Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel.

Lady Peveril blieb mehrere Stunden nach der Abreise ihres Mannes und der Gräfin vom Schlosse Martindale in keiner geringen Unruhe, besonders als sie erfuhr, daß Major Bridgenorth, über dessen Schritte sie geheime Erkundigung einzog, mit einer Partie zu Pferde gestiegen war, und westwärts die gleiche Richtung, wie ihr Mann, genommen hatte.

Endlich wurden ihre Besorgnisse wegen ihres Gatten und der Gräfin durch Whitaker's Ankunft gehoben, welcher dessen Grüße mitbrachte, und von dem Kampf zwischen ihm und Bridgenorth Nachricht gab.

Lady Peveril schauderte bei dem Gedanken, wie nahe sie der Erneuerung der bürgerlichen Feindseligkeiten gewesen waren, und während sie dem Himmel für ihres Mannes Erhaltung Dank brachte, konnte sie sich doch nicht des Bedauerns und der Besorgniß wegen der Folgen seines Kampfs mit Major Bridgenorth erwehren. Sie hatte nun einen alten Freund verloren, der sich als solcher unter Umständen der Widerwärtigkeit erwiesen hatte, welche Freundschaft auf die schwerste Probe stellen, und sie konnte es sich selbst nicht verbergen, daß Bridgenorth, so gereizt, ein beunruhigender, wo nicht gefährlicher Feind werden könne. – Seiner Rechte als Gläubiger hatte er sich bisher mit Nachsicht bedient, und wenn er Strenge anwenden sollte, so sah Lady Peveril, welche durch ihre Aufmerksamkeit auf das Hauswesen mit ihres Mannes Angelegenheiten weit besser, als er selbst, bekannt geworden war, daß daraus bedeutende Nachtheile für sie entstehen würden. Sie tröstete sich jedoch mit der Erwägung, daß sie noch einen starken Haltpunkt an Bridgenorth durch seine väterliche Zärtlichkeit besäße, und an der festen Meinung, die er bisher gezeigt, daß seine Tochter nur unter ihrer Pflege gedeihen könnte. Aber alle Hoffnungen auf Aussöhnung, welche Lady Peveril auf diesen Umstand gegründet haben mochte, wurden durch einen Vorfall vereitelt, der am nächsten Morgen stattfand.

Die schon erwähnte Gouvernante Deborah ging, wie gewöhnlich, mit den Kindern aus, ihren Morgenspaziergang im Park in Begleitung Rahels, eines als Gehülfin dienenden Mädchens, vorzunehmen. Aber sie kehrte nicht, wie gewöhnlich, zurück. Es war um die Stunde des Frühstücks, als Ellesmere mit vieler Förmlichkeit meldete, daß Deborah es nicht für gut gefunden, aus dem Park zurückzukommen, obgleich die Stunde des Frühstücks so nahe wäre.

»Nun so wird sie bald kommen,« sagte Lady Peveril mit Gleichgültigkeit.

Ellesmere antwortete mit einem kurzen, zweifelnden Husten, und sagte dann: Rahel sei mit dem kleinen Julian nach Hause geschickt worden, und der Gouvernante Deborah habe beliebt zu sagen, sie werde mit der kleinen Miß Bridgenorth bis an das Moultrassie-Holz gehen, welches ein Punkt war, wo des Majors Eigenthum, wie die Sachen jetzt standen, an Peveril's Besitzungen gränzte.

»Hat denn die Deborah den Verstand verloren,« rief die Lady Peveril etwas unwillig aus, »daß sie meinen Befehlen nicht gehorcht, und nicht zur rechten Zeit nach Hause kommt?«

»Sie möchte wohl den Verstand verlieren,« sagte Ellesmere geheimnißvoll; »oder sie möchte zu verschlagen werden, und ich denke, es wäre gut, wenn Euer Gnaden darauf sähen.«

»Auf was sehen, Ellesmere?« fragte die Lady ungeduldig. »Ihr sprecht recht unverständlich diesen Morgen. Wißt Ihr etwas zum Nachtheil des Mädchens, so sagt es nur heraus, ich bitte Euch.«

