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Sechstes Kapitel.

Der Befehl, sich zu bewaffnen, den Lady Peveril ihren Domestiken gegeben hatte, stimmte so wenig zu ihrem gewöhnlichen sanften und friedlichen Wesen, daß Major Bridgenorth erstaunte. »Was habt Ihr im Sinne, gnädige Frau?« sagte er. »Ich glaubte, mich im Hause von Freunden zu befinden.«

»So ist's auch, Herr Bridgenorth,« erwiederte Lady Peveril, ohne die natürliche Ruhe ihres Tons und ihres Benehmens zu verlassen; »aber es ist ein Haus, das nicht durch Gewaltthätigkeit eines Freundes gegen den andern verletzt werden darf.«

»Es ist gut, Lady Peveril,« sagte Bridgenorth, indem er sich zur Thüre des Zimmers wandte. »Der ehrwürdige Solsgrace hat schon vorhergesagt, daß die Zeit wieder gekommen sei, da hohe Häuser und stolze Namen noch einmal dem Verbrechen zur Entschuldigung dienen würden. Ich glaubte ihm nicht; nun aber sehe ich, er ist weiser als ich. Doch glaubt nicht, daß ich dieß so ruhig ertrage. Das Blut meines Bruders – meines Busenfreundes – soll nicht lange vom Altar rufen: Wie lange, o Herr, wie lange! Wenn noch ein Funke Gerechtigkeit in diesem unglücklichen England übrig geblieben ist, so werden wir, jenes stolze Weib und ich, einander treffen, wo sie keinen parteiischen Freund zu ihrem Schutze haben kann.«

Mit diesen Worten war er im Begriff, das Zimmer zu verlassen, als Lady Peveril sagte: »Ihr verlaßt diesen Platz nicht, Herr Bridgenorth, ohne mir Euer Wort zu geben, daß Ihr allem Vorhaben gegen die Freiheit der edlen Gräfin bei der gegenwärtigen Gelegenheit entsaget.«

»Lieber wollte ich meine eigene, in ausdrücklichen Worten niedergeschriebene Beschimpfung unterschreiben, als irgend einen solchen Vergleich eingehen,« versetzte der Major. »Wenn irgend Jemand sich untersteht, mich aufzuhalten, so komme sein Blut über sein Haupt.«

Während Major Bridgenorth so sprach, stieß Whitaker die Thüre auf und zeigte, daß er mit der Behendigkeit eines alten Kriegers, dem es nicht mißfiel, die Dinge wieder einmal ein kriegerisches Ansehen annehmen zu sehen, vier wackere Bursche in Ritter Peveril's Livree mitbrachte, die mit Schwertern und Karabinern, Ledercollets und mit Pistolen in ihren Gurten wohl gerüstet waren.

»Ich will sehen,« sprach Major Bridgenorth, »ob einer von diesen Leuten so verwegen sein wird, mich, einen freigebornen Engländer und eine Magistratsperson, in Ausübung meiner Pflicht aufzuhalten.«

So sprach er, auf Whitaker und dessen bewaffnete Leute losgehend, und legte die Hand an den Griff seines Degens.

»Nicht so verwegen, Herr Bridgenorth,« rief Lady Peveril, und setzte in demselben Augenblick hinzu: »Haltet ihn fest und entwaffnet ihn, Whitaker; thut ihm aber kein Leid.«

Ihr Befehl ward vollzogen. Bridgenorth war zwar ein Mann von Entschlossenheit, jedoch keiner von Denen, die im ungleichen Kampf es wagen, sich zur Wehre zu setzen. Er zog zwar sein Schwert halb heraus und zeigte einen Widerstand, der es nöthig machte, sich seiner gewaltsam zu bemächtigen; aber alsdann gab er es hin und erklärte, er unterwerfe sich zwar der Gewalt, welcher ein Einzelner nicht widerstehen könne, mache aber die, welche den Befehl gegeben und sie gegen ihn gebrauchten, für den Angriff auf seine Freiheit ohne gesetzliche Vollmacht, verantwortlich.

