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Viertes Kapitel.

Es lag eine gewisse ernste Würde in dem Ausdruck, womit Major Bridgenorth den Dank ablehnte, welchen Lady Peveril ihm für die so willkommene Versorgung ihres Schlosses zu erkennen gab. Er schien erst nicht zu errathen, was sie meinte, und als sie sich näher erklärte, betheuerte er so ernstlich, an dieser geleisteten Unterstützung keinen Theil zu haben, daß Lady Peveril ihm den Glauben nicht versagen konnte, um so mehr, da er ein Mann von offenem, geradem Charakter war, der keine zarte Empfindsamkeit heuchelte, und es fast den Quäkern in schlichter, aufrichtiger Sprache gleich that, so daß eine solche grundlose Ableugnung seiner Denkungsart sehr widersprochen haben würde.

»Mein gegenwärtiger Besuch, edle Frau,« sagte er, »hat allerdings einigen Bezug auf die morgende Festlichkeit.« Lady Peveril horchte; weil aber seine Rede stockte, sah sie sich genöthigt, um eine Erklärung zu bitten. »Edle Frau,« gab der Major zur Antwort, »es ist Euch vielleicht nicht ganz unbekannt, daß die Gewissenhafteren von unserer Partei Bedenklichkeiten über manche Gebräuche haben, welche bei Leuten Eurer Secte an festlichen Tagen so gewöhnlich sind, daß sie, so zu sagen, auf denselben wie auf Glaubensartikeln bestehen, oder wenigstens die Unterlassung derselben sehr übel aufnehmen würden.«

»Ich denke, Herr Bridgenorth,« erwiederte Lady Peveril, welche die Absicht seiner Rede nicht völlig begriff, » wir werden bei unsern gesellschaftlichen Bewirthungen so gut, als Eure Partei bei den ihrigen, alle Anspielungen oder Vorwürfe sorgfältig vermeiden, welche sich auf ehemalige Mißverständnisse gründen.«

»Wir würden von Eurer Redlichkeit und Güte, gnädige Frau, nicht weniger erwarten,« sagte Bridgenorth; »allein ich merke, daß Ihr mich nicht ganz versteht. Offen zu sprechen, ich rede von dem Gebrauch des Gesundheittrinkens, und des wechselseitigen Zutrinkens in starken, geistigen Getränken, welches die Meisten unter uns als eine überflüssige und sündliche Verführung zur Schwelgerei und zum unmäßigen Genuß starker Getränke betrachten, und wenn man, wie gelehrte Geistliche thun, diese Sitte von den blinden Heiden herleitet, welche beim Trinken ihren Götzen etwas von ihrem Weine opferten und sie dabei anriefen, so kann man mit Recht sagen, daß darin etwas Heidnisches liegt, das an die Anbetung des Teufels gränzt.«

Lady Peveril hatte schon flüchtig Alles erwogen, was wahrscheinlich Mißhelligkeit in das bevorstehende Fest bringen könnte, aber diese allerdings lächerliche, jedoch bedenkliche Abweichung in den Ansichten und Gebräuchen der verschiedenen Parteien der Gäste war ihr gänzlich entgangen. Sie suchte daher ihren Gegner zu besänftigen, in dessen gerunzelter Stirne sie eben keine Neigung las, eine gefaßte Meinung aufzugeben.

»Ich gestehe Euch zu, lieber Nachbar,« sagte sie, »daß dieser Gebrauch wenigstens überflüssig ist, und nachtheilig sein kann, wenn er zur Unmäßigkeit im Genuß des starken Getränks führt, welche auch ohne solche gesellschaftliche Unterhaltung leicht genug zu entstehen pflegt. – Allein, ich denke, wenn er diese Folge nicht hat, so ist er etwas Gleichgültiges, gewährt eine gleichförmige Gelegenheit, unsern Freunden unsere Glückwünsche, und unserem König unsere treue Ergebenheit auszudrücken. Und ohne Jemand meine Meinung aufdrängen zu wollen, so sehe ich doch nicht, wie ich meinen Gästen und Freunden die Freiheit, dem Könige oder meinem Manne nach alt-englischer Sitte eine Gesundheit zuzutrinken, verweigern kann.«

»Gnädige Frau,« erwiederte der Major, »könnte das Alter die Sitte empfehlen, so wäre das Papstthum eine der ältesten englischen Sitten, die ich kenne; aber es ist unser Glück, daß wir nicht verfinstert sind, wie unsere Väter, und daher müssen wir nach dem Licht handeln, das in uns ist, und nicht nach ihrer Finsterniß. Ich hatte selbst die Ehre, den Großsiegelbewahrer Whitelocke zu begleiten, als er an der Tafel des Kämmerers des Königreichs Schweden geradezu sich weigerte, die Gesundheit der Königin Christina zu trinken, wodurch er großen Anstoß gab, und den ganzen Zweck seiner Reise auf's Spiel setzte; es läßt sich nicht denken, daß ein so verständiger Mann dieß gethan haben würde, wenn er eine solche Nachgiebigkeit für gleichgültig, und nicht vielmehr für sündlich und strafbar gehalten hätte.«

»Mit aller Hochachtung gegen Whitelocke,« sagte Lady Peveril, »bleib' ich bei meiner Meinung, wiewohl ich, der Himmel weiß es, keine Freundin von Schwelgerei und Trinkgelagen bin. Ich wollte mich gern Euren Bedenklichkeiten fügen, und will verhüten, daß andere Gesundheiten ausgebracht werden; aber wahrhaftig, die des Königs und Peveril's müssen erlaubt sein.«

»Ich für meine Person möchte nicht einmal den neunundneunzigsten Theil eines Grans Weihrauch auf einen Altar legen, der dem Satan errichtet ist,« erwiederte Bridgenorth.