»Ich zum Nachtheil,« rief Ellesmere. »Ich mag weder Mann, noch Frau, noch Kind in Nachtheil bringen. Ich wünsche nur, daß Ihr um Euch seht, und Eure eigenen Augen braucht – das ist Alles.«

»Ihr heißt mich meine eigenen Augen gebrauchen, Ellesmere,« sagte die Lady; »aber ich vermuthe, es wäre Euch noch lieber, wenn ich zufrieden wäre, durch Eure Brille zu sehen. Ich befehle Euch also, und Ihr wißt, ich verlange Gehorsam – ich befehle Euch, mir zu sagen, was Ihr von diesem Mädchen, Deborah Debbitch, wisset oder argwöhnt.«

»Ich sehe durch eine Brille!« rief Ellesmere unwillig. »Euer Gnaden werden mir hierin verzeihen, denn ich gebrauche nie eine, ausgenommen eine von meiner armen Mutter, welche ich aufsetzte, als Ihr Eure Flügelhaube sorgfältig gestickt und genäht wünschtet. Kein Mädchen über sechszehn Jahre hat je ohne Brille weiß gesäumt. Und was den Argwohn betrifft, ich argwöhne nichts; denn da Ihr die Deborah Debbitch aus meiner Hand bekommen habt, so könnt Ihr sicher sein, daß nichts dabei von mir ersonnen ist. Nur, gnädige Frau« (hier fing sie an mit so geschlossenen Lippen zu sprechen, daß kaum ein Laut herausdringen konnte, und ihre Worte so zu spitzen, als wenn sie die Endungen derselben vorher verbissen hätte, ehe sie herauskamen), »nur, wenn Gouvernante Deborah so oft einen Morgen nach dem Moultrassie-Holze geht, ei, so sollt' ich mich nicht wundern, wenn sie den Weg nicht wieder zurückfände.«

»Noch einmal, was meinet Ihr, Ellesmere? Ihr zeigtet immer etwas Verstand. Laßt mich deutlich die Sache wissen.«

»Bloß das, gnädige Frau,« fuhr jene fort, »daß, seit Bridgenorth von Chesterfield zurückkam, und Euch im Schloßsaale sah, es der Gouvernante Deborah gefiel, die Kinder alle Morgen an den besagten Platz zu bringen, und es hat sich so getroffen, daß sie oft dem Major, wie sie ihn heißen, da auf seinen Spaziergängen begegnet ist; denn er kann nun herumgehen, wie andere Leute, und ich betheure Euch, sie hat keinen Schaden von dem Begegnen gehabt, auf eine Art wenigstens, denn sie hat sich einen neuen Hut gekauft, aber ob sie sonst Etwas, außer ein Stück Geld beabsichtigt hat, werden Euer Gnaden ohne Zweifel am besten beurtheilen.«

Lady Peveril, welche gern die gutmüthigere Erklärung von den Beweggründen der Gouvernante annahm, konnte sich doch über den Gedanken des Lachens nicht enthalten, daß ein Mann von Bridgenorth's bestimmten Wesen, strengen Grundsätzen, und gewohnter Zurückhaltung, in den Verdacht verliebter Absichten käme; und gern schloß sie, daß Deborah ihren Vortheil darin gefunden hatte, seiner väterlichen Zuneigung dadurch zu schmeicheln, daß sie ihm oft den Anblick seines Töchterchens während der wenigen Tage verschaffte, welche zwischen seinem ersten Erblicken der kleinen Alexie auf dem Schlosse, und den folgenden Ereignissen verflossen. Aber sie war etwas befremdet, als eine Stunde nach dem gewöhnlichen Frühstück, während welcher weder das Kind noch die Wärterin erschien, Major Bridgenorth's einziger Bedienter im Schlosse zu Pferde in Reisetracht ankam, und, nachdem er einen an sie selbst adressirten Brief, und einen an Mistreß Ellesmere abgegeben, ohne Antwort abzuwarten, wieder fortritt.

Lady Peveril brach den Brief hastig auf, und fand ihn folgenden Inhalts:

 

Gnädige Frau!