»Ei was Vollmacht für einen Fingerdruck! Herr Bridgenorth,« rief der alte Whitaker; »wahrhaftig, Ihr habt selbst oft nach einer schlechtern Vollmacht gehandelt. Das Wort meiner Herrin ist gewiß eine so gute Vollmacht, als Cromwells Commission; und Ihr führtet die manchen Tag und ließt mich in den Stock spannen, weil ich des Königs Gesundheit trank, Herr Bridgenorth, und kümmertet Euch kein Haar breit um Englands Gesetze.«

»Schweigt, Whitaker!« rief Lady Peveril ihm zu, »und Ihr, Herr Bridgenorth, lasset es Euch nicht kränken, auf wenige Stunden gefangen gehalten zu werden, bis die Gräfin Derby von Verfolgung nichts mehr zu fürchten hat. Ich könnte ihr leicht eine Escorte mitgeben, die jeder Gewalt, welche Ihr aufbieten möchtet, Trotz bieten könnte; aber der Himmel weiß es, ich wünsche die Erinnerung an die alten bürgerlichen Fehden zu begraben und nicht wieder aufzuwecken. Noch einmal, wollt Ihr Euch eines Bessern besinnen, so nehmt Euren Degen wieder und vergeßt, wen Ihr jetzt auf dem Schlosse Martindale gesehen habt.«

»Nimmermehr!« antwortete Bridgenorth. »Das Verbrechen dieses grausamen Weibes wird die letzte Beleidigung sein, die ich vergessen kann. Der letzte Gedanke irdischer Art, der mich verlassen wird, soll der Wunsch sein, daß sie ihren Lohn erhalte.«

»Wenn das Eure Gesinnungen sind,« sagte Lady Peveril, »ob sie gleich mehr Rache als Gerechtigkeit athmen, so muß ich, zur Sicherheit meiner Freundin, hier Eure persönliche Freiheit beschränken. In diesem Zimmer werdet Ihr mit allen Bedürfnissen und Bequemlichkeiten des Lebens versorgt werden, und eine Botschaft soll Eure Hausleute aus der Unruhe reißen, welche Eure Abwesenheit von Moultrassie-Hall wahrscheinlich erregen wird. Wenn einige Stunden, auf's Höchste zwei Tage, vorüber sind, will ich Euch selbst aus Eurer Haft befreien, und erbitte mir jetzt Eure Verzeihung, daß ich so verfahre, wie ich durch Eure Hartnäckigkeit zu verfahren gezwungen bin.«

Der Major gab keine Antwort, außer, daß er in ihren Händen sei und sich ihrem Belieben unterwerfen müsse, und wandte sich dann verdrießlich nach dem Fenster, als wenn er ihrer Gegenwart los zu sein wünschte.

Die Gräfin und Lady Peveril verließen das Zimmer Arm in Arm, und Whitakern gab die Letztere ihre Befehle über die Art, wie sie Bridgenorth während seiner dermaligen Gefangenschaft bewacht und behandelt wünschte, indem sie zugleich bemerkte, daß die Sicherheit der Gräfin von Derby eine strenge Bewachung erfordere.

Die Frauen begaben sich nun in das Vorzimmer, setzten sich bald nachher in einem andern Zimmer, welches besonders der Frau vom Hause gehörte, und auf der einen Seite zum Schlafgemach der Familie, und auf der andern zu dem Kabinet führte, das an den Garten stieß. Hier war auch eine kleine Thüre, welche über einige Stufen hinauf zu dem schon erwähnten Balcon, der über die Küche herausragte, hinführte, und derselbe Weg brachte durch eine besondere Thüre zu der Hauptgallerie in der Kapelle, so daß die geistlichen und weltlichen Angelegenheiten des Schlosses fast zugleich in den Bereich desselben leitenden und ordnenden Auges gestellt waren.

In der tapezirten Stube, von welcher diese verschiedenen Thüren ausgingen, hatten die Gräfin und Lady Peveril sogleich Platz genommen. Die erstere sagte lächelnd zur letztern: »Zweierlei hat sich diesen Tag zugetragen, was mich hätte befremden können, wenn in diesen Zeiten mich etwas befremden könnte; – das Erste ist, daß der rundköpfige Wicht sich in dem Hause des Ritters Peveril solch übermüthiges Betragen erlauben durfte. Wenn Euer Mann noch derselbe rechtschaffene und aufrichtige Edelmann ist, als den ich ihn ehemals kannte, und er wäre zu Hause gewesen, er würde den Schurken zum Fenster hinausgeworfen haben. Aber was ich noch mehr bewundere, Margarethe, ist Euer Feldherrntalent. Ich hätte Euch kaum Muth genug zugetraut, so entschiedene Maaßregeln zu ergreifen, nachdem Ihr Euch mit jenem Manne so lange in gutem Vernehmen gehalten hattet. Als er aber von Justiz und Vollmacht sprach, saht Ihr so furchtsam aus, daß ich schon die Tatzen des Gerichtsdieners auf meiner Schulter zu fühlen glaubte.«