»Wie, Herr Major!« rief die Dame, »Ihr stellt den Satan in Vergleichung mit unserem Monarchen König Carl, und mit meinem geliebten Mann!«

»Verzeiht, gnädige Frau,« antwortete er, »ich hege solche Gedanken nicht; sie würden mir auch wirklich schlecht ziemen. Ich wünsche des Königs und des Ritters Peveril's Gesundheit ehrerbietigst, und will für Beide beten. Aber ich sehe nicht, was für Vortheil es ihrer Gesundheit bringen sollte, wenn ich zum Nachtheil der meinigen eine Flasche leere.«

»Weil wir über diesen Punkt nicht eins werden können,« sprach Lady Peveril, »so müssen wir ein Hülfsmittel ausfindig machen, durch welches keine von beiden Parteien beleidigt wird. Wie wäre es, wenn Ihr bei dem Gesundheittrinken unserer Freunde ein Auge zudrücktet, und wir Euch Euer Stillsitzen nachsähen?«

Aber dieser Vergleich wollte Bridgenorth nicht zusagen; er war der Meinung, das heiße (wie er sich ausdrückte) dem Beelzebub ein Licht vorhalten. Sein von Natur hartnäckiges Temperament war durch eine vorhergegangene Unterredung mit seinem Prediger noch widerspenstiger geworden, welcher zwar im Ganzen ein sehr guter Mann war, aber besonders steif an den kleinlichen Unterscheidungen seiner Secte hing. Es war ihm äußerst mißfällig, daß Bridgenorth, unstreitig das Haupt der presbyterianischen Sache in diesem Bezirk, seine einzige Tochter von einem kanaanitischen Weibe (wie er sich ausdrückte) hatte aufziehen lassen, und erklärte ihm geradezu, daß ihm dieß Speisen in vornehmen Häusern mit denen, die im Herzen unbeschnitten seien, nicht gefalle, und er die ganze Gasterei bloß als eine Lustbarkeit im Hause Tirzah betrachte.

Bei diesen Vorstellungen fing der Major an, sich Vorwürfe darüber zu machen, daß er im ersten Drange der Dankbarkeit sich zu schnell zu einem vertrauten Verkehr mit dem Schlosse Martindale hatte verleiten lassen; aber er war zu stolz, dieß dem Prediger zu gestehen, und erst nach einem beträchtlichen Streit unter ihnen wurden sie darüber eins, ihr Erscheinen bei dem Feste auf die Bedingung zu beschränken, daß in ihrer Gegenwart keine Gesundheiten getrunken würden. Bridgenorth war daher, als Abgeordneter und Repräsentant seiner Partei, verbunden, standhaft alle Vergleiche abzuweisen, und so kam Lady Peveril in große Verlegenheit. Sie bedauerte es nun aufrichtig, überhaupt ihre wohlgemeinte Einladung gegeben zu haben, denn sie sah voraus, daß die abschlägliche Antwort alle vorigen Gegenstände des Zwistes wieder aufwecken, und vielleicht zu neuen Gewaltthätigkeiten unter Menschen führen würde, die vor wenig Jahren noch in Bürgerkrieg verwickelt gewesen waren. Den streitigen Punkt den Presbyterianern einzuräumen, wäre eine tödtliche Beleidigung der Ritter und insbesondere Peveril's gewesen; denn bei ihnen war es ein eben so fester Ehrenpunkt, Gesundheiten auszubringen und zu trinken, als es bei den Puritanern einen wichtigen Religionsartikel ausmachte, Beides zu verweigern. Endlich brach Lady Peveril von diesem Gegenstande ab, und lenkte das Gespräch auf das Kind des Majors, das sie holen und in seine Arme bringen ließ. Der Kunstgriff der Mutter schlug an; denn obgleich der Major fest stand, so wurde doch der Vater erweicht, und ließ sich gefallen, daß seine Freunde einen Vergleich annähmen. Dieser bestand darin, daß der Major selbst, der Geistliche und die strengeren Anhänger der puritanischen Lehren, eine besondere Gesellschaft in dem großen Besuchszimmer bilden sollten, während der Saal von den jovialen Rittern eingenommen würde, so daß es jede Partei mit ihrem Trinken nach ihrem eigenen Gewissen oder nach ihrem eigenen Gebrauch halten könnte.

Der Major selbst schien sich sehr erleichtert zu fühlen, daß diese wichtige Sache in Ordnung gebracht war. Er hatte es für eine Gewissenssache gehalten, hartnäckig auf seiner Meinung zu beharren; war aber herzlich froh, als er der scheinbar unvermeidlichen Nothwendigkeit auswich, Lady Peveril durch Ausschlagung ihrer Einladung zu beleidigen. Er verweilte länger als gewöhnlich, und sprach und lächelte mehr, als er sonst zu thun pflegte. Sein erstes Geschäft nach seiner Zurückkunft war, dem Geistlichen und seiner Gemeinde den von ihm geschlossenen Vergleich bekannt zu machen, und zwar nicht als eine erst zu berathende Sache, sondern als einen bereits festgesetzten Beschluß; und so groß war sein Ansehen bei ihnen, daß der Prediger, wiewohl er eine Scheidung der Parteien auszusprechen wünschte, sich doch nicht von so Vielen unterstützt zu sehen hoffen durfte, daß es die Mühe verlohnt hätte, die einmüthige Zufriedenheit mit dem gemachten Vorschlage zu stören.

