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Elftes Kapitel.

Die Insel Man war in der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts als eine Residenz etwas sehr Verschiedenes von dem, was sie jetzt ist. Die Menschen hatten ihren Werth, als eines gelegentlichen Zufluchtsorts vor den Stürmen des Lebens, noch nicht entdeckt, und die da zu treffende Gesellschaft war auf die Eingebornen selbst, und einige vom Schleichhandel lebende Kaufleute beschränkt. Die Unterhandlungen waren selten und einförmig, und der unbeständige junge Graf ward seiner Besitzungen bald herzlich satt.

Julian stand an einem Gitterfenster des alten Schlosses; mit übereinander geschlagenen Armen und ernsten Gedanken überblickte er die weite Aussicht auf den Ocean, welcher seine einander folgenden Wellen an den Fuß des Felsens rollte, auf welchen das alte Fort gegründet ist. Der Graf litt unter der Pein der Langenweile – blickte bald in den Homer – bald pfiff – bald durchsuchte er das Zimmer – bis endlich seine Aufmerksamkeit sich in Bewunderung der Ruhe seines Gesellschafters verlor. »König der Männer!« rief er, indem er das Lieblingsbeiwort wiederholte, womit Homer den Agamemnon schildert. – »Wahrhaftig,« sagte er, »der alte Grieche, er hatte einen fröhlichern Beruf, als ein König von Man. Hochweiser Julian, will nichts Euch aufwecken, selbst nicht ein schlechter Witz auf meine eigene Königswürde?«

»Ich wünschte, Ihr wäret ein wenig mehr der König in Man,« sagte Julian, indem er aus seiner Träumerei auffuhr, »dann würdet Ihr mehr Unterhaltung an Euren Besitzungen finden.«

»Was? diese königliche Semiramis, meine Mutter entthronen?« sagte der junge Lord, »welche eben so viel Vergnügen daran hat, die Königin zu spielen, als wenn sie eine wirkliche Fürstin wäre? Ich wundere mich, wie Ihr mir einen solchen Rath geben könnt.«

»Eure Mutter, wie Ihr wohl wisset, lieber Derby, würde sich freuen, wenn Ihr einigen Antheil an den Angelegenheiten der Insel nähmet.«

»Ja, wahrlich, sie würde mir erlauben, König zu sein; aber sie würde lieber Vicekönigin über mir bleiben wollen, – ja, sie würde bloß einen Unterthan mehr gewinnen, wenn ich meine übrige Zeit, die mir so schätzbar ist, auf die Sorgen des Königthums verwendete. Nein, nein, Julian, sie hält es für Macht, alle kleinen Angelegenheiten dieser armen Insulaner zu leiten; und indem sie dieß für Macht hält, findet sie Vergnügen daran. Ich werde mich nicht darein mischen, wofern sie nicht wieder einen hohen Gerichtshof hält. – Ich kann mir nicht leisten, meinem Bruder, König Carl, noch eine Geldstrafe zu bezahlen – doch ich vergesse – dieß ist ein schmerzhafter Punkt für Euch.«

»Für die Gräfin wenigstens,« erwiederte Julian; »und mich wundert, wie Ihr davon sprechen könnt.«

»O, ich hege keinen Groll gegen das Andenken des armen Mannes, so wenig, als Ihr selbst, allein ich habe nicht dieselben Gründe, es in Ehren zu halten,« sagte der Graf von Derby; »und doch habe ich auch einige Ehrfurcht für dasselbe – ich erinnere mich, wie man ihn hinaus zum Tode brachte – es war der erste Feiertag, den ich je in meinem Leben hatte, und ich wünsche herzlich, er wäre es auf irgend einen andern Anlaß gewesen.«

»Lieber hört' ich Euch von etwas Anderm sprechen, lieber Graf,« sagte Julian.