»Wir sind dem Herrn Bridgenorth einige Ehrerbietung schuldig, meine theuerste Gräfin,« antwortete Lady Peveril; »er hat uns oft und freundlich in diesen letztern Zeiten gedient, aber weder er, noch sonst Jemand, soll die Gräfin von Derby im Hause der Margarethe Stanley beleidigen.«

»Ihr seid eine vollkommene Heldin geworden, Margarethe,« antwortete die Gräfin.

»Zwei Belagerungen und unzählige Ueberfälle,« bemerkte Lady Peveril, »könnten mich wohl Geistesgegenwart gelehrt haben. Meine Herzhaftigkeit aber ist, glaub' ich, so gering wie immer.«

»Geistesgegenwart ist Herzhaftigkeit,« antwortete die Gräfin. »Wahre Tapferkeit besteht nicht in Unempfindlichkeit gegen Gefahr, sondern im Bereitsein, ihr entgegenzugehen und sie zu entwaffnen – und wir können jetzt alle, die wir besitzen, nöthig haben,« setzte sie, etwas bewegt, hinzu; »denn ich höre Pferdegetrappel auf dem Hofpflaster.«

In einem Augenblick kam der kleine Julian, athemlos vor Freude, in's Zimmer geflogen, um zu melden, daß Papa mit Lamington und Samuel Brewer zurückgekommen sei und den Rappen Hastings in den Stall führen lasse. Im zweiten Augenblick hörte man des wackern Ritters schwere Stiefeln, da er, in der Ungeduld, seine Gattin zu sehen, zwei Stufen der Treppe auf einmal überstieg. Er stürzte in's Zimmer; sein Ansehen und seine in Unordnung gekommene Kleidung zeigten, daß er sehr schnell geritten war, und, ohne auf sonst Jemand zu sehen, faßte er sein gutes Weib in die Arme und küßte sie.

Erröthend und mit einiger Schwierigkeit wand sich Lady Peveril aus Ritter Gottfrieds Umarmung und bat ihn, mit einer zugleich verschämten und freundlichen Stimme, zu sehen, wer noch im Zimmer sei.

»Eine Frau,« sagte die Gräfin, sich ihm nähernd, »die recht erfreut ist, zu sehen, daß Ritter Peveril, obgleich Hofmann und Günstling geworden, doch noch den Schatz ehrt, den sie ihm hat verschaffen helfen. Ihr könnt die Aufhebung der Belagerung von Latham-House nicht vergessen haben.«

»Die edle Gräfin von Derby!« sagte der Ritter, indem er seinen Federhut mit tiefer Ehrerbietung abnahm, und ihre dargereichte Hand mit vieler Ehrfurcht küßte. »Ich bin eben so sehr erfreut, Euer gräfliche Gnaden in meinem armen Hause zu sehen, ich ritt schnell, in Hoffnung, Euer Begleiter durch die Grafschaft zu sein, weil ich fürchtete, Ihr möchtet in böse Hände gefallen sein, indem ich erfuhr, daß ein Schurke mit einer Vollmacht vom Geheimenrath ausgesandt worden war.«

»Wann hörtet Ihr das, und von wem?«

»Es war von Cholmondley von Vale-Royal,« antwortete der Ritter, »er ist fort, um für unsere Sicherheit durch Cheshire zu sorgen, und ich versprach Euch da in Sicherheit zu bringen. Prinz Rupert, Ormond und andere Freunde zweifeln nicht, daß die Sache auf eine Geldstrafe werde gebracht werden; aber sie sagen, der Kanzler und Harry Bennet und einige andere von den überseeischen Räthen seien wüthend über den Bruch der königlichen Proclamation, wie sie es heißen. Der Henker hole sie, sagte ich. Sie ließen auf uns alle Schläge fallen, und nun sind sie aufgebracht, daß wir die Rechnung mit Denen abzumachen wünschen, die uns auf's Aergste mißhandelt haben.«

»Was sagten sie von meiner Bestrafung?« fragte die Gräfin.