Indessen, da jede Partei durch den getroffenen Vergleich in neue Regsamkeit gekommen war, so wurden so viele Zweifelspunkte und Gegenstände delikater Erörterung hinter einander zum Vorschein gebracht, daß Lady Peveril, vielleicht die einzige Person, welche eine wirkliche Aussöhnung unter ihnen zu bewirken wünschte, zum Lohn für ihre wohlwollenden Absichten sich den Tadel beider Factionen zuzog, und viel Grund hatte, ihren wohlgemeinten Plan, die Capulets und Montagues von Derbyshire bei Gelegenheit eines öffentlichen Festes zu vereinigen, zu bereuen.

Da es nun festgesetzt war, daß die Gäste zwei verschiedene Parteien bilden sollten, so wurde es nicht nur eine Streitsache unter ihnen, wer zuerst in das Schloß Martindale eingelassen werden sollte, sondern auch für Lady Peveril und Major Bridgenorth ein Gegenstand ernsthafter Besorgniß, es möchte bei ihrer Annäherung auf derselben Auffahrt und an demselben Eingange ein Streit unter ihnen entstehen und in Thätlichkeiten ausbrechen, selbst ehe sie noch den Ort der festlichen Versammlung erreicht hätten. Lady Peveril glaubte ein treffliches Auskunftsmittel zur Verhütung eines solchen Zusammenstoßens entdeckt zu haben, indem sie vorschlug, daß die Ritter durch den Haupteingang eingelassen würden, während die Puritaner durch eine bei der Belagerung entstandene große Bresche, in welcher seitdem eine Art Nebenweg zum Austreiben des Viehes auf die Weide in den Wald gemacht worden war, in das Schloß gelangen sollten. Verschiedene andere unbedeutendere Umstände wurden zugleich, und wie es scheint, so sehr zur Zufriedenheit des presbyterianischen Geistlichen angeordnet, daß er in einer langen Predigt über das hochzeitliche Kleid sich Mühe gab, seinen Zuhörern zu erklären, daß nicht allein äußerlicher Anzug und Schmuck unter diesem Ausdruck der Bibel verstanden werde, sondern auch eine angemessene Gemüthsstimmung zum Genuß einer friedlichen Festlichkeit, und daher seine Brüder ermahnte, worin auch immer die Verirrungen der armen, verblendeten Uebelgesinnten, mit denen sie morgen gewissermaßen essen und trinken sollten, bestehen möchten, doch bei dieser Gelegenheit kein Uebelwollen gegen sie zu zeigen, damit sie nicht dadurch Störer des Friedens von Israel werden möchten.

Doctor Dummerar, der abgesetzte bischöfliche Vicar von Martindale und Moultrassie, predigte den Königlichgesinnten über dasselbe Thema. Er hatte den Pfarrdienst vor Ausbruch des Aufstandes verwaltet, und stand bei dem Ritter Peveril in hoher Gunst, nicht bloß wegen seiner gesunden Rechtgläubigkeit und tiefen Gelehrsamkeit, sondern auch wegen seiner ausnehmenden Geschicklichkeit im Kegelschieben, und wegen seiner aufgeweckten Unterhaltung bei einer Pfeife und einem Kruge. Als die Partei des Königs zu sinken anfing, verließ Doctor Dummerar seine Pfarre, und begab sich in das Feldlager, wo er bei verschiedenen Gelegenheiten als Kapellan bei Ritter Peveril's Regimente bewies, daß sein ansehnlich gebauter Körper ein wackeres, mannhaftes Herz in sich trug. Als Alles verloren war, und er mit den meisten anderen königlichgesinnten Geistlichen seiner Pfründe beraubt wurde, suchte er sich zu helfen, so gut er konnte. Nach Wiederherstellung des Königthums kam Doctor Dummerar aus seinem Verstecke hervor und eilte nach dem Schlosse Martindale, um den von dieser glücklichen Veränderung unzertrennlichen Triumph mitzufeiern.

Seine Erscheinung auf dem Schlosse in voller geistlicher Amtstracht, und die warme Aufnahme, die ihm bei dem benachbarten Adel zu Theil ward, vermehrte die Unruhe nicht wenig, die sich unter der vor Kurzem noch übermächtigen Partei allmählig verbreitete. Zwar hegte Doctor Dummerar (ein redlicher, würdiger Mann) keine übertriebenen Hoffnungen auf Beförderung: aber die Wahrscheinlichkeit, daß er wieder in die Pfarre eingesetzt werden würde, aus der er unter sehr untriftigem Vorwande war vertrieben worden, gab dem alten presbyterianischen Geistlichen einen starken Stoß, indem er nicht anders als ein unrechtmäßiger Besitzer betrachtet werden konnte. Das Interesse der beiden Prediger sowohl, als die Gesinnungen ihrer Gemeinden, waren daher in geradem Widerspruche, und hier legte sich dem Plane der Lady Peveril zu einer allgemeinen und Alles umfassenden Versöhnung ein anderes widriges Hinderniß in den Weg.

