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Neuntes Kapitel.

Einige Tage nach der gewaltsamen Vertreibung aus seiner Pfarre, blieb Solsgrace noch in Moultrassie-Hall, wo die natürliche Melancholie, welche mit seiner Lage unzertrennlich war, die Schwermuth Bridgenorth's noch steigerte. Des Morgens machte er Ausflüge zu verschiedenen Familien der Nachbarschaft, welchen sein geistlicher Zuspruch in den Tagen seines Glücks willkommen gewesen war, und bei denen er nun, aus dankbarer Erinnerung an jene Zeit, Mitgefühl und Trost fand. Er verlangte nicht, deßhalb bedauert zu werden, weil er eines bequemen Unterhalts beraubt und dem Alltagsleben preisgegeben worden war, nachdem er nicht mehr solchem Wechsel des Glücks unterworfen zu sein geglaubt hatte. Die Frömmigkeit Solgrace's war aufrichtig, und wenn er manche lieblose Vorurtheile gegen andre Sekten hegte, welche polemische Controverse erzeugt und der Bürgerkrieg emporgebracht hatte, so besaß er auch jenes tiefe Gefühl der Pflicht, durch welches so oft die Schwärmerei veredelt wird, und hielt auf sein eignes Leben wenig, wenn es zum Zeugniß der Lehren, an die er glaubte, hingegeben werden sollte. Aber er sollte sich bald dazu vorbereiten, den Bezirk zu verlassen, welchen ihm der Himmel, wie er glaubte, als einen Winkel des Weinbergs angewiesen hatte; er sollte seine Heerde dem Wolf überlassen – sollte sich von Denen entfernen, mit Denen er süßen Rath gepflogen in der religiösen Gemeinschaft – sollte die Neubekehrten in falsche Lehren zurückfallen lassen, und von dem Wankelmüthigen weichen, den seine fortgesetzten Bemühungen auf den rechten Pfad geführt haben möchten – dieß waren an sich selbst tiefe Ursachen der Betrübniß, und sie wurde ohne Zweifel durch jene natürlichen Gefühle verstärkt, mit welchen alle Menschen, besonders solche, deren Pflichten oder Gewohnheiten sie auf einen kleinen Kreis beschränkt haben, die Trennung von gewohnten Umgebungen und von ihren alten Plätzen der stillen Betrachtung oder des geselligen Verkehrs, zu betrachten pflegen.

Man hatte zwar den Plan, Solsgrace an die Spitze einer Gemeinde von Non-Conformisten in seinem gegenwärtigen Kirchspiele zu stellen, und seine Anhänger würden sich gern zu einer hinreichenden Besoldung verstanden haben. Aber obgleich das Gesetz für allgemeine Conformität (Uebereinstimmung der Kirchenverfassung) noch nicht gegeben war, so erwartete man doch eine solche Maßregel als bevorstehend, und es herrschte eine allgemeine Meinung unter den Presbyterianern, daß diese kirchliche Gleichförmigkeit unter keinen Händen strenger würde durchgesetzt werden, als unter den Händen des Ritter Peveril. Solsgrace selbst betrachtete nicht nur seine persönliche Gefahr als bedeutend, sondern er glaubte auch, daß er der Sache seiner Kirche dadurch dienen würde, indem er sich von Derbyshire entfernte.

Diese Ansichten äußerte Solsgrace gegen seine trauernden Freunde, und ließ sich darüber noch weitläufiger bei Major Bridgenorth aus, wobei er nicht ermangelte, mit freundlichem Eifer diesem die Hastigkeit zu verweisen, womit er die Hand der Brüderschaft nach dem amalekitischen Weibe ausgestreckt, und ihn erinnerte: »er sei zu ihrem Sklaven und Leibeigenen für einige Zeit geworden, gleich Simson, von Delilah verrathen, und hätte länger im Hause Dagon's bleiben können, wenn ihm nicht der Himmel einen Weg aus der Schlinge gezeigt hätte. Auch sei es des Majors Hingehen zu dem Feste Baal's zuzuschreiben, daß er, der Held der Wahrheit, zu Boden geschlagen und durch den Feind zu Schanden gemacht worden.«

Bridgenorth's Gemüth war von frommen Gefühlen durchdrungen, welche seine letztern Unglücksfälle noch tiefer und feierlicher gemacht hatten; es war daher kein Wunder, daß er, als er diese Vorstellungen von einem, ihm so ehrwürdigen Geistlichen, und immer wieder sich an's Herz legen hörte, – mit Mißbilligung auf sein eigenes Verhalten zurück zu blicken und zu argwöhnen anfing, er habe sich durch Dankbarkeit gegen Lady Peveril, und durch ihre besondern Ueberredungsgründe zu Gunsten einer wechselseitigen duldsamen Liberalität der Gesinnungen, zu einer Handlung verführen lassen, welche seine religiösen und politischen Grundsätze in Gefahr zu bringen geeignet wäre.