»Ich weiß es nicht,« antwortete der Ritter; »einige Freunde, wie gesagt, versuchten sie auf eine Geldstrafe zurückzubringen; aber die Andern sprachen von nichts als vom Tower und von einer langen Gefangenschaft.«

»Ich habe lange genug Gefangenschaft für König Carls Sache erduldet,« sagte die Gräfin, »und habe keine Lust, sie von seiner Hand über mich verhängt zu sehen. Ueberdies bin ich von der persönlichen Oberaufsicht über die Gebiete meines Sohnes auf der Insel Man entfernt, und weiß nicht, welche neue Herrschaftsanmaßungen dort versucht worden sein mögen. Ich muß Euch verpflichtet sein, Vetter, für die Veranstaltung, daß ich in Sicherheit Vale-Royal erreiche, und von da, weiß ich, werd' ich sicher nach Liverpool gebracht werden.«

»Ihr könnt Euch auf meinen Schutz verlassen, edle Gräfin,« antwortete der Ritter, »wenn Ihr gleich um Mitternacht, und mit des Schurken Kopf in Eurer Schürze, hieher gekommen wäret, gleich Judith in den heiligen Apokryphen, die, wie ich zu meiner Freude höre, wieder einmal in den Kirchen vorgelesen werden.«

»Kommt der niedere Adel fleißig nach Hofe?« fragte die Gräfin.

»Ja, gnädige Gräfin,« gab der Ritter Peveril zur Antwort; »und nach unserem Ausdruck, wenn Bergleute in diesen Gegenden zu graben anfangen, so ist es von Gottes Gnade, was sie da auch finden mögen

»Finden die alten Royalisten sich viel begünstigt?« fragte die Gräfin weiter.

»In der That, edle Gräfin,« erwiederte der Ritter, »der König hat ein so huldreiches Wesen, daß Jedermanns Hoffnungen blühen, wiewohl wir selten haben Früchte reifen gesehen.«

»Ihr selbst, Vetter,« fragte die Gräfin, »habt doch hoffentlich nicht Ursache gehabt, Euch über Undankbarkeit zu beklagen? Nicht Viele haben sie weniger aus des Königs Hand verdient.«

Der Ritter Peveril war, wie die meisten klugen Männer, nicht geneigt, fehlgeschlagene Erwartungen zu gestehen; doch war sein Charakter zu offen, um die Täuschung gänzlich zu verhehlen. – »Wer? Ich? gnädige Frau,« sagte er; »ach! was sollte ein armer Landedelmann vom König erwarten, außer das Vergnügen, ihn in Whitehall wieder einmal zu sehen und sein Eigenthum wieder zu genießen? Und seine Majestät waren sehr gnädig, als ich vorgestellt wurde, und sprach mit mir von Worcester, und von meinem Rappen Hastings – er hatte seinen Namen vergessen – wahrhaftig, und den meinigen noch dazu, glaub' ich, hätte ihm nicht Prinz Rupert ihn zugeflüstert. Und ich sah einige alte Freunde, z. B. Se. Gnaden von Ormond, Sir Marmaduke Langdale, Sir Philipp Musgrave u. s. w., und hatte ein paar angenehme Träume nach der Weise der alten Zeiten.«

»Ich hätte gedacht, so viele empfangene Wunden, so viele übernommene Gefahren, so bedeutende Verluste verdienten Etwas mehr, als einige freundliche Worte,« sagte die Gräfin.