Nichts desto weniger benahm sich, wie wir bereits angedeutet haben, Doctor Dummerar bei der Gelegenheit eben so artig, als der presbyterianische Pfründenbesitzer gethan hatte. In einer Predigt, die er vor verschiedenen der vornehmsten adeligen Familien (außer einem Haufen Dorfjungen, welche der neue Anblick eines Pfarrers im Priesterrock und Chorhemde herbeigezogen hatte) im Schloßsaale hielt, verbreitete er sich zwar sehr weitläufig über die Abscheulichkeit der mancherlei von der aufrührerischen Partei in den letztern bösen Zeiten begangenen Verbrechen, und erhob die huldreiche und friedfertige Gesinnung der gnädigen Frau des Rittersitzes, welche sich herabließ, mit Freundschaft und Gastfreiheit Menschen anzusehen und in ihr Haus aufzunehmen, welche an Grundsätzen hingen, die zur Ermordung des Königs – zum Tödten und Berauben seiner treuen Unterthanen – und zum Plündern und Niederreißen der Kirche Gottes geführt hätten; allein nachher machte er dieß Alles recht artig mit der Bemerkung wieder gut, daß, weil es der Wille ihres gnädigen und eben wieder eingesetzten Monarchen, und das Belieben der verehrungswürdigen Lady Peveril wäre, daß diese halsstarrige und aufrührerische Rotte eine Zeitlang von den treuen Unterthanen geduldet werden solle, es höchst schicklich sein würde, wenn alle dem König ergebene Lehnsleute für jetzt Gegenstände des Streits oder Zanks mit diesen Söhnen Simei's vermieden – eine Ermahnung zur Geduld, welche er durch die tröstliche Versicherung bekräftigte, daß sie sich nicht lange ihrer aufrührerischen Handlungen enthalten könnten; in welchem Falle die Royalisten vor Gott und Menschen gerechtfertigt stehen würden, wenn sie dieselben von dem Antlitz der Erde vertilgten.

In verschiedenen Reihen, und indem jede eine Art Prozession bildete, als wollten die Anhänger jeder Partei ihre Stärke und Menge zeigen, näherten sich die zwei verschiedenen Factionen dem Schloß Martindale; und sie unterschieden sich so sehr in Tracht, Ansehen und Sitte, daß es aussah, als wenn die lustigen Gäste eines Hochzeitfestes und die traurigen Begleiter eines Leichenzuges, von verschiedenen Gegenden aus, sich auf denselben Punkt hin bewegten.

Die Partei der Puritaner war bei weitem die geringere an Zahl, wovon sich zwei triftige Gründe anführen ließen. Für's Erste hatten sie mehrere Jahre lang Ansehen und Macht besessen, und waren daher unbeliebt bei dem gemeinen Volke geworden, welches niemals denen ergeben ist, die im unmittelbaren Besitze der Gewalt genöthigt sind, sie zur Beschränkung seiner Launen und Neigungen anzuwenden. Außerdem liebte das Landvolk Englands, wie immer noch, ganz vorzüglich ländliche Belustigungen, und besaß eine natürliche ungebundene Munterkeit des Temperaments, welche es unter der strengen Zucht der fanatischen Prediger ungeduldig machte; und nicht weniger mußte es mit dem militärischen Despotismus von Cromwell's Generalmajoren unzufrieden sein. Für's Zweite war das Volk, wie gewöhnlich, veränderlich, und die Rückkehr des Königs hatte den Reiz der Neuheit, und war daher dem Volke angenehm. Die Partei der Puritaner wurde zu dieser Zeit auch von einer zahlreichen Klasse verständigerer und klügerer Personen verlassen, welche nicht eher von ihnen abgingen, als bis sie unglücklich wurden. Diese scharfsinnigen Personen hießen in jenem Zeitalter die Anhänger der Vorsehung, und hielten es für ein hohes Vergehen gegen den Himmel, wenn sie irgend einer Sache länger Unterstützung gewährten, als sie durch das Glück begünstigt würde.

Allein, obgleich die Partei der Puritaner so von den Unbeständigen und Selbstsüchtigen verlassen war, so hielt doch eine feierliche Begeisterung, Zutrauen in die Aufrichtigkeit ihrer eigenen Beweggründe, und der männliche englische Stolz, welcher sie geneigt machte, an ihren vormaligen Meinungen zu hangen, gleich dem Reisenden in der Fabel an seinem Mantel, je heftiger der Sturm um ihn her braus'te, hielt doch viele in den Reihen der Puritaner zurück, welche zwar nicht mehr durch ihre Menge, aber noch immer durch ihren Charakter furchtbar waren. Sie bestanden hauptsächlich aus dem mittlern Adel, nebst Andern, welche Gewerbfleiß oder glückliche Spekulationen im Handel oder im Bergwerk emporgebracht hatten – mithin aus solchen, welche durch die überragende Aristokratie am meisten in Schatten gestellt werden, und in Vertheidigung ihrer vermeinten Rechte die heftigsten sind. Ihre Kleidung hatte im Ganzen eine gesuchte Einfachheit und Anspruchslosigkeit; die dunkle Farbe ihrer Mäntel, vom völligen Schwarz zu allen andern dunkeln Farben hinüber spielend, – ihre thurmförmigen Hüte mit breiten dunkeln Rändern, – ihre langen Schwerter, an einem einfachen Riemen hangend, ohne Schultergurt, Degenquasten, Platte, Schnallen oder andere Zierrathen, womit der Adel gern seine Degen schmückte, – ihr kurzes Haar, das ihre Ohren unförmlich hervorragen ließ, – vor Allem der düstre Ernst ihres Ansehens, verkündigten, daß sie zu der Klasse von Schwärmern gehörten, welche entschlossen und unerschrocken den vorigen Bau der Staatsverfassung niedergerissen hatten, und nun mit etwas mehr als Argwohn denjenigen betrachteten, welcher so unerwartet an dessen Stelle getreten war. Es herrschte etwas Trübes in ihren Gesichtszügen; doch war es nicht Ausdruck der Niedergeschlagenheit, viel weniger der Verzweiflung. Sie sahen aus wie alte Krieger nach einer Niederlage, die in ihrem Lauf gehemmt und in ihrem Stolz verwundet sein mochten, aber ihren alten Muth nicht verloren hatten. Die nun herrschend gewordene Schwermuth, die auf Bridgenorth's Gesicht lag, machte ihn wohl geeignet, als Anführer des Haufens, der jetzt vom Dorfe heranzog, aufzutreten. Als sie den Punkt erreichten, bei dem sie sich zuerst seitwärts nach den das Schloß umgebenden Wäldern wenden mußten, entstand in ihnen ein vorüberziehendes Gefühl von Herabsetzung, als wenn sie die Landstraße ihren alten und oft geschlagenen Feinden, den Königsfreunden, überlassen müßten. Als sie anfingen, den gewundenen Pfad, welcher der tägliche Weg des Viehs war, hinaufzusteigen, gab ihnen die offene Schlucht des Holzes eine Aussicht auf den Schloßgraben, der vom Schutt der Bresche halb verstopft war, und auf die Bresche selbst, welche man an der Ecke eines großen viereckigen Seitenthurms gemacht hatte. Ein ernstes stilles Lächeln wurde unter den Puritanern gewechselt, weil der Anblick sie an die vormaligen Siege erinnerte. Holdfast Clegg, ein Mühlenbauer von Derby, der selbst bei der Belagerung Hand angelegt hatte, zeigte auf die Bresche, und sagte mit einem freundlichen Lächeln zu Herrn Solsgrace: »Ich hätte schwerlich geglaubt, als ich mit eigner Hand die Kanone, die Oliver gegen jenen Thurm beorderte, richten half, daß wir, wie Füchse, auf dieselben Mauern würden klettern müssen, die wir mit unserm Bogen und Spieß erobert hatten. Mich deucht, diese Uebelgesinnten hatten damals genug damit zu thun, ihre Thore zu schließen und ihre Vesten gegen uns zu erhöhen.«

