mit einem leeren, nichtssagenden, aristokratischen Lächeln und kriechenden Bücklingen kamen die Kreolen heran, voll süßen Schauers bei ihrer Annäherung zur höchsten Personnage, wagten sie kaum aufzutreten, und die unnennbare Seligkeit, die ihre Gesichter überstrahlte, wenn ein Wort vom Virey ihnen zuteil wurde, war um so widerlicher, als der unverkennbare Hohn ihrer Vorgänger den Kommentar zu dieser Wonne bildete.

Nachdem die Vorstellung der Herren auf der rechten Seite des Saales vor sich gegangen, waren sie auf die linke geführt worden, wo sie zum Handkusse der Gemahlin des Stellvertreters des Königs zugelassen, die Damen aber mit einer Umarmung oder einem mehr oder weniger verbindlichen Knickse empfangen wurden, um nach einer kürzeren oder längeren Unterhaltung, die wieder eine größere oder mindere Wohlgewogenheit andeuten sollte, ebenso entlassen zu werden.

Derselbe Stolz von Seiten der Spanierinnen; doch schien bei den kreolischen Frauen die Eifersucht gegen ihre Nebenbuhlerinnen weit charakteristischer hervortreten zu wollen, als dies von Seiten ihrer Ehemänner der Fall gewesen war. Auch in ihrem Putze hatten sich die zwei schönen Hälften einander sozusagen feindselig gegenübergestellt, und während die Spanierinnen in die Robe des Landes gekleidet waren, hatten die Kreolinnen die Toilette des Volkes, welches die Regierung Spaniens über den Haufen geworfen, vorgezogen.

Unter den jüngeren Damen gab es ungemein herrliche Gestalten, und der zart gebräunte Teint und das liebeglühende Auge verrieten auch unter den mißstaltenden Anzügen die Sprößlinge des glühenden Andalusiens und des stolzen Kastiliens.

Die Sonne jedoch, um welche sich der ganze Kreis bewegte, war der Virey, und der Spanier selbst schien die ihm angeborene Galanterie für den Augenblick vergessen zu haben, um dem Repräsentanten königlicher Majestät und so sich selbst die höchst mögliche Huldigung darzubringen.

Nichts konnte aber auch der würdevollen Anmut gleichkommen, mit welcher diese Person ihre Regentenrolle spielte. Auch den Zagendsten schien er ermutigen zu wollen durch freundliche Milde, die recht angelegentlich aufzufordern schien, sich behaglich in seiner Nähe zu fühlen. Allen wußte der Mann etwas Verbindliches zu sagen; doch war diese seine Freundlichkeit wieder sehr veränderlich; bei einigen schien sie mehr ins Vertrauliche übergehen zu wollen, während bei andern wieder die Amtsmiene oder gnädige Herablassung vorherrschte. Die Geläufigkeit, mit der er die verschiedenartigsten Fragen gleichsam im Vorbeigehen und doch zugleich so angelegentlich an jeden richtete, war bewundernswert. Einige dieser Fragen bezogen sich auf das gute Aussehen der Befragten und das Vergnügen, das er empfand, einen so getreuen Diener seines Herrn in so vollkommenem Wohlsein zu sehen; andere auf Familienverhältnisse, in welchen der hohe Mann bis zu einem gewissen Punkte bewandert schien; noch andere auf das Fach, dem der Befragte vorstand; alle aber waren in jener oberflächlich gefälligen Manier vorgebracht, die gewissermaßen den Fragenden als über tiefere Kenntnis des von ihm berührten Gegenstandes erhaben darstellen sollten. Mehrere Male fand es die hohe Person auch für dienlich, Worte leiser zu sprechen, die hinlängliche Inhaltsschwere hatten, dem Angeredeten das Blut in das olivenfarbige Gesicht zu jagen, ohne daß sie dem Virey mehr als ein gnädiges Lächeln gekostet hätten. Die Stimme des Oberkammerherrn, der neue Ankömmlinge verkündete, brachte endlich in dem Gesichte des geschmeidigen Hofmannes eine Art Stillstand hervor, und seine Muskeln zuckten zum ersten Male in dem augenblicklichen und, wie es schien, schweren Kampfe, den es ihm kostete, sie in das vorige Lächeln zu glätten.


 << zurück weiter >>