»Ja, edle Gräfin, andere Freunde von mir meinten das auch,« gab der Ritter zur Antwort. »Aber der witzige Herzog von Buckingham sagte, wenn Alle von meinem Range, die sich in den letzten Zeiten um den König ausgezeichnete Verdienste erworben haben, zu Pairs erhoben werden sollten, so müßte das Oberhaus des Parlaments sich auf der Ebene von Salisbury versammeln!«

»Und dieser schlechte Scherz galt für einen guten Beweis?« sagte die Gräfin; »freilich wohl, da ja gute Beweise für schlechte Scherze gelten. Aber da kommt Jemand, den ich kennen lernen muß.«

Dies war der kleine Julian, welcher nun wieder mit seiner kleinen Schwester hereinkam und seinem Vater meldete, wie männlich er allein auf dem Sattel den Rappen Hastings in den Stall geritten, und daß Saunders, wiewohl er bei dem Kopf des Pferdes einherging, doch nicht ein einziges Mal Hand an die Zügel gelegt, und Brewer, ob er gleich neben ihm lief, ihn kaum bei der Schulter gehalten. Der Vater küßte den Knaben herzlich, und die Gräfin, die ihn zu sich rief, sobald ihn der Ritter niedergesetzt hatte, küßte ihn auch auf die Stirne und betrachtete dann alle seine Gesichtszüge mit scharfem, forschendem Blick.

»Er ist ein wahrer Peveril,« sagte sie, »recht, wie er sein soll, mit einem Zuge von Stanley gemischt. Ihr müßt mir meine Bitte gewähren, Vetter, und wenn ich sicher eingerichtet bin, und meine gegenwärtige Angelegenheit in Ordnung gebracht ist, müßt Ihr den kleinen Julian einige Zeit bei mir und in meinem Hause erziehen, und als meinen Pagen und Spielkameraden des kleinen Derby dort lassen. – Ich hoffe zu Gott, sie werden solche Freunde sein, wie ihre Väter gewesen sind, und möge ihnen der Himmel glücklichere Zeiten schenken.«

»Wahrhaftig, Gräfin, ich danke Euch von ganzem Herzen für den Vorschlag,« sagte der Ritter. »Es sind so manche edle Häuser verfallen, und noch viel mehrere, in welchen die Erziehung edler Jünglinge aufgegeben und vernachlässigt worden ist, daß ich oft gefürchtet habe, ich müßte den Julian als Junker zu Hause behalten; ich habe selbst zu wenig Bildung, um ihn viel zu lehren, und so würde er ein bloßer Jagd- und Falkenritte in Derby geworden sein. Aber in Eurem gräflichen Hause und mit dem edlen jungen Grafen wird er Alles haben, und mehr als Alles, die Erziehung, welche ich nur wünschen kann.«

»Es soll kein Unterschied zwischen ihnen sein, Vetter,« sagte die Gräfin. »Margarethe Stanley's Sohn soll eben so sehr mir am Herzen liegen, als mein eigner, da Ihr so gütig seid, ihn meiner Aufsicht anvertrauen zu wollen. – Ihr seht blaß aus, Margarethe,« fuhr sie fort; »und Thränen stehen Euch im Auge. Seid nicht thöricht, meine Liebe; was ich mir ausgebeten habe, ist besser, als was Ihr für Euren jungen Sohn wünschen könnt; denn das Haus meines Vaters, des Herzogs von Tremouille, war die berühmteste Schule der Ritterschaft in Frankreich; auch bin ich nicht ausgeartet, Ihr könnet Eurem Julian solche Vortheile nicht versprechen, wenn Ihr ihn nur im väterlichen Hause aufwachsen lasset.«

»Ich erkenne die hohe Gunst, gnädige Gräfin, die Ihr uns erweist,« sagte Lady Peveril, »und muß mir gefallen lassen, was Euer Gnaden uns vorzuschlagen die Ehre erzeigen, und was mein Mann gut heißt; aber Julian ist das einzige Kind, und –«

»Der einzige Sohn,« fiel die Gräfin ihr in's Wort, »aber sicher nicht das einzige Kind. Ihr zollt unsern Herren, den Männern, zu viel Ehrerbietung, wenn Ihr Julian alle Eure Liebe schenkt, und das liebliche Mädchen hier leer ausgehen laßt.«

Bei diesen Worten setzte sie den kleinen Julian nieder und nahm Alexie liebkosend auf den Schoos. Ungeachtet des männlichen Charakters der Gräfin lag etwas so Süßes im Ton ihrer Stimme und im Spiel ihrer Mienen, daß das Kind sogleich lächelte und ihre Freundlichkeit erwiederte. Dieser Irrthum setzte die Lady Peveril in die äußerste Verlegenheit. Da sie die ungebundene Heftigkeit ihres Mannes, seine Ehrfurcht gegen das Andenken des verstorbenen Grafen von Derby, und seine diesem entsprechende Verehrung der Wittwe desselben kannte, so war sie über die Folgen betreten, wenn er Bridgenorth's Betragen an diesem Morgen erfahren würde, und sie wünschte ganz besonders, daß er es von Niemand, außer von ihr selbst insgeheim und nach gehöriger Vorbereitung, erführe. Aber der Irrthum der Gräfin führte zu einer plötzlichen Entdeckung.