Eines Morgens, als Bridgenorth sich mit verschiedenen Geschäften im Ordnen seiner Angelegenheiten ermüdet hatte, ruhte er in seinem ledernen Armstuhl neben dem Gitterfenster aus, – eine Lage, welche durch natürliche Ideenverbindung ihm vorige Zeiten und die Gefühle in's Andenken rief, mit welchen er den wiederholten Besuch des Ritter Peveril und dessen Nachricht über das Wohlbefinden seines Kindes zu erwarten gewohnt war. »Wahrlich,« sprach er vor sich hin, »die Freundlichkeit, mit der ich damals diesen Mann behandelte, war nichts Sündliches.«

Solsgrace, der im Zimmer war, und errieth, was in seines Freundes Seele vorging, da er mit jedem Punkt seiner Geschichte bekannt war, erwiederte: »Als Gott Elias durch Raben ernährt werden ließ, während er am Bach Cherith verborgen war, da hören wir nicht, daß er die unreinen Vögel liebkos'te, welche ein Wunder nöthigte, wider ihre Rabennatur ihm zu dienen.«

»Es kann sein,« antwortete Bridgenorth; »doch muß der Schlag ihrer Flügel im Ohr des verhungerten Propheten eben so angenehm geklungen haben, als der Tritt vom Pferde des Ritters in dem meinigen. Die Raben nahmen ohne Zweifel ihre Natur wieder an, als dieser Zeitpunkt vorüber war, und so ist's auch in Ansehung meiner ergangen. – Horch!« rief er stutzend aus, »so eben hör' ich den Hufschlag seines Rappen.«

Beide, Bridgenorth und Solsgrace, waren von dem Schall überrascht, und selbst geneigt, eine fernere Bedrückung von Seiten der Regierung zu besorgen, als des Majors alter Bedienter ohne viele Umstände (denn er war im Benehmen seinem Herrn ziemlich ähnlich) einen langen Herrn hereinführte, welcher, an Jahren über das mittlere Alter hinaus, durch Mantel und Weste, langes Haar und heruntergeschlagenen Hut mit der herabwallenden Feder einen Ritter erkennen ließ. Er verbeugte sich förmlich, doch höflich, gegen Beide und sagte: »er sei Ritter Jasper Cranbourne, mit einer besondern Botschaft an Herrn Ralph Bridgenorth von Moultrassie-Hall, von seinem achtbaren Freunde, Ritter Gottfried Peveril von dem Gipfel, abgesendet und verlange zu wissen, ob Herr Bridgenorth die Güte haben wolle, hier oder anderwärts die Entledigung seines Auftrags anzunehmen.«

»Jedwede Sache, welche Ritter Gottfried Peveril mir zu sagen haben kann,« antwortete Bridgenorth, »kann sogleich und vor meinem Freunde, vor dem ich kein Geheimniß habe, ausgerichtet werden.«

»Die Gegenwart jedes andern Freundes wäre, statt im Wege zu sein, vielmehr höchst wünschenswerth,« sagte Ritter Jasper nach einem kurzen Bedenken mit einem Blick auf Solsgrace: »aber dieser Herr hier scheint ein Geistlicher zu sein.«

»Ich bin mir keiner Geheimnisse bewußt,« antwortete Bridgenorth, »und wünsche auch keine zu haben, die ein Geistlicher nicht wissen dürfte.«

»Wie es Euch beliebt,« erwiederte Ritter Jasper; »das Vertrauen kann gut genug gewählt sein; denn Eure Geistlichen haben sich als keine Feinde solcher Dinge erwiesen, als von denen ich mit Euch zu sprechen habe.«