»Sei still, mein Bruder,« sagte der Geistliche, »sei still, und laß deine Seele nicht beunruhigt werden. Wir gehen nicht schimpflich an diesen hohen Ort, sintemal wir durch das Thor heransteigen, welches der Herr den Frommen geöffnet hat.«

Die Worte des Pastors waren wie ein Feuerfunke auf Schießpulver. Die Mienen des traurigen Gefolges klärten sich plötzlich auf; sie nahmen, was aus seinem Munde gefallen war, als eine Vorbedeutung, und als ein Licht vom Himmel auf, wie sie ihre gegenwärtige Lage ansehen sollten, und erhoben einmüthig einen der Triumphgesänge, womit die Israeliten die Siege feierten, welche ihnen über die heidnischen Bewohner des gelobten Landes waren verliehen worden.

Als der laute Schall der Psalmmelodie, welcher durch die verfallenen Mauern wiederhallte, zu den Ohren der Königsfreunde drang, um sie gleichsam zu erinnern, wie wenig sie auf die Unterdrückung ihrer Gegner zu bauen hätten, wurde von ihnen darauf zuerst mit einem spöttischen Gelächter geantwortet, das man so laut, als die Lungen erlaubten, erschallen ließ, damit es den Psalmsängern die Verachtung ihrer Zuhörer verkündigen möchte; aber dieß war eine erzwungene Aeußerung des Parteihasses. In melancholischen Gefühlen liegt mehr, was einem unvollkommenen und bedrängten Zustande entspricht, als in fröhlichen, und wenn beide in eine Berührung gebracht werden, so siegen meistentheils die erstern. Wenn ein Leichenbegängniß und eine Hochzeitprozession unerwartet zusammenträfen, so wird man mir gern einräumen, daß die Fröhlichkeit des letzteren bald Etwas von dem düstern Ton des erstern annehmen würde. Aber die Adeligen und Royalisten hatten überdieß Mitgefühle von einer andern Art. Die Psalmmelodie, welche ihnen jetzt in's Ohr drang, war zu oft gehört worden, und bei zu vielen Gelegenheiten dem von den Widerspenstigen gewonnenen Siege vorhergegangen, um von ihnen, selbst bei ihrem Triumph, ohne Gemüthsbewegung gehört werden zu können. Jetzt entstand eine Pause, deren sich die Partei selbst in etwas zu schämen schien, bis das Stillschweigen durch den alten wackern Ritter Jasper Cranbourne gebrochen wurde, dessen Tapferkeit so allgemein anerkannt war, daß er selbst solche Regungen frei gestehen durfte, welche Leute von einigermaßen zweifelhafter Herzhaftigkeit zu bekennen, unklug gefunden haben würden.

»Ha ha!« sagte der alte Ritter, »kein Tropfen Wein soll wieder über meine Zunge kommen, wenn das nicht dasselbe Lied ist, mit dem die spitzöhrigen Schurken ihren Angriff auf Wigganlane anfingen, wo sie uns wie die Kegel niederrollten! Wahrhaftig, Nachbar, offenherzig zu reden, dem Teufel zum Trotz, die Melodie will mir eben nicht behagen.«

»Wüßt' ich, die stutzköpfigen Schurken thäten es zum Hohn,« rief Richard Wildblood vom Thale, »ich wollte ihnen ihr Psalmsingen aus ihren Bauerkehlen mit diesem Knittel herausschlagen.« Ein Ausbruch, der, vom alten Roger Raine, dem betrunkenen Kellner des Peveril'schen Hauses im Dorfe, unterstützt, ein allgemeines Gefecht hätte veranlassen können, wenn nicht Ritter Cranbourne den Streit verhütet hätte.

