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Einundzwanzigstes Kapitel.

Nachdem Julian sein Pferd versorgt hatte, trat er in die Küche der Herberge, welche zugleich das Gastzimmer vorstellte. Der Tisch wurde mit einem reinlichen Damasttuch gedeckt, und Julian erwartete ungeduldig die Mahlzeit, als ein neuer Gast in's Zimmer trat.

Auf den ersten Blick erkannte Julian, zu seiner Ueberraschung, denselben schlecht gekleideten hagern Mann wieder, der während seines ersten mit Bridlesley gemachten Handels sich dienstfertig mit seinem Rath einmischte. Mißvergnügt über die aufgezwungene Gesellschaft eines Fremden, war Peveril noch weniger zufrieden, einen solchen zu treffen, der einige Ansprüche auf Bekanntschaft machen möchte, weil seine Umstände ihn die größte mögliche Zurückhaltung zu beobachten nöthigten. Er wandte daher dem ihm bestimmten Tischgenossen den Rücken zu, und stellte sich, als sehe er aus dem Fenster, entschlossen, alle ihm nicht abgezwungene Unterredung zu vermeiden.

Unterdessen wurden die bereiteten Speisen von der Wirthin, einer jungen, muntern Frau, aufgetragen, und ein schäumender Krug selbstgebrauten Bieres dazwischen gesetzt.

»Ich trinke Eure Gesundheit in diesem Biere,« sprach der ältere Fremde.

»Ich danke Euch, mein Herr,« versetzte die Wirthin; »aber ich darf Euch nicht Bescheid thun, denn mein Mann sagt, das Doppelbier sei für Weiber zu stark; darum trink' ich nur manchmal ein Glas Sekt mit einem Gevatter, oder einem Herrn, der Lust hat.«

»So sollt Ihr eines mit mir trinken, Frau Wirthin,« sagte Peveril, »wenn Ihr mir eine Flasche besorgen wollt.«

»Die sollt Ihr sogleich haben, lieber Herr, aber ich muß zuvor bei meinem Mann den Schlüssel holen.«

Mit diesen Worten schürzte sie ihren Rock höher und eilte in die nahe Mühle, welche neben der Herberge ihrem Manne gehörte. Es währte nicht lange, so kehrte sie mit dem Wein und in Begleitung des Müllers zurück, der auf Julians Einladung seine staubige Mütze abnahm, sich an's Ende einer Bank, eine Elle vom Tische entfernt, niedersetzte, ein Glas Kanariensekt füllte und seinen Gästen, und »insbesondere dem edlen Herrn,« auf Peveril zeigend, der den Kanariensekt bestellt hatte, die Gesundheit zutrank.

Julian erwiederte die Höflichkeit, trank auf sein Wohlsein und fragte, was es Neues in der Gegend gäbe.

»Nichts, mein Herr, ich höre von nichts, außer von diesem Complot, wie sie's nennen, daß sie die Papisten rings herum verfolgen; aber es bringt Wasser auf meine Mühle, wie das Sprüchwort sagt. Unter Expressen, die hin und her eilen, und hin und wieder reitenden Wachen und Gefangenen, und der Kundschaft der Nachbarn, die, um den Abend mit Neuigkeiten zu verplaudern, alle Abende, kann ich sagen, statt einmal in der Woche, zusammen kommen, – ei da ist der Zapfen geschäftig, ihr Herren, und der Wirth kommt zu Gedeihen; und dann hab' ich, im Dienste der Polizei und als bekannter Protestant, ich getraue mir zu sagen, gegen zehn Fässer Bier mehr als gewöhnlich verzapft, und noch dazu ziemlich viel Wein verkauft.«

»Ich kann mir leicht vorstellen, mein Freund!« sagte Julian, »daß Neugierde eine Leidenschaft ist, die nothwendig in's Bierhaus läuft; und daß Zorn, und Eifersucht, und Furcht lauter durstige Leidenschaften sind. Aber ich bin in diesen Gegenden vollkommen fremd; und ich möchte gern von einem verständigen Mann, wie Ihr seid, etwas von dem Complot erfahren, von dem die Leute so viel reden, und so wenig zu wissen scheinen.«

»Etwas davon erfahren? – Je nun, es ist ein entsetzliches, verdammenswerthes, blutdürstiges Complot – Doch halt, halt; Ihr glaubt doch an dieses Complot, Herr? denn außerdem müßte der Richter ein Wort mit Euch sprechen, so wahr ich Johann Whitecraft heiße.«