Ich schreibe Euch, mehr, mich selbst bei Euch zu entschuldigen, als Euch oder Andere anzuklagen, inwiefern ich weiß, daß es unserer gebrechlichen Natur besser ansteht, unsere eigenen Unvollkommenheiten zu bekennen, als uns über die der Andern zu beschweren. Auch bin ich nicht gesonnen, von vergangenen Zeiten zu sprechen, besonders in Hinsicht Eurer, indem ich wohl weiß, daß, wenn ich Euch in jener Periode gedient habe, als unser Israel triumphirend genannt werden konnte, Ihr mir mehr als vergolten habet, da Ihr mir ein Kind in meine Arme zurückgabt, gleichsam gerettet aus dem Schattenthale des Todes. Und daher, so wie ich Euer Gnaden die ungütige und gewaltsame Maaßregel von Herzen verzeihe, welche Ihr gegen mich bei unserm letzten Beisammensein ergriffen, bitte ich Euch auf gleiche Weise, mir zu vergeben, daß ich das Mädchen, Namens Deborah Debbitch, aus Eurem Dienste gelockt, deren Pflege, so wie sie unter Euer Gnaden Anleitung unterrichtet worden, für die Gesundheit meines theuersten Kindes wohl unentbehrlich ist. Ich hatte die Absicht, gnädige Frau, daß, mit Eurer gnädigen Erlaubniß, Alexie auf dem Schloß Martindale, unter Eurer gütigen Pflege bleiben sollte, bis sie so weit wäre, zwischen Gut und Böse so zu unterscheiden, daß es Gewissensangelegenheit würde, ihr den Weg, den sie zu gehen hätte, bekannt zu machen. Denn es ist Euer Gnaden nicht unbekannt, und auf keine Weise spreche ich es zum Vorwurf aus, sondern vielmehr mit Betrübniß, daß eine so vortrefflich begabte Frau, wie Ihr – ich meine, in Hinsicht natürlicher Gaben – doch noch nicht das wahre Licht erhalten hat, welches eine Leuchte ist auf die Pfade, sondern sich begnügt in Dunkelheit zu straucheln, und unter den Gräbern der Todten. Es ist mein Gebet gewesen in den Wachen der Nacht, daß Euer Gnaden von der Lehre abstehen möchten, welche zum Irrthum führt; aber es schmerzt mich, zu sagen, daß, da unser Leuchter im Begriff ist, entfernt zu werden, das Land höchst wahrscheinlich in tiefere Finsterniß, als je, gehüllt werden wird, und die Rückkehr des Königs, auf welche ich und Viele als auf eine Offenbarung göttlicher Huld hinblickten, wenig anders zu beweisen scheint, als einen zugelassenen Triumph des Fürsten der Luft, welcher sich aufmacht, seinen eiteln Jahrmarkt von Bischöfen, Dechanten u. dgl. wieder herzustellen, und die friedlichen Diener des Wortes auszustoßen, deren Arbeiten sich an so manchen hungrigen Seelen treu bewiesen haben. Da ich so von sicherer Hand hörte, daß eine Commission ergangen, diese stummen Hunde und Nachfolger von Laud und Williams herzustellen, welche von dem letztern Parlament ausgeworfen worden, und daß eine Acte der Conformität, oder vielmehr der Deformität des Gottesdienstes zu erwarten sei, so ist es mein Vorsatz, vor dem nahenden Grimm zu fliehen, und irgend einen Winkel aufzusuchen, wo ich in Frieden wohnen und Freiheit des Gewissens genießen kann. Denn wer möchte in dem Heiligthume bleiben, nachdem das geschnitzte Werk davon abgebrochen, und wann es zu einem Platz für Eulen und Satyrn der Wildniß gemacht worden? – Und hierin mache ich mir selbst Vorwürfe, gnädige Frau, daß ich in der Einfalt meines Herzens zu bereitwillig zu dem Gelage in dem Hause des Schmausens kam, worin meine Liebe zur Vereinigung, und mein Verlangen, Euch meine Ehrerbietung zu beweisen, eine Schlinge für mich geworden ist. Aber ich hoffe, es wird ein Sühnopfer sein, daß ich nun im Begriff bin, mich von dem Orte meiner Geburt, und dem Hause meiner Väter sowohl, als von dem Platze, welcher die Asche der Pfänder meiner Zärtlichkeit enthält, zu entfernen. Ich habe auch zu bedenken, daß in diesem Lande meine Ehre (nach weltlicher Schätzung) durch Euren Gemahl erniedrigt und mein nützlicher Wirkungskreis eingeschränkt worden ist, und zwar ohne Aussicht auf einen Ersatz aus seiner Hand, wobei sich, so zu sagen, die Hand eines Verwandten gegen meinen Ruf und gegen mein Leben erhob. Diese Dinge sind bitter für den Geschmack des alten Adam, weßhalb, um fernere Gefechte und vielleicht Blutvergießen zu verhüten, es besser ist, daß ich dieses Land auf einige Zeit verlasse. Die Angelegenheiten, die zwischen Ritter Gottfried und mir in Ordnung zu bringen sind, werde ich dem Hrn. Joachim Win-the-Fight, Sachwalter in Chester, übergeben, der sie mit solcher Rücksicht auf Ritter Gottfried's Bequemlichkeit besorgen wird, als Gerechtigkeit und gehörige Vollziehung des Gesetzes erlauben werden; denn, wie ich hoffe, werde ich die Gnade haben, der Versuchung zu widerstehen, die Waffen des fleischlichen Kriegswesens zu Werkzeugen meiner Rache zu machen, so wie ich verschmähe, sie durch die Mittel des Mammons zu bewirken. Mit dem Wunsche, gnädige Frau, daß Euch der Herr jeden Segen verleihe, und insbesondere den, welcher über allen andern geht, nämlich die wahre Erkenntniß seines Weges, verbleibe ich zu Befehl