»Wir wollen keine Fehde haben, Richard,« sagte der alte Ritter zu dem jungen Verwalter; »nein, nein, wir wollen keine Schlägerei haben, aus drei Gründen: erstens, weil es unartig gegen Lady Peveril wäre; dann, weil es wider den Frieden des Königs ist, und endlich, Richard, weil, wenn wir die psalmsingenden Schurken anfielen, Ihr am schlimmsten dabei wegkommen würdet, wie Ihr es erfahren habt, Richard.«

»Wer, ich! Ritter Jasper,« antwortete Richard, »ich am schlimmsten weggekommen? Ich will verdammt sein, wenn es je geschah, außer in dem verwünschten engen Paß, wo wir nicht mehr Flanke, Fronte und Nachtrab hatten, als Häringe in einer Tonne.«

»Das war die Ursache, denk' ich,« antwortete der Ritter Jasper Cranbourne, »daß Ihr, um den Fehler gut zu machen, in die Hecke krocht und da stecken bliebt, Roß und Mann, bis ich Euch mit meinem Commandostab heraus schlug; und dann, anstatt auf die Fronte los zu gehen, machtet Ihr rechtsum, und fort so schnell, als Euch Eure Füße tragen konnten.«

Diese Erinnerung brachte ein Gelächter auf Richard's Unkosten hervor, der dafür bekannt, oder wenigstens im Verdacht war, mehr Muth auf der Zunge, als im Herzen zu haben. Und da diese Art von Spötterei von Seiten des Ritters die Empfindlichkeit, die in dem Busen der royalistischen Cavalcade zu erwachen anfing, glücklich gedämpft hatte, so wurden fernere Ursachen zum Anstoß durch das plötzliche Aufhören jener Töne entfernt, die sie als eine absichtliche Kränkung hatten auslegen wollen.

Dieß verdankte man der Ankunft der Puritaner an der großen und weiten Bresche, welche ehedem durch ihre siegreiche Kanone in die Mauer des Schlosses gemacht worden war. Der Anblick ihrer Schutthaufen und der zerrissenen Theile des Gebäudes, von welchem aus sich allmählig ein schmaler, steiler Pfad wand, war dazu geeignet, im Contrast mit den grauen und festen Thürmen und Pfeilern, die noch unverletzt standen, sie an ihren Sieg über die Festung ihrer Feinde und daran zu erinnern, wie sie Edle und Prinzen in eiserne Fesseln geschlagen hatten.

Aber angemessenere Gefühle erwachten selbst in dem Busen dieser strengen Sectirer, als die Gebieterin des Schlosses, noch in der frischen Blüthe der Schönheit und Weiblichkeit, mit ihrer vornehmsten weiblichen Begleitung, an dem Ende der Bresche erschien, ihre Gäste mit der ihrer Einladung gebührenden Ehre und Höflichkeit zu empfangen. Sie hatte die schwarze Kleidung, welche mehrere Jahre hindurch ihre einzige Tracht war, abgelegt, und war mit einem Glanz geschmückt, der ihrer hohen Abkunft und ihrem Stande wohl ziemte. Juwelen freilich trug sie nicht; aber ihr langes und dunkles Haar war mit einem Kranze von Eichenlaub und eingeflochtenen Lilien geziert; jenes zum Sinnbilde der Erhaltung des Königs in der königlichen Eiche, und diese als Zeichen seiner glücklichen Wiedereinsetzung. Was ihre Gegenwart denen, die sie erblickten, noch interessanter machte, war die Anwesenheit der zwei Kinder, die sie an beiden Händen hielt; eins derselben war Allen als das Kind ihres Anführers, Major Bridgenorth's, wohl bekannt, welches durch die fast mütterliche Sorgfalt der Lady Peveril im Leben und Wohlsein erhalten worden war.

Wenn selbst die geringeren Personen der Gesellschaft den heilenden Einfluß ihrer Gegenwart in dieser Begleitung fühlten, so wurde der arme Bridgenorth fast davon überwältigt. Die Strenge seiner Kaste und ihrer Sitte erlaubte ihm zwar nicht, auf's Knie zu fallen und die Hand zu küssen, welche seine kleine Waise hielt; aber die Tiefe seiner Verbeugung, das Zittern und Stottern seiner Stimme, und das Glänzen seines Auges verriethen eine dankbare Ehrerbietung gegen die Frau, zu der er sprach, in einem innigern und ehrfurchtsvollern Ausdruck, als selbst durch eine Niederwerfung nach persischer Sitte hätte geschehen können. Einige wenige artige, freundliche Worte über das Vergnügen, wieder einmal ihre Nachbarn als ihre Freunde zu sehen, einige gütige Nachfragen, an die vornehmsten unter ihren Gästen gerichtet, über ihre Familien und Bekannten, vollendeten ihren Triumph über feindselige Gedanken und gefährliche Erinnerungen, und stimmten die Gemüther zur Theilnahme an dem Zwecke der Versammlung.

Sogar Solsgrace selbst, der sich freilich durch Amt und Pflicht verbunden glaubte, über die mancherlei List »der amalekitischen Weiber« zu wachen und ihr entgegen zu arbeiten, entging der sympathetischen Ansteckung nicht und wurde von den Zeichen des Friedens und Wohlwollens, welche Lady Peveril ihn wahrnehmen ließ, so ergriffen, daß er sogleich den Psalm anhub:

Wie schön ist's, wenn Brüder einträchtig bei einander wohnen!