»Geht nur an's Werk, Herr Ritter,« antwortete Bridgenorth, »und beliebt Euch zu setzen, wenn Ihr nicht lieber stehen wollt.«

»Ich muß für's Erste mich meines Auftrags entledigen,« sagte Ritter Jasper, indem er näher trat; »wenn ich weiß, wie er aufgenommen wird, will ich sehen, ob ich mich zu Moultrassie-Hall niedersetzen soll oder nicht. – Ritter Gottfried Peveril, Herr Bridgenorth, hat sorgfältig die unglücklichen Umstände für sich erwogen, welche Euch und ihn jetzt als Nachbarn trennen. Er erinnert sich vieler Vorfälle in vorigen Zeiten – ich rede mit seinen eigenen Worten – welche ihn geneigt machen, alles Mögliche zu thun, was sich mit seiner Ehre verträgt, die Spannung zwischen Euch und ihm zu heben, und darum ist er gesonnen, sich in einem Grade herabzulassen, der Euch sonder Zweifel großes Vergnügen machen wird.«

»Erlaubt mir, zu erwiedern, Ritter Jasper,« versetzte Bridgenorth, »daß dieß unnöthig ist. – Ich habe keine Beschwerden über den Ritter Peveril geführt – ich habe keine Unterwerfung von ihm verlangt – ich bin im Begriff, dieß Land zu verlassen, und was für Angelegenheiten noch unter uns auszumachen sind, so können sie eben so gut von andern, als von uns, mit Bequemlichkeit berichtigt werden.«

»Mit einem Wort,« sagte der Geistliche, »der Major Bridgenorth hat genug Verkehr mit den Gottlosen gehabt, und will unter keiner Bedingung länger mit ihnen umgehen.«

»Ihr Beide, meine Herren,« sagte Sir Jasper, mit höflicher Verbeugung und ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen; »Ihr irrt Euch gänzlich über den Inhalt meines Auftrags, welchen Ihr eben so füglich aushören werdet, ehe Ihr eine Erwiederung darauf machet. – Ich glaube, Herr Bridgenorth, Ihr müßt Euch noch Eures Schreibens an Lady Peveril erinnern, von welchem ich hier eine flüchtige Abschrift habe, in welchem Ihr Euch über die harte Maaßregel beklaget, welche Ihr durch Peveril erfahren habt, und insbesondere, als er Euch bei Hartley-nick aus dem Sattel hob. Nun denkt Ritter Gottfried zu gut von Euch, um nicht zu glauben, daß Ihr – käme nicht der weite Abstand zwischen seiner Abkunft und seinem Range und der Eurigen in Betracht – diese Sache auf eine ritterliche Entscheidung zu bringen gesucht haben würdet, als die einzige Art und Weise, wodurch Euer Fleck ehrenvoll abgewischt werden konnte. Daher macht er Euch, durch dieses kleine Billet, in seinem Edelmuth, ein Anerbieten von Dem, was Euch in Eurer Bescheidenheit (denn aus nichts anderm erklärt er sich Eure Beruhigung) von ihm zu fordern vermieden habt; überdieß bring ich Euch das Maß seiner Waffe; und wenn Ihr die Herausforderung, die ich Euch nun darbiete, angenommen habt, werde ich bereit sein, Zeit, Ort und andre Umstände der Zusammenkunft zu bestimmen.«

»Und ich,« sagte Solsgrace mit einer feierlichen Stimme, »ich würde, – sollte der Urheber des Bösen meinen Freund versuchen, einen so blutdürstigen Vorschlag anzunehmen – der Erste sein, der wider ihn das Urtheil des Kirchenbannes ausspräche.«

»An Euch, ehrwürdiger Herr,« erwiederte der Ritter, »lautet mein Auftrag nicht. Euer Interesse mag Euch ganz natürlich bestimmen, besorgter um das Leben Eures Patrons, als um seine Ehre zu sein. Ich muß von ihm selbst erfahren, welchem Er geneigt ist, den Vorzug zu geben.«