Geschrieben zu
Moultrassie-Hall, am
10. Juli 1660.

Euer
ergebener Diener,
Ralph Bridgenorth.

 

Sobald Lady Peveril diese lange, sonderbare Epistel gelesen hatte, in welcher ihr Nachbar ihr mehr Geist der religiösen Schwärmerei, als sie ihm zugetraut, gezeigt zu haben schien, blickte sie auf, und sah Ellesmere an, in deren Miene Kränkung und ein erzwungener Ausdruck der Verachtung mit einander kämpften, und welche die wörtliche Erklärung dessen, was sie in dem Gesicht ihrer Gebieterin zu lesen glaubte, nicht länger erwarten konnte, sondern auf die Bestätigung ihres Argwohns in folgenden Worten hindeutete:

»Nicht wahr, gnädige Frau, der schwärmerische Thor gedenkt das Mädchen zu heirathen? Man sagt, er ziehe fort. Wahrhaftig, es ist auch Zeit; denn außer daß die ganze Nachbarschaft über ihn lachen und spotten würde, sollte mich's auch nicht wundern, wenn ihm Launce Outram, der Förster, ein Horn zu tragen gäbe; denn das gehört einmal zu seinem Fache.«

»Du hast eben für jetzt nicht große Ursache, dich zu ärgern, Ellesmere,« erwiederte Lady Peveril. »Mein Brief sagt nichts von Heirath, sondern es scheint nur, daß Herr Bridgenorth, da er dieses Land verlassen will, Deborah zur Pflege seines Kindes angenommen hat, und um des Kindes willen bin ich wahrhaftig herzlich froh darüber.«

»Und ich bin froh um meinetwillen,« sagte Ellesmere, »und freilich um des ganzen Hauses willen. – Und Ihr glaubt nicht, daß sie ihn heirathen wird? Meiner Treu', ich kann nicht einsehen, wie er so ein Pinsel sein sollte; aber vielleicht hat sie etwas Schlimmeres vor: denn sie spricht hier vom Gelangen zu hoher Beförderung, und das geschieht selten heutzutage durch ehrlichen Dienst. Denn sie schreibt mir wegen Ueberschickung von solchen Sachen, als wenn ich Aufseherin von Eurer Garderobe wäre; ja, und empfiehlt den jungen Mr. Julian meiner Sorgfalt und Erfahrung; meiner Treu', als wenn sie mir das kleine, theure Kleinod erst zu empfehlen brauchte. Doch ich will ihre Lumpen einpacken, und nach Moultrassie-Hall schaffen.«