Lady Peveril empfing diese Begrüßung als eine erwiederte Höflichkeit, und führte nun in Person diese Partie ihrer Gäste in das Zimmer, wo die Tafel mit reichlichem Vorrath besetzt war; sie hatte sogar die Geduld zu bleiben, während Pastor Nehemia Solsgrace ein Tischgebet von ungeheurer Länge als Einleitung zu dem Gastmahle sprach. Ihre Gegenwart war einigermaßen ein Zwang für den Geistlichen, dessen Vortrag um so länger währte, und um so verwickelter ward, weil er sich verhindert fühlte, ihn durch seine gewöhnlich angehängte Bitte um Befreiung von Pabstthum, Prälatur und Peveril vom Gipfel abzukürzen, welche ihm jedoch so zur Gewohnheit geworden war, daß er, nach verschiedenen Versuchen, mit einer andern Redeform zu schließen, endlich sich genöthigt sah, die ersten Worte seiner üblichen Formel laut auszusprechen, die übrigen aber auf eine solche Art zu murmeln, daß selbst die nächsten Zuhörer sie nicht verstehen konnten.

Auf das Stillschweigen des Geistlichen folgte das gewöhnliche Geräusch, welches das Platznehmen einer hungrigen Gesellschaft an einer wohlbesetzten Tafel ankündiget, und verschaffte zu gleicher Zeit der Lady Gelegenheit, das Zimmer zu verlassen und nach der Bedienung ihrer andern Gesellschaft zu sehen. Sie fühlte in der That, daß es hohe Zeit war, dieß zu thun, und daß die royalistischen Gäste die frühere Aufmerksamkeit, welche sie der Klugheit gemäß fand, den Puritanern zu beweisen, übel zu deuten oder selbst zu ahnden geneigt sein möchten.

Diese Besorgnisse waren nicht ganz ungegründet. Umsonst hatte der Haushofmeister die königliche Fahne mit ihrem stolzen Motto » Tandem triumphans« (endlich siegreich) an einem der großen Thürme, welche zur Seite des Haupteinganges standen, aufgesteckt; während von dem andern das Panier Peverils vom Gipfel flatterte, unter welchem Viele von denen, die nun naheten, während des wechselnden Bürgerkriegs gefochten hatten. Umsonst wiederholte er seinen lauten Ausruf: »Willkommen, edle Ritter und Herren, willkommen!« Es entstand ein dumpfes Murmeln unter ihnen, daß das Willkommen aus dem Munde der Gemahlin des Obersten, nicht aus dem eines Domestiken, hätte kommen sollen. Sir Jasper Cranbourne, der sowohl gesunden Verstand, als Geist und Muth besaß, und die Beweggründe seiner schönen Base wohl kannte, auch allerdings von ihr über alle von ihr angenommenen Einrichtungen war zu Rath gezogen worden, fand die Lage der Dinge so, daß keine Zeit zu verlieren war, die Gäste in's Speisezimmer zu führen, wo Tafelgenüsse aller Art, wofür die Lady so reichlich gesorgt hatte, ihre Aufmerksamkeit von diesen Gegenständen ablenken konnten.

Der Kunstgriff des alten Kriegers gelang im höchsten Grade. Er nahm den großen Eichenstuhl ein, auf dem der Haushofmeister bei seinen Amtsgeschäften zu sitzen pflegte, und nachdem Dr. Dummerar ein kurzes lateinisches Tischgebet gesprochen, ermunterte Sir Jasper die Gesellschaft, ihren Appetit zur Mahlzeit durch einen vollen Kelch auf das Wohl seiner Majestät zu schärfen. Im Augenblick erklangen die Gläser und Flaschen. Im andern Augenblick standen die Gäste auf ihren Füßen, gleich so vielen Statuen, todtenstill, aber mit glänzenden, erwartungsvollen Blicken und mit ausgestreckten Händen, welche ihre vollen, dem König geweihten Pokale hielten. Die Stimme des Ritters Jasper Cranbourne, hell, volltönend und nachdrücklich, wie der Klang seiner Feldtrompete, brachte die Gesundheit des wiedereingesetzten Monarchen aus, welchen Trinkspruch die Versammlung schnell erwiederte, welche vor Ungeduld brannte, die gebührende Huldigung darzubringen. Eine andere kurze Pause füllte das Ausleeren ihrer Gläser und der gemeinschaftliche Ausbruch in einen so lauten Ausruf der Gesundheit, daß nicht nur die Balken des alten Saales erzitterten, sondern auch die Eichen- und Blumengewinde, womit sie geschmückt waren, in Bewegung geriethen, und wie von plötzlichem Wirbelwind rauschten. Nach diesem feierlichen Akt fiel nun die Gesellschaft über die Gerichte her, unter denen die Tafel ächzte, ermuntert durch Fröhlichkeit und Gesang; denn alle Minnesänger des Bezirks, welche, gleich der bischöflichen Geistlichkeit, unter der Herrschaft der eigenmächtigen Heiligen des Freistaats bisher hatten verstummen müssen, waren zugegen. Das gesellige Geschäft des guten Essens und Trinkens, die wechselseitigen Gesundheiten zwischen alten Nachbarn, welche Feldkameraden im Augenblicke des Widerstandes – Leidensgefährten zur Zeit des Drucks und der Unterjochung gewesen, verwischten bald aus ihrem Andenken die nichtige Ursache der Beschwerde, welche bei einigen die Festlichkeit des Tages getrübt hatte; so daß Lady Peveril, als sie, wie zuvor, von den Kindern und ihren Frauen begleitet, in den Saal trat, mit den Zurufungen bewillkommt wurde, welche der Wirthin und Gebieterin des Schlosses, der Gemahlin des edlen Ritters, gebührten, welcher die meisten von ihnen mit unerschrockenem und ausharrendem, eines bessern Erfolgs würdigem Muth in die Schlacht geführt hatte.