So sprach er, und hielt wieder mit einer gefälligen Verbeugung die Herausforderung dem Major hin. Die Triebfedern der menschlichen Ehre und die Eingebungen der religiösen Gesinnung kämpften sichtbar in ihm; aber die letztern siegten. Ruhig empfing er das ihm von Ritter Jasper dargereichte Papier und sprach: »Es mag Euch nicht bekannt sein, Herr Ritter, daß, seit der allgemeinen Ausgießung des christlichen Lichts über dieses Königreich, viele gesetzte Männer in Zweifel gerathen sind, ob das Vergießen des Menschenbluts durch die Hand eines Mitmenschen in irgend einer Rücksicht zu rechtfertigen sei. Und obgleich diese Regel mir kaum auf unsern Zustand in diesem Stande der Prüfung anwendbar scheint, inwiefern ein solches Nichtwiderstehen, wäre es allgemein, unsre bürgerlichen und religiösen Rechte in die Hände eines jedweden kühnen Tyrannen, der sich derselben bemächtigen wollte, überliefern würde; so war ich doch und bin noch geneigt, den Gebrauch der fleischlichen Waffen auf den Fall der nothwendigen Selbstvertheidigung zu beschränken, es sei in Hinsicht unsrer eignen Person, oder des Schutzes unseres Landes gegen Ueberfall, oder unsrer Rechte des Eigenthums, und der Freiheit unsrer Gesetze und unsers Gewissens gegen anmaßende Gewalt. Und da ich mich nie abgeneigt bewiesen habe, mein Schwert in einer der letztern Angelegenheiten zu ziehen, so werdet Ihr mich entschuldigen, daß ich es jetzt in der Scheide ruhen lasse, da, nachdem ich eine schwere Beleidigung erlitten, der Mann, welcher sie zufügte, mich zum Kampf aufruft, entweder aus übertriebener Ehrliebe, oder, was noch wahrscheinlicher ist, aus bloßer Prahlerei.«

»Ich habe Euch geduldig angehört,« sagte der Ritter; »und nun, Herr Bridgenorth, nehmet es nicht ungütig, wenn ich Euch ersuche, Euch besser über diese Sache zu bedenken. Ich betheure vor dem Himmel, daß Eure Ehre verletzt ist, und daß Ritter Peveril, indem er sich herabläßt, Euch diese Zusammenkunft, und dadurch Gelegenheit zur Heilung Eurer Wunde zu gewähren, dazu durch ein zartes Gefühl Eurer Lage und durch einen ernstlichen Wunsch, Eure Schande zu tilgen, bewogen worden ist. Es bedarf nur, daß Ihr Eure Klinge mit seinem glorreichen Schwert meßt, und Ihr werdet als ein edler und geehrter Mann entweder leben oder sterben. Ueberdieß kann des Ritters ungemeine Fechterkunst ihn eben so fähig, als seine Gutmüthigkeit ihn wird geneigt machen, Euch mit einer Wunde im Fleisch zu entwaffnen, die Eurer Person wenig Schaden, und Eurem guten Ruf großen Vortheil bringt.«

»Das Mitleiden des Gottlosen ist grausam,« sagte Solsgrace emphatisch, um diese Rede zu erläutern, welche der Ritter mit vielem Pathos vorgetragen hatte.

»Ich bitte Ew. Ehrwürden, mich nicht weiter zu unterbrechen,« entgegnete der Ritter, »besonders da diese Sache Euch sehr wenig angeht; und ich ersuche Euch, mich in der Ordnung des Auftrags meines würdigen Freundes entledigen zu lassen.«

Mit diesen Worten zog er sein in der Scheide steckendes Rappier aus dem Gurt, ließ die Spitze durch den Seidenfaden, der den Brief befestigte, gehen, und überreichte ihn noch einmal und buchstäblich auf der Spitze des Degens mit gefälliger Art dem Major, welcher ihn aber wieder bei Seite legte, wiewohl zugleich hoch erröthend, als wenn er sich einen merklichen Zwang anthäte, worauf er zurücktrat und dem Ritter eine tiefe Verbeugung machte.

»Wenn es so sein muß,« sagte dieser, »so muß ich selbst das Siegel von Ritter Peveril's Brief erbrechen, und ihn Euch vorlesen, damit ich völlig des mir anvertrauten Geschäfts mich entledige, und Euch, Herr Bridgenorth, zugleich mit den großmüthigen Absichten Sir Gottfried Peveril's bekannt mache.«

»Wenn der Inhalt des Schreibens nichts andres betrifft, als was Ihr mir mitgetheilt habt,« sprach Bridgenorth, »so scheinen mir fernere Umstände bei dieser Gelegenheit unnöthig, weil ich bereits meinen Entschluß genommen habe.«

»Demungeachtet,« antwortete der Ritter, indem er den Brief erbrach, »ist es schicklich, daß ich Euch den Brief meines verehrungswürdigen Freundes vorlese.« Er las daher, wie folgt:

 

Mein Herr Bridgenorth!