»Thut es mit aller Höflichkeit,« sagte die Lady, »und laßt Whitaker ihr das Dienstlohn, und ein Goldstück (einen Jacobus) obendrein, zusenden, denn, zwar ein leichtsinniges Mädchen, war sie doch gut gegen die Kinder. Aber tragt der Deborah auf,« setzte sie hinzu, »daß sie die kleine Alexie in meinem Namen küsse, und dem Major Bridgenorth meine besten Wünsche für seine gegenwärtige und künftige Wohlfahrt versichere.«

Sie erlaubte keine fernere Bemerkung oder Antwort, sondern entließ ihre Kammerjungfer, ohne sich in weitere Einzelnheiten einzulassen.

Als Ellesmere fort war, fing Lady Peveril an, mit vielem Gefühl von Theilnahme über den Brief des Majors Bridgenorth nachzudenken; eines Mannes, der gewiß viele vortreffliche Eigenschaften besaß, den aber eine Reihe häuslicher Widerwärtigkeiten, und die zunehmende Düsterkeit eines aufrichtigen, aber trüben Gefühls von Andacht einsam und unglücklich machten; und mehr als ein ängstlicher Gedanke erwachte in ihr, ob die kleine Alexie auch glücklich würde, wenn sie unter einem solchen Vater, wie es wahrscheinlich war, aufwüchse.

Immer war Bridgenorths Entfernung im Ganzen ein wünschenswerthes Ereigniß; denn so lange er in Moultrassie-Hall bliebe, war es nur zu wahrscheinlich, daß ein zufälliges Zusammengerathen mit Ritter Peveril einen Kampf herbeiführen könnte, der schlimmer ausfallen möchte, als der letztere ihren Wünschen entgegen gewesen war.

Unterdessen konnte sie sich nicht enthalten, dem Doctor Dummerar ihr Befremden und ihre Betrübniß auszudrücken, daß Alles, was sie gethan und versucht hatte, Frieden und Einmüthigkeit zwischen den streitenden Parteien zu stiften, unglücklicherweise zum Gegentheil dessen ausgeschlagen war, was sie beabsichtigt hatte.

Zwei Tage nachher kam der Ritter Peveril an. Er hatte zu Vale-Royal gewartet, bis er die sichere Einschiffung der Gräfin nach der Insel Man erfuhr, und dann sich auf den Heimweg nach seinem Schlosse und zu seiner Margarethe begeben. Unterwegs erfuhr er von einigen seiner Begleitung die Art und Weise, wie seine Gattin die festliche Bewirthung, welche sie auf seinen Befehl der Nachbarschaft gab, veranstaltet hatte, und ungeachtet der großen Nachgiebigkeit, die er seiner Gemahlin in sie betreffenden Fällen zu beweisen pflegte, hörte er doch mit großem Unwillen von ihrer Freigebigkeit gegen die presbyterianische Partei.

Indessen legte sich des Ritters Unwille gänzlich, als er die holden Züge seiner Gattin von zärtlicher Freude über seine glückliche Rückkunft verklärt sah. Als er sie in seine Arme nahm und küßte, verzieh er ihr, eh' er des von ihr gemachten Fehlers erwähnte.

»Du hast mich zum Besten gehabt, Margarethe,« sagte er mit Kopfschütteln und zugleich lächelnd; »und du weißt, worin; aber ich denke, du bist eine wahre Anhängerin unserer Kirche, und handeltest bloß aus einer schwachen weibischen Grille, freundlich zu thun gegen diese schurkischen Stutzköpfe. Doch nichts weiter davon! Ich wollte lieber Schloß Martindale wieder von ihren Kugeln durchschossen sehen, als einen von den Buben freundschaftlich aufnehmen, Ralph Bridgenorth von Moultrassie-Hall ausgenommen, wenn er wieder zu Verstande kommen sollte.«

Lady Peveril sah sich hier genöthigt, zu erzählen, was sie über Bridgenorth gehört hatte – das Verschwinden der Gouvernante mit seiner Tochter, – und übergab ihm dabei seinen Brief.

Der Ritter schüttelte erst den Kopf, und lachte dann laut auf bei dem Gedanken, daß hier eine kleine Liebes-Intrigue zwischen Bridgenorth und der Deborah stattfinde.