»Dieß hübsche Mädchen,« antwortete der Ritter Peveril, »ist nicht unser; ich wünschte, sie wäre es. Sie gehört einem Nachbar, und die Wahrheit zu sagen, einem guten Nachbar, ob er gleich von seiner Bürgertreue in den letztern Zeiten von einem verdammten presbyterianischen Schurken abwendig gemacht worden ist, der sich einen Pfarrer nennt, und den ich gegenwärtig von seiner Stange herunter zu holen hoffe; er ist lange genug Hahn im Korbe gewesen … Kurz, dieß Kind ist die Tochter Bridgenorth's, – Nachbar Bridgenorth's von Boultrassie-Hall.«

»Bridgenorth's?« sagte die Gräfin. »Ich glaubte alle achtbare Namen in der Grafschaft Derby zu kennen. Ich erinnere mich keines Bridgenorth. Doch still – gab es nicht einen Sequestrator und ein Mitglied des Commitees jenes Namens? Ach nein, der kann es gewiß nicht sein.«

Peveril gab etwas beschämt zur Antwort: »Es ist derselbe Mann, den Euer Gnaden meinen, und Ihr könnt Euch den Kampf denken, den es mir kostete, Gefälligkeiten von einem Manne seiner Art anzunehmen; aber, hätt' ich es nicht gethan, so hätte ich kaum ein Dach zu finden gewußt, Margarethe Schutz zu gewähren.«

Die Gräfin hob, während er sprach, das Kind sanft von ihrem Schooße und stellte es auf den Fußteppich, wiewohl die kleine Alexie Abneigung verrieth, den Platz zu verändern, welchen die Gräfin gewiß einem Kinde von adeliger Abkunft und Verwandtschaft noch länger gegönnt haben würde.

»Ich mache Euch keine Vorwürfe,« sprach sie; »Niemand weiß, wohin Versuchung bringen kann. Doch hatte ich geglaubt, Peveril von dem Gipfel würde eher in der tiefsten Höhle gewohnt haben, als einem Königsmörder verbindlich werden mögen.«

»Nein, edle Gräfin,« antwortete der Ritter, »mein Nachbar ist schlecht genug, aber nicht so schlecht, als Ihr ihn machen möchtet; er ist nur ein Presbyterianer – das muß ich gestehen – aber kein Independent.«

»Eine verschiedene Art desselben Ungeheuers,« sagte die Gräfin, »ein Mensch, der Halloh rief, während die andern jagten, und das Schlachtopfer band, welches die Independenten erwürgten. Unter solchen Secten zieh' ich die Independenten vor. Sie sind wenigstens kühne, dreiste, unbarmherzige Buben, haben mehr vom Tiger an sich und weniger vom Krokodil. Ich zweifle nicht, es war der werthe Herr, welcher sich diesen Morgen herausnahm –«

Hier brach sie schnell ab, denn sie bemerkte die Verlegenheit und Angst der Lady Peveril.

»Ich bin,« fuhr sie fort, »das unglücklichste Geschöpf. Da hab' ich Etwas gesagt, ich weiß nicht was, das Euch betrübt, Margarethe. – Geheimniß ist eine böse Sache, und zwischen uns sollt' es keines geben.«

»Hier gibt es keins,« sagte Lady Peveril etwas ungeduldig; »ich wartete nur auf eine schickliche Gelegenheit, meinem Manne zu erzählen, was sich zugetragen. – Du mußt wissen, lieber Mann, Herr Bridgenorth war unglücklicherweise hier, als die Gräfin Derby und ich zusammen kamen, und er hielt es für seine Pflicht, davon zu sprechen –«

»Wovon zu sprechen?« fiel Peveril ihr in's Wort, indem sich seine Stirne runzelte. »Du warst immer etwas zu gutmüthig, liebes Weib, gegen solche anmaßende Leute.«