Es ist uns durch Euren Brief an unser geliebtes Weib, Frau Margarethe Peveril, zu verstehen gegeben worden, daß Ihr gewissen neueren Vorfällen zwischen Euch und mir eine harte Auslegung gebet, als wenn Eure Ehre durch das, was damals vorging, hätte gewissermaßen beleidigt werden sollen. Und ob Ihr es gleich nicht schicklich gefunden habt, Euch geradezu an mich um solcher Genugthuung halber zu wenden, als ein Mann von Stande dem andern schuldig ist, so bin ich doch völlig überzeugt, daß dieß nur aus Bescheidenheit herkömmt, in Hinsicht des Unterschiedes unsres Standes, und nicht aus einem Mangel an demjenigen Muth, welchen Ihr vormals bewiesen habt. Daher bin ich entschlossen, Euch durch meinen Freund Ritter Jasper Cranbourne eine Zusammenkunft anzubieten, um dasjenige zu thun, was Ihr ohne Zweifel vollkommen gewünscht habt. Ritter Jasper wird Euch die Länge der Waffen, und Ort und Zeit für unsre Zusammenkunft bestimmen; welches alles entweder früh oder spät – zu Fuß oder zu Pferd – mit Rappier oder Schwert – ich Euch selbst überlasse, nebst allen andern Vorrechten einer herausgeforderten Person; bloß mit dem Wunsch, daß, wenn Ihr es nicht ablehnet, Euch nach der Größe meiner Waffen zu richten, Ihr mir die Länge und Breite der Eurigen überschickt. Ohne zu zweifeln, daß der Ausgang dieser Zusammenkunft, auf eine oder die andre Art, aller Unfreundlichkeit zwischen zwei nahen Nachbarn nothwendig ein Ende machen müsse,

verbleib' ich
Euer ergebener Diener,
Gottfried Peveril vom Gipfel.

 

»Ich bitte, dem Ritter Peveril meinen Gruß zu vermelden,« sagte Bridgenorth; »so wie er die Sache ansieht, mag seine Meinung gütig gegen mich sein. Sagt ihm aber, daß unser Streit in seinem eigenen absichtlichen Angriff auf mich seinen Ursprung hat, und daß ich, ob ich gleich in christlicher Liebe mit allen Menschen zu leben wünsche, doch nicht so an seiner Freundschaft hange, um die Gesetze Gottes zu verletzen, und Gefahr zu laufen, Mord zu erleiden oder zu begehen, damit ich diese Freundschaft gewinne. Und was Euch betrifft, Herr Ritter, so dünkt mich, Eure vorgerückten Jahre und erlittenen Unfälle könnten Euch überzeugt haben, wie thöricht es ist, solche Botschaften zu übernehmen.«

»Ich werde Euren Auftrag ausrichten, Herr Bridgenorth,« sagte der Ritter; »und werde alsdann Euren Namen als einen Schall, dessen Aussprechen oder selbst Wiedererinnern einem Mann von Ehre nicht anständig ist, zu vergessen suchen. Unterdessen beliebet Ihr, für Eure unhöfliche Bemerkung, zur Erwiederung die meinige anzunehmen; nämlich, daß, so wie Eure Religion Euch hindert, einem Edelmanne Genugthuung zu geben, sie Euch auch vorsichtig machen sollte, seine Empfindlichkeit aufzuregen.«

Mit diesen Worten, und mit einem Blick stolzer Verachtung erst auf den Major und dann auf den Geistlichen, setzte er seinen Hut auf, steckte das Rappier wieder in den Gurt, und verließ das Zimmer. In wenig Minuten nachher verhallte der Hufschlag seines Rosses in der Ferne.