»Es ist das wahre Ende eines Dissenters Eines Separatisten oder Non-Conformisten, der sich von der herrschenden Kirche absondert.,« sagte er, »sein eigenes oder ein anderes Dienstmädchen zu heirathen. Deborah ist eine gute gefällige Person, und noch in den muntern Jahren der dreißig, denk' ich.«

»Nein, nein,« antwortete Lady Peveril; »du bist eben so argwöhnisch, wie Ellesmere. Ich glaube, es ist bloß die Zärtlichkeit für sein Kind.«

»Ich weiß wohl,« sprach der Ritter, »Weiber denken immer an Kinder; aber unter Männern, liebe Frau, liebkoset Mancher das Kind, damit er die Wärterin küssen könne, und was wär' es für ein Wunder oder für ein Schade, wenn Bridgenorth das Mädchen heirathete? Aber laß' uns hören, was er selbst sagt. Ich will es herausbuchstabiren, wenn etwa eine Schelmerei über Liebe und Neigung in dem Briefe steht, welche der Unschuld unserer guten Margarethe entgangen ist.«

Der Ritter fing also an, den Brief durchzulesen; stutzte aber sehr über die sonderbare Sprache, worin er abgefaßt war. »Was er unter dem Entfernen der Leuchter und unter dem Abbrechen des Schnitzwerks in der Kirche meint,« sprach er, »kann ich nicht errathen; wofern er nicht die großen silbernen Leuchter wieder zu bringen gedenkt, die mein Großvater gab, um sie zu Martindale-Moultrassie auf den Altar zu stellen, und welche seine spitzöhrigen Freunde, als kirchenräuberische Schurken, wie sie sind, stahlen und einschmelzten. Indeß, Margarethe, ist die Hauptsache die, daß Bridgenorth unsere Gegenden verlassen will. Es thut mir wahrhaftig leid, ob ich ihn gleich nie öfter, als einmal des Tages sah und nie über ein paar Worte mit ihm sprach. Aber ich sehe den Grund wohl ein: das bischen Schütteln bei der Schulter wurmt ihm im Magen; und doch, Margarethe, hob ich ihn nur so aus dem Sattel, wie ich dich in den Sattel gehoben hätte; ich hütete mich, ihn zu verletzen, und ich hielt ihn nicht für so zart im Ehrenpunkt, daß er so etwas viel gedenken würde. Aber ich sehe offenbar, wo ihn die Wunde schmerzt, und bürge dir dafür, ich bringe es dahin, daß er in Moultrassie-Hall bleibt, und daß du Julians kleine Gespielin wieder bekommst. Wahrhaftig, der Gedanke schmerzt mich selbst, das Kind zu verlieren, und einen andern Ritt, wenn kein Jagdwetter ist, erwählen zu müssen, als den um Moultrassie-Hall mit ein paar Worten am Fenster.«

»Es sollte mich sehr freuen, lieber Mann,« sagte Lady Peveril, »wenn du zu einer Aussöhnung mit dem würdigen Mann gelangtest; denn für einen solchen muß ich Bridgenorth doch halten.«

»Seine abweichenden Grundsätze abgerechnet, ist er ein guter Nachbar,« antwortete Peveril.

»Aber ich sehe kaum eine Möglichkeit,« erwiederte sie, »einen so erwünschten Zweck zu erreichen.«

»Still, liebe Frau,« sagte er, »du verstehst wenig von solchen Sachen. Ich kenne seine schwache Seite, und du sollst sehen, wie ich ihn wieder zurecht bringe.«

Lady Peveril konnte sich durchaus keine Art der Aussöhnung mit dem Nachbar denken, welche ihr Mann (eben kein sehr scharfer Menschenkenner) ausgedacht haben möchte, und die er ihr nicht hätte vertrauen können, und sie fühlte eine geheime Unruhe, die von ihm ergriffenen Mittel möchten so übel gewählt sein, daß der Bruch nur noch größer werden dürfte. Aber der Ritter wollte sich hierüber nicht weiter herauslassen. Er war lange genug Oberster eines auswärtigen Regiments gewesen, um sich das Recht einer unbedingten Herrschaft im Hause zu sichern, und auf alle Winke, welche seine Frau zu geben wußte, antwortete er bloß: »Geduld, Margrethe, Geduld! Dies ist keine Sache für dich. Du sollst genug davon nebenher erfahren. Geh', sieh' nach Julian. Wird der Knabe nie aufhören, nach dem kleinen Sprößling eines Puritaners zu schreien? Aber wir wollen die kleine Alexie in zwei oder drei Tagen wieder bei uns haben, und Alles wird wieder gut sein.«