»Ei, so geht's,« antwortete der Graf; »sobald ich von Etwas rede, das Euren Muth aufregt, und Euer Blut erwärmt, welches so kalt fließt, wie bei einem Meermanne, – ei still! dann zwingt Ihr mich, von etwas Anderm zu sprechen. – Nun gut, wovon wollen wir reden? – O, Julian! hättet Ihr Euch nicht unter den Schlössern und Höhlen von Derby vergraben, so würden wir genug ergötzliche Sachen zu besprechen haben – die Schauspielhäuser, Julian – beide, des Königs und des Herzogs; Louis's Anstalt ist ein Spaß dagegen; – und der Ring im Park, der den Corso zu Neapel übertrifft – und die Schönheiten, welche die ganze Welt besiegen.«

»Sehr gern höre ich Euch von solchen Gegenständen sprechen, lieber Graf,« antwortete Julian; »je weniger ich selbst von der Lond'ner Welt gesehen habe, desto mehr wird mich wahrscheinlich Eure Schilderung unterhalten.«

»Ja, Julian; aber wo anfangen? Mit dem Witz Buckingham's und Sedley's, und Etherege's, oder mit der Anmuth Harry Jermyn's – der Artigkeit des Herzogs von Monmouth, oder mit der Liebenswürdigkeit der Belle Hamilton, – der Herzogin von Richmond, der Lady –, der Roxelane, der muntern Laune der Mistreß Nelly.« –

»Aber was sagt Ihr zu den mächtigen Zaubereien der Lady Cynthia?« fragte sein Gesellschafter.

»Wahrhaftig, ich würde sie für mich behalten, um Eurem klugen Beispiele zu folgen; aber da Ihr mich fragt, so gestehe ich offenherzig, ich weiß nichts davon zu sagen; ich denke zwanzigmal so oft an sie, als an alle Schönheiten, von denen ich sprach; und doch ist sie weder den zwanzigsten Theil so schön, als die einfachste dieser Hofschönheiten, noch so witzig, als die einfältigste, die ich genannt; noch so modisch – das ist die Hauptsache, – als die Unbekannteste. – Ich kann nicht sagen, was mich an ihr begeistert, außer daß sie so voll Launen ist, wie ihr ganzes Geschlecht zusammengenommen.«

»Ich dächte, das wäre keine große Empfehlung,« erwiederte Julian.

»Keine große, sagt Ihr, und nennt Euch selbst einen Angelbruder?« sagte der Graf. »Nun, was gefiele Euch am besten? einen ärmlichen Gründling zu fangen, den Ihr mit aller Gewalt an's Ufer zieht, wie die Leute hier ihre Fischerboote, – oder einen muntern Salm, der Eure Angelruthe brechen und Eure Schnur pfeifen macht, Euch tausend verdrießliche Streiche spielt, Euer Herz mit Hoffnungen und Sorgen abmattet, und bloß bebend auf das Ufer gelegt wird, nachdem Ihr die beispielloseste Geschicklichkeit, Geduld und Gewandtheit bewiesen habt? Aber ich sehe, Ihr habt Lust, nach Eurer alten Weise angeln zu gehen. Fort mit dem gestickten Kleide, ein braunes Wams angezogen; – lebhafte Farben verscheuchen die Fische in den nüchternen Gewässern der Insel Man; – wahrhaftig, in London werdet Ihr wenig fangen, wenn nicht der Köder ein wenig glänzt. – Aber Ihr gehet wirklich; wohl, auf gut Glück! Ich will mich an die Barke halten; – die See und der Wind sind weniger unbeständig, als zur Zeit der Fluth, da Ihr Euch eingeschifft habt.«

»Ihr habt in London alle diese zierlichen Sachen sagen gelernt, Graf,« sprach Julian; »aber wir werden einen Büßenden dafür an Euch haben, wenn Lady Cynthia meines Sinnes ist. Lebt wohl, und viel Vergnügen bis wir uns wiedersehen.«

Die jungen Freunde schieden also von einander; und während der Graf sich auf seine Lustfahrt begab, legte Julian, wie sein Freund prophezeiht hatte, die Tracht einer Person an, die sich mit Angeln vergnügen will. Der Hut und die Feder wurden gegen eine graue Tuchmütze vertauscht; der rein gestickte Mantel und das Wams gegen eine schlichte Jacke von gleicher Farbe mit gleichen Beinkleidern; und endlich mit der Ruthe in der Hand und mit einem Korbe auf dem Rücken, auf einem hübschen Maner Klepper sitzend, ritt der junge Peveril munter über die Gegend, welche ihn von einem der schönen Ströme trennte, die von den Kirk-Merlagh-Bergen in die See herabfließen.