Bridgenorth hatte die Hand seit seinem Abzuge immer über die Stirne gehalten, und eine Thräne des Unwillens und der Scham perlte auf seinen Wangen, da er sich erhob, als der Schall nicht mehr gehört wurde. »Er bringt diese Antwort nach dem Schloß Martindale,« sagte er. »Diese Leute werden nachher mich als einen niedergeworfenen, ehrlosen Wicht betrachten, den Jedermann nach Belieben verhöhnen und beschimpfen darf. Es ist gut, daß ich mein väterliches Haus bald verlassen werde.«

Solsgrace näherte sich seinem Freunde mit vieler Theilnahme, und faßte ihn bei der Hand. »Edler Bruder,« sagte er mit ungewöhnlich freundlicher Art, »obgleich ein Mann des Friedens, kann ich doch wohl denken, was dieses Opfer deinem männlichen Geiste gekostet hat. Aber Gott will von uns keinen unvollkommenen Gehorsam haben. Wir dürfen nicht, wie Ananias und Sapphira, eine Lieblingslust, eine Lieblingssünde zurückbehalten, während wir vorgeben, unsere weltlichen Neigungen abzutödten. Würde es eine Vertheidigung in deinem Gebete sein, wenn du sagtest: Ich habe diesen Mann nicht gemordet aus Liebe zum Gewinn, wie ein Räuber, – noch zur Erlangung von Macht, wie ein Tyrann, – noch zur Befriedigung der Rachgier, wie ein verfinsterter Wilder; sondern weil die gebieterische Stimme der weltlichen Ehre sagt: Gehe fort – tödte oder laß dich tödten, – bin ich es nicht, der dich gesandt hat? – Bedenke dich, mein würdiger Freund, wie du eine solche Rache in dein Gebet bringen könntest, und wenn du bei der Gotteslästerung einer solchen Entschuldigung zu zittern genöthigt bist, so gedenke in deinem Gebete des dem Himmel gebührenden Dankes, welcher dich fähig machte, der starken Versuchung zu widerstehen.«

»Ehrwürdiger, theurer Freund,« antwortete Bridgenorth, »ich fühle, daß Ihr die Wahrheit sprecht. Bitterer freilich und härter für den alten Adam ist der Text, der ihm gebietet, Schande zu erdulden, als der, welcher ihn tapfer für die Wahrheit kämpfen heißt. Aber glücklich bin ich, daß mein Pfad durch die Wildniß dieser Welt, wenigstens einen gewissen Raum hindurch, mich zugleich neben Demjenigen hinführen wird, dessen Eifer und Freundschaft so thätig sind, mich aufrecht zu erhalten, wenn ich auf dem Wege niedersinken will.«

Wir kehren auf's Schloß Martindale zurück.

»Ich hielt ihn für einen Mann von anderem Metall,« sagte Peveril, nachdem er durch Ritter Jasper des Majors Antwort erhalten. »Ja, ich hätte darauf geschworen, wenn Jemand mein Zeugniß verlangt hätte. Aber es läßt sich kein seidener Beutel aus einem Schweinsohr machen. Ich habe eine Thorheit begangen, wie ich nie wieder begehen will, daß ich glaubte, ein Presbyterianer werde ohne seines Predigers Erlaubniß fechten. Doch genug von unserm spitzöhrigen Hund von Nachbar! Ritter Jasper, Ihr bleibt bei uns zu Mittag, und seht wie Frau Margrethens Küche bestellt ist, und nach der Mahlzeit will ich Euch einen Falken mit langen Flügeln fliegen lassen. Er gehört nicht mir, sondern der Gräfin, welche ihn auf ihrer Hand fast den ganzen Weg her, und ungeachtet ihrer Eile, von London mitbrachte, und mir eine Zeit lang überließ.«

Diese Partie kam bald zu Stande, und Frau Margrethe hörte das allmählige Verbrausen der Empfindlichkeit des guten Ritters mit denselben Gefühlen, mit welchen wir den letzten dumpfrollenden Donner des Gewitters vernehmen, welcher, wenn die schwarze Wolke hinter den Berg sinkt, uns zugleich versichert, daß Gefahr da war, und daß sie vorüber ist. Sie konnte sich jedoch im Stillen nicht genug über den sonderbaren Weg wundern, den ihr Mann zur Aussöhnung mit seinem Nachbar, so zuversichtlich und in aufrichtig guter Meinung gegen Bridgenorth eingeschlagen hatte, und sie dankte Gott insgeheim, daß es nicht zum Blutvergießen gekommen war.



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