Während der Ritter noch sprach, blies ein Postillon im Hofe, und ein großes Schreiben wurde hereingebracht, adressirt an den geehrten Ritter Gottfried Peveril, Friedensrichter u. s. w.; denn er war, gleich nach der festen Wiedereinsetzung des Königs, wieder in Amtsthätigkeit gesetzt worden. Als er das Packet öffnete, welches nicht ohne ein besonderes Gefühl von Wichtigkeit geschah, fand er, daß es die von ihm erbetene Vollmacht zu Wiedereinsetzung des Doctor Dummerar in die Pfarre enthielt, aus welcher er während der Usurpation gewaltsam entsetzt worden war.

Wenig Vorfälle hätten dem Ritter so viel Vergnügen machen können. Außerdem, daß es seinem Widerwillen gegen Solsgrace schmeichelte, war er sehr erfreut darüber, seinen alten Freund und Gefährten auf der Jagd und in Bedrängniß, den Doctor Dummerar, in seine gesetzlichen Rechte und in die Bequemlichkeiten und den Genuß seiner geistlichen Pfründe wieder eingesetzt zu sehen. Mit großem Triumph theilte er den Inhalt seines Schreibens seiner Gattin mit, welche nun erst den Sinn des geheimnißvollen Satzes in Major Bridgenorth's Briefe, die Entfernung des Leuchters und die Auslöschung des Lichts und der Lehre im Lande betreffend, verstand. Sie machte ihren Mann aufmerksam hierauf und suchte ihn zu überzeugen, daß nun eine Thüre zur Aussöhnung mit seinem Nachbar eröffnet wäre, indem er den erhaltenen Auftrag auf eine gefällige und gemäßigte Art, nach gehörigem Aufschub, und mit aller derjenigen Schonung der Gefühle Solsgrace's und seiner Gemeinde, welche nur die Umstände erlaubten, zur Vollziehung brächte. Dies, bemerkte sie, würde auf keine Weise dem Doctor Dummerar Eintrag thun, sondern vielmehr das Mittel sein, Viele mit seiner kirchlichen Verwaltung auszusöhnen, welche außerdem durch die voreilige Entfernung eines Lieblingspredigers für immer dawider eingenommen werden möchten.

Es war viel Weisheit und Mäßigung in diesem Rath, und zu einer andern Zeit würde Ritter Peveril Sinn genug dafür gehabt haben, um ihn anzunehmen. Allein wer kann ruhig oder klüglich handeln in der Stunde des Triumphs? Die Absetzung Solsgrace's wurde daher so hastig vollzogen, daß sie einer Verfolgung ziemlich ähnlich sah; doch, aus dem richtigern Gesichtspunkt betrachtet, war es bloß die Wiedereinsetzung seines Vorgängers in seine gesetzlichen Rechte. Solsgrace selbst schien bestrebt, seine Leiden so auffallend als möglich zu machen. Er hielt aus bis auf den letzten Augenblick, und am Sabbath, nachdem er seinen Absetzungsbefehl erhalten, versuchte er, mit Bridgenorth's Sachwalter, Win-the-Fight, und einigen eifrigen Anhängern, wie gewöhnlich, seinen Weg zur Kanzel anzutreten.

Gerade als diese Partei von der einen Seite auf den Kirchhof kam, zog Doctor Dummerar in vollem Ornate, wie im Triumphe, vom Ritter Peveril, Jasper Cranbourne und andern ausgezeichneten Edeln begleitet, auf der andern Seite herein.

Um den Ausbruch eines Kampfes in der Kirche zu verhüten, waren die Gerichtsdiener des Kirchspiels angewiesen, die fernere Annäherung des presbyterianischen Geistlichen abzuhalten, welches ohne weitere unangenehme Auftritte bewerkstelligt wurde.