Ihre Anrede an sie war kurz und anständig, doch mit so viel Gefühl gesprochen, daß sie jedes Herz rühren mußte. Sie entschuldigte ihre spätere Bewillkommnung durch die Bemerkung, daß an diesem Tage Personen im Schlosse zugegen wären, welche neuere, glückliche Begebenheiten aus Feinden zu Freunden gemacht hätten, bei denen aber der letztere Charakter noch so neu wäre, daß sie nicht gewagt habe, irgend einen Punkt des Ceremoniels bei ihnen zu vernachlässigen. Allein diejenigen, zu denen sie jetzt spreche, seien die besten, die theuersten, die treuesten Freunde von ihres Mannes Hause, denen und deren Tapferkeit Peveril nicht nur jene glücklichen Siege verdanke, die ihnen und ihm in den letztern traurigen Zeiten Ruhm verschafft, sondern deren Muthe sie insbesondere die Erhaltung des Lebens ihres Anführers schuldig wäre, selbst als er keine Niederlage abwenden konnte. Ein oder zwei Worte des herzlichsten Glückwunsches zur glücklichen Wiederherstellung der königlichen Familie und Regierung vollendeten Alles, was sie hinzuzusetzen wagte, und mit einer gefälligen Verbeugung gegen die Versammlung setzte sie ein Glas an ihre Lippen, gleichsam zur Bewillkommnung ihrer Gäste.

Die Balken des alten Schloßsaals von Martindale erbebten sogleich von einem lautern und hellern Ruf, als von dem sie so eben erst gezittert hatten, und die Namen des Ritters Peveril vom Gipfel und seiner Gemahlin wurden unter dem Schwenken der Mützen und Hüte und unter allgemeinen Wünschen für ihr Wohlsein und Glück ausgerufen.

Unter diesen frohen Aussichten entfernte sich Lady Peveril aus dem Saale, und gab dem Jubel des Abends freien Spielraum.

Die Unterhaltung der Puritaner war von einer andern, weniger rauschenden Art. Bei ihnen gab es weder Gesang, noch Scherze, noch Musik, noch Gesundheiten, und doch schienen sie nicht weniger, nach ihrem eigenen Ausdrucke, die Erquickungen der Creatur zu genießen, welche die Gebrechlichkeit der Menschheit ihrem äußerlichen Menschen angenehm macht. Der alte Whitaker selbst betheuerte, daß sie, obgleich viel kleiner an der Zahl, doch fast eben so viel Sekt und Claret verbrauchten, als seine eigenen aufgeweckteren Parteigenossen. Ohne einen so parteiischen Bericht anzunehmen, wollen wir blos sagen, daß bei dieser Gelegenheit, wie bei den meisten andern, die Seltenheit des Genusses das Gefühl des Vergnügens erhöhte, und daß diejenigen, welche Enthaltsamkeit, oder wenigstens Mäßigkeit zu einem religiösen Grundsatz machten, ihre geselligen Zusammenkünfte um so besser genossen, je seltener solche Gelegenheiten sich ihnen darboten. Wenn sie auch nicht wirklich Gesundheiten einander zutranken, so zeigten sie wenigstens durch einander zugeworfene Blicke und Kopfnicken bei Erhebung ihrer Gläser, daß sie alle dieselbe fröhliche Befriedigung ihres Appetits mit einander theilten, und sie deßhalb erhöht fühlten, weil ihre Nachbarn und Freunde zu gleicher Zeit dieses Vergnügen genossen. Religion, so wie sie der Hauptstoff ihrer Gedanken war, ward auch der vornehmste Gegenstand ihres Gesprächs; und, da sie in kleinen abgesonderten Parteien beisammen saßen, besprachen sie dogmatische und metaphysische Artikel des Glaubens, wogen die Verdienste verschiedener Prediger ab, verglichen die Glaubensbekenntnisse streitender Secten, und bestärkten durch biblische Aussprüche die Meinungen, welche sie selbst begünstigten. Einige Streitigkeiten erhoben sich im Verlauf dieser Verhandlungen, welche, ohne Major Bridgenorth's klügliche Vermittlung, wohl die Gränze des Schicklichen hätten überschreiten können.

Der Major veranlaßte auch den Aufbruch der Gesellschaft zu früher und schicklicher Stunde, so daß sie das Schloß lange verlassen hatten, ehe ihre Nebenbuhler, die Königlichen, zum Gipfel ihrer Fröhlichkeit gelangt waren; eine Anordnung, womit Lady Peveril sehr zufrieden war, weil sie die Folgen fürchtete, welche wahrscheinlich bei dem gemeinschaftlichen Fortgehen beider Parteien entstanden wären.

Es war fast Mitternacht, ehe der größere Theil der Ritterpartei, nämlich solche, die ohne fremden Beistand sich entfernen konnten, mit Benutzung des Vollmondes, um Unfälle zu verhüten, das Dorf Martindale-Moultrassie verließ.

Ihr Jauchzen und der Refrain ihres laut schallenden Chors: »Der König kommt wieder in sein Reich!« – wurde von der Lady Peveril mit nicht geringem Vergnügen gehört, da sie herzlich froh war, daß die Lustbarkeit des Festes ohnen einen widrigen Vorfall vorübergegangen war. Die Belustigung war jedoch noch nicht gänzlich zu Ende; denn die exaltirten Royalisten, welche einige Landleute noch auf den Füßen und um ein Freudenfeuer auf der Straße versammelt fanden, schlugen sich fröhlich zu ihnen, schickten nach zwei Fässern Branntwein (Stingo genannt), und halfen sie auf die Gesundheit des Königs und des wackern Generals Monk leeren. Der Tumult verhallte endlich, und der Mond ging in stiller Herrlichkeit, die Zinnen versilbernd, über dem Dorfe auf.



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