»Ich meine nur,« fuhr sie fort, »daß er, weil die Person, welche die Geschichte der Gräfin betraf, der Bruder seiner verstorbenen Frau war, zu drohen anfing – doch ich kann nicht glauben, daß es sein Ernst war.«

»Zu drohen? – der Gräfin von Derby und Man in meinem Hause zu drohen! – der Wittwe meines Freundes – der edlen Charlotte von Lathamhouse! – beim Himmel! der spitzohrige Wicht soll dafür büßen. Warum warfen ihn denn meine Leute nicht zum Fenster hinaus?«

»Ach! Gottfried, du vergißt, wie viel wir ihm schuldig sind,« sagte Lady Peveril.

»Schuldig!« rief der Ritter noch unwilliger; denn er glaubte, seine Frau rede von Geldverbindlichkeiten. »Wenn ich ihm etwas Geld schuldig bin, hat er nicht Sicherheit dafür? und muß er überdieß das Recht haben, auf dem Schlosse Martindale zu herrschen und die Obrigkeit zu spielen? – Wo ist er? Was habt ihr mit ihm gemacht? Ich will, ich muß ihn sprechen.«

»Seid ruhig, edler Ritter,« sagte die Gräfin, welche nun die Ursache von der Besorgniß ihrer Base erkannte; »und seid versichert, ich bedurfte Eurer nicht, mich gegen diesen Landstreicher zu vertheidigen. Ich betheure Euch, meine Base hat mir vollkommen Recht verschafft, und ich bin so erfreut, gänzlich ihrer Herzhaftigkeit meine Befreiung zu verdanken, daß ich Euch, als einem ächten Ritter, auftrage und befehle, Euch nicht in das Abenteuer eines Andern zu mischen.«

Lady Peveril, welche ihres Mannes zufahrendes und hitziges Temperament kannte und wohl sah, daß er entrüstet war, nahm nun die Erzählung wieder auf und erklärte ihm offen und einfach die Ursache von Bridgenorth's Einmischung.

»Es thut mir leid,« sagte der Ritter; »ich traute ihm mehr Verstand zu und glaubte, daß dieser glückliche Wechsel eine gute Wirkung auf ihn gethan haben würde. Aber du hättest mir das augenblicklich erzählen sollen. Es verträgt sich nicht mit meiner Ehre, daß er als Gefangener in diesem Hause gehalten werden soll, gleich als fürchtete ich, daß er der edlen Gräfin, so lange sie unter meinem Dache oder in der Nähe meines Schlosses sich befindet, etwas zu Leide thun könne.«

So sprach er, verbeugte sich gegen die Gräfin und ging geradewegs nach dem vergoldeten Zimmer, während seine Gattin das Zusammentreffen ihres heftigen, jähzornigen Mannes mit dem hartnäckigen Bridgenorth in große Angst setzte. Jedoch war ihre Furcht unnöthig; denn das Zusammentreffen sollte nicht statthaben.

Als der Ritter Peveril Whitakern und seine Schildwachen entlassen hatte, in das goldene Zimmer trat und seinen Gefangenen zu finden erwartete, war dieser auf eine leicht begreifliche Art entwischt. Das verborgene Schiebfeld in der Wand war in der Uebereilung der Lady Peveril und Whitakern, die allein darum wußten, nicht eingefallen. Wahrscheinlich war eine Spalte offen geblieben, hinlänglich, um von Bridgenorth entdeckt zu werden, welcher es nun ganz aufzog und so den Weg in das anstoßende geheime Zimmer und von da in das Pförtchen des Schlosses durch einen andern verborgenen Gang gefunden hatte, der, wie in alten Gebäuden nicht ungewöhnlich, in der dicken Mauer angebracht war. Daß Bridgenorth diese Einrichtung entdeckt und benutzt hatte, war offenbar, weil die geheimen Thüren, die mit dem Pförtchen und dem Schiebfelde im goldenen Zimmer in Verbindung standen, beide offen geblieben waren.