»Das wird nicht nöthig sein,« sagte Peveril; »denn ich versichere Euch, Herr Wirth, ich glaube an das Complot so ehrlich und vollkommen, als ein Mensch an Etwas glauben kann, das er nicht versteht.«

»Gott verhüte, daß Jemand behauptete, es zu verstehen,« sagte der Wirth; »denn der hochachtbare Richter sagt, es sei ihm eine ganze Meile zu hoch, und er ist doch so scharfsichtig, als irgend einer. Aber die Menschen mögen glauben, wenn sie auch nicht verstehen; und das ist's, was die Römischkatholischen selbst sagen. Aber davon bin ich überzeugt, es macht eine seltsame, unruhige Zeit für Richter und Zeugen und Polizeidiener. – Auf Eure Gesundheit, meine Herren, ein Glas des feinsten Kanariensekts.«

»Höre, höre, Johann,« sagte seine Frau, »wirf dich nicht weg, indem du Zeugen mit Richtern und Polizeidienern zusammen nennst. Die ganze Welt weiß, wie sie zu ihrem Gelde kommen.«

»Ja, Frau; aber die ganze Welt weiß, daß sie dazu kommen; und das ist ein großer Trost. Sie rauschen einher in ihrer Seide, und prahlen in ihrem Leder und Scharlach. Wer sonst, als sie?« –

»Ich verstehe alle diese Sachen nicht, ganz und gar nicht,« sagte die Wirthin, »und wenn hundert Jesuiten zu einer Berathschlagung in mein Haus kämen, so würde ich denken, es läge ganz außer meinem Fache, Zeugniß wider sie abzulegen, vorausgesetzt, daß sie hübsch tränken und ihre Zeche bezahlten.«

»Ganz recht, Frau Wirthin,« sagte ihr älterer Gast; »das heiße ich gut gewirthschaftet; und so will ich meine Zeche sogleich bezahlen, und meiner Wege ziehen.«

Peveril seinerseits verlangte auch seine Rechnung, und bezahlte sie so freigebig, daß der Müller den Hut schwenkte, als er ihm seinen Bückling machte, und die Wirthin sich bis an den Boden verneigte.

Die Pferde beider Gäste wurden vorgeführt, und sie stiegen auf, um in Gesellschaft abzureisen. Der Wirth und die Wirthin standen in der Thüre, um sie abreisen zu sehen. Der Wirth bot dem ältern Gaste ein Glas, während die Wirthin Peveriln eins aus ihrer eignen besondern Flasche reichte. In dieser Absicht stieg sie mit Flasche und Glas in der Hand auf den Aufsteigeblock, so daß es dem scheidenden Gast leicht war, auch vom Pferde ihre Artigkeit auf die beste Art zu erwiedern, indem er nämlich seinen Arm über ihre Schulter legte, und ihr den Abschiedsgruß zurief. Augenscheinlich aber hatte sie sonst noch Etwas im Kopfe; denn als sie, nach einem kurzen scheinbaren Widerstande, Peverils Gesicht sich dem ihrigen nähern ließ, flüsterte sie ihm in's Ohr: »Hütet Euch vor Fallstricken!« – Er drückte ihr die Hand, zum Zeichen, daß er ihren Wink verstand, und sie schüttelte ihm die seinige herzlich, und empfahl ihn Gottes Schutze. Des Wirths Stirne umwölkte sich, und sein letztes Lebewohl klang nicht halb so herzlich, als das, welches er ihm in der Thüre zugerufen hatte. Aber Peveril bedachte, daß derselbe Gast dem Wirthe und der Wirthin nicht immer gleich angenehm sein könne; und sich nicht bewußt, irgend etwas dem Müller Mißfälliges gethan zu haben, verfolgte er seine Reise, ohne an die Sache weiter zu denken.

Julian war etwas befremdet und mißvergnügt, als er sah, daß sein neuer Bekannter denselben Weg mit ihm fortsetzte. Er hatte viele Gründe, allein zu reisen; und die Warnung der Wirthin klang immer noch in seinen Ohren. War dieser Mann, der viele Schlauheit in Benehmen und Gespräch verrieth, ein verkappter Jesuit oder ein Priester aus einem Seminarium, der zur Bekehrung Englands und zur Ausrottung der Ketzerei umherzog, – so war dieß für ihn ein sehr gefährlicher Reisegefährte, weil er, indem er mit ihm Gesellschaft machte, Alles zu bestätigen scheinen konnte, was die Gerüchte über die Anhänglichkeit seiner Familie an die Sache der Katholiken verbreitet hatten. Zu gleicher Zeit war es, ohne wirkliche Grobheit, sehr schwer, der Gesellschaft eines Mannes sich zu entledigen, der, er mochte mit ihm sprechen oder nicht, entschlossen schien, immer neben ihm her zu reiten.