Ungebeugt am Geist, jedoch durch überlegene Gewalt zum Rückzuge gezwungen, begab sich der unerschrockene Solsgrace auf seine Pfarre zurück, wo er sich, unter einem von Win-the-Fight hervorgesuchten gesetzlichen Vorwande zu behaupten suchte, die Thore verriegelte, die Fenster verschloß, und, wie das Gerücht sagte, auch um Widerstand leisten zu können, für Feuergewehr sorgte. Diesem zufolge entstand ein anstößiger Auftritt, auf dessen Meldung der Ritter Peveril mit einiger bewaffneten Begleitung in Person erschien, das äußere Thor und die innern Thüren sprengte, und als er bis in die Studierstube drang, keine andere Besatzung, als den presbyterianischen Pfarrer mit dem Anwalt traf, welche nunmehr den bisher behaupteten Besitz aufgaben, nachdem sie wider die gebrauchte Gewalt förmlich protestirt hatten.

Weil der Pöbel des Dorfs in voller Bewegung war, fand es der Ritter Peveril nach seiner Klugheit und Gutmüthigkeit rathsam, seine Gefangenen (denn so konnte man sie nennen) sicher durch das Getümmel zu geleiten, und brachte sie demnach in Person durch viel Lärm und Geschrei bis zur Auffahrt von Moultrassie-Hall, welches sie zum Zufluchtsorte erwählten.

Aber die Entfernung des Ritters gab einigen Unordnungen Raum, die seine Gegenwart sicher verhindert haben würde. Einige Bücher des Geistlichen wurden von den fanatischen Pfarrdienern oder ihren Gehülfen zerrissen, und als verrätherischer und aufrührerischer Plunder umhergeworfen. Eine Quantität seines starken Biers wurde in Gesundheiten auf den König und Ritter Peveril vertrunken. Und endlich kamen die Knaben, welche dem Expfarrer für seinen tyrannischen Einspruch in ihre Spiele mit Kegeln, mit dem Ball u. s. w. und wegen seiner langen Predigten nicht hold waren, putzten ein Bild mit seinem Genfer Mantel und Halskragen und seinem thurmförmigen Hut, zogen damit durch das Dorf und verbrannten es auf der Stelle, welche weiland ein stattlicher Maibaum einnahm, den Solsgrace mit seinen eigenen ehrwürdigen Händen niedergehauen hatte.

Sir Gottfried Peveril wurde durch dies Alles sehr gekränkt, und schickte zu Solsgrace, welchem er Vergütung seines verlornen Eigenthums anbot. Allein dieser gab zur Antwort: »Ich nehme nichts, was dein ist. Laß die Schaam des Werks deiner Hände über dir bleiben.«

Beträchtliche Verläumdungen erhoben sich nun gegen den Ritter Peveril, als sei er mit ungebührlicher Strenge und Hast bei dieser Gelegenheit verfahren, und das Gerücht trug Sorge, zu dem Wirklichen die gewöhnlichen Zusätze zu machen. Es ging die Sage, der wüthende Royalist, Peveril von dem Gipfel, habe eine presbyterianische Versammlung während der friedlichen Religionsübung mit einer bewaffneten Schaar überfallen, Einige getödtet, weit mehrere gefährlich verwundet, und endlich den Prediger bis zu seiner Pfarre verfolgt, und diese bis auf den Grund abgebrannt. Manche erzählten, der Geistliche sei in den Flammen umgekommen; die mildeste Nachricht meldete, er sei nur dadurch im Stande gewesen zu entfliehen, daß er seinen langen Rock, seinen Halskragen und seinen Hut an einem Fenster so zusammen hingehängt habe, daß man seine eigene Person von den Flammen umgeben zu sehen geglaubt, indeß er durch den hintern Theil des Hauses entwischt sei. Und obgleich wenig Personen diese unserm Ritter zugeschriebene Handlungen der Grausamkeit glaubten, so blieb doch noch genug übler Ruf an ihm haften, um sehr ernsthafte Folgen herbei zu führen, wie der Leser in einer künftigen Periode unserer Geschichte erfahren wird.



 << zurück weiter >>