Nachdem Julian den Punkt erreicht hatte, wo er seinen ländlichen Zeitvertreib beginnen wollte, ließ er sein kleines Pferd grasen, welches, schon daran gewöhnt, ihm wie ein Hund folgte, und dann und wann, wenn es des Weidens in dem kleinen Thale, durch das der Strom sich wand, müde war, an seines Herrn Seite kam, und, als hätte es wirkliche Freude an dieser Kunst, nach den Forellen hinsah, die, sich sträubend, von Julian an's Ufer gebracht wurden. Er wählte mit eines Anglers Auge die das Meiste versprechenden Würfe, wo der Strom funkelnd über einem Stein sich brach, und einer Forelle den gewohnten Schutz gewährte; oder wo er nach einem wallenden lebhaften Laufe stiller ward und unter das vorragende Ufer floß, oder von dem Sturze eines niedrigen Wasserfalls hinwegrauschte. Durch diese kluge Wahl der Stellen, wo seine Kunst anzuwenden war, ward des Anglers Korb bald schwer genug, um zu zeigen, daß seine Beschäftigung nicht bloßer Vorwand wäre; und sobald dies der Fall war, wandelte er munter in das Thal und machte nur von Zeit zu Zeit einen Wurf, wenn er sich von einer nahen Anhöhe beobachtet glaubte.

Es war ein kleines grünes und felsiges Thal, durch welches der Bach einsam irrte, obgleich der schwache Strich eines wenig betretenen Weges zeigte, daß es gelegentlich durchkreuzt worden, und nicht ganz an Bewohnern leer war. Als Julian Peveril noch weiter ging, reichte das rechte Ufer bis zu einiger Entfernung von dem Strome, und verließ ein Stück Wiesengrund, dessen niederer Theil dicht am Bache reich mit Gras bedeckt war, indem jener wahrscheinlich durch dessen Ueberströmen befeuchtet wurde. Der höhere Theil des ebenen Bodens gewährte einen Platz für ein altes Haus von eigener Bauart, mit einer Gartenterrasse und einigen angebaueten Feldern daneben. In vorigen Zeiten hatte eine dänische oder norwegische Festung, Namens Black-fort, hier gestanden, von der Farbe eines großen, waldigen Berges so genannt, welcher, da er hinter dem Gebäude sich erhob, die Gränze des Thals zu sein und dem Bach seine Quelle zu gewähren schien. Aber der ursprüngliche Bau war lange zerstört, da er freilich nur aus Ziegelsteinen bestand, und seine Materialien waren zur Errichtung des gegenwärtigen Wohngebäudes verwendet worden – des Werks eines Geistlichen im sechzehnten Jahrhundert, wie sich aus dem ungeheuern Mauerwerk seiner Fenster ergab, welche dem Licht kaum einen Durchgang verstatteten, wie auch aus einigen Pfeilern, welche von der Fronte des Hauses vorragten, und an ihren Vorderseiten kleine Nischen für Bilder darboten. Diese waren sorgfältig zerstört und Blumentöpfe an ihre Stelle gesetzt worden; außerdem waren sie durch Pflanzen manchfacher Art, die sich anmuthig um sie herum schlangen, ausgeschmückt. Der Garten war auch in guter Ordnung; und obgleich der Platz äußerst einsam lag, so fand sich doch da ein Ausdruck von Behaglichkeit, Bequemlichkeit und selbst von Geschmack, wie er keineswegs die Wohnungen auf der Insel zu jener Zeit allgemein auszuzeichnen pflegte.

Mit vieler Vorsicht näherte sich Julian dem niedrigen gothischen Portal, welches den Eingang des Hauses vor den seiner Lage drohenden Stürmen schützte, und, gleich den Pfeilern, mit Epheu und andern sich anschmiegenden Pflanzen bedeckt war. Ein eiserner Ring, so eingerichtet, um durch Auf- und Niederziehen gegen den Riegel von gekerbtem Eisen, in welchem er hing, zu rasseln, diente als ein Klopfer; und von diesem machte er, jedoch mit größter Behutsamkeit, Gebrauch.