Ritter Peveril kam mit verlegenem Blick zu den Frauen zurück. Während er Bridgenorth in seinem Bereich vermuthete, fürchtete er nichts von ihm; denn er fühlte sich ihm an persönlicher Stärke und in der Art Muth überlegen, welche einen Mann sich unbedenklich in eine Gefahr zu stürzen antreibt. Wenn Bridgenorth aber in der Ferne war, so war Peveril seit vielen Jahren gewohnt, dessen Macht und Einfluß als etwas Furchtbares zu betrachten, und ungeachtet der neuerlichen politischen Veränderungen, kamen seine Gedanken so natürlich auf seinen Nachbar als einen mächtigen Freund oder einen gefährlichen Feind zurück, daß er für die Gräfin mehr in Sorgen war, als er sich sogar selbst gestehen wollte. Die Gräfin bemerkte seinen niedergeschlagenen unruhigen Blick und fragte, ob etwa ihr Hiersein ihn in eine Unruhe oder Gefahr bringen könnte.

»Die Unruhe sollte willkommen sein,« antwortete er, »und noch willkommener die Gefahr, die aus solcher Ursache käme. Mein Plan war, Euer Gnaden sollten Martindale mit einem Aufenthalt von einigen Tagen beehren, welcher hätte geheim gehalten werden können, bis die Nachforschung nach Euch vorüber wäre. Hätte ich diesen Bridgenorth getroffen, ohne Zweifel hätte ich ihn genöthigt, vernünftig zu handeln; aber nun ist er frei, und wird sich außer meinem Bereich halten.«

Hier hielt der Ritter inne und schien sehr beunruhigt.

»Sie können also mich weder verbergen noch beschützen?« sagte die Gräfin.

»Verzeiht, verehrte Gräfin,« antwortete Peveril, »und erlaubt mir, meine Rede zu vollenden. Die offene Wahrheit ist: dieser Mann hat viele Freunde hier unter den Presbyterianern, welche zahlreicher sind, als mir lieb ist, und wenn er mit dem Staatsboten zusammentrifft, welcher den Verhaftsbefehl des Geheimen Raths bringt, so wird er ihn wahrscheinlich mit hinreichender Macht zurückschicken, die Vollziehung desselben zu versuchen. Auch zweifle ich, ob von unsern Freunden eine hinreichende Anzahl in der Eile aufgeboten werden kann, einer solchen Macht, als sie zusammenbringen dürften, Widerstand zu leisten.«

»Ich wünsche auch nicht,« sagte die Gräfin, »daß irgend Freunde in meinem Namen gegen des Königs Verhaftsbefehl die Waffen ergriffen.«

»Nun, was das betrifft,« erwiederte der Ritter, »wenn der König wider seine besten Freunde Verhaftsbefehle ergehen läßt, muß er auch auf Widerstand gefaßt sein. Aber das Beste, was ich in diesem Bedrängniß erdenken kann – der Vorschlag ist freilich etwas ungastfreundlich – wäre, daß Ihr sogleich zu Pferde stieget, wenn es Eure Ermüdung erlaubte. Ich will gleichfalls mit einigen behenden Leuten aufsitzen, die Euch sicher nach Vale-Royal bringen werden, wenn auch der Landrichter mit einem ganzen Haufen den Weg versperrte.«

Die Gräfin willigte gern in diesen Vorschlag. Sie hatte eine gute Nachtruhe in dem Zimmer genossen, in das sie Ellesmere am vorhergehenden Abend geführt hatte, und war völlig bereit, ihre Reise oder Flucht (»sie wüßte,« sagte sie, »selbst nicht, wie sie es nennen sollte«) fortzusetzen.

Während Lady Peveril alle ihr mögliche Einrichtungen zur Fortsetzung der Reise der Gräfin traf, gab ihr Mann, dessen Herz sich immer bei Aussicht auf Thaten hob, seinem Whitaker Befehl, etliche wackere Gesellen mit Panzer und Stahlhelm herbeizubringen.

Whitaker, von dem dringenden Fall unterrichtet, fragte, ob er nicht auch Ritter Jasper Cranbourne benachrichtigen sollte.

»Nein, bei Leibe nicht,« sagte der Ritter. »Der mag vogelfrei sein, wie sie es nennen, so viel ich weiß; und deßhalb will ich keine Länder oder Güter in Gefahr bringen, außer mein eignes. Ritter Jasper hat für manches Jahr eine unruhige Zeit davon gehabt. Nach meinem Willen soll er den Rest seiner Tage in Ruhe zubringen.«



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