Nach einer ziemlich langen Pause fragte Julian den Fremden, ob ihre Wege wohl in gleicher Richtung zusammen fortgehen würden.

»Ich kann es nicht sagen,« antwortete der Fremde lächelnd, »wofern ich den Weg nicht weiß, den Ihr zu nehmen gedenkt.«

»Ich weiß nicht, wie weit ich heute reisen werde,« entgegnete Julian.

»Und das ist bei mir auch der Fall,« erwiederte der Fremde. »Allein, obgleich mein Pferd besser läuft, als das Eurige, so denk' ich, wird's doch klüger sein, es zu schonen, und wenn unsere Reise denselben Weg führen sollte, so werden wir wohl zusammen zu Abend speisen, wie wir mit einander zu Mittag gespeist haben.«

Julian gab keine Antwort auf diese offene Erklärung, sondern ritt weiter und überlegte bei sich, ob es nicht das Klügste wäre, seinem hartnäckigen Begleiter mit eben so viel Worten gerade heraus zu erklären, daß er Lust habe, allein zu reisen. Allein da er sich über den Charakter und Zweck dieses Fremden irren konnte, in welchem Falle die grobe Abweisung der Gesellschaft eines echten Protestanten einen eben so fruchtbaren Stoff zum Verdacht geben mußte, als das Reisen in Gesellschaft eines verkleideten Jesuiten, so beschloß er nach kurzer Ueberlegung, sich die Gesellschaft des Fremden gefallen zu lassen, bis eine gute Gelegenheit käme, sich seiner zu entledigen, und unterdessen mit aller möglichen Vorsicht in jeder zwischen ihnen vorkommenden Mittheilung zu verfahren; denn die Warnung der Wirthin beim Abschiede klang noch immer in seinen Ohren, und die Folgen, wenn er auf Verdacht festgehalten würde, mußten ihn jeder Gelegenheit berauben, seinem Vater, oder der Gräfin, oder dem Major Bridgenorth zu dienen, dessen Interesse er auch sich vorgenommen hatte, im Auge zu behalten.

Sie kamen nun, still weiter reitend, auf ein unfruchtbares Land und schlechtere Wege, als sie bisher getroffen hatten; denn sie näherten sich jetzt der gebirgigeren Grafschaft Derby. Julians Pferd stolperte mehremale, und wäre gestürzt, wenn er es nicht als gewandter Reiter auf den Beinen erhalten hätte.

»Dieß sind Zeiten, die behutsames Reiten fordern,« sagte sein Gefährte, »und nach dem, wie Ihr im Sattel sitzt, und den Zügel haltet, scheint Ihr es gut zu verstehen.«

»Ich bin schon lange Reiter gewesen,« antwortete Peveril.

»Und auch lange auf Reisen, mein Herr, wie ich vermuthe, weil Ihr, bei der großen Vorsicht, die Ihr beobachtet, zu glauben scheinet, die Menschenzunge brauche eben so gut einen Zaum, als das Pferd die Kinnkette.«

»Weisere Männer als ich,« sagte Peveril, »sind der Meinung gewesen, es gehöre zur Klugheit, zu schweigen, wenn man wenig oder nichts zu sagen hat.«

»Ich kann Eurer Meinung nicht beitreten,« antwortete der Fremde. »Alle Erkenntniß wird durch Mittheilung gewonnen, entweder durch Bücher, oder angenehmer durch Unterredung. Die Taubstummen allein sind von der Vervollkommnung ausgeschlossen; und wahrhaftig, ihre Lage ist nicht so beneidenswerth, daß wir ihnen nachahmen sollten.«

Bei dieser Erläuterung, welche einen erschütternden Wiederhall in Peverils Brust erweckte, sah der junge Mann seinen Gefährten scharf an, las aber in der gesetzten Miene und dem ruhigen blauen Auge kein Bewußtsein einer weitern Bedeutung, als unmittelbar in den Worten lag. Er hielt einen Augenblick inne, und gab dann dem Fremden zur Antwort:

»Ihr scheint ein Mann von scharfem Beobachtungsgeiste zu sein, mein Herr, und solltet, mein' ich, wohl gefunden haben, daß man, in der gegenwärtigen argwöhnischen Zeit, gegen Fremde zurückhaltend sein müsse. Ihr kennt mich nicht, und seid mir gänzlich unbekannt. Es gibt wenig Stoff zum Gespräch für uns, wenn wir nicht die allgemeinen Gegenstände des Tages besprechen wollen, welche nur Keim zum Streit zwischen Freunden, und noch mehr zwischen Fremden in sich enthalten. Zu jeder andern Zeit würde mir ein verständiger Gesellschafter auf meinem einsamen Ritt höchst willkommen gewesen sein; aber jetzt –«

– »Jetzt!« fiel ihm der Fremde in die Rede, »Ihr gleicht den alten Römern, bei denen hostis einen Fremden und einen Feind bedeutete. Ich will daher nicht länger ein Fremder sein. Mein Name ist Ganlesse – ich bin von Profession ein römischkatholischer Priester – und reise hier in Furcht für mein Leben – und bin sehr froh, Euch zum Gesellschafter zu haben.«

»Ich danke Euch von ganzem Herzen für die Eröffnung,« sagte Peveril, »und um sie mir im vollen Grade zu Nutze zu machen, muß ich Euch bitten, voran zu reiten oder zurück zu bleiben, oder einen Seitenweg zu nehmen, wie es Euch beliebt; denn da ich kein Katholik bin, und in sehr wichtigen Angelegenheiten reise, so bin ich dem Aufenthalt, und selbst der Gefahr ausgesetzt, wenn ich so verdächtige Gesellschaft halte. Darum, Herr Ganlesse, reitet Euern gewöhnlichen Schritt, und ich will den entgegengesetzten halten; denn, verzeiht, ich muß Eure Gesellschaft meiden.«

Indem Peveril so sprach, zog er den Zügel an und machte Halt.

Der Fremde brach in ein Gelächter aus. »Was!« sagte er, »Ihr wollt meine Gesellschaft einer so unbedeutenden Gefahr wegen meiden? Heiliger Antonius! Wie das warme Blut der alten Ritter bei den jungen Männern dieser Zeit abgekühlt ist!«

»Diese Spötterei hilft zu nichts,« sagte Peveril; »ich muß Euch bitten, allein zu reisen.«

»Mein Weg ist der Eurige,« versetzte jener, »und wir werden Beide um so sicherer reisen, wenn wir in Gesellschaft reisen.«

Peveril ritt weiter, um offene Gewalt zu vermeiden, wozu der gleichgültige Ton des Reisenden freilich keinen schicklichen Vorwand gab, aber sehr verdrießlich über seinen Gesellschafter, und entschlossen, sich bei erster Gelegenheit von ihm los zu machen.

Der Fremde setzte seinen Ritt in gleichem Schritt mit ihm fort, und hielt sich bedächtig an der Seite seiner Hand, die den Zaum führte, um sich diesen Vortheil im Fall eines Kampfes zu sichern. Aber seine Sprache verrieth nicht die mindeste Furcht. »Ihr thut mir Unrecht,« sagte er zu Peveril, »und Euch gleichfalls. Ihr wißt nicht, wo Ihr zu Nacht bleiben sollt, – vertraut Euch meiner Leitung an. Zwei Stunden von hier ist ein altes Herrenhaus, wo Ihr gastliche Aufnahme und hübsche Mädchen findet.«

»Das hat keine Reize für mich,« entgegnete Peveril kurz abbrechend.

»Ich sehe, ich kann Euch auf diese Art nicht gewinnen,« fuhr sein Begleiter fort; »ich muß einen andern Ton angeben. Ich bin nicht mehr Ganlesse, der Priester des Seminariums, sondern,« er änderte hier seinen Ton und sprach durch die Nase, »Simon Canter, ein armer Prediger des Worts, der diesen Weg reist, um Sünder zur Buße zu bekehren, und zu stärken, und zu erbauen, und zu befruchten, Jeden unter dem zerstreuten Häuflein, der noch an der Wahrheit festhält. – Was sagt Ihr dazu, mein Herr?«

»Ich bewundere Eure Gewandtheit, und könnte zu anderer Zeit daran Unterhaltung finden. Doch wir sind nun fast aus dem engen Wege, der uns für diese halbe Stunde zu Gesellschaftern gemacht hat. Um Eure fernere Gesellschaft zu vermeiden, will ich auf dieser Landstraße mich links wenden, und wenn Ihr mir folgt, wird es auf Eure Gefahr geschehen. Ihr seht, ich bin gut bewaffnet, und Ihr werdet einen ungleichen Kampf haben.«