Eine Zeitlang erhielt er keine Antwort; und es schien wirklich, als wenn das Haus ganz unbewohnt wäre, bis endlich seine Ungeduld die Oberhand gewann, er die Thüre zu öffnen versuchte, und, da sie bloß zugeklinkt war, dieß sehr leicht vollzog. Er ging durch eine kleine, niedrig gewölbte Halle, deren oberes Ende eine Treppe einnahm, und öffnete zur Linken die Thüre eines Sommerzimmers, das mit schwarzem Eichenholz getäfelt, und sehr einfach mit Stühlen und Tischen von demselben Stoff versehen war; die erstern waren mit Lederkissen bedeckt. Das Zimmer war dunkel, da eins jener mit steinernen Pfeilern besetzten Fenster, die wir erwähnten, mit seinen kleinen vergitterten Scheiben und seinem dicken Laubgewinde, nur ein unvollkommenes Licht einließ.

Ueber dem Kaminsims befand sich die einzige Zierde der Stube, nämlich ein Gemälde, das einen Officier in der militärischen Tracht der bürgerlichen Kriege vorstellte; – das kurze, am Küraß herabhängende Band, die pomeranzengelbe Schärpe, aber vor Allem das kurz geschnittene Haar, zeigten deutlich, zu welcher der großen Parteien er gehört hatte. Seine rechte Hand ruhte auf dem Gefäß seines Schwerts, und in der linken Hand hielt er eine kleine Bibel, mit der Aufschrift: In hoc signo. Die Gesichtsfarbe hatte etwas Olivenartiges, bei tief liegenden schwarzen Augen, und einer ovalen Gestalt des Kopfes; es war eine jener Physiognomien, welche, wiewohl übrigens nicht unangenehm, natürliche Schwermuth und Unglück auszudrücken scheinen. Dieses Bild war, dem Anschein nach, Julian wohl bekannt; denn, nachdem er es lange betrachtet hatte, konnte er sich nicht enthalten, laut vor sich auszurufen: »Was wollt' ich darum geben, wann dieser Mann nie geboren worden wäre, oder wann er noch lebte!«

»Ei, ei! wer ist das?« rief eine Frauengestalt, die eben hereintrat, als er so sprach. »Ihr hier, Junker Peveril, trotz aller Warnungen, die Euch gegeben wurden – Ihr hier, mitten im Hause der Leute, während sie ausgegangen sind, und im Gespräch mit Euch selbst, wie ich höre?«

»Ja, Deborah,« sagte Julian, »ich bin wieder hier, wie Ihr seht, gegen alle Verbote und trotz aller Gefahr. Wo ist Alexie?«

»Wo Ihr sie nie sehen werdet, Junker, Ihr könnt Euch selbst davon überzeugen;« antwortete die Wärterin, und setzte sich zu gleicher Zeit auf einen der großen Lederstühle, fächelte sich mit dem Schnupftuche, und beklagte sich über die Hitze, ganz im Ton einer vornehmen Dame.

In der That war Deborah, während ihr Aeußeres eine bedeutende Verbesserung ihrer Umstände verrieth, und ihr Ansehen die weniger günstigen Wirkungen der zwanzig Jahre, die über ihrem Haupte hinweggegangen waren, erkennen ließ, – an Charakter und an Sitten noch sehr dieselbe, die sie gewesen war, als sie Ellesmere's Meinungen auf dem Schloß Martindale bestritt. Mit einem Wort, sie war eigensinnig, hartnäckig und gefallsüchtig, wie je, übrigens nicht übelwollend. Sie erschien gegenwärtig in der Tracht einer Frau von höherem Stande. Aus dem einfachen Schnitt ihres Kleides, und aus der Gleichheit seiner Farben erhellte, daß sie zu einer Secte gehörte, welche übertriebenen Putz verwarf.

Julian mußte sich ihr langweiliges und seltsames Benehmen gefallen lassen, und mit Geduld warten, bis sie sich herausgeputzt, ihr Kopfzeug vor- und rückwärts gezogen, an ein kleines Riechfläschchen gerochen, die Augen, wie ein sterbender Vogel, geschlossen, und, wie eine Ente bei Gewittern, emporgerichtet hatte; und nachdem sie endlich ihre Zierereien erschöpft hatte, geruhte sie, die Unterredung zu eröffnen. »Diese Gänge werden noch mein Tod sein,« sagte sie; »und Alles um Euretwillen, Junker; denn wenn Frau Christian erfahren sollte, daß Ihr ihre Nichte zu besuchen beliebt, so versichere ich Euch, Alexie würde bald genöthigt sein, ein anderes Quartier zu suchen, und so ich auch.«

»Nur ruhig und wohlgemuth, Deborah,« sagte Julian. »Bedenket nur, rührt nicht diese unsre ganze Vertraulichkeit von Euch her? Entdecktet Ihr Euch mir nicht selbst das erste Mal, als ich mit meiner Angelruthe über dies Thal wandelte, und sagtet mir, daß Ihr meine ehemalige Wärterin wäret, und daß Alexie meine kleine Gespielin gewesen? Und was konnte natürlicher sein, als daß ich wieder kam und zwei so angenehme Personen so oft, als ich konnte, zu sehen suchte?«

»Ja,« sagte Deborah; »aber ich hieß Euch nicht Euch in uns verlieben, oder so Etwas, wie Heirath, entweder Alexien oder mir antragen.«

»Nein, Euch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, Deborah, das thatet Ihr nicht,« antwortete der Jüngling. »Allein, was thut das? So Etwas entsteht unerwartet. Ich bin gewiß, Ihr müßt solche Anträge fünfzig Mal gehört haben, da Ihr sie am wenigsten erwartetet.«

»Pfui, pfui, pfui, Junker,« sprach die Wärterin; »Ihr müßt wissen, ich habe mich immer so betragen, daß der Beste im Lande gern zwei Mal kam; und ich habe sehr wohl bedacht, sowohl was er sagen wollte, als wie er es zu sagen im Begriff war, ehe er mit solchen Anträgen bei mir herausrückte.«

»Allerdings, Deborah,« antwortete Julian; »aber nicht Jeder Mann hat Eure Ueberlegung. Zudem ist Alexie Bridgenorth ein Kind, nur ein Kind; und so fragt Einer wohl immer ein kleines Mädchen, ob es nicht seine kleine Frau sein wolle, wie Ihr wißt. Wohlan, ich weiß, Ihr vergebt mir. Ihr waret stets so gutmüthig und freundlich, und wißt, Ihr habt zwanzig Mal gesagt, wir wären für einander geschaffen.«

»O nein, Junker Julian; nein, nein!« rief Deborah; »ich kann freilich gesagt haben, daß Eure Besitzungen gemacht wären, vereinigt zu werden; und, gewiß, es ist natürlich bei mir, daß ich, vom alten Stamme der Pächterschaft, auf den Besitzungen Peveril's vom Gipfel entsprossen, den Wunsch hege, es möchte Alles wieder in demselben Kreise umschlossen sein; welches sicher genug geschehen würde, wenn Ihr Alexie Bridgenorth heirathetet. Aber da ist der Ritter Euer Vater, und die gnädige Frau Eure Mutter, und dann ist der Vater des Mädchens halb verwirrt in seiner Religion; und Alexiens Tante, welche ewig schwarz geht, um des unglücklichen Obersten Christian willen; und da ist die Gräfin Derby, welche uns allen es gleich entgelten lassen würde, wenn wir Etwas angäben, das ihr mißfiele. Und über dieß Alles habt Ihr Euer Wort mit der Alexie gebrochen, und Alles ist zwischen Euch vorüber; und ich bin der Meinung, es sei ganz recht, daß Alles vorüber ist; und vielleicht kann es sein, junger Herr, daß ich seit langer Zeit so gedacht habe, ehe ein Kind, wie Alexie, mir in den Kopf gekommen ist; aber ich bin zu gutmüthig.«

Keine Schmeichelei spart ein Liebhaber, der seinen Zweck zu erreichen wünscht.

»Ihr seid die beste, gutmüthigste Seele in der Welt, Deborah; aber Ihr habt noch nicht den Ring gesehen, den ich für Euch in Paris gekauft habe. Ja, ich will ihn selbst an Euren Finger stecken; – ich, Euer Pflegesohn, den Ihr so liebtet und so sorgfältig pflegtet!«

Leicht gelang es ihm, mit scheinbar fröhlicher Galanterie einen hübschen goldenen Ring an Deborah's fetten Finger zu stecken. Diese drehte den Ring rund herum, und wieder herum, und flüsterte endlich: »Gut, Junker, es hilft nichts, wenn man einem solchen jungen Edelmann, wie Ihr seid, Etwas verläugnet – denn junge Edelleute sind immer so hartnäckig – und so kann ich Euch eben so gut sagen, daß Alexie mit mir von Kirk-Truagh eben jetzt zurückkehrte, und zu gleicher Zeit mit mir in das Haus kam.«