»Nicht ungleich,« erwiederte der Fremde, »weil ich meinen braunen Zelter habe, mit dem ich nach Belieben reiten kann, und diesen Text (er zog bei diesen Worten eine Pistole aus dem Busen), der auf den Druck des Zeigefingers eine sehr überzeugende Lehre gibt, und alle vermeinte Ungleichheit von Jugend und Stärke ausgleichen kann. Indeß wollen wir keinen Streit haben – der Sumpf liegt vor uns – nehmet Ihr Euren Weg dahin – ich nehme den andern.«

»Ich wünsche Euch gute Nacht, mein Herr,« sagte Peveril zu dem Fremden. »Ich bitte um Vergebung, wenn ich Euch in Etwas falsch beurtheilt habe; aber die Zeiten sind gefährlich, und eines Menschen Leben kann von der Gesellschaft abhangen, in der er reiset.«

»Es ist wahr,« sagte der Fremde, »aber in Eurem Falle ist die Gefahr schon übernommen, und Ihr solltet ihr zu widerstehen suchen. Ihr seid in meiner Gesellschaft lange genug gereist, um ein hübsches Stück des papistischen Complots zu errathen. Was werdet Ihr für Augen machen, wenn Ihr, in stattlichem Folioformat, herauskommen sehet die Erzählung Simon Canter's, sonst Stephan Ganlesse genannt, betreffend die furchtbare papistische Verschwörung zum Morde des Königs und zur Niedermetzelung aller Protestanten, eidlich dem hochachtbaren Unterhause übergeben; darlegend, in wiefern Julian Peveril, Junker vom Schloß Martindale, in Beförderung derselben betheiligt ist –«

»Ihr scheint mich zu kennen, mein Herr,« sagte Peveril, »und wenn das ist, so darf ich Euch wohl freundlich um die Absicht fragen, warum Ihr mir Gesellschaft leistet, und was das Alles bedeuten soll. Ist es bloßer Scherz, so kann ich ihn in gehörigen Grenzen wohl vertragen, wenn er auch unhöflich von Seiten eines Fremden ist. Wenn Ihr aber irgend einen Zweck weiter habt, so sprecht ihn aus, ich will nicht mit mir spielen lassen.«

»Ei, ei,« sagte der Fremde lachend, »in welche Hitze seid Ihr gerathen!« Darauf nahm er schnell einen ernsthaften Ton an und fuhr fort: »Junger Mann, wenn die Pest durch die Luft einer Stadt verbreitet ist, so werden die Leute vergeblich der Seuche zu entgehen suchen, indem sie zur Einsamkeit ihre Zuflucht nehmen, und die Gesellschaft ihrer Leidensgenossen meiden.«

»Worauf beruht denn ihre Rettung?« sagte Peveril, der, wo möglich, die Absicht seines Gefährten zu erforschen wünschte.

»Auf Befolgung des Raths verständiger Aerzte;« antwortete der Fremde.

»Und als ein solcher bietet Ihr mir Euren Rath an?« sagte Peveril.

»Verzeiht,« erwiederte der Fremde trotzig; »ich sehe keinen Grund, warum ich das thun sollte.« – »Ich werde,« setzte er in seinem vorigen Tone hinzu, »nicht als Euer Arzt besoldet – ich biete keinen Rath an – ich sage nur – es wäre klug, wenn Ihr Rath suchtet.«

»Und von wem, oder wo kann ich ihn erhalten?« sagte Peveril. »Ich wandere, wie Einer im Traume, in dieser öden Gegend; so viel haben wenige Monate verändert. Ich treffe einen Fremden, der, wie es scheint, mit meinem Namen und meinen Angelegenheiten wohl bekannt ist, sich erst an mich hängt, ich mag wollen oder nicht, und hernach mir die Eröffnung seines Geschäfts verweigert, während er mich mit den seltsamsten Beschuldigungen bedroht.«

»Hätt' ich solche Niederträchtigkeit im Sinne gehabt,« antwortete der Fremde, »glaubt mir, ich würde Euch nicht den Faden meiner Intrigue in die Hand gegeben haben. Aber seid klug und geht mit mir weiter. Hier ist ganz nahe ein kleines Wirthshaus, wo wir, wenn Ihr der Versicherung eines Fremden traut, ganz sicher schlafen werden.«

»Doch war't Ihr ja selbst nur vor Kurzem besorgt, bemerkt zu werden;« sagte Peveril; »und wie könnt Ihr in diesem Falle mich beschützen?«

»Ha! was Topham und seine paar Nachteulen betrifft, so müssen sie sich an eine andere und bessere Beute halten, als ich sein würde.«

Peveril konnte sich nicht enthalten, die leichte und zuversichtliche Gleichgültigkeit zu bewundern, womit der Fremde sich über alle gefährlichen Umstände hinweg zu setzen schien, und nach schneller Ueberlegung der Verhältnisse kam er zu dem Entschlusse, wenigstens diese Nacht mit ihm noch Gesellschaft zu machen, und, wo möglich, zu erforschen, wer er eigentlich wäre, und welcher Partei im Staate er anhinge. Die Kühnheit und Freiheit seiner Sprache schien sich schwerlich damit zu vertragen, daß er das gefährliche, doch um diese Zeit einträgliche Gewerbe eines Angebers treiben sollte. Freilich nahmen solche Personen jede Gestalt an, die ihnen das Zutrauen ihrer ausersehenen Schlachtopfer gewinnen konnte; doch glaubte Julian in dem Benehmen dieses Mannes eine unbekümmerte Offenheit zu entdecken, die er mit Aufrichtigkeit im gegenwärtigen Falle zu erwiedern sich nicht enthalten konnte. Er antwortete daher nach kurzer Ueberlegung: »Ich nehme Euren Vorschlag an, wiewohl ich dadurch vielleicht ein unvorsichtiges Zutrauen beweise.«

»Und wie ist's denn mit meinem Zutrauen gegen Euch?« sagte der Fremde; »Ist nicht unser Zutrauen wechselseitig?«

»Nein; vielmehr das Gegentheil. Ich weiß nichts von Euch; da aber Ihr mich als Julian Peveril kennt, so wiss't Ihr, daß Ihr mit mir in völliger Sicherheit reisen könnet.«

»Den Teufel auch!« antwortete sein Gesellschafter. »Ich reise mit derselben Sicherheit, als bei einer angezündeten Petarde, die alle Augenblicke losspringen kann. Seid Ihr nicht der Sohn Peverils vom Gipfel, und kommt Ihr nicht von der papistischen Gräfin von Derby, und bringt, so viel ich weiß, ein ganzes Heer Manenser in Eurer Tasche, mit voller Ausrüstung an Waffen, Munition, Gepäck und einem Zug Feldartillerie?«

»Ich wäre wohl nicht so schlecht beritten,« sagte Julian lachend, »wenn ich eine solche Last mit mir führte. Aber nur immerfort, mein Herr. Ich sehe, ich muß auf Euer Zutrauen warten, bis Ihr es schicklich findet, es mir zu schenken; denn Ihr seid mit meinen Angelegenheiten schon so gut bekannt, daß ich Euch nichts zur Erwiederung dagegen bieten kann.«

»Also vorwärts,« sagte sein Gefährte; »gebt Eurem Pferde den Sporn, wir sind nun nicht über einen Feldweg mehr vom Wirthshause entfernt.«

Sie ritten nun schneller, und gelangten bald an das einsame Wirthshaus, das der Reisende erwähnt hatte. Mit einem Male sagte der Fremde, als wenn er sich auf Etwas besänne, das er vergessen hätte: »Auf dem Wege müßt Ihr einen Namen haben, unter dem Ihr passirt; denn mit Eurem eignen Namen möchtet Ihr nicht gut berathen sein, da der Mann, der diese Herberge hält, ein alter Cromwellianer ist. Wie wollt Ihr Euch nennen? – Mein Name ist für jetzt Ganlesse.«

»Es ist gar überhaupt nicht nöthig, einen Namen zu führen,« sagte Julian. »Ich bin nicht geneigt, einen fremden Namen anzunehmen, besonders da ich auf Jemand treffen könnte, der meinen eignen kennte.«

»So will ich Euch Julian nennen,« sagte Ganlesse; »denn Peveril riecht in der Nase meines Wirths nach Abgötterei, Verschwörung und dem Fegefeuer.«

Während er so sprach, stiegen sie unter der großen, weit sich ausbreitenden Eiche ab, welche die Schenke überschattete. Sie traten in das Haus, welches Julian besser eingerichtet fand, als er erwartet hatte; ein Bekannter von Ganlesse, der sich Smith nannte, leistete ihnen Gesellschaft, und erst spät suchten sie nach einem üppigen Mahle und reichlich genossenem Weine das Lager.



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