»Warum sagtet Ihr mir das nicht zuvor?« sagte Julian auffahrend; »wo ist sie? wo ist sie?«

»Ihr solltet mich eher fragen, warum ich es Euch jetzt sage, junger Herr,« entgegnete Deborah; »denn, ich betheure Euch, es ist gegen ihren ausdrücklichen Befehl; und ich würde es Euch nicht gesagt haben, wenn Ihr nicht so kläglich ausgesehen hättet. Was aber den Wunsch anbetrifft, sie zu sehen, so muß ich Euch sagen: sie will nicht, und sie ist in ihrem Schlafzimmer, mit einer guten eichenen Thüre verschlossen und verriegelt; das ist ein Trost. Und sollte ich von meiner Seite das Vertrauen verletzen (das kleine trotzige Mädchen nennt es selbst so) – das ist ganz unmöglich.«

»Sprecht nicht so, Deborah; geht nur, versucht es nur; sagt, sie soll mich anhören; sagt, ich hätte hundert Entschuldigungen, ihren Befehlen nicht zu gehorchen; sagt, ich zweifelte nicht, alle Hindernisse auf dem Schloß Martindale zu überwinden.«

»Nein, sag' ich Euch, es ist Alles umsonst,« erwiederte sie. »Als ich Eure Mütze und Angelruthe im Saale liegen sah, sagt' ich bloß: Hier ist er wieder, und da lief sie die Treppe hinauf, wie ein junges Reh, und ich hörte den Schlüssel drehen und zuriegeln, ehe ich ein einziges Wort sagen konnte, um sie aufzuhalten. Ich wundere mich, daß Ihr sie nicht hörtet.«

»Das kam daher, weil ich, wie ich immer war, eine Eule, ein träumender Thor bin, der alle diese goldenen Minuten vorbei läßt, die mir mein unglückliches Leben so selten darbietet. – Wohlan, sagt ihr, ich gehe, gehe für immer dahin, wo sie nicht mehr von mir hören wird, wo Niemand mehr von mir hören soll.«

»Ach! wie sein Vater!« sagte Deborah. »Hört nur, wie er spricht. Was wird aus dem Ritter Gottfried, und Eurer Mutter, und mir, und der Gräfin werden, wenn Ihr so weit gehen wollt, als Ihr sagt? Und was würde auch aus der armen Alexie werden? Denn ich will schwören, Ihr gefallet ihr mehr, als sie sagt, und ich weiß, sie pflegte sich hinzusetzen und nach dem Wege zu sehen, welchen Ihr den Strom herauf zu kommen gewohnt waret, und fragte mich dann und wann, ob der Morgen gut zum Angeln wäre. Und die ganze Zeit, als Ihr auf dem Continent waret, wie man es nennt, lächelte sie kaum einmal, außer als sie Eure schönen langen Briefe über auswärtige Gegenden erhielt.«

»Freundschaft, Deborah, – bloß Freundschaft – kalte und ruhige Erinnerung an Jemand, der, mit Eurer gütigen Erlaubniß, sich in Eure Einsamkeit dann und wann mit Neuigkeiten von der lebendigen äußern Welt einschlich. Einmal, freilich, glaubt' ich – aber es ist Alles vorbei – lebt wohl.«

So sprach er, bedeckte sein Gesicht mit einer Hand, und streckte die andre aus, um Deborah ein Lebewohl zu sagen, deren gutes Herz dem Anblick seiner Betrübniß nicht mehr zu widerstehen vermochte.

»Nun, nur nicht so eilig,« rief sie; »ich will wieder hinauf gehen, und ihr sagen, wie es mit Euch steht, und sie herunter bringen, wenn es in der Macht eines Weibes ist.«

Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer, und lief die Treppe hinauf.

Julian durchschritt indessen das Zimmer in großer Bewegung, und erwartete den Erfolg von Deborah's Vermittlung; und sie blieb lange genug aus, um ihm Zeit zu lassen, in einem kurzen Rückblick die Umstände zu erwägen, die ihn in seine jetzige Lage geführt